Beispielsfall 1. Folie 2. Vorlesung BGB-AT Christof Wagner, LL.M. (Cambridge)
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- Käte Mann
- vor 5 Jahren
- Abrufe
Transkript
1 Geschäftsfähigkeit Teil 1 Folie 1
2 Beispielsfall 1 Der zehnjährige Max ist Eigentümer eines 10 Euro Scheins. Seine Eltern haben ihm ausdrücklich verboten, Süßigkeiten zu erwerben. Dennoch sucht er den Süßwarenhändler Viktor auf und erwirbt für 5 Euro eine Großpackung Haribo. Max übergibt seinen 10 Euro Schein, im Gegenzug erhält er die Packung Haribo und einen 5 Euro Schein. Den 10 Euro Schein legt Viktor in die ansonsten leere Kasse. Folie 2
3 Voraussetzungen eines Vertrags (vertraglichen Erfüllungsanspruchs) 1. Einigung a) Antrag/Angebot (auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung) (1) Erforderlicher Inhalt: wesentliche Vertragsbestandteile (2) Rechtsbindungswille (nicht bei Vertragsanbahnung, Gefälligkeit) (3) Wirksamwerden (Abgabe und Zugang), 130 f. BGB b) Annahme des wirksamen Antrags Ja nach Maßgabe von 145 ff. BGB 2. Wirksamkeit a) Keine Unwirksamkeit mangels Geschäftsfähigkeit, 104 ff. BGB b) Keine Unwirksamkeit mangels vorgeschriebener Form, 125 BGB c) Keine Unwirksamkeit wegen Inhalts, 134, 138 BGB d) Keine Unwirksamkeit wegen Bedingung oder Befristung, 158 ff. BGB e) Keine Unwirksamkeit wegen Willensmängeln, 116 ff., 142 BGB Folie 3
4 Geschäftsfähigkeit Geschäftsunfähigkeit ( 104) Wer? Nr. 1: Wer nicht das siebte Lebensjahr vollendet hat Nr. 2: Psychisch Kranke => Krankheit, durch die dauerhaft der Wille nicht frei zu bestimmen ist => Zustand muss bei Abgabe der WE vorliegen (lichte Augenblicke möglich) Beschränkte Geschäftsfähigkeit ( 106) Wer? Ein Minderjähriger, der das siebte Lebensjahr vollendet hat => Minderjährig ist, wer nicht volljährig ist => Volljährigkeit in 2 geregelt: Vollendung des 18. Lebensjahres Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit (nicht 104, 106) Wer? Normale Volljährige Folie 4
5 Geschäftsfähigkeit Geschäftsunfähigkeit ( 104) Beschränkte Geschäftsfähigkeit ( 106) Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit (nicht 104, 106) Rechtsfolge? Grundsatz: Nichtigkeit ( 105 Abs. 1) Ausnahme: Geschäfte des täglichen Lebens bei Volljährigen ( 105a) Rechtsfolge? 106: Wirksamkeit nach Maßgabe der 107 bis 113 Grundsatz: Wirksamkeit oder schwebende Unwirksamkeit Rechtsfolge? Grundsatz: Wirksamkeit Ausnahme: Vorübergehende Unfähigkeit freien Willen zu bilden ( 105 Abs. 2: z.b. Rauschzustände, Fieberwahn, epileptischer Anfall) => Nichtigkeit Folie 5
6 Beschränkte Geschäftsfähigkeit Wirksamkeit oder schwebende Unwirksamkeit? 1. Haben die gesetzlichen Vertreter ihre Zustimmung zu dem Rechtsgeschäft erteilt? a) Gesetzliche Vertreter: Eltern => 1626 I, 1629 I b) Möglicher Zeitpunkt der Zustimmung: vorherige oder nachträgliche => Einwilligung ( 183) oder Genehmigung ( 184) 2. Wenn nein, kommt es darauf an, ob das Geschäft rechtlich lediglich vorteilhaft ist neutral ist nachteilig ist Wirksam ( 107) Wirksam ( 107 analog) Schwebend Unwirksam ( 108 I) Folie 6
7 Beschränkte Geschäftsfähigkeit Wann ist ein Rechtsgeschäft rechtlich lediglich vorteilhaft? Der Minderjährige erlangt durch die Willenserklärung ausschließlich eine Verbesserung seiner Rechtsstellung, weil er Rechte hinzugewinnt oder von Pflichten befreit wird Minderjähriger erlangt Etwas : einen Anspruch, ein Recht oder eine Erweiterung seiner Möglichkeiten neutral? Die Willenserklärung hat für den Minderjährigen überhaupt keine rechtlichen Folgen nachteilig? Der Nachteil kann sowohl in der Begründung einer Pflicht (z.b. Anspruch), Verlust eines Rechts oder bloßer Einschränkung seiner Möglichkeiten liegen Folie 7
8 Beispielsfall 1 Der zehnjährige Max ist Eigentümer eines 10 Euro Scheins. Seine Eltern haben ihm ausdrücklich verboten, Süßigkeiten zu erwerben. Dennoch sucht er den Süßwarenhändler Viktor auf und erwirbt für 5 Euro eine Großpackung Haribo. Max übergibt seinen 10 Euro Schein, im Gegenzug erhält er die Packung Haribo und einen 5 Euro Schein. Den 10 Euro Schein legt Viktor in die ansonsten leere Kasse. Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte? Folie 8
9 Wiederholung Trennungs- und Abstraktionsprinzip 1. Das Trennungsprinzip Schuldrechtlicher (obligatorischer) Vertrag und dinglicher Vertrag (Verfügung) sind von einander getrennt. Durch Verpflichtungsgeschäfte binden sich die Parteien in dem Sinne, dass sie Leistungen verpflichtend verabreden. Durch die Verfügungsgeschäfte werden diese Verpflichtungen erfüllt. 2. Das Verpflichtungsgeschäft Die Verpflichtung ist in aller Regel ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, durch das für eine Seite ein Anspruch, für die andere eine damit korrespondierende Verhaltenspflicht begründet wird, z. B. ein Kaufvertrag. 3. Das Verfügungsgeschäft Während die Verpflichtung zur Begründung von Ansprüchen dient, geht es bei der Verfügung um die rechtsgeschäftliche Einwirkung auf ein bereits bestehendes Recht durch Aufhebung, Übertragung, Belastung oder Inhaltsänderung, z. B. die Übereignung, 929 BGB. 4. Das Abstraktionsprinzip Das Abstraktionsprinzip sagt im Grundsatz, dass sich ein Fehler auf der einen Ebene (z.b. der schuldrechtlichen Ebene) nicht auf die andere Ebene (die dingliche) auswirkt. Folie 9
10 Lösung Beispielsfall 1 Kaufvertrag ( 433 BGB) M M wird zur Kaufpreiszahlung verpflichtet Keine Einwilligung der Eltern Schwebende Unwirksamkeit ( 108 I) V Übereignung ( 929 S. 1 BGB) M M verliert Eigentum an dem 10 Euro Geldschein Keine Einwilligung der Eltern Schwebende Unwirksamkeit ( 108 I) V Übereignung ( 929 S. 1 BGB) M M erhält Eigentum an den Süßigkeiten Lediglich rechtlicher Vorteil Wirksam ( 107) V Übereignung ( 929 S. 1 BGB) M M erhält Eigentum an dem 5 Euro Geldschein Lediglich rechtlicher Vorteil Wirksam ( 107) V Folie 10
11 Beschränkte Geschäftsfähigkeit Rechtsgeschäfte, die lediglich rechtlich vorteilhaft sind Verpflichtungsgeschäfte Nur bei einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften, wenn der Minderjährige nur einen Anspruch erhält, aber keine Verpflichtung eingeht Beispiel: Schenkung, solange der Minderjährige der Beschenkte ist Verfügungsgeschäfte Im Regelfall Verfügungsgeschäfte bei denen der Minderjährige nicht der verfügende Teil ist ( er das Recht erhält) Beispiel: Übereignung an den Minderjährigen, Abtretung einer Forderung an den Minderjährigen Rechtsgeschäfte, die rechtlich nachteilig sind Verpflichtungsgeschäfte Sowohl Angebot als auch Annahme eines beiderseitig verpflichtenden Vertrags, da bereits durch das Angebot wegen 145 Bindung des Minderjährigen eintritt; bei einseitig verpflichtenden Verträgen gilt gleiches, wenn der Minderjährige verpflichtet wird Beispiel: Kaufvertrag, Mietvertrag Verfügungsgeschäfte Wenn der Minderjährige der verfügende Teil ist ( er das Recht verliert) Beispiel: Übereignung oder Abtretung durch den Minderjährigen Folie 11
12 Beispielsfall 1 - Abwandlung Die Eltern von Max sind über den Erwerb nicht glücklich. Sie schicken ihn deshalb zu Viktor zurück, um Alles rückgängig zu machen. Welche Ansprüche stehen Max, welche Viktor zu? Folie 12
13 Beispielsfall 1 - Abwandlung A. Anspruch des M auf Herausgabe des 10 Euro Scheins I. Anspruch aus Max = Eigentümer - (+) Ursprünglich - Eigentum gem. 929 S. 1 BGB verloren? => Nein, Übereignung unwirksam, vgl. 107, 108 (s.o.) 2. Viktor = Besitzer (+) 3. Kein Recht zum Besitz ( 986) (+), Kaufvertrag ebenfalls unwirksam, vgl. 107, 108 (s.o.) 4. Ergebnis: Anspruch besteht! II. Anspruch aus 812 I 1 1. Alt. 1. Etwas erlangt bei V - Nur Besitz an dem Geldschein, nicht Eigentum (s.o.) 2. Durch Leistung des M (+) 3. Ohne Rechtsgrund (+), Kaufvertrag als Rechtsgrund der Leistung unwirksam (s.o.) 4. Ergebnis: Anspruch besteht! Folie 13
14 Beispielsfall 1 - Abwandlung B. Anspruch des V auf Herausgabe der Packung Haribo I. Anspruch aus Viktor = Eigentümer - (+) Ursprünglich - Eigentum gem. 929 S. 1 BGB verloren? => Ja, Übereignung wirksam, vgl. 107 (s.o.) 2. Ergebnis: Anspruch besteht nicht! II. Anspruch aus 812 I 1 1. Alt. 1. Etwas erlangt bei M - Besitz und Eigentum an der Packung Haribo (s.o.) 2. Durch Leistung des V (+) 3. Ohne Rechtsgrund (+), Kaufvertrag als Rechtsgrund der Leistung unwirksam (s.o.) 4. Ergebnis: Anspruch besteht! C. Anspruch des V auf Herausgabe des 5 Euro Scheins Inhaltsgleiche Ansprüche wie unter B. Folie 14
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