Wintersemester 2014/15 AG Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 8 Emma Harms

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LÖSUNGSVORSCHLAG 8. FALL - ROTLICHTVERTRÄGE A. Zulässigkeit... 2 I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges... 2 1. Aufdrängende Sonderzuweisung... 2 2. 40 I S. 1 VwGO... 2 a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit... 2 b) Nicht-verfassungsrechtlicher Art... 2 c) Abdrängende Sonderzuweisung... 2 II. Statthafte Klageart... 2 III. Klagebefugnis... 3 IV. Widerspruchsverfahren... 3 V. Klagefrist... 3 VI. Richtiger Klagegegner... 3 VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit... 3 VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis... 3 IX. Ergebnis der Zulässigkeit... 4 B. Begründetheit... 4 I. Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung... 4 1. Ermächtigungsgrundlage... 4 aa) Rechtsnatur der Vereinbarung... 4 bb) Wirksamkeit der Vereinbarung... 5 (1) formelle Wirksamkeit gem. 57, 58 VwVfG... 5 (2) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 VwVfG... 5 (a) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 VwVfG... 5 (aa) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 Abs. 2 Nr. 6... 5 (bb) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 Abs. 1 VwVfG... 6 (b) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG... 6 (c) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.v.m. 56 VwVfG... 6 (3) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. Vorschriften des BGB analog.. 7 (a) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 123 BGB analog... 7 (b) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 134 BGB... 7 (c) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 138 BGB... 7 cc) Zwischenergebnis... 8 2. Formelle Rechtmäßigkeit... 8 3. Materielle Rechtmäßigkeit... 8 a) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage... 8 b) Rechtsfolge... 8 4. Zwischenergebnis zur Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung... 8 II. Ergebnis der Begründetheit... 8 C. Gesamtergebnis... 8 1

A. Zulässigkeit I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges 1. Aufdrängende Sonderzuweisung - keine aufdrängende Sonderzuweisungen ersichtlich, daher 40 Abs. 1 S. 1 VwGO 2. 40 I S. 1 VwGO a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Streitgegenstand: - Ausweisungsverfügung Streitentscheidende Norm: - Vorschriften des Ausländergesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes als öffentlich-rechtliche Normen bzw. möglicherweise Grundlage im Vertrag zwischen Stadt und A Ist die Angelegenheit auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Normen zu entscheiden? - wenn Vereinbarung öffentlich rechtlicher Vertrag, dann öffentlich rechtliche Streitigkeit - gem. 54 Abs. 1 VwVfG öffentlich-rechtlicher Vertrag (+) bei Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, d.h. Inhalt und Gegenstand des Vertrages maßgeblich Hinweis: Die Rechtsnatur von Verträgen kann grundsätzlich nur einheitlich bestimmt werden. Dabei ist die Gesamtheit aller Regelungen in den Blick zu nehmen und deren Schwerpunkt zu bestimmen. Im Zweifel gilt eine Vermutung zugunsten des öffentlichen Rechts, wenn auf einer oder beiden Seite(n) ein Verwaltungsträger beteiligt ist (sind). hier: - Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis, Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen seitens der Behörde = Gegenstände des öffentlichen Ausländerrechts - weiterhin Durchführung amtsärztlicher Untersuchungen, stillschweigende Duldung der Durchführung der Prostitution = Gegenstände des öffentlichen Ordnungsrechts daher: öffentlich-rechtlicher Vertrag (+) und somit öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+) b) Nicht-verfassungsrechtlicher Art - doppelte Verfassungsunmittelbarkeit (-) daher: nicht-verfassungsrechtlicher Art (+) c) Abdrängende Sonderzuweisung - Keine abdrängende Sonderzuweisung ersichtlich II. Statthafte Klageart - auslegungsfähiges Begehren des Antragstellers maßgeblich, vgl. 88 VwGO hier: A möchte gegen Ausweisungsverfügung vorgehen, die einen Verwaltungsakt darstellt 2

daher: Anfechtungsklage gem. 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft III. Klagebefugnis - Möglichkeit der Rechtsverletzung gem. 42 Abs. 2 VwGO - Möglichkeitstheorie = aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich zumindest die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte - Adressatengedanke = zumindest auch Verletzung des Art. 2 I GG bei belastendem VA hier: mögliche Verletzung von Aufenthaltsrechten, die aus der vertraglichen Vereinbarung mit der Stadt K resultieren; als Adressatin der Ausweisungsverfügung (daneben oder zumindest subsidiär) Berufung auf vorstellbare Verletzung von Art. 2 Abs. 1, 2 GG der A möglich (P) Berufung auf mögliche Verletzung der Berufsfreiheit - str. mit Blick auf Berufs eigenschaft der Prostitution - jedenfalls aber (-), wenn A Bürgerin aus dem nichteuropäischen Ausland ist, so dass der personelle Schutzbereich des Art. 12 GG (anders als bei EU-Ausländern) unter keinen denkbaren Umständen eröffnet sein kann - im Ergebnis aber Klagebefugnis (+) IV. Widerspruchsverfahren - frist- und ordnungsgemäße Durchführung (+) V. Klagefrist - gem. 74 Abs. 1 S. 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides, mangels anderer Angaben (+) VI. Richtiger Klagegegner - gem. 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Stadt K als richtige Klagegegnerin (+) VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit - A als natürliche Person gem. 61 Nr. 1, 1. Alt. VwGO beteiligtenfähig, gem. 62 Abs. 1 Nr.1 VwGO prozessfähig - Stadt K als juristische Person (Gebietskörperschaft, vgl. 1 Abs. 2 GO SH) gem. 61 Nr. 1, 2. Alt. VwGO beteiligtenfähig, gem. 62 Abs. 3 VwGO i.v.m. 64 GO SH durch den Bürgermeister prozessfähig VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis - (-) bei Fehlen eines schutzwürdigen Interesses des Klägers/Antragstellers für die Inanspruchnahme des angestrebten staatlichen Rechtsschutzes Fallgruppen Bestehen außergerichtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten Inanspruchnahme einer ungeeigneten Verfahrensart 3

Verfolgung eines im Ergebnis nutzlosen oder unmöglichen Begehrens Prozessual widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) Verwirkung des Rechts zur Erhebung des Rechtsbehelfs hier: möglicher Widerspruch der Klageerhebung zum vorher erklärten Rechtsmittelverzicht mit der Folge der Unzulässigkeit der Klage Hinweis: Zum Teil wird vertreten, dass die Frage des Rechtsmittelverzichts eine eigenständige negative Sachentscheidungsvoraussetzung einer Klage ist. Hinsichtlich der inhaltlichen Konsequenzen ergeben sich aber keinerlei Abweichungen. Daher sollte man sich durch die Wahl, an welchem Ort man die Frage behandelt, konkludent für einen Ansatz entscheiden und die anders lautende Herangehensweise allenfalls kurz erwähnen. - aber: im vorliegenden Fall ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ja gerade die Frage der Wirksamkeit der Verzichtserklärung; bloße Verwerfung als unzulässig ohne Begutachtung in der Sache wäre unzumutbare Rechtsschutzverkürzung daher: Rechtsschutzbedürfnis (+) IX. Ergebnis der Zulässigkeit - Klage der A zulässig B. Begründetheit Klage ist begründet, soweit die Ausweisungsverfügung rechtswidrig ist und A hierdurch in ihren Rechten verletzt ist, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO I. Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung 1. Ermächtigungsgrundlage - Ausweisungsverfügung = belastender Verwaltungsakt, daher Ermächtigungsgrundlage erforderlich, im Normalfall AuslG hier: möglicherweise Ermächtigungsgrundlage in Vereinbarung zwischen Stadt K und A, insb. Nr. 3 aa) Rechtsnatur der Vereinbarung - Vertragsschluss = zwei miteinander korrespondierende, übereinstimmende Willenserklärungen hier: (+) im Rahmen der Unterzeichnung des Schriftstücks - Frage nach Rechtscharakter des Vertrages privat- oder öffentlich-rechtlich? - Frage maßgeblich für die Beurteilung, nach welchen Vorschriften sich Voraussetzungen für die Wirksamkeit, Nichtigkeit, etc. richten 4

hier: öffentlich-rechtlicher Vertrag (+), s.o., insb. subordinationsrechtlicher Vertrag (= Substitut für einen von der Behörde zu erlassenden Verwaltungsakt) i.s.d. 54 Abs. 1 S. 2 VwVfG bb) Wirksamkeit der Vereinbarung - entscheidend dafür, ob Nr. 3 des Vertrages als Ermächtigungsgrundlage dienen kann (1) formelle Wirksamkeit gem. 57, 58 VwVfG - Schriftform (+), notwendige Beteiligung eines Dritten oder einer anderen Behörde (-) Hinweis: Im Erfordernis der Schriftform liegt eine Verweisung auf 126 BGB. Inwieweit die beteiligten Vertragsparteien zur Wahrung der Form auf derselben Urkunde unterzeichnen müssen, d.h. 126 Abs. 2 BGB analog heranzuziehen ist, ist umstritten. Vgl. dazu vertiefend Schwarz, Der fehlerhafte Vertrag - Ein Lehrstück zur Beachtung von Formvorschriften, NdsVBl. 1998, 123 ff. (2) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 VwVfG - spezielle Nichtigkeitsgründe für subordinationsrechtliche Verträge (a) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 VwVfG - Nichtigkeit (+), wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre, d.h. 44 VwVfG maßgeblich (aa) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 Abs. 2 Nr. 6 - spezieller Nichtigkeitsgrund für Verwaltungsakte nach 44 Abs. 2 Nr. 6, wenn er gegen die guten Sitten verstößt hier: möglicherweise durch Vertrag Ermöglichung der Prostitution der A - Sittenwidrigkeit = Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, Gesamtheit des in der herrschenden Rechts- und Sozialordnung verkörperten Wertesystems Diskussion erforderlich, inwieweit Stadt K durch Vertrag in sittenwidriger Weise der Prostitution Vorschub leistet - Pro: entwürdigende Kommerzialisierung des Intimverhaltens, Verstoß gegen Gebot der Achtung der Menschenwürde, die einer Derogation/Abwägung nicht zugänglich ist, zumindest mittelbare Ermöglichung und Förderung durch stillschweigende Duldung durch Stadt K - Contra: gewachsene Akzeptanz der Prostitution in der Gesellschaft, gewisse staatliche Anerkennung durch Besteuerung des Einkommens von Prostituierten, keine zielgerichtete Förderung durch die Stadt, sondern Reaktion auf faktische Gegebenheiten, Motivation der Stadt gerichtet auf Eindämmung negativer Begleiterscheinungen, wie z.b. 5

Gesundheitsproblemen oder Abhängigkeiten der Prostituierten von Menschenhändlern, etc. weiterhin: Sittenwidrigkeit denkbar wegen Rechtsmittelverzicht - aber: Verpflichtung zur Durchführung oder Unterlassung bestimmter prozessualer Handlungsweisen allgemein anerkannt daher: Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG (-) (bb) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 1 i.v.m. 44 Abs. 1 VwVfG - Anwendung der Evidenztheorie = besonders schwerwiegender Fehler und Offensichtlichkeit des Fehlers, hier aber (-) (b) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG - Nichtigkeit (+), wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen Verfahrens- oder Formfehlers rechtswidrig wäre und dies den Beteiligten bekannt war, d.h. kollusives Zusammenwirken der Vertragsschließenden unter Verstoß gegen die geltende Rechtsordnung - beachte: nur positive Kenntnis maßgeblich, fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit reicht nicht aus hier: selbst wenn man Rechtswidrigkeit (vorbehaltlich der weiteren gutachterlichen Untersuchung) unterstellt, ist nicht von positivem Wissen der A oder der Stadt ausgehen, bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung ist Handeln in gutem Glauben wahrscheinlich daher: Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG (-) (c) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.v.m. 56 VwVfG - Nichtigkeit (+), wenn Versprechung einer unzulässigen Gegenleistung von A an Stadt K hier: Verpflichtung von A, Deutschland nach zwei Jahren zu verlassen und zu regelmäßigen, umfassenden amtsärztlichen Untersuchungen - Austauschvertrag i.s.d. 56 VwVfG (+), kein gebundener Anspruch der A auf Duldung ihres Aufenthalts, daher 56 Abs. 1 VwVfG einschlägig - A müsste Deutschland eigentlich sogar unverzüglich verlassen, da sie kein Aufenthaltsrecht hatte, daher Versprechen der freiwilligen Ausreise keine unzulässige Gegenleistung (P) Durchführung der Untersuchungen - grundsätzlich Einberufung nur aufgrund bestimmter, eng begrenzter Rechtsgrundlagen, wie. z. B. Bundesseuchengesetz möglich, grundsätzlich keine Bluttests vorgesehen - aber: Zweck: effektive gesundheitspolizeiliche Überwachung, d.h. zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben 6

- sachlicher Zusammenhang mit zugesagter Duldung (+) - insgesamt auch angemessen daher: Nichtigkeit gem. 59 Abs. 2 Nr. 4 i.v.m. 56 VwVfG (-) (3) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. Vorschriften des BGB analog - Generalklausel zur Nichtigkeit von Verwaltungsverträgen über Verweis auf die BGB- Vorschriften (a) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 123 BGB analog - Nichtigkeit, wenn Androhung der unverzüglichen Ausweisung bei (Nicht)Unterzeichnung des Schriftstücks eine widerrechtliche Drohung darstellt - Drohung = Inaussichtstellung eines künftigen Übels, auf das der Drohenden Einfluss zu haben vorgibt - bei Inaussichtstellung der sofortigen Ausweisung = Drohung (+) (P) Widerrechtlichkeit - Ausländerbehörde ist in einem derartigen Fall gerade zum angedrohten Verhalten gesetzlich berechtigt (vgl. 53 ff AufenthG) daher: Widerrechtlichkeit der Drohung (-), keine Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 123 BGB analog (b) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 134 BGB - Nichtigkeit bei Verstoß gegen Verbotsgesetz (P) Anwendbarkeit des 134 BGB - Pro: unbeschränkter Wortlaut des 59 Abs. 1 VwVfG - Contra: spezielle Nichtigkeitsgründe (s.o.) wären überflüssig, wenn jeder Rechtsnormverstoß zur Nichtigkeit führen würde - Lösung: Anforderung eines qualifizierten Gesetzesverstoßes Verstoß gegen zwingende Rechtsnorm Norm verbietet Inhalt des Vertrages, insbesondere dessen Erfolg Schutzzweck der Norm und Gewicht des Fehlers müssen Unwirksamkeit des Vertrages fordern hier: keine Verbotsnorm ersichtlich, die vertragliches Handeln der Verwaltung in den Bereichen des Ordnungsrechts und/oder des Ausländerrechts explizit verbietet, insb. wenn und soweit wie hier grundlegende Über-Unterordnungsstruktur auch auf der Grundlage der Vereinbarung im Ergebnis gewahrt bleibt daher: Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 134 BGB (-) (c) Nichtigkeit gem. 59 Abs. 1 VwVfG i.v.m. 138 BGB 7

- kein eigener Anwendungsbereich für 138 BGB, da Prüfung der Sittenwidrigkeit bereits erfolgt, (s.o.) cc) Zwischenergebnis - Vertrag zwischen der Stadt K und A wirksam zustande gekommen, bildet taugliche Ermächtigungsgrundlage für Ausweisung 2. Formelle Rechtmäßigkeit - keine Anhaltspunkte für formelle Fehlerhaftigkeit der Ausweisungsverfügung 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage - Voraussetzungen wie in Nr. 3 i.v.m. Nr. 2 des Vertrages vorgesehen, sind durch A erfüllt, weil sie es versäumt hat, sich regelmäßig untersuchen zu lassen b) Rechtsfolge - gem. Nr. 3 des Vertrags Ermessen der Ausländerbehörde bei Ausweisungsentscheidung ( ist berechtigt ), aber keine Ermessensfehler ersichtlich 4. Zwischenergebnis zur Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung - Ausweisungsverfügung rechtmäßig II. Ergebnis der Begründetheit - Klage der A unbegründet C. Gesamtergebnis - Klage der A zwar trotz erklärtem Rechtsmittelverzicht zulässig, aber unbegründet Hinweis: Der Fall basiert auf der Bearbeitung Aufenthaltserlaubnis für Prostituierte bei Stein, Fälle und Erläuterungen zum Allgemeinen Verwaltungsrecht/Verwaltungsprozessrecht, 2001, Fall 7, 68 ff. Zur Nacharbeit Im Überblick zum Verwaltungsvertrag Gurlit, Grundlagen des Verwaltungsvertrags, JURA 2001, 659 ff. und 731 ff. sowie Höfling/Krings, Der verwaltungsrechtliche Vertrag Begriff, Typologie und Fehlerlehre, JuS 2000, 625 ff. Zur Vorbereitung nach den Ferien 8

- Fortsetzungsfeststellungsklage: ausführlich: Ingold, Die Fortsetzungsfeststellungsklage in der Fallbearbeitung, JA 2009, 711 ff.. Detterbeck: Rn. 1421-1436 - Zum Recht der öffentlichen Sachen: Erbguth, Recht der öffentlichen Sachen, JURA 2008, 193 ff. Detterbeck: 19 9