Nicht wir machen Erfahrungen, sondern Erfahrungen machen uns! Ionesco
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- Hinrich Ziegler
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Die biografische Wunde - Das Hirn entwickelt sich nach seinen Nutzungsbedingungen (Neuroplastizität) Wenn traumatisches Erleben Spuren hinterlässt Nicht wir machen Erfahrungen, sondern Erfahrungen machen uns! Ionesco Risikofaktor: Traumatisches Ereignis schicksalhafte oder von anderen Menschen hervorgerufene lebensbedrohliche, hochgradig ängstigende und ausweglose Situationen (Hüther, Korritko, Wolfrum, Besser, 2012) Traumatisierung bezeichnet das Erleben und die Folgen - nicht das Ereignis Trauma (Wunde) Tiefgreifende, seelische Verletzung/ Wunde Erleben plötzlicher, heftiger oder anhaltende äußere und/oder innere Bedrohung, das mit dem Gefühl von: Todesangst, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Schutzlosigkeit einhergeht Ein traumatisches Erlebnis überfordert die gewohnten Anpassungs- und Verarbeitungsstrategien Trauma - Folgen Traumatisches Erleben hinterlässt eine Wunde (Trauma) in der Hirnstruktur und somit organische Spuren Eine Traumatisierung ist nicht ausschließlich psychisch sondern insbesondere organisch zu erklären! 1
2 Trauma und Bindung Psychischer No Flight Hilfslosigkeit Bindungsperson Wahrnehmungsveränderungen: Dissoziation, Fragmentierung Überwältigende Bedrohung Aktivierung des Paniksystems Alarmreaktionen des Körpers werden hochgefahren (Stresssystem) Zustand des Ausgeliefertseins Freeze - Erstarrung No Fight Machtlosigkeit Überlastungsschutz Anpassungsreaktionen: Unterwerfung Das Hirn Hirnstamm: Atmung, Herzschlag, Blutdruck, Wachheit, Alarmbereitschaft, Mobilisation der Überlebensreaktionen Zuständig für Überleben (Reptiliengehirn) Limbisches System: zuständig für Gefühl und emotionales Gedächtnis Präfortaler Cortex: zuständig für: Impulskontrolle, Planung, rationales Denken, Problemlösung (Managementabteilung) Biochemische Vorgänge im Organismus Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin sorgen für maximale Körperspannung und Beweglichkeit ==> Voraussetzung für Kampf o. Flucht gesteigerte Cortisolausschüttung erhöht Angstpegel ==> Voraussetzung für Wachsamkeit Ausschüttung körpereigener Endorphine sorgt für Verminderung des Schmerzempfindens (Dissoziativer Zustand) Seelensplitter Selbstschützende Wahrnehmungsveränderung Bilder Sensorisches Erleben Gedank en Körperliches Erleben FRAGMENTIERUNG Gefühle Verhalten Bindungserleben Fragmente.. sind Aspekte die während des traumatischen Erlebens aktiv waren diese werden im Organismus in abgespaltener Form eingefroren und gespeichert Und sind durch innere oder äußere Trigger (Schlüsselreize) jederzeit abrufbar und auslösbar Dadurch kann vollständiges oder unvollständiges Wiedererleben der alten Situation hervorgerufen werden Dominoeffekt Getriggerte Innere Kinder 2
3 Trauma und Traumatisierung Schutzfaktoren Trauma Folgesymptomatiken Übererregung (Hyperousel): allgemeine Unruhe, Konzentrationsschwäche, Impulsdurchbrüche, Überschusshandlungen, Orientierungslosigkeit Intrusionen/ Flashbacks: Vollständiges oder teilweise Wiedererleben der traumatischen Situation (ausgelöst durch Trigger ) ==> Gefühls-/ Bilderstürme Vermeidung (Konstriktion): bewusste Vermeidung und/oder dissoziative Prozesse (Abwesenheitszustände) Dissoziation (Abwesenheitsszustände; keine Selbststeuerung ) Monotrauma Multitrauma Sequentielle Traumatisierung Entwicklungstraumata Angst!! Aggressionen/ Wut Dysfunktionales Bindungsverhalten Schlafstörungen/ Psychosomatische Phänomene Symptomatik Beeinträchtigung der Kognitive Entwicklung: Lernen und Speichern Ausgeprägte Scham- und Schuldgefühle Folgen biografischer Verwundungen Hohes Maß an Stresssensibilität (Stress-Disorder) Verlust von Weltvertrauen Leben bedeutet in Gefahr sein Verlust von Bindungsvertrauen Ich bin allein, ungeschützt, bedroht.. Verlust von Selbstvertrauen Ich kann nicht bewältigen Ich bin machtlos.ich bin hilflos.ich kann nicht ändern.ich bin ausgeliefert.ich bin wertlos..ich bin schuld Traumatisierung heißt Stressdisorder Traumatisierung bezeichnet die Folgen biografischer Verwundungen, die das Stresssystem in höchstem Maße herausgefordert haben und Spuren hinterlassen haben, die das Stresssystem langfristig verändern und verstören - Dauerhaft zu hoch eingestellte Stressparameter permanente Hab-Acht-Stellung, Übererregung, hohes Maß an Triggerbarkeit, chronische Angst im Organismus mit entsprechenden Unwillkürlichen Reaktionen des Stresssystems in Flucht- und Kampfmodi. - zu niedrig eingestellte Stressresonanz: Untererregung, mangelnde Schwingungsfähigkeit, Dissoziative Reaktionen (Abschalten) - mangelnde Steuerungsfähigkeit: Affekte können nicht reguliert werden, entsprechend kann die Person unter Stress nicht auf angemessene Handlungskonzepte zurückgreifen Stressregulation ist die Voraussetzung für.. Traumapädagogik Selbststeuerung und selbstbemächtigtes Handeln die Bereitstellung sozial-emotionaler Kompetenzen planvolles Handeln Die Aktivierung der Leistungsfähigkeiten (Motivation, Aufmerksamkeit, Konzentration, Speichern) versteht sich im übergeordneten Sinne als Ansatz, in dem ein Rahmen geschaffen wird, in dem sich verwundete Stresssysteme beruhigen können und das Erlernen von Stresskompetenzen ermöglicht wird 3
4 Naturschutzgebiete für die Seele Heilsame Prozesse Sich sicher fühlen in Beziehungen sichere Bindungen emotionale Sicherheit Haltung ist die Kleinigkeit, die einen großen Unterschied macht Sich sicher fühlen in sich selbst Selbstsicherheit/ Selbstvertrauen Sich sicher fühlen in der Welt (Weltvertrauen) Strukturen von Sicherheit Bindungsorientiertes Arbeiten Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit.in einer Welt in der Nichts sicher scheint. (Silbermond) Trauma und Bindungsorientierung Die Erforschung der effektivsten Behandlungsformen zur Unterstützung von kindlichen Trauma-Opfern lässt sich genau so zusammenfassen: Was am besten wirkt, ist alles, was die Qualität und die Anzahl der Beziehungen im Leben der Kinder erhöht Bruce Perry Die Bedeutung von Bindung Überlebenssystem: Bindung ist für das Überleben eines Menschen so grundlegend, wie etwa die Luft zum Atmen, Ernährung und Schlaf Hirnreifung: Liebe lässt Gehirne wachsen Bindungssystem ist Gegenspieler zum Stresssystem Resilienzforschung: sichere Bindung ist der bestbekannteste Schutzfaktor Soziale Entwicklung Exploration/ Erkundung/ Autonomie Bindung 4
5 Ziele bindungsorientierter Pädagogik Schutzfaktor: Kompensatorische heilsame sichere Bindungserfahrungen Stress-/Affektregulation Fürsorgliches Introjekt (Repräsentanz) Erlernen von Feinfühligkeit statt Feindseligkeit Das Fundament bindungsorientierter Arbeit: Bereitschaft zu professioneller Nähe Herzlichkeit Mitmenschlichkeit Freundlichkeit Zugewandtheit Achtsamkeit Liebevolle Güte Wärme Hilfsbereitschaft Großzügigkeit/ Gnade Bindungsorientierte Ansätze Bindungssensible Interpretation von Symptomatik und Interaktion Verlässliche Präsenz - Erfahrungen (emotional und faktisch) Feinfühligkeit und emotionale Resonanz Assistenzerfahrung Gemeinsames Handeln Beruhigungs-/Regulationserfahrung I.Bindungssensible Interpretation von Symptomatik und Interaktion Bindungserfahrungen, Bindungsmuster und Bindungsbedürfnisse im Verhalten enträtseln Biografische Erkundungen: eigenes Erleben als Informationsquelle über Erfahrungen und Erleben des Gegenübers nutzen Re- Inszenierungen Interaktion im Kampf/Fluchtmodus erkennen Traumabasierte Übertragungen Bindungsübertragungen Ich bin hilflos Du musst mir helfen Ich befürchte Dich Du bedrohst mich, Ich weiß nicht, was ich von Dir zu erwarten habe, Du willst mir schaden!, Ich bin allein und auf mich gestellt - Du kannst mir nicht helfen / Dir kann man nicht vertrauen, Auf Dich kann man sich nicht verlassen, Übertragung eigener Erfahrung und Leiden (Schmerz) Hilflosigkeit, Ohnmacht, Handlungsunfähigkeit, Ausgeliefert-sein, Schuld. Angegriffen werden, Erniedrigt werden, Entwertet werden, Zerstört werden bedroht werden II.Präsenz Anwesenheit: Sichtbarkeit, Erreichbarkeit, Ansprechbarkeit Emotionale Verfügbarkeit Körperkontakt Blickkontakt 5
6 III.Feinfühligkeit Richtiges Interpretieren der Signale Ich nehme Dich wahr, ich höre deine Signale ich bemühe mich, deine Signale (Bedürfnisse) empathisch zu verstehen sowie sie angemessen und prompt zu beantworten Verhalten / Symptome Gute Gründe 1. Entwicklungsbedürfnisse 2. Welche spezifischen Bedürfnisse kommen im Verhalten zum Audruck? 3.Was versucht die Person für sich sicherzustellen (positive Absicht) 4. Welche biografischen Erfahrungen des Menschen kommen in seinem Verhalten zum Ausdruck (Traumasensibilität)..angemessene Reaktion. (Entwicklungs-)alter angemessen dem Bewältigungsvermögen des Kindes/Jugendlichen entsprechend (Stresstoleranz?) dem Motiv und Bedürfnis des Kindes/Jugendlichen angemessen (Was braucht es statt: das muss es aber lernen!) Im Sinne eines hilfreichen Modells (Introjektion) IV. Assistenz und Hilfsbereitschaft Ich tue gerne etwas für Dich Ich nehme Dir gerne etwas ab, wenn die Last für Dich groß ist und es Dich erleichtern würde Ich unterstütze Dich gerne, wenn Du darum bittest Ich bin bereit einzuspringen, wenn deine Kräfte nicht reichen Ich helfe Dir, wenn Du an den Grenzen deiner Kräfte bist V.Gemeinsames Handeln Bindungsorientierung im Erdbebengebiet Stressregulation als Stabilisierungsansatz 6
7 Wenn die Menschen, auf die wir uns verlassen haben, um getröstet und beruhigt zu werden, zu einer Bedrohung wurden, dann verbindet sich das Bedürfnis nach Bindung mit Angst statt mit Liebe. Dann spüren wir oft einen Schmerz, wenn wir unser Herz öffnen. Es zeigt sich keine Güte, sondern Wut oder das Gefühl, dass wir uns verteidigen müssen. Kristin Neff,2014 Haltung Es gibt gute Gründe, dass Du Dich manchmal fühlst wie Du Dich fühlst Ich helfe Dir zu erkennen, wann es beginnt Dir schlecht zu gehen Ich unterstütze Dich darin, wie Du lernen kannst, dann gut für Dich zu sorgen Ich bin an deiner Seite, wenn Du von deinen Zuständen überwältigst wirst und helfe Dir, die Kontrolle über Dich zurückzugewinnen Hab keine Angst wir schaffen das schon! Prozess von Dissoziation Psychische Überlastung (EP) Emotionale Persönlichkeitsanteile ( ANP:) Alles im Griff Stressreduktion und Feinfühligkeit Stresstoleranzfenster Dissoziation Übererregung Exkurs: Ich- Zustände in der Interaktion erkennen Menschen im Bedrohungsmodus aktivieren States aus dem Verteidigungsmodus + - Erschlaffung (submission) Dissoziation Aktivierungssystem: Beobachten, Mustern, Anspannung im Körper, roter Kopf Flucht-/Kampfmuster: Vermeiden von Blickkontakt, wegschauen, schmale Augen, verkniffener Mund, Kampfmuster, Vorwärtsgerichtete Körperhaltung, Anspannung im Gesicht, fixierender Blick, monotones, mechanisches Sprechen Unterwerfungsmuster: Weinen, gebeugter Kopf und Körper, devote Anpassung, sehr schnelles Ja-sagen, monotones Lächeln Erstarrungsmuster: aufgerissene Augen und Mund, Verstummen, leerer Kopf, Stocken, Erstarren, Bewegungslosigkeit, Erschlaffen, Bleich werden, Schwindel, Ohnmacht, Bewusstlosigkeit copyright K.H. Brisch Vgl. Inge Liebel-Fryszer, in: Bke Erziehungsberatung 2014, S.67 7
8 Erste Hilfe bei akuten Stressreaktionen Präsenz: Ich bin da und helfe Dir! Co-Regulation Für Beruhigung/ Stabilisierung sorgen: - Normalität reinbringen Themenwechsel - Veränderung des Kontextes: rausgehen, Fenster aufreißen, Tischtennis spielen - Veränderung auf den Körperebenen: Bewegung!!, Ausschütteln, Stampfen, Dehnen, Atmung verändern - Sinnesysteme positiv ansprechen: Kaffee, Kakao, Schokolade, Bonbon - Ggf. Re-orientierung Skill- Unterstützung Co-Regulation - Emotionale Resonanz: Sprechen über das, was das Kind/Jugendlichen innerlich bewegt: Verbalisieren von Emotionen, möglichen Motiven, Wünschen, Bedürfnissen des Kindes - Handlungsbegleitende Kommentare verbale Transparenz gegenüber eigenen Handlungen - Beruhigungsanker nutzen (was bringt den anderen in guten Zustand Anbieten zur Verfügung stellen ) - Nachtrösten, wenn Affekt noch nicht runter ist Feinfühlige Sprache/ Emotionale Resonanz Sprechen über das, was das Gegenüber innerlich bewegt: Verbalisieren/ Spiegeln von Emotionen, möglichen Motiven, Wünschen, Bedürfnissen des Kindes Emotionale Resonanz gibt psychische Sicherheit, beruhigt das Stresssystem und unterstützt kooperative Prozesse und Compliance beim Gegenüber Nähe in Konfliktsituationen Begrenzen als Beziehungs- statt als Erziehungsaspekt Überprüfen ob Grenze angemessen und notwendig ist oder nur Teil von Machtkampt Begrenzen zur Sicherheit und nicht als Machtdemonstration Anerkennen und Verbalisieren der Bedürfnisse/ Gefühle/ Sichtweisen des Gegenübers Eigene Positionen als Ich-Botschaft verdeutlichen Signalisieren, dass ich im Konflikt im Kontakt bleibe Nachgespräch und Versöhnungsgesten Versöhnungsgesten nach Konfliktsituationen Äußerungen der Wertschätzung und des Respekts gegenüber dem Anderen, seinen Stärken und Fähigkeiten dem Anderen etwas Gutes tun eine gemeinsame Aktion vorschlagen Bedauern eigener unangemessener Verhaltensweisen Christa Kursch-Anbuhl Time out für Time-out! Bindung ist ein Grundbedürfnis, das die psychische Gesundheit und Stabilität eines Menschen maßgeblich beeinflusst! Menschen im Rahmen ihrer Bindungsbedürfnisse mit Liebesentzug und Ausschluss aus der Gemeinschaft zu bedrohen, und somit Anpassung und Unterwerfung zu erzwingen, gehört im Rahmen der aktuellen Kinderschutzdebatte für Einrichtungen in den Bereich der emotionalen Gewalt, da es den Kriterien von Machtmissbrauch entspricht und die psychische Unversehrtheit von Kindern bedroht! Time Intensive statt Time -out!! 8
9 Ohne gute Beziehungserfahrungen wird es nicht gehen. Nur wer von anderen lernt, wie sich Sicherheit, Unterstützung, Mitgefühl und Akzeptanz in allen, auch den dunkelsten Bereichen der eigenen Persönlichkeit anfühlen, wird lernen, sich selbst entsprechend zu behandeln und eigene Schutzbefohlene ebenfalls (Michaela Huber in: Der Feind im Inneren, S.18) Bindung und Zugehörigkeit in der Gruppe schaffen Du gehörst zu uns! Wie können wir Dir helfen, dass es Dir besser geht? Ressourcen des Kindes/Jugendlichen in der Gruppe sichtbar machen! Kinder/Jugendliche stabilisieren mit Schwierigkeiten umzugehen, um Ausschluss zu vermeiden Der Mensch ist die Medizin des Menschen afrikanisches Sprichwort Weitere Informationen zum Thema, sowie Beratung und Fortbildung: Pädagogisch-Therapeutisches Fachzentrum (PTFZ) Gertigstrasse Hamburg Tel. 040/ www. paedagogisch-therapeutisches-fachzentrum.de Ansprechperson: Corinna Scherwath Aktuelle Veröffentlichung zum Thema: Corinna Scherwath/Sibylle Friedrich Soziale und pädagogische Arbeit bei Traumatisierung Reinhardtverlag Erscheinungsdatum: 3.Aufl. Juli
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