Universität Siegen Wintersemester 2017/2018 Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung
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- Linda Friedrich
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1 Universität Siegen Wintersemester 2017/2018 Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung Jun. Prof. Dr. Christian Gomille
2 1 Medienverfassungsrecht und Medienprivatrecht
3 Rückschau auf das vergangene Semester Staat Empfänger Art. 5 I 1 Alt. 2 GG Autor Art. 5 I Alt. 1 GG Medienbetreiber Art. 5 I 1 Alt. 1 GG Art. 5 I 2 GG Empfänger Art. 5 I 1 Alt. 2 GG Betroffener Art. 1 I, 2 I GG Empfänger Art. 5 I 1 Alt. 2 GG
4 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Man sagt: Die Rechtsordnung ist die Gesamtheit der Vorschriften, die in bindender Weise das menschliche Gemeinschaftsleben regeln. Dabei ist die Rechtsordnung ein Produkt staatlicher Entscheidung. Staat (Hoheitsträger) Bürger Bürger
5 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Fall 1 ( Günstige Sondermüllentsorgung ) Bürger A betreibt eine Stahlhütte, die am Ufer eines Flusses gelegen ist. Bei der Stahlproduktion fallen giftige, dicyanhaltige Gaswaschwässer als Abfallprodukt an. A entledigt sich dieser Abwässer, indem er sie kurzerhand in den Fluss einleitet. Wenige Kilometer flussabwärts liegt die Landwirtschaft des Bürgers B, deren Böden durch die Abwässer des A stark beeinträchtigt werden. B verlangt von A, dass er aufhöre, die giftigen Abwässer in den Fluss einzuleiten. Zugleich wendet er sich an die zuständige staatliche Stelle, damit diese gegen das Tun des A einschreite. Welche Interessen treffen in dieser Konstellation aufeinander?
6 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Interesse des A: Möglichst kostengünstige Entsorgung seiner giftigen Abfälle Interesse des B: Keine Kontamination seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche Eigenes Interesse des Staates: Reduzierung der Umweltverschmutzung als übergeordnetes Gemeinwohl Aufgabe der Rechtsordnung: Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen durch verbindliche Regelwerke Besonderheiten des Medienrechts: Hier geht es nur um die spezifischen Interessen der am öffentlichen Kommunikationsprozess Beteiligten, die letztlich immer die gleichen sind
7 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Fall 2 ( Wetterman ): C. ist die Ex Geliebte des früheren ARD Wettermoderators Jörg Kachelmann. Sie bezichtigte Kachelmann, dass er sie vergewaltigt habe. Verschiedene Medien der Verlagsgruppen Springer und Burda stürzten sich begierig auf diese Story und machten groß damit auf. Im Gerichtsverfahren stellt sich später heraus, dass C. Kachelmann vorsätzlich der Wahrheit zuwider beschuldigt hatte. Welche Interessen gilt es hier auszugleichen?
8 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Interessen von Kachelmann: Die Anschuldigungen von C. sollen nicht wiederholt oder weiter verbreitet werden. Sein Ruf soll wiederhergestellt werden. Etwaige Einbußen sollen ihm ersetzt werden. Interessen der Medienunternehmen: Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat muss möglich und zulässig sein. Eigenes Interesse des Staates: Erfüllung des Schutzauftrags zugunsten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 5 II GG) Systematik der rechtlichen Regelung: Der Gesetzgeber ordnet die verschiedenen Regelungen für den Ausgleich dieser Interessen verschiedenen rechtlichen Bereichen zu: Insbesondere Mediengrundrechte sowie strafrechtliche und privatrechtliche Verfolgung von Rechtsverstößen
9 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Rechtsordnung Öffentliches Recht Öffentliches Recht liegt vor, wenn an dem zu beurteilenden Rechtsverhältnis ein Träger hoheitlicher Gewalt gerade in dieser Eigenschaft tätig wird Privatrecht Privatrecht liegt vor, wenn an dem Rechtsverhältnis kein Träger hoheitlicher Gewalt beteiligt ist oder der Träger hoheitlicher Gewalt hier keine hoheitlichen Befugnisse hat
10 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Die Verortung der Mediengrundrechte: Die Grundrechte garantieren dem Einzelnen eine Freiheitssphäre gegenüber staatlichen Übergriffen. Es handelt sich deshalb um sog. Abwehrrechte gegen den Staat. Betroffen ist also das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, und zwar zur Begrenzung staatlicher Hoheitsgewalt. Deshalb ist der Staat hier als Hoheitsträger beteiligt und sind die Mediengrundrechte Bestandteil des öffentlichen Rechts.
11 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Strafrechtliche Verfolgung unwahrer Tatsachenbehauptungen: Gegen denjenigen, der unwahre Tatsachen über einen anderen aufstellt oder verbreitet können die Strafverfolgungsbehörden insbesondere aufgrund der 185 StGB (Beleidigung), 186 StGB (üble Nachrede) oder des 187 StGB tätig werden. Ggf. löst die unwahre Tatsachenbehauptung somit einen staatlichen Strafanspruch gegen den Behauptenden aus. Nimmt der Staat diesen Strafanspruch wahr, übt er somit hoheitliche Befugnisse aus, so dass 185 ff. StGB eindeutig öffentlich rechtliche Vorschriften sind.
12 Das Medienrecht in der Gesamtrechtsordnung Private Verfolgung unwahrer Tatsachenbehauptungen durch den Betroffenen: Der Betroffene einer unwahren Tatsachenbehauptung wird zudem versuchen, seine Interessen durchzusetzen, dass die Falschbehauptung nicht weiter aufrechterhalten oder verbreitet wird und sein Ruf wiederhergestellt werde. An diesem Interessenkonflikt sind mit dem Betroffenen und dem Erklärenden zwei Privatpersonen beteiligt, so dass die entsprechenden Regeln des BGB von vornherein nur dem Privatrecht zugehören können.
13 Der Aufbau des privaten Medienrechts Das private Medienrecht wird üblicherweise in drei Bereiche unterteilt: Das Recht der Wort und Bildberichterstattung: Synonym Äußerungsdeliktsrecht. Hier geht es um die rechtlichen Verhältnisse des Autors bzw. des die Berichterstattung verbreitenden Mediums gegenüber dem von der Berichterstattung Betroffenen. Urheberrecht: Betrifft die rechtlichen Verhältnisse zwischen dem Urheber eines Werkes, den Verwertern und den Nutzern. Medienwettbewerbsrecht: Betrifft insbesondere die besonderen Regeln, welche Medienunternehmen bei ihrem eigenen Wettbewerb zu beachten haben.
14 Der Einfluss des Medienverfassungsrechts auf das Medienprivatrecht Nachdem das Medienverfassungsrecht öffentliches Recht ist, könnte man meinen, dass es selbständig neben dem Medienprivatrecht steht und dass beide Bereiche nichts miteinander zu tun haben. Aber: Aufgrund der Normenhierarchie steht das Verfassungsrecht über dem Privatrecht. Das Privatrecht darf demnach keine Regelungen enthalten und aufstellen, die dem Verfassungsrecht widersprechen. Dazu hatten wir im vergangenen Semester gesehen, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit sich auf verfassungsrechtlicher Ebene häufig erst aus einer Abwägung mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ermitteln lassen. Dieses verfassungsrechtliche Abwägungsergebnis muss sich sodann auch im Medienverfassungsrecht wiederfinden.
15 2 Regelungsgegenstand und Regelungstechnik des Medienprivatrechts
16 Die Grundfrage des privatrechtlichen Falls Im öffentlichen Recht geht es stets um die Frage, welche Maßnahmen der Staat als Hoheitsträger gegenüber dem Bürger erlassen darf oder muss. Im Privatrecht geht es demgegenüber praktisch stets um die Frage: Wer will was von wem und woraus? Das heißt: Sie haben bei einem Geschehen verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Interessen. Jeder von ihnen will erreichen, dass ein anderer sein Interesse befriedigt.
17 Erster Schritt: Interessenanalyse ( Wer will von wem? ) In einem ersten Schritt sind die Interessen zu analysieren, welche die verschiedenen Akteure eines Geschehens gegeneinander verfolgen können. Praktisch immer ist es dabei der Betroffene, der von dem Autor und/oder dem Verbreitermedium der Berichterstattung Interessen geltend macht. Regelmäßig siehe den Kachelmann Fall geht es dabei darum, dass der Betroffene das künftige Unterbleiben der Berichterstattung und die Kompensation bereits eingetretener negativer Folgen verlangt.
18 Zweiter Schritt: Die Ermittlung des Anspruchsziels ( Was ist gewollt? ) Der Betroffene erhält seine Interessen von dem Autor und/oder dem Medienunternehmen nur befriedigt, wenn er ihnen gegenüber einen entsprechenden Anspruch hat. Gem. 194 I BGB ist unter einem Anspruch das Recht zu verstehen, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können. Das Privatrecht bildet für die verschiedenen denkbaren Interessen der privatrechtlichen Akteure verschiedene Kategorien von sog. Anspruchszielen. Im Medienprivatrecht lassen sich insgesamt sechs solcher Anspruchsziele ausmachen: Unterlassung Widerruf/Berichtigung Schadensersatz Nutzungsherausgabe Geldentschädigung Gegendarstellung
19 Dritter Schritt: Die Ermittlung der Anspruchsgrundlage ( Woraus? ) Im nächsten Schritt ist eine Norm zu suchen, die darüber entscheidet, ob der Betroffene gegenüber dem Autor und/oder dem Medienunternehmen sein Anspruchsziel erreicht oder nicht. Solche Normen bezeichnet man als Anspruchsgrundlagen. Dabei sieht das bürgerliche Recht für jede der Kategorien von Anspruchszielen verschiedene solcher Anspruchsgrundlagen vor: Unterlassung: 1004 I 2 BGB Beseitigung/Widerruf: 1004 I 2 BGB Schadensersatz: 823 I BGB, 823 II BGB i.v.m. 185 ff. StGB, 824 BGB, 826 BGB Nutzungsherausgabe: 812 I 1 Alt. 2 BGB Geldentschädigung: 823 I BGB i.v.m. Art. 1 I, 2 I GG Gegendarstellung: 11 Landepressegesetz NRW z.b.
20 Vierter Schritt: Die Prüfung der Anspruchsgrundlage Anspruchsgrundlagen sind nach einem klassischen Wenn Dann Schema aufgebaut. Auf der Dann Seite steht das verfolgte Anspruchsziel. Auf der Wenn Seite stehen die Voraussetzungen, unter denen dieses Anspruchsziel verwirklicht wird. Voraussetzung = Tatbestandsmerkmal Voraussetzung = Tatbestandsmerkmal Anspruchsziel = Rechtsfolge
21 Vierter Schritt: Die Prüfung der Anspruchsgrundlage Hat man die zum verfolgten Anspruchsziel passende Anspruchsgrundlage gefunden, muss man schließlich prüfen, ob das vorliegende Geschehen alle Voraussetzungen für den Eintritt der gewünschten Rechtsfolge erfüllt. Diesen Prüfungsvorgang bezeichnet man als Subsumtion.
22 Vierter Schritt: Die Prüfung der Anspruchsgrundlage Beispiel: Anspruch Kachelmann gegen C. aus 824 I BGB Tatsachenbehauptung Unwahr Geeignet zur Kreditgefährdung Kennenmüssen Schadensersatz
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