EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 16.III.2005 C(2005)585 fin Betrifft: Staatliche Beihilfe Nr. N 34/2005 - Deutschland High-Tech Gründerfonds Sehr geehrter Herr Bundesminister, 1. VERFAHREN Mit Schreiben vom 24. Januar 2005, das am 28. Januar 2005 bei der Kommission einging, haben die deutschen Behörden die vorgenannte Maßnahme gemäß Artikel 88 Absatz 3 EGV notifiziert. Die deutschen Behörden haben darauf hingewiesen, dass es sich aus ihrer Sicht bei der Maßnahme nicht um eine staatliche Beihilfe handelt und diese nur aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Kommission angemeldet wird. 2. ANGABEN ZUR MASSNAHME 2.1. Ziel der Maßnahme Die notifizierte Maßnahme soll dem Mangel an Beteiligungskapitalfinanzierungen für junge technologieorientierte Kleinst- und Kleinunternehmen entgegenwirken. 2.2. Begünstigte Im Rahmen der Maßnahme werden neu gegründete, maximal ein Jahr alte Kleinst- und Kleinunternehmen gefördert. 2.3. Verwaltung der Maßnahme Die Maßnahme wird vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit verwaltet. Seiner Exzellenz Herrn Josef FISCHER Bundesminister des Auswärtigen Werderischer Markt 1 D 11017 Berlin Commission européenne, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel - Belgien. Telefon: (32-2) 299 11 11.
2.4. Fondsvolumen Bei Aufnahme der Investitionstätigkeit soll der Fonds ein Volumen von schätzungsweise 60 Mio. EUR aufweisen. Nach Schätzungen der deutschen Behörden soll der Fonds ein Gesamtvolumen von 240 Mio. EUR erreichen. 2.5. Dauer der Maßnahme Für den Fonds ist eine Investitionsphase von fünf Jahren bis zum 31. Dezember 2010 vorgesehen. Die Gesamtdauer der Maßnahme soll 12 Jahre betragen, um einen erfolgreichen Ausstieg zu erleichtern. 2.6. Rolle des Fonds Der High-Tech Gründerfonds wird als eigenständige Rechtspersönlichkeit aufgelegt, um die für die begünstigten Kleinst- und Kleinunternehmen vorgesehenen Finanzierungsmittel zu verwalten. Eine Diversifizierung hin zu anderen Tätigkeiten ist dem Fonds nicht gestattet. 2.7. Auswahl der Kapitalgeber Die Aufforderung zur Beteiligung von Kapitalgebern wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. 2.8. Auswahl der Zielunternehmen durch den Fonds Investiert wird nur in wirtschaftlich tragfähige Kleinst- und Kleinunternehmen in der Gründungs- und Anlaufphase, und zwar auf der Grundlage solider Business-Pläne und einer nach kommerziellen Gesichtspunkten erfolgenden Bewertung durch die Fondsmanager. 2.9. Beteiligung öffentlicher und privater Kapitalgeber Die Beteiligung privater Kapitalgeber erfolgt auf der Ebene des Fonds und auf der Ebene der Einzelinvestitionen in die begünstigten Kleinst- und Kleinunternehmen. Der Fonds steht privaten Kapitalgebern unbefristet offen. Öffentliche und private Investitionen sind gleichrangig; private und öffentliche Kapitalgeber investieren zu gleichen Bedingungen (pari passu). 2.10. Volumen der Investitionen in die Zielunternehmen Die Investitionen in antragsberechtigte Kleinst- und Kleinunternehmen sollen 500 000 EUR pro Finanzierungstranche nicht übersteigen. Die Beteiligung des High- Tech Gründerfonds an den begünstigten Kleinst- und Kleinunternehmen soll 25 % der gesamten Unternehmensanteile nicht übersteigen. 2.11. Gewinnausschüttung Die Rückflüsse aus dem Fonds werden dem jeweiligen Investitionsumfang entsprechend zwischen öffentlichen und privaten Kapitalgebern aufgeteilt (pro rata). 2
2.12. Auswahl und Vergütung der Fondsmanager Eingesetzt wird ein unabhängiges professionelles Fondsmanagement. Eine leistungsbezogene Vergütung soll für gewinnorientierte Anlageentscheidungen sorgen. Bei der Auswahl des Fondsmanagement werden die jeweils gültigen Bestimmungen des öffentlichen Vergaberechts eingehalten. 2.13. Finanzierungsinstrumente Die Finanzierungen erfolgen über drei verschiedene Instrumente: offene Beteiligungen; stille Beteiligungen; stille Beteiligungen mit Wandlungsoption. Die offenen Beteiligungen sollen 100 000 EUR über einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigen. Die stillen Beteiligungen werden zu wirtschaftsüblichen Bedingungen übernommen, wobei der Zinssatz mindestens 400 Basispunkte über dem von der Kommission festgelegten Referenzzinssatz liegt. Stille Beteiligungen mit Wandlungsoption unterliegen denselben Bedingungen wie stille Beteiligungen allgemein. Die Umwandlung erfolgt zu den gleichen Bedingungen, die für privatwirtschaftlich agierende Beteiligungskapitalgeber gelten (pari passu). 2.14. Hauptmerkmale der Maßnahme Beteiligungsbeschränkungen Die deutschen Behörden haben bestätigt, dass der High-Tech Gründerfonds ausschließlich Kleinst- und Kleinunternehmen im Sinne der Gemeinschaftsverordnungen 1 finanziert. Antragsberechtigt sind außerdem nur KMU in der Gründungs- oder Anlaufphase. Gewinnorientierung der Anlageentscheidungen Die nach professionellen Maßstäben agierenden Fondsmanager des High-Tech Gründerfonds treffen ihre Anlageentscheidungen nach kommerziellen Gesichtspunkten und werden leistungsbezogen vergütet. Minimale Verzerrung zwischen Kapitalgebern und Fonds Nach den Vorschriften des High-Tech Gründerfonds werden private Kapitalgeber nach einer entsprechenden Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union ausgewählt. 1 Siehe Definition in Anhang I zur Verordnung Nr. 70/2001 der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 33), in der auf die Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107 vom 30.4.1996, S. 4) verwiesen wird. Diese wurde ab 1. Januar 2005 durch die Empfehlung 2003/361/EG der Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36-41) ersetzt. 3
Sektorale Orientierung Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten 2 sind von der Maßnahme ebenso ausgeschlossen wie Kleinst- und Kleinunternehmen aus den sensiblen Sektoren im Sinne von Ziff. VIII.3 der Mitteilung. Investitionen auf der Grundlage von Business-Plänen Nach den Vorschriften des High-Tech Gründerfonds werden sämtliche Investitionen auf der Basis solider Business-Pläne getätigt, um die Tragfähigkeit der Projekte und die erwarteten Renditen sicherzustellen. Dies wird gemäß der Mitteilung positiv gewertet. 3. RECHTMÄSSIGKEIT Mit der Anmeldung der Regelung vor deren Inkraftsetzung sind die deutschen Behörden ihren Verpflichtungen aus Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag nachgekommen. Die deutschen Behörden haben indes darauf hingewiesen, dass die Maßnahme aus ihrer Sicht keine staatliche Beihilfe darstellt und nur aus Gründen der Rechtssicherheit bei der Kommission angemeldet wurde. 4. VORLIEGEN EINER STAATLICHEN BEIHILFE UND POSITIVE KRITERIEN Die Kommission hat die Maßnahme nach Maßgabe von Artikel 87 EG-Vertrag und anhand der Mitteilung der Kommission über staatliche Beihilfen und Risikokapital 3 (nachstehend Mitteilung ) gewürdigt. Danach ist das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe auf drei unterschiedlichen Ebenen zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind nachstehend zusammengefasst. 4.1. Beihilfen für Kapitalgeber Auf Ebene der Kapitalgeber ist die Beteiligung staatlicher Mittel dadurch gegeben, dass der High-Tech Gründerfonds mit bis zu 60 Millionen EUR jährlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Privaten Kapitalgebern werden keine günstigeren Konditionen eingeräumt als öffentlichen Kapitalgebern. Eine Nachrangigkeit öffentlicher Finanzierung gegenüber privater Finanzierung wird daher von den deutschen Behörden ausgeschlossen. Im Einklang mit Ziffer IV.5 (1) der Mitteilung erhalten private Kapitalgeber unter diesen Umständen keinen Vorteil, da sie sich zu gleichen Bedingungen am Fonds beteiligen wie öffentliche Kapitalgeber (pari passu). Auf der Ebene der Kapitalgeber liegt somit keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag vor. 2 ABl. C 244 vom 1.10.2004, S.2. 3 ABl. C 235 vom 21.8.2001, S. 3-11. 4
4.2. Beihilfen an zwischengeschaltete Organismen oder Fonds Im Allgemeinen neigt die Kommission zu der Auffassung, dass ein Fonds dazu dient, Beihilfen an Kapitalgeber oder zu finanzierende Unternehmen weiterzureichen, selbst jedoch kein Beihilfeempfänger ist. Wie in Ziff. IV.5 (2) der Mitteilung ausgeführt, kann dies in Fällen, in denen der Fonds den Charakter eines unabhängigen Unternehmens hat, anders sein. Allerdings haben die deutschen Behörden versichert, dass der High-Tech Gründerfonds einen solchen Charakter nicht aufweist. Da der Fonds eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzen und ausschließlich dazu dienen wird, Finanzierungsmittel an die begünstigten Kleinst- und Kleinunternehmen weiterzureichen, betrachtet die Kommission den High-Tech Gründerfonds nicht als eigenständigen Beihilfeempfänger und stellt daher fest, dass auf der Ebene des Fonds keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegt. Diese Würdigung steht im Einklang mit den Entscheidungen der Kommission in den Beihilfesachen Viridian Growth Fund 4, Coalfields Enterprise Fund 5 und Community Development Venture Fund 6, SMEVCLF 7, Wales Early Stage Fund 8, EFRE- Risikokapitalfonds Berlin 9, EFRE-Risikokapitalfonds Schleswig-Holstein 10, EFRE- Risikokapitalfonds Thüringen 11 und Änderungen am staatlichen Beihilfeprogramm Lettlands Risikokapitalfinanzierung für KMU 12. 4.3. Beihilfen an die zu finanzierenden Unternehmen Auf der Ebene der begünstigten Kleinst- und Kleinunternehmen ist zwischen offenen Beteiligungen, stillen Beteiligungen und stillen Beteiligungen mit Wandlungsoption zu unterscheiden. Im Hinblick auf offene Beteiligungen hat Deutschland bestätigt, dass diese 100 000 EUR über einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteigen werden. Nach den Erfahrungen der Kommission beeinflussen derartige Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht und drohen den Wettbewerb nicht zu verzerren; sie fallen daher nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag. 13 Die Kommission ist dementsprechend zu dem Ergebnis gelangt, dass die offenen Beteiligungen keine staatliche Beihilfe darstellen. Allerdings erinnert die Kommission die deutschen Behörden daran, dass die Vorgaben der De-minimis-Verordnung zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden müssen. 4 Staatliche Beihilfe C 46/2000 5 Staatliche Beihilfe N 722/2000 6 Staatliche Beihilfe N 606/2001 7 Staatliche Beihilfe N 620/2002 8 Staatliche Beihilfe N 572/2003 9 Staatliche Beihilfe N 212/2004 10 Staatliche Beihilfe N 213/2004 11 Staatliche Beihilfe N 266/2004 12 Staatliche Beihilfe N 360/2004 13 Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG- Vertrag auf De-minimis -Beihilfen (ABl. L 10 vom 13.1.2001, S. 30). 5
Im Hinblick auf stille Beteiligungen, die als unbesicherte Darlehen einzustufen sind, haben die deutschen Behörden bestätigt, dass sie zu Marktkonditionen übernommen werden; untermauert wird dies dadurch, dass die von den begünstigten KMU zu entrichtenden Zinssätze mindestens 400 Basispunkte über dem EU-Referenzzinssatz für Deutschland 14 liegen. Im Einklang mit ihrer bisherigen Entscheidungspraxis 15 vertritt die Kommission daher die Auffassung, dass die Empfänger-KMU durch die stillen Beteiligungen keinen Vorteil erhalten und diese daher keine staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen. Für stille Beteiligungen mit Wandlungsoption gelten bis zum Zeitpunkt der Umwandlung dieselben Konditionen wie für stille Beteiligungen ohne Wandlungsoption. Die finanzierten Kleinst- und Kleinunternehmen müssen einen Zinssatz entrichten, der mindestens 400 Basispunkte über dem jeweiligen EU- Referenzzinssatz für Deutschland liegt. Die Wandlung erfolgt zu denselben Bedingungen wie für private Kapitalgeber (pari passu). Die Kommission gelangt daher zu dem Ergebnis, dass die wandelbaren stillen Beteiligungen keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EGV darstellen. Schlussfolgerung: Die Kommission stellt fest, dass der High-Tech Gründerfonds keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt. 14 Mitteilung der Kommission über die Methode zur Festsetzung der Referenz- und Abzinsungssätze (ABl. C 273 vom 9.9.1997, S. 3). 15 Siehe staatliche Beihilfe N 212/2004 Deutschland: EFRE-Risikokapitalfonds Berlin ; N 213/2004 Deutschland: EFRE-Risikokapitalfonds Schleswig-Holstein ; N 266/2004 Deutschland: EFRE-Risikokapitalfonds Thüringen ; N 310/2004 Deutschland: EFRE- Risikokapitalfonds Brandenburg. 6
5. BESCHLUSS In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt die Kommission zu dem Schluss, dass der High-Tech Gründerfonds keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt. Die Kommission erinnert die deutschen Behörden daran, dass alljährlich ein Bericht über die Anwendung der Regelung vorzulegen ist. Des Weiteren werden die deutschen Behörden daran erinnert, dass jede geplante Neubewilligung oder Änderung der Regelung der Kommission mitzuteilen ist. Falls dieses Schreiben vertrauliche Angaben enthält, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, können Sie dies der Kommission innerhalb von fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Schreibens mitteilen. Erhält die Kommission innerhalb dieser Frist keinen mit Gründen versehenen Antrag auf Nichtveröffentlichung, so geht sie davon aus, dass Sie mit der Bekanntgabe dieses Schreibens gegenüber Dritten und mit der Veröffentlichung des vollständigen Wortlauts in der Verfahrenssprache auf der Internet- Seite http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/state_aids/ einverstanden sind. Bitte richten Sie Ihren Antrag per Einschreiben oder Telefax an folgende Anschrift: Europäische Kommission Generaldirektion Wettbewerb Kanzlei Staatliche Beihilfen B-1049 Brüssel Fax-Nr.: 32 2 2961242 Mit vorzüglicher Hochachtung Für die Kommission Neelie KROES Mitglied der Kommission 7