Arbeitszeitkonten - ein Allheilmittel? Überblick und kritische Bestandsaufnahme
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- Erna Bachmeier
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1 Arbeitszeitkonten - ein Allheilmittel? Überblick und kritische Bestandsaufnahme Dr. Alex. Herzog-Stein Jahrestagung des Arbeitnehmer-Forums der DUK / AUPU Versorgungswerke e.v. 10. November 2014 Weimar
2 Inhalt (1) Die Ausgangslage (2) Was sind Arbeitszeitkonten und wie funktionieren sie? (3) Verbreitung von Arbeitszeitkonten (4) Volkswirtschaftliche Bedeutung von Arbeitszeitkonten: Das Beispiel der Beschäftigungssicherung in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 (5) Vor- und Nachteile von Arbeitszeitkonten aus Sicht der ArbeitnehmerInnen (6) Fazit 2
3 Die Ausgangslage 3
4 Schicht-, Nacht- und Wochenendarbeit Anteil an den abhängig Erwerbstätigen 1991 und ,1 32,7 43,5 38,4 25,8 17,2 13,4 14,8 12,7 17,2 Samstagsarbeit Sonntagsarbeit Nachtarbeit Schichtarbeit Samstag-, Sonntag-, Abend-, Nachtbzw. Wechselschicht Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus; eigene Berechnungen. 4
5 Entwicklung der Arbeitszeit Flexible Arbeitszeitmuster ersetzen Modell der starren Regelarbeitszeit Dauer: polarisiertes Muster (kürzer und länger) Lage: Trend zur Rund-um-die-Uhr-Wirtschaft Verteilung: variable Muster (Zeitkonten, Vertrauensarbeitszeit) 5
6 Arbeitszeitkonten: Ein wichtiges Instrument der Arbeitszeitgestaltung 6 Quelle Abbildung: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
7 Was sind Arbeitszeitkonten und wie funktionieren sie? 7
8 Definition Arbeitszeitkonten Im Prinzip funktionieren Arbeitszeitkonten ähnlich wie ein Geldkonto bei der Bank (Seifert 2013) Eindeutige Definition aufgrund der Vielfalt schwierig Instrument der Zeitbewirtschaftung, Betriebe verwalten und regulieren damit eine variable Verteilung der Arbeitszeit Durch Mehrarbeitsstunden und Minderarbeitsstunden werden Zeitguthaben bzw. schulden aufgebaut und dokumentiert Zeitguthaben oder schulden sind in einem bestimmten Zeitraum wieder auszugleichen und/oder dürfen festgelegte Ober- bzw. Untergrenzen nicht überschreiten Arbeitszeitkonten können in Geld oder Zeit geführt werden 8
9 Arbeitszeitkonten in der betrieblichen Praxis In den Betrieben gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Arbeitszeitkontenmodellen Tatsächliche Ausgestaltung hängt von den betriebsspezifischen Arbeitszeitformen und Anwendungskontexten ab. In den Betrieben finden sich häufig Mischformen und Variationen je nach Beschäftigtengruppe Beschäftigte können auch mehrere Arbeitszeitkonten haben Insolvenzschutz ja oder nein? 9
10 Regelungsparameter von Arbeitszeitkonten (1) Zeitelemente, die auf den Konten verbucht werden können (2) Ausgleichszeiträume (3) Höchstgrenzen für die Kontostände (4) Verwendungsmöglichkeiten von Zeitguthaben (5) Modus, über Zeitguthaben verfügen zu können REGULIERTE FLEXIBILITÄT wesentliche Gestaltungsparameter von Zeitkonten sind überwiegend tarifvertraglich und betrieblich geregelt Ein Mix aus tariflicher und betrieblicher Regulierung definiert die Spielräume und Grenzen der Flexibilität 10
11 Möglichkeiten der Kategorisierung von Arbeitszeitkonten Kategorisierung der verschiedenen Formen von Arbeitszeitkonten erfolgt in der Literatur entweder nach: den unterschiedlichen Verwendungsarten, den verbuchbaren Zeitelementen, den unterschiedlichen Verwendungsarten und der Art ihrer Organisierung Seifert (2001, 2005): Gleitzeitkonto, Überstundenkonto, Bandbreiten- bzw. Korridorkontenmodell, Ansparkonto oder nach der Länge des Ausgleichszeitraums Hildebrandt (2007): Kurzzeitkonten (i.d.r. Ausgleichszeitraum bis zu einem Jahr), Langzeitkonten und Lebensarbeitszeitkonto (i.d.r. Ausgleichszeitraum von mehr als einem Jahr) 11
12 Klassifikation von Arbeitszeitkontenmodellen Quelle Abbildung: Zapf (2012) 12
13 Ausgleichszeiträume von Arbeitszeitkonten 13 Quelle Abbildung: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
14 Geld- oder Zeiteinheiten Quelle Tabelle: Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011) 14
15 Insolvenzschutz bei Kurzzeitkonten Quelle Abbildung: Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011) 15
16 Insolvenzschutz bei Langzeitkonten Quelle Abbildung: Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011) 16
17 Verwendungszweck von Langzeitkonten 17 Quelle Tabelle: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
18 Verbreitung von Arbeitszeitkonten 18
19 Verbreitung von Arbeitszeitkonten 19 Quelle Abbildung: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
20 Verbreitung von Arbeitszeitkonten nach Betriebsgröße 20 Quelle Abbildung: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
21 Verbreitung von Langzeitkonten 21 Quelle Abbildung: Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013)
22 Verbreitung von Arbeitszeitkonten nach Branchen Quelle Abbildung: Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011) 22
23 Arbeitszeitkonten und Arbeitnehmervertretungen 23 Quelle Abbildung: Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011)
24 Volkswirtschaftliche Bedeutung von Arbeitszeitkonten: Das Beispiel der Beschäftigungssicherung in der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/
25 Komponenten der Jahresarbeitszeit im Jahr Quelle: IAB-Arbeitszeitrechnung (FB A2)
26 Krisenbetroffenheit während der Wirtschafts- und Finanzkrise Krisenbetroffenheit der Betriebe seit Anfang Juli 2008 (Anteile in Prozent aller Betriebe des jeweiligen Bereichs) Insgesamt Westdeutschland Ostdeutschland Exportabhängigkeit: stark Exportabhängigkeit: mittel Exportabhängigkeit: gering Grundstoffe/Produktionsgüter Investitions- und Gebrauchsgüter Verbrauchsgüter Baugewerbe Handel (und Reparatur) Verkehr und Nachrichten Kredit und Versicherungen sonstige private und öffentliche Dienstleistungen sonstige Branchen Quelle: WSI Betriebsrätebefragung 2009: Beschäftigungssicherung Prozent
27 Bedeutung von Arbeitszeitkonten während der Wirtschafts- und Finanzkrise Umgesetzte Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung (Anteile an allen Betrieben, Mehrfachnennungen) Alle Betriebe von Krise betroffen Nicht von Krise betroffen Einschnitte bei betr. Sozialleistungen Veränderung sonst. Arbeitszeit Abstriche beim Entgelt Regelungen zur Urlaubsnahme Betriebliche Umsetzung oder Versetzung Kurzarbeit umgesetzt Abbau Arbeitszeitkonten / Aufbau Zeitschulden Quelle: WSI Betriebsrätebefragung 2009: Beschäftigungssicherung Prozent 27
28 Guthabenabbau in der Wirtschaftsund Finanzkrise Quelle Abbildung: Zapf, I. / Brehmer, W. (2010) 28
29 Guthabenabbau nach Wirtschaftssektoren Quelle Abbildung: Zapf, I. / Brehmer, W. (2010) 29
30 Intensität des Guthabenabbaus nach Beschäftigtenanteilen Quelle Abbildung: Zapf, I. / Brehmer, W. (2010) 30
31 Chancen und Risiken von Arbeitszeitkonten im Krisenkontext Chancen und Vorteile Effektives Instrument zum Krisenmanagement Verminderung bzw. Vermeidung von Entlassungen Erhöhung der Arbeitsplatzsicherheit Schnelle Anpassung von Auslastungsgrad und Produktivität Risiken und Nachteile Schutz der Insider könnte zulasten der Outsider gehen Kosten bei Einführung und Verwaltung 31
32 Vor- und Nachteile von Arbeitszeitkonten aus Sicht der ArbeitnehmerInnen 32
33 Konkurrierende Anforderungen an Zeitgestaltung Kosten senken Ehrenamt Demografie Kapazitätssteuerung Qualifizierungszeiten Beschäftigung sichern Arbeitszeitpolitik Ressourcen schonen alternsgerecht Zeitwünsche Pflegezeiten Zeitsouveränität familienfreundlich Einkommen Work life balance 33
34 Erfahrungen der Beschäftigten mit Zeitkonten Vorteile Mehrheit: mehr Zeitautonomie (kleine Zeitfreiheiten) Beschäftigungssicherung (Ausnahme: Leiharbeiter, befristet Beschäftigte) Nachteile Minderheit: mehr fremdbestimmte Zeiten Wegfall Überstundenzuschläge Risiko: Kappzeiten bei Kurzzeitkonten 34
35 Zeit-/Zielkonflikte Kapazitätssteuerung Zeitsouveränität/ Familien-/Pflegezeiten/ Ehrenamt Beschäftigungssicherung Zeitsouveränität/Pflege-/ Familienzeiten/Ehrenamt Langzeitkonten Belastungen, soziale Beeinträchtigung in Ansparphase Kurzzeitkonten Langzeitkonten: Zeitkonkurrenzen in Ansparphase 35
36 Fazit 36
37 Fazit Flexible Arbeitszeitformen werden zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen Arbeitszeitkonten sind ein Beispiel für ein Instrument der regulierten Flexibilität Arbeitszeitkonten bieten Arbeitnehmern Chancen und Möglichkeiten aber auch Risiken und Probleme Im Bereich der Arbeitszeitpolitik ergibt sich durch die Vielzahl von Anforderungen an die Zeitgestaltung eine Vielzahl von Ziel- und Zeitkonflikten In der betrieblichen Realität und in der Öffentlichkeit stehen zu häufig die betrieblichen Interessen im Vordergrund 37
38 Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit! 38
39 39 Verwendete Literatur Bogedan, C. / Brehmer, W. / Herzog-Stein, A. (2009): Betriebliche Beschäftigungssicherung in der Krise. Eine Kurzauswertung der WSI-Betriebsrätebefragung In: WSI-Report, Nr. 1 Ellguth, P. / Gerner, H.-P. / Zapf, I. (2013): Flexibilität für Betriebe und Beschäftigte: Vielfalt und Dynamik bei den Arbeitszeitkonten. In: IAB-Kurzbericht 3/2013 Herzog-Stein, A. / Zapf, I. (2014): Navigating the Great Recession: The Impact of Working-Time Accounts in Germany. In: Industrial & Labor Relations Review, 67 (3), Riedmann, A. / Kümmerling, A. / Seifert, H. (2011): Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen ( Flexi II -Gesetz). Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. BMAS Forschungsbericht Arbeitsmarkt, Nr. 418 Seifert, H. (2004): Arbeitszeitpolitischer Modellwechsel: Von der Normalarbeitszeit zu kontrollierter Flexibilität. WSI-Diskussionspapier, Nr. 127 Seifert, H. (2013): Arbeitszeitkonten: Von starrer Regelarbeitszeit zu regulierter Flexibilität, Beitrag für die Friedrich-Ebert-Stiftung Büro Korea Seifert, H. / Kümmerling, A. / Riedmann, A. (2013): Langzeitkonten überschätzte Erwartungen einer biografieorientierten Zeitpolitik? In: WSI-Mitteilungen, 66 (2), Zapf, I. / Brehmer, W. (2010): Arbeitszeitkonten haben sich bewährt. In: IAB-Kurzbericht 22/2010 Zapf, I. (2012): Flexibilität am Arbeitsmarkt durch Überstunden und Arbeitszeitkonten: Messkonzepte, Datenquellen und Ergebnisse im Kontext der IAB-Arbeitszeitrechnung. In: IAB-Forschungsbericht 3/2012
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