Klinische Chemie: Rationaler Umgang mit Labordiagnostik
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- Mareke Sigrid Seidel
- vor 6 Jahren
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1 Einführungs-Vorlesung Klinische Chemie: Rationaler Umgang mit Labordiagnostik WiSe 2017/18 F. Boege Zentralinstitut für Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik Universitätsklinikum Düsseldorf - Heinrich Heine Universität Direktor: Prof. Dr. med. F. Boege
2 Das Avery-Lexem What is simple is wrong and what is complicated cannot be understood Oswald Theodore Avery Jr.
3 Hypothesen-freie und Hypothesen-getriebene Ansätze Hypothesen-frei Befund-zentriert Labor Bildgebung (alles) Diagnose Therapie Hypothesen-getrieben Krankheits-zentriert Vermutung ausgewählte Diagnostik Diagnose Therapie komplex evtl. irrelevant Therapie von Befunden überschaubar evtl. unvollständig Therapie von Krankheiten
4 Was leistet ein Laborwert (und was nicht)? Cut-Off Gesunde Anzahl der Fälle Kranke falsch Negative falsch Positive Messwert des Krankheitsmarkers
5 Was leistet ein Laborwert (aus der Sicht des Labors)? Cut-Off Sensitivität (%) Wahrscheinlichkeit, dass Marker bei Kranken erhöht ist richtig Positive alle Kranken Anteil falsch negative Kranke Anzahl der Fälle Kranke falsch Negative richtig Positive Messwert des Krankheitsmarkers
6 Was leistet ein Laborwert (aus der Sicht des Labors)? Cut-Off Spezifität (%) Wahrscheinlichkeit, dass Marker bei Gesunden normal ist richtig Negative alle Gesunden 100 Gesunde 100 Anteil falsch positiver Gesunder Anzahl der Fälle richtig Negative falsch Positive Messwert des Krankheitsmarkers
7 Was leistet ein Laborwert (aus der Sicht des Diagnostikers)? Cut-Off Prädiktiver Wert eines pathologischen Befundes (+PW): Wahrscheinlichkeit, dass Krankheit vorliegt Kranke pro Positive (%) Gesunde Positive Kranken falsch positive Gesunde (%) Anzahl der Fälle Kranke falsch Negative falsch Positive Messwert des Krankheitsmarkers
8 Was leistet ein Laborwert (aus der Sicht des Diagnostikers)? Cut-Off Prädiktiver Wert eines Normalbefundes (-pw): Wahrscheinlichkeit, dass Krankheit nicht vorliegt Gesunde pro Negative (%) Gesunde Alle Negativen falsch Negative Kranken (%) Anzahl der Fälle Kranke falsch Negative falsch Positive Messwert des Krankheitsmarkers
9 Der Hypothesenfreie Ansatz Cut-Off Screening-Situation (geringe Prävalenz) Prädiktiver Wert eines Normalbefundes hoch Viele Gesunde unter den Negativen Anzahl der Fälle Prädiktiver Wert eines pathologischen Befundes gering Die meisten Positiven sind ebenfalls gesund (Es wäre billiger eine Münze zu werfen) Messwert des Krankheitsmarkers
10 Der Hypothesen-getriebene Ansatz Cut-Off Diagnostische Situation (hohe Prävalenz): Prädiktiver Wert eines pathologischen Befundes hoch Viele Kranke unter den Positiven Prädiktiver Wert eines Normalbefundes gering Anzahl der Fälle Viele Kranke unter den Negativen Messwert des Krankheitsmarkers
11 Hypothesen-freie und HYpothesen-getriebene Ansätze Funktioniert nicht! geringer +PW Hypothesen-frei Labor Bildgebung (alles) Diagnose Therapie Hypothesen-getrieben Vermutung ausgewählte Diagnostik Diagnose Therapie komplex evtl. irrelevant Therapie von Befunden überschaubar evtl. unvollständig Therapie von Krankheiten
12 Take Home Message Nr. 1 Wenn eine Krankheit mittels Laborwerten untersuchen wollen, dann benötigen wir Marker mit guter Sensitivität und Spezifität für die Krankheit muss die Krankheit im untersuchten Patientengut eine hohe Prävalenz haben Merke: Das Patientengut muss anhand einer Verdachtsdiagnose vorselektiert werden!
13 Wie kommen wir zu einer Verdachtsdiagnose? Körperliche Untersuchung Anamnese Leitsymptome Krankheit
14 Differentialdiagnostik Schritt 1 Körperliche Untersuchung Anamnese Basislabor Leitsymptome Verdachtsdiagnose 1 Verdachtsdiagnose 3 Verdachtsdiagnose 2
15 Basis Labor Kleines, fachspezifisches, Portfolio von preiswerten Labortesten Durchführung bei jedem Patientenerstkontakt ( wie Anamnese und körperl. Befund). Ausschluss von symptomarmen, wesentlichen Dysfunktionen im Patientenstamm z.b.: Elektrolyte, kleines Blutbild, Creatinin, LDH ggf. diagnostische Nachverfolgung Therapeutische Konsequenzen nur bei Vorliegen eines Krankheitsbildes Keine Therapie von Laborwerten!
16 Differentialdiagnostik Schritt 2 Verdachtsdiagnose 1 Verdachtsdiagnose 2 Verdachtsdiagnose 3 Suchteste Verdachtsdiagnose
17 Suchteste Preiswerte Laborteste hohe Sensitivität breite Spezifität erkennen Gruppen von Erkrankungen teilweise identisch mit Basislabor z.b.: Blutbild, Creatinin, Leberenzyme, Quick, PTT, Blutgase, Harnstatus Ziel: Ausschluss von Diagnosen!
18 Differentialdiagnostik Schritt 3 Verdachtsdiagnose Bestätigungsteste Diagnose
19 Bestätigungsteste Teure Laborteste und andere diagnostische Verfahren mit hoher Spezifität und Sensitivität für definierte Krankheitsbilder Beispiele: Troponine, BNPs, Cystatin C, CRP,... CT, MNR, Echocardiographie, Herzkatheter,... Ziel: Sicherung und Präzisierung von Diagnosen!
20 Therapiebegleitende Diagnostik Diagnose Companion Diagnostics Therapie 1 Verlaufsparameter TDM Therapie 2 Verlaufsparameter TDM Therapie 3 Verlaufsparameter TDM
21 Companion Diagnostics Laborteste und andere diagnostische Verfahren die individuelle therapierelevante Eigenschaften charakterisieren Beispiele: Rezeptor- und Mutationsstatus bei Tumoren pharmakogenomische Testung Antibiotikaresistenztestung Ziel: Auswahl der besten Therapieoption Ausschluss ungeeigneter Therapieoptionen
22 TDM Wirkstoffspiegelbestimmung von Medikamenten mit geringem therapeutischem Index Akkumulationsrisiko hohen interindividuellen Dosierungsunterschieden Beispiele: Immunsuppressiva, Aminoglykosidantibiotika, Herzglykoside, Theophyllin, Metotrexat, Antikoagulantien Ziel: Therapiesteuerung, toxikologische Risikobegrenzung
23 Verlaufsparameter Preiswerte Laborparameter hohe Sensitivität und breite Spezifität für Organfunktionen kurze Plasmahalbwertszeit! teilweise identisch mit Basislabor Beispiele: Blutbild, Creatinin, LDH, Leberenzyme, Creatinkinase Ziel: Beurteilung von Krankheitsaktivität, Therapieverlauf, Nebenwirkungen
24 Von der Verdachtsdiagnose zur gesteuerten Therapie Körperliche Untersuchung, Anamnese Leitsymptome Differentialdiagnosen Verdachtsdiagnose Diagnose Therapieselektion Therapiesteuerung Basislabor Suchteste Sicherungstests Companion Assays TDM, Verlaufsparameter
25 Von der Verdachtsdiagnose zur gesteuerten Therapie Körperliche Untersuchung, Anamnese Kosten Zeit Outcome Leitsymptome Differentialdiagnosen Verdachtsdiagnose Diagnose Therapieselektion Therapiesteuerung Basislabor Suchteste Sicherungstests Companion Assays TDM, Verlaufsparameter
26 Akutes Coronar Syndrom (ACS) Leitsymptom Instabile Angina Pectoris + Vegetative Symptome Suchtest Creatin Kinase, EKG (Myoglobin) Bestätigungstest CK-MB, Troponin I, Troponin T Verlaufsparameter Myoglobin (24 h) CK (3 Tage) Trop I (1 Woche) Trop T (14 Tage)
27 Differentialdiagnose ACS ACS CK- EKG+ CK+ EKG+ 1x / Quartal 3xTrop- 3xTrop- 1xTrop+ CK+ EKG- KHK Infarkt Muskel, Leber, Niere Amb. Therapie Verlaufskontrolle Stat. Therapie Verlaufskontrolle Myo, CK, Trop Andere DD
28 Klinikhandbuch Diagnostische Pfade - De Gruiter leider teuer (89,- )
29 Literaturempfehlung 2 Labor und Diagnose von Lothar Thomas kostenloses App für IOS und Android Tablets
30 Literaturempfehlung 3 HEROLD - INNERE MEDIZIN Gratis App für IOS und Android Tablets Bei DocCheck Medical Services GmbH Herold2016-iOS&cide=dce n=printanzeige-herold2016-android&cide=dce107435
31 Take Home Messages Kein Labor ohne Fragestellung (Verdachtsdiagnose, Krankheits-Hypothese) Hypothesengetriebene diagnostische Pfade (bzw. Algorythmen) Diagnosesuche (Kosten), Diagnosesicherung (Zeit), Therapiebegleitung (Erfolg) Prädiktive Wert eines (Such-)Tests ergibt sich aus Spezifität, Sensitivität und Prävalenz ( Nachtestwahrscheinlichkeit ergibt sich aus Spezifität, Sensitivität und Vortestwahrscheinlichkeit) (Teure) Diagnosesicherungstests sind i.d.r. nicht für die initiale Diagnostik gedacht Unveränderbare Kennzeichen muss man nur einmal bestimmen Verlaufsparameter müssen eine kurze biologische HWZ haben.
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