1 Leistungspflicht im Arbeitsverhältnis
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- Martin Böhmer
- vor 8 Jahren
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1 2. Teil Arbeitsrechtliche Grundlagen Um die Low Performance eines Arbeitnehmers zu bewerten, muss der Arbeitgeber zunächst wissen, welche Leistung der Arbeitnehmer überhaupt schuldet (Soll-Leistung) und welche Leistung der Arbeitnehmer tatsächlich erbringt (Ist-Leistung). Erst dann kann der Arbeitgeber feststellen, ob überhaupt eine Low Performance des Arbeitnehmers vorliegt. Nur so kann der Arbeitgeber dem Problem durch personalorientierte oder arbeitsrechtliche Maßnahmen wirksam begegnen. 1 Leistungspflicht im Arbeitsverhältnis Ausgangspunkt bei der Frage von Low Performance im Arbeitsverhältnis ist der Folgende: Der Arbeitsvertrag ist als Unterfall des Dienstvertrages gem. 611 BGB ein gegenseitiger Vertrag. Den Arbeitgeber trifft die Beschäftigungs- und Entgeltzahlungspflicht, der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Das Gesetz geht dabei von der Gleichwertigkeit von Entgelt und Arbeitsleistung aus. Durch den Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung nicht oder nur ungenügend erbringt, gerät das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus dem Gleichgewicht. Da der Arbeitgeber nur eingeschränkte Möglichkeiten hat, durch eine Anpassung des Entgeltes auf die minderwertige Arbeitsleistung zu reagieren 4, muss er zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes versuchen, den Arbeitnehmer zu der vertraglich geschuldeten Leistung zu bewegen. Es stellt sich damit die Frage, was die vertraglich geschuldete Leistung (Soll-Leistung) ist. Nur durch Feststellung der Soll-Leistung kann der Arbeitgeber eine Low Performance des Arbeitnehmers feststellen und dieser wirksame Maßnahmen entgegensetzen. Eine gesetzliche Regelung, die bestimmt, was der Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner Leistungspflicht schuldet, existiert jedoch nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die vertraglichen Vereinbarungen. 4 Vgl. dazu 4. Teil, 1 Entgeltinstrumentarien. 9
2 1.1 Arbeitsvertragliche Tätigkeitsbeschreibung, Direktionsrecht und Stellenbeschreibung Die Leistungspflicht des Arbeitnehmers ergibt sich aus den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarungen. Im Arbeitsvertrag findet sich indes meist nur eine abstrakte Beschreibung der auszuführenden Tätigkeit. Zur Bestimmung der konkreten Soll- Leistung ist der Arbeitsvertrag daher meist ungeeignet. Der Arbeitgeber hat jedoch das Recht, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Tätigkeitsbeschreibung die Leistungspflicht zu konkretisieren. Dies erfolgt durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dabei gilt: Je konkreter der Arbeitsvertrag die Aufgaben des Arbeitnehmers bestimmt, desto geringer sind die Möglichkeiten des Arbeitgebers, Tätigkeiten mittels seines Direktionsrechts zuzuweisen. Durch eine abstrakte Funktions- und Aufgabenbeschreibung im Arbeitsvertrag (Beispiel: Sachbearbeiter Einkauf) besteht eine größere Flexibilität. In diesem Fall kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jede Tätigkeit zuweisen, die dem Berufsbild der getroffenen Tätigkeitsbeschreibung entspricht. 5 Zur Bestimmung der Soll-Leistung ist eine abstrakte Aufgaben- bzw. Funktionsbezeichnung im Arbeitsvertrag nicht geeignet. Um die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit einerseits flexibel zu halten, andererseits jedoch dem Arbeitnehmer klar vor Augen führen zu können, welche Tätigkeiten der Arbeitgeber von ihm verlangt, empfiehlt es sich, eine abstrakte Aufgaben- bzw. Funktionsbezeichnung im Arbeitsvertrag zu wählen und die Einzelheiten in einer Stellenbeschreibung niederzulegen. Die Stellenbeschreibung sollte aber ausdrücklich dynamisch sein. Die Stellenbeschreibung sollten Sie nicht zum Inhalt des Arbeitsvertrages erklären. 5 Der Nachteil einer abstrakten Aufgaben- bzw. Funktionsbeschreibung im Arbeitsvertrag ist auf der anderen Seite, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung mit einem weitaus größeren Kreis an Mitarbeitern in eine gemeinsame Sozialauswahl einzubeziehen hat. 10
3 Abzuraten ist insbesondere von der Formulierung: Die Stellenbeschreibung in Anlage XY ist Bestandteil dieses Arbeitsvertrages. In diesem Fall gilt nichts anderes, als hätten die Arbeitsvertragsparteien die einzelnen Bestandteile der Stellenbeschreibung im Arbeitsvertrag vereinbart. Konsequenz ist, dass der Arbeitgeber die Aufgaben und Tätigkeiten des Arbeitnehmers nicht einseitig ändern kann und damit die gewünschte Flexibilität verliert. Wollen Sie z.b. aus Klarstellungsgründen die Stellenbeschreibung dem Arbeitsvertrag als Anlage beifügen, sollten Sie vereinbaren, dass es sich um die derzeit gültige Stellenbeschreibung handelt und der Arbeitgeber jederzeit berechtigt ist, diese zu ändern. Rechtstechnisch ist die Stellenbeschreibung die Festlegung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts. Hieraus folgt, dass die einseitig vorgegebene Stellenbeschreibung nur insofern für den Arbeitnehmer bindend ist, als sie die im Arbeitsvertrag abstrakt formulierte Aufgaben- bzw. Funktionsbezeichnung konkretisiert. Der Arbeitgeber kann also nicht dem Arbeitnehmer im Rahmen der Stellenbeschreibung Aufgaben auferlegen, die außerhalb des arbeitsvertraglich geschuldeten Funktionsbereichs liegen (Beispiel: Hofreinigung durch Finanzbuchhalter). Die Aufgaben- und Tätigkeitszuweisung im Rahmen der Stellenbeschreibung ist ferner nur insoweit zulässig, wie es auch die Tätigkeitszuweisung im Rahmen des Direktionsrechts (unter Beachtung der Grenzen des 315 BGB und des 106 GewO) ist. Die Ausübung des Direktionsrechts muss danach nach billigem Ermessen erfolgen. Dies verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit, Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Dabei muss der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Einzelfalles abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. 6 So kann die alleinige Durchsetzung der Arbeitgeberinteressen zur Unbilligkeit der Aufgaben- und Tätigkeitszuweisung führen. 7 Die Rechtsprechung hat die Anordnung eines Arbeitgebers für unbillig erachtet, wonach eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit durch eine Verlängerung der 6 BAG, Urt. v AZR 1031/ 94, NZA 1996, 1088, Vgl. BAG, Urt. v AZR 183/97-, NZA 1999, 384,
4 Mittagspause erreicht werden sollte. Der Arbeitgeber hatte dabei - so das BAG - die Interessen der Arbeitnehmer nicht ausreichend berücksichtigt. Vielmehr hätten die Arbeitnehmer die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit zu einer Vergrößerung ihrer Freizeit nutzen können, z. B. durch Verschiebung des Beginns/Endes der täglichen Arbeitszeit. 8 Der Arbeitgeber, der ernsthaft das Problem der Low Performance in den Griff bekommen möchte, wird nur erfolgreich sein, wenn er Stellenbeschreibungen für die relevanten Arbeitsplätze erstellt und indem er in einem systematischen Prozess detailreich analysiert, welche Aufgaben und Tätigkeiten er tatsächlich auf den einzelnen Arbeitsplätzen erwartet. Vermeiden Sie dabei nichtssagende Floskeln und Allgemeinsätze. Halten Sie vielmehr konkret fest, welche einzelnen Tätigkeiten und Aufgaben, ggf. auch welche einzelnen Teil-Schritte Sie von dem entsprechenden Inhaber des Arbeitsplatzes erwarten. Dies ist nicht nur bei einfacheren, schematischen Tätigkeiten möglich, sondern auch bei anspruchsvolleren und höherwertigen Positionen. In der Beratungspraxis zeigt sich häufig, dass der Arbeitgeber lediglich auf den vom Arbeitnehmer zu erreichenden Erfolg abstellt. Beispiel: Vom Vertriebsaußendienstmitarbeiter wird ein bestimmtes Umsatzvolumen erwartet. Entsprechende Erfolge kann der Arbeitgeber jedoch außer im Rahmen von Vereinbarungen über variable Vergütung nicht wirksam mit dem Arbeitnehmer vereinbaren und auch nicht per Direktionsrecht bestimmen, da er anderenfalls das unternehmerische Risiko auf den Arbeitnehmer überträgt 9. In dieser Konstellation sollten Arbeitgeber analysieren, welche Tätigkeiten und welches Verhalten der Arbeitnehmer erbringen kann, die im Ergebnis (vorausgesetzt, dass die Rahmenbedingungen dies zulassen) zum gewünschten Erfolg führen (Beispiel: Vertriebsaußendienstmitarbeiter schuldet eine bestimmte Anzahl von Kundenbesuchen, ein bestimmtes Verhalten im Zusammenhang mit der Verabre- 8 BAG, Urt. v AZR 418/91, PersR 1992, Vgl. Riesenhuber/ v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785, 786 m.w.n. 12
5 dung und Nachbearbeitung von Terminen, ein bestimmtes Verhalten im Umgang mit Rückfragen etc.). 1.2 Arbeitsqualität und -quantität Auch wenn der Arbeitgeber durch konkrete Formulierungen im Arbeitsvertrag und in der Stellenbeschreibung definiert hat, welches Arbeitsverhalten und welche Arbeitshandlungen der Arbeitnehmer im Einzelnen schuldet, steht er häufig immer noch vor dem Problem, dass keine Definition von Arbeitsqualität und Arbeitsquantität vorliegt. Nur in den wenigsten Fällen kann der Arbeitgeber Qualität und Quantität der Arbeitsleistung (Beispiel: Produktionsstücke pro Stunde) abstrakt festlegen. Erforderlich ist daher ein allgemein gültiger Maßstab zur Bestimmung der geschuldeten Arbeitsqualität und -quantität. Das BAG stellt arbeitnehmerfreundlich bei der Beantwortung der Frage, welche Qualität und Quantität der Arbeitnehmer schuldet, auf einen individuellen Maßstab ab. 10 Danach entscheidet das subjektive Leistungsvermögen des Arbeitnehmers über Arbeitsqualität und -quantität. Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsleistung nach 613 BGB persönlich zu erbringen, aber der Arbeitsvertrag verpflichtet im Gegensatz zum Werkvertrag nicht zur Herbeiführung eines bestimmtes Erfolges, sondern nur zur Diensterbringung. Daher kann der Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer auch nur die Leistung erwarten, die er bei angemessener Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung seiner Gesundheit zu leisten imstande ist. Kurz gefasst: Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut er kann. 11 Entgegen dem von der Rechtsprechung aufgestellten subjektiven Leistungsmaßstab vertreten einige Autoren einen objektiven Maßstab. Demnach schulde der Arbeitnehmer eine Leistung mittlerer Art und Güte. 12 Eine Low Performance läge dann bei Erbringung einer 10 BAG, Urt. v AP BGB 626 Nr. 99; BAG Urt. v AZR 667/02, BB 2004, BAG Urt. v AZR 667/02, BB 2004, Hunold, BB 2003, 2345, 2346; Preis in: Stahlhacke/Vossen/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, Rn
6 objektiv nur unterdurchschnittlichen Qualität oder Quantität vor. Andere wiederum sehen eine Low Performance in der Abweichung der Arbeitsleistung vom Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes. 13 In der Praxis sollten Arbeitgeber sicherheitshalber den subjektiven Leistungsmaßstab der Rechtsprechung anlegen. Der subjektive Leistungsbegriff führt damit zu einer individuellen Leistungspflicht: 14 Wer Überdurchschnittliches zu leisten imstande ist, ist verpflichtet, überdurchschnittliche Leistung zu erbringen. Derjenige, der nur zu einer unterdurchschnittlichen Leistung fähig ist, genügt mit einer unterdurchschnittlichen Leistung seiner Arbeitspflicht. Dies führt jedoch nicht zu einer Freizeichnung des Arbeitnehmers von seiner Verpflichtung zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer muss der Arbeitsleistung, zu der er sich vertraglich verpflichtet hat, auch gewachsen sein. Die Rechtsprechung des BAG, die auf die angemessene Anstrengung der individuellen Kräfte und Fähigkeiten (= subjektiver Leistungsbegriff) abstellt, ist für den Arbeitgeber problematisch: Er wird in der Regel nicht wissen können, ob der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit erreicht hat oder seine Leistung zurückhält. Das BAG löst diese Fälle, in dem es zugunsten des Arbeitgebers zunächst objektive Vergleichsmaßstäbe zulässt. Im Prozess dann gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast 15, nach der der Arbeitgeber zunächst nur eine Abweichung von der Durchschnittsleistung darlegen muss. Auch wenn das BAG letztlich einen subjektiven Leistungsbegriff zugrunde legt, erlaubt es dem Arbeitgeber, zunächst lediglich objektive Anhaltspunkte vorzutragen. Daher sind interne Bewertungen der Arbeitnehmer und eine genaue Dokumentation der Leistung von entscheidender Bedeutung (siehe unten). 13 Tschöpe, BB 2006, 213, Preis in: Dieterich, Müller-Glöge, Preis, Schaub, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2007, 611 Rn. 794 ff. 15 Ausführlich zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Prozess siehe unter 2.Teil
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