BAAM Entwickelt von BIT e.v. Autoren: Robert Schleicher, Dr. Andreas Blume, Ralf Bellmann, Karin Jürgen, Dr. Petra Abele

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1 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen unter Verwendung des Verfahrens BAAM Entwickelt von BIT e.v. Autoren: Robert Schleicher, Dr. Andreas Blume, Ralf Bellmann, Karin Jürgen, Dr. Petra Abele in Zusammenarbeit mit Perry Jordan Büro für Arbeitsgestaltung & Betriebsorganisation Dresden Unterstützt aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaftsinitiative ADAPT und des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Qualifikation und Technologie NRW Stand: Februar 2014 BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 1

2 Was ist BAAM? BAAM - ein Verfahren zum Ermitteln und Beurteilen psychischer Belastungen aufgrund der Gestaltung von Arbeitsinhalten (z.b. Handlungsspielraum, Aufgabenklarheit) der Gestaltung der Arbeitsorganisation (z.b. organisatorische Abstimmungen, Informationsverfügbarkeit) der Mitarbeiterführung und der sozialen Beziehungen (z.b. Beteiligung an Gestaltung der Arbeit, Arbeitsklima) spezieller Belastungen, z.b. durch Personenbezogene Dienstleistungen / (mangelnde) Software-Ergonomie / Rolle als Führungskraft Beurteilung von Kriterien, die nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen wichtig für gesunde und effektive Arbeit sind BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 2

3 Ziele des BAAM -Verfahrens Bedingungen ermitteln, die verbreitet psychisch belastend wirken die Aufgabenerledigung erschweren Lösungsvorschläge und Maßnahmen zum Abbau belastender und störender Bedingungen bzw. zum Ausbau gesundheitsförderlicher Ressourcen zu entwickeln Ziel ist es nicht: Psychische Probleme einzelner Beschäftigter zu ermitteln BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 3

4 Psychische Belastungen und Ressourcen (Beispiele) Belastungen, mögliche Fehl-Beanspruchungen Zeitdruck, unzureichende Arbeitsmittel Stress fehlende Qualifizierung für die Aufgaben Überforderung umständliche Arbeitsabläufe, fehlende Information Ärger langweilige, immer gleiche Aufgaben Monotonie ständige hohe Konzentration Ermüdung Ressourcen, mögliche positive Beanspruchungen interessante, abwechslungsreiche Tätigkeit Aktivierung gute Führung, Teamzusammenhalt Motivation BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 4

5 BAAM - Erhebungs- und Bewertungsmethoden Fragebögen Ermittlung von Belastungsschwerpunkten (Grobanalyse) moderierte Gruppen Falls erforderlich: Detailanalyse der Belastungsschwerpunkte / Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen Steuerungskreis Bewertung / Entscheidung / Maßnahmenplanung BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 5

6 Dokumentation nach ArbSchG Schritte des BAAM -Verfahrens Bildung Steuerungskreis: Terminplan, Verfahrensregeln, Rahmenbedingungen, Fragebogen abstimmen Information der Führungskräfte und Mitarbeiter/innen: Einsatz der Fragebögen, Eingabe und Auswertung (Belastungsschwerpunkte) Zwischenpräsentation Ergebnisse im Steuerungskreis: Entscheidung über weiteres Vorgehen Moderierte Gruppenanalyse/ ggf. Dialog zur Bearbeitung des Themas Führung (Detailanalyse und Maßnahmenvorschläge) Steuerungskreissitzung: Ergebnispräsentation Entscheidung über verbindlichen Maßnahmenplan Information der Führungskräfte und Mitarbeiter/innen: Ergebnisse Befragung und Maßnahmenplanung Umsetzung der Maßnahmen Wirksamkeitsüberprüfung und Nachhaltigkeitsplanung BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 6

7 Die BAAM -Fragebögen: Überblick Standardfragebögen (für alle) 1. Angaben zu Person und Arbeitsplatz/Tätigkeit 2. Beurteilung der Arbeitsinhalte 3. Beurteilung der Arbeitsorganisation 4. Beurteilung der Mitarbeiterführung und sozialen Beziehungen 5. Erfassung gesundheitlicher Beschwerden 6. Offene Fragen: besonders belastende und entlastende Bedingungen Optionale Fragebögen (je nach Tätigkeit/Situation): Beurteilung der Arbeit als Führungskraft Beurteilung der Arbeit mit Kunden Beurteilung der Softwareergonomie Zielvereinbarungen Unternehmenskultur und Veränderungsprozesse BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 7

8 Beispiel für Fragebogen Beurteilung der Arbeitsorganisation (Auszug) A B C Nr. Bewertungsmerkmal Trifft überwiegend zu... Trifft überwiegend nicht zu... Dieser Umstand Dieser Umstand belastet mich. erschwert die Erledigung der Aufgaben. ja nein ja nein 2 Bei Bedarf erhalte ich Unterstützung für meine Arbeit Die organisatorischen Abstimmungen zwischen meinem und anderen Arbeitsbereichen funktionieren. Für meine Aufgabenerfüllung stehen mir die notwendigen Informationen zur Verfügung. Meine Arbeitszeitregelung lässt genügend Spielraum für Privatleben. Meine Freizeit (Feierabend, Wochenende, Urlaub) ist frei von Arbeitsanforderungen. 15 Die geforderte Arbeitsmenge kann ich gut bewältigen. 18 Ich habe den Handlungsspielraum, der zur Erfüllung meiner Aufgabe erforderlich ist. BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 8

9 Fragebogenergebnisse: Beispiel (Auszug) Anteil problematischer Antworten: Arbeitsorganisation (II) Alle Befragten, N = % 90% 80% 70% 60% 50% 40% 48% Werte ab 40%: Belastungsschwerpunkte (Detailanalyse) 37% 42% "trifft überwiegend nicht zu" "Umstand belastet mich" "Umstand erschwert die Erledigung der Aufgaben" 46% 43% 39% 30% 20% 10% 0% 17% 12% 16% Die organisatorischen Abstimmungen innerhalb meines Arbeitsbereichs funktionieren. Die Abstimmungen zwischen meinem und anderen Arbeitsbereichen funktionieren. 3% 1% 2% Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sind in meinem Arbeitsbereich klar und eindeutig geregelt. Ich werde in erforderlichem Maße für meine Aufgaben weitergebildet. 19% 17% 18% Für meine Aufgabenerfüllung stehen mir die notwendigen Informationen zur Verfügung. BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 9

10 BAAM - Datenschutzregeln Personenanonymität Fragebögen werden anonym ausgefüllt Einsicht in Einzeldaten aus Fragebögen: nur Untersucher / ggf. zuständiger Betriebsarzt (Schweigepflicht) Fragebogenergebnisse dürfen keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen (Informationen nur über Gruppen mit mindestens 5 Personen) Fragebogen zu Gesundheitsbeschwerden (B5): detaillierte Auswertung erst ab einer Gruppengröße von mindestens 20 Personen BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 10

11 Bewertung von Befragungsergebnissen Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. ( 5 ArbSchG) Fragebogenergebnisse liefern Hinweise darauf, wo Handlungsbedarf vorliegt, dabei sind differenzierte Auswertungen erforderlich, z.b.: Nach Organisationseinheiten Nach Tätigkeiten Nach Altersgruppen Nach Geschlecht Welche Beschäftigtengruppen weisen ein Belastungs- oder Beanspruchungsmuster auf, das Maßnahmen erforderlich macht? BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 11

12 Bewertung von Befragungsergebnissen und Identifikation von Handlungsfeldern Arbeitsbereiche/ Tätigkeiten Belastungen/ Ressourcen bereichs-oder gruppenspezifisch bereichsübergreifend/ strukturell Geschlecht? Arbeitszeit modell? Alter? Anteil Projektarbeit? Ggf. bereichsübergreifende Fokusgruppe BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 12

13 Nr Bewertungsmerkmal Weise. Arbeitsbereich: Arbeitsplatz: Die Vorgesetzten beteiligen ihre Mitarbeiter an den wesentlichen Fragen der Arbeit (Ziele, Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation, Veränderungen). Die Vorgesetzten fördern und fordern die Mitarbeiter auf angemessene Die Vorgesetzten verhalten sich bei Beurteilungen und Konflikten gegenüber allen Mitarbeitern fair. Die Vorgesetzten verhalten sich vorbildlich (Offenheit, respektvolles Miteinanderumgehen, Fachkompetenz, Arbeitsschutz, Ehrlichkeit/ Vertrauen, Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen). Die Vorgesetzten setzen sich für realistische Ziele, Anforderungen und Mittel ein. Es wird dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter in erforderlichem Maße für ihre Aufgaben eingewiesen und qualifiziert werden. Die Arbeitszeitregelung lässt genug Spielraum für Privatleben (z.b soziale Kontakte, Familie, Freizeitaktivitäten) Im Arbeitsbereich herrscht eine offene Arbeitsatmosphäre. Die Kollegen unterstützen sich gegenseitig. Fehler und Probleme im Arbeitsbereich werden konsequent verfolgt, ohne dass nach "Sündenböcken" gesucht wird. Persönliche Wünsche und Probleme werden von den Kollegen ernst genommen. Beurteilungsbogen: Beurteilung der Mitarbeiterführung/der sozialen Beziehungen (B-4) Trifft überwiegend zu... Trifft überwiegend nicht zu Bitte für jedes Bewertungsmer kmal ankreuzen: "Trifft überwiegend oder zu" "Trifft überwiegend nicht zu" 2. Bitte beurteilen Sie, ob Sie durch diesen Umstand sich a) gesundheitlich belastet fühlen und b) die Erledigung der Aufgaben erschwert wird. B2-B4_NEU.xls A B C Dieser Umstand erschwert Dieser Umstand belastet die Erledigung der mich. Aufgaben. ja nein ja nein B AAM BIT e.v. Vom Fragebogen zur moderierten Gruppenanalyse Fragebögen für alle Mitarbeiter/innen Umfassende Beurteilung von Kategorien, die die Gesamtheit aller potenziellen Fehlbelastungen abdecken Moderierte Gruppenanalyse mit ausgewählten Mitarbeiter/innen Detailanalyse der Belastungsschwerpunkte: Ermitteln konkreter Belastungen des jeweiligen Arbeitsbereichs M Bestimmen der Ursachen, Lösungsvorschläge erarbeiten Belastungsschwerpunkte bereichsspezifische Belastungen bereichsspezifische Lösungsvorschläge BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 13

14 Moderierte Gruppenanalyse Gruppe(n) mit ca Beschäftigten Gruppe soll Arbeitsbereich repräsentieren Die Beteiligung ist freiwillig. Teilnehmer/innen werden von den Kolleg/innen delegiert oder melden sich freiwillig. Dauer der moderierten Gruppenanalyse: ca. 4 Stunden. Bei Bedarf kann eine weitere Sitzung der Gruppe durchgeführt werden. Detailliertes Untersuchen der Belastungsschwerpunkte aus der Fragebogenerhebung Führungsthemen werden gesondert, außerhalb der moderierten Gruppenanalyse, bearbeitet ( geschützter Dialog Führungskraft/ Mitarbeiter) Entwickeln von Maßnahmenvorschlägen Abgestimmte Protokollierung der Ergebnisse BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 14

15 Auszug aus einem Protokoll Thema: Zielvereinbarungen werden als Belastungsfaktor gesehen Beschreibung Lösungsideen Auswirkung der Lösungen Priorität - Vereinbarungen sind Vorgaben, das Wort Vereinbarung an sich ist falsch, MA haben keinen Einfluss auf die Ziele - alle Team-Ziele werden auf die einzelnen MA heruntergebrochen: daran wird gemessen, wie gut man abgeschnitten hat dies hat Auswirkungen auf die Sondervergütungen - alle sollen alles können dies führt zu Überforderung, da manche Geschäftsvorfälle selten vorkommen 1. Team- statt Individualziele.. Dem Team sollte überlassen bleiben, wie die Teamziele erreicht werden. 2. Im Team individuelle Stärken und Schwächen austauschen und Arbeit entsprechend verteilen (mehr Spezialisierung) - Bessere Beratung der Kunden durch die Spezialisten - Bessere Ergebnisse - Bessere Möglichkeit zur Weiterbildung (kein Halbwissen) - Mehr Spaß an der Arbeit, da man das eigene Feld bearbeiten kann sehr hoch BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 15

16 Einsatz von BAAM : Dialogphase Die optionale Dialogphase mit Führungskräften/moderierter Gruppe findet nur statt (Verfahrensregeln): wenn im Analysebereich ein Bedarf zur Bearbeitung des Themas erkennbar ist, die Führungskraft zustimmt, die Teilnehmer/innen der moderierten Gruppe zustimmen. Dialogphase Teil 1: Coachinggespräch mit Führungskräften um Wahrnehmungen aus der Leitungssicht aufzuarbeiten und um die Voraussetzungen für eine mediative Situation zu schaffen. Dialogphase Teil 2: Moderierte Mediationssitzung in einer moderierten Sitzung erarbeiten Führungskräfte und ausgewählte Teilnehmer der moderierten Gruppenanalyse gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung der Führungssituation. BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 16

17 Bearbeitung und Umsetzung von Maßnahmen Entscheidungskompetentes Gremium (Steuerungskreis) bestehend aus Vertretern der Leitung, des Betriebsrats und ggf. beratenden hausinternen Experten bewertet die Ergebnisse (Fragebogen, moderierte Gruppen) bearbeitet die Verbesserungsvorschläge aus den moderierten Gruppen entscheidet über Maßnahmen bzw. begründet die Ablehnung von Maßnahmen Welche Maßnahmen können vor Ort entschieden und umgesetzt werden? Welche Maßnahmen sind struktureller Natur und müssen zentral entschieden und umgesetzt werden? BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 17

18 Umsetzung von Maßnahmen und Wirksamkeitsüberprüfung Entscheidungskompetentes Gremium bestimmt die Umsetzungsverantwortlichen und den Umsetzungszeitraum je Maßnahme entscheidet über die Art und Weise sowie den Zeitpunkt der Wirksamkeitsüberprüfung Die direkten Vorgesetzten diskutieren im Rahmen der Regelkommunikation die für den Bereich/ die Gruppe relevanten Maßnahmen mit dem Ziel der Information über die Einzelergebnisse des Projekts und die Umsetzung der Maßnahmen zu fördern Das entscheidungskompetente Gremium bewertet die Ergebnisse und entscheidet über Schlussfolgerungen. BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 18

19 Wirksamkeitsüberprüfung Unterschiedliche Maßnahmen erfordern unterschiedliche Methoden Normierte Schutzziele (z.b. Beleuchtung, Klima, Lärm) über Messungen, ggf. ergänzt durch Gespräche vor Ort (Wohlbefinden) Umsetzung von Maßnahmen zur Optimierung psychischer Belastungen In der Regel ist folgendes Vorgehen sinnvoll: 3 x Monate nach der Umsetzung der Maßnahme wird von der direkten Führungskraft und den MitarbeiterInnen (Gruppe/Team) jeweils getrennt die Wirkung der Maßnahme im Ampelmodus eingeschätzt. Rot = nicht oder kaum wirksam, Fehlbelastung besteht weiterhin, Gelb = teilweise wirksam, Nachbesserung erforderlich Grün = Maßnahme ist wirksam, Fehlbelastung wurde ausreichend gemindert BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 19

20 Dokumentationsvorlage Wirkungskontrolle BIT e.v., Max-Greve-Straße 30, Bochum 20