Maßnahmen des Pflegeneuausrichtungsgesetzes im Überblick Von Martin Lörcher, Freiburg Die pflegerische Versorgung, insbesondere die ambulante Pflege und Betreuung, wird mit der Umsetzung des Pflegeneuausrichtungsgesetzes weiterentwickelt. Die Leistungen der Pflegeversicherung werden bedarfsgerechter und individueller nach den spezifischen Bedürfnissen von Menschen mit Demenz ausgerichtet. Das Pflege- Neuausrichtungsgesetz hat außerdem das Ziel, dass pflegebedürftige Menschen mehr Chancen für eine selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung bekommen und soweit wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben. So wird das Ziel verfolgt, sozialer Isolierung vorzubeugen. Die Finanzierung der Pflegeversicherung wird also zukunftssicher und so weiterentwickelt, dass es auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abstimmbar ist. Das bedeutet im Einzelnen: Die ambulante Versorgung von Menschen mit Demenz wird deutlich verbessert. Sozialstationen und Pflegedienste bieten so künftig neben der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung auch gezielt Betreuungsleistungen an. Hier wird die Pflege oder Betreuung in Zeit bemessen und erhoben. Das Leistungsmanagement der ambulanten Pflege umfasst daher nun nicht mehr ausschließlich Pflegekomplexe oder Module, sondern ab sofort ist auch die Betreuung oder Pflege in Zeiteinheiten darstellbar. Auch Pflegebedürftige, die nicht an Demenz erkrankt sind, können auf sie ausgerichtete Pflege- oder Betreuungsleistungen i als Sachleistungen in Anspruch nehmen.
Zusätzlich gibt es seit dem 01. Januar 2013 in der ambulanten Versorgung auch höhere Leistungen für Menschen mit Demenz: In der Stufe 0 erhalten Demenzkranke neben den heute schon beziehbaren 100 bzw. 200 Euro für zusätzliche Betreuungsleistungen nach 45 SGB XI erstmals Pflegegeld oder Pflegesachleistungen. Menschen ohne Pflegestufe (Pflegestufe 0) erhalten monatlich ein Pflegegeld von 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro. In den Pflegestufen 1 und 2 wird der bisherige Betrag aufgestockt. Pflegebedürftige in Pflegestufe I erhalten ein um 70 Euro höheres Pflegegeld von 305 Euro oder um 215 Euro höhere Pflegesachleistungen bis zu 665 Euro. Pflegebedürftige in Pflegestufe II erhalten ein um 85 Euro höheres Pflegegeld von 525 Euro oder um 150 Euro höhere Pflegesachleistungen von bis zu 1.250 Euro. Flexibilisierung der Inanspruchnahme von Leistungen: Pflegebedürftige und ihre Angehörigen können neben den heutigen, verrichtungsbezogenen Leistungskomplexen auch bestimmte Zeitvolumina für die Pflege wählen. Sie können dann zusammen mit den Pflegediensten entscheiden, welche Leistungen in diesem Zeitkontingent erbracht werden sollen.. Tages- oder Nachtpflege Künftig wird es nach dem Pflegeneuausrichtungsgesetz auch möglich sein, in teilstationären Pflegeeinrichtungen der Tages- und Nachtpflege zusätzliche Betreuungskräfte nach 87b einzusetzen, die vollständig von der Pflegeversicherung finanziert werden. Pflegesatzvereinbarungen können diese neue Regelung implizieren.
Stärkung von pflegenden Angehörigen: Da pflegende Angehörige in der dauernden Konfrontation mit der Pflegebedürftigkeit zu Hause als stark belastet wahrgenommen werden, wird die Stabilisierung und Stärkung der Situation der pflegenden Angehörigen als notwendiger Baustein für die gesamte ambulante Pflegesituation verifiziert. Sie sorgen durch ihrem Einsatz für eine gute Betreuung der Pflegebedürftigen. In der Krankenversicherung wird schon ausdrücklich die besonderen Belange pflegender Angehöriger bei anstehenden Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen betont. Anpassung der Verhinderungspflege: Pflegende Angehörige erhalten mit Inkrafttreten des Pflegeneuausrichtungsgesetzes leichter die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Künftig wird das Pflegegeld zur Hälfte weitergezahlt, wenn Sie eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege für ihren pflegebedürftigen Angehörigen in Anspruch nehmen. Bauliche Anpassungsmaßnahmen bei Pflegebedürftigkeit: Modellprojekt: Um es Pflegebedürftigen zu ermöglichen, nach ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen leben zu können, werden Wohnformen zwischen der ambulanten und stationären Betreuung zusätzlich gefördert. Insbesondere gilt zur Gründung ambulanter Wohngruppen eine Förderung von 2.500 Euro pro Person. Diese können auch mit bis zu vier Einheiten auf maximal 10.000 Euro je Wohngruppe kumuliert werden, wenn mehrere betroffene Menschen in eine gemeinsame Wohneinheit ziehen. Die Unterstützungsbeträge werden für notwendige Umbaumaßnahmen in der gemeinsamen Wohnung eingesetzt. Das Programm der Wohnumbauförderung ist zunächst zeitlich begrenzt angesetzt. Für die Förderung steht insgesamt eine Summe von 30 Millionen Euro zur Verfügung.
Generell gilt: Die Pflegekassen können Umbaumaßnahmen der Wohnung (z.b. eines Bades oder einer Treppe), die dem Pflegebedarf geschuldet sind als Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen zustimmen. Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2.557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Bisher wurde ausschließlich nur ein Umbau anerkannt, auch wenn die Maßnahme mehreren Pflegebedürftigen zugutekam. Künftig kann der Zuschuss auch hier kumuliert werden - bis zu viermal 2.557 Euro, insgesamt also 10.228 Euro, können anerkannt werden, und zwar immer dann, wenn mehrere Pflegebedürftige zusammen wohnen. Dies kommt vor allem ambulant betreuten Wohngruppen für Pflegebedürftige zu Gute. Stärkung der Rechte von Pflegebedürftigen Die Rechte Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen gegenüber Pflegekassen und Medizinischem Dienst werden gestärkt. Nach einem verbindlichen Verhaltenscodex soll sichergestellt werden, dass ein angemessener und respektvoller Umgang mit den Pflegebedürftigen Standard ist. Antragsteller sind zudem darauf hinzuweisen, dass sie einen Anspruch darauf haben, das MDK-Gutachten zugesandt zu bekommen. Zur Sicherstellung einer frühzeitigen Beratung müssen die Pflegekassen Antragstellern zukünftig einen Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen unter Nennung eines Ansprechpartners anbieten. Die Beratung soll auf Wunsch des Versicherten in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der der Versicherte lebt, erfolgen. Können Pflegekassen diese Leistung nicht selbst zeitgerecht erbringen, dann müssen sie ihm einen Beratungsgutschein für die Inanspruchnahme der erforderlichen Beratung durch einen anderen qualifizierten Dienstleister zur Verfügung stellen. Zeitnahe Entscheidungen sind für Pflegebedürftige und Antragsteller von großer Bedeutung. Wenn innerhalb von vier Wochen keine Begutachtung erfolgt, wird die Pflegekasse deshalb verpflichtet, dem Versicherten mindestens drei Pflegebedarfs- Gutachter zur Auswahl zu benennen, damit es auch ohne den MDK voran gehen kann.
Wenn die Pflegekassen Begutachtungsentscheidungen (z.b. zur Pflegestufe oder zum zusätzlichen Betreuungsbedarf nach 45) nicht fristgerecht treffen, dann haben sie künftig dem Antragsteller je angebrochene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro als Ausgleich zu bezahlen, bis die Begutachtung bzw. der Entscheid umgesetzt ist. Die Erhöhung des Beitragssatzes um 0,1 % Beitragssatzpunkte zum 1. Januar 2013 ermöglicht eine Finanzierung der Leistungsverbesserungen. Quelle: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflege/das-pflege-neuausrichtungs-gesetz.html Der Autor ist Diplom-Pflegewirt und arbeitet als Abteilungsleiter Pflege bei der Sozialstation Dreisam ggmbh, Freiburg i.br.