Einführung in Werkstoffkunde Diffusion, Erholung und Rekristallisation
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- Lennart Krause
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1 Einführung in Werkstoffkunde Diffusion, Erholung und Rekristallisation Dr.-Ing. Norbert Hort Magnesium Innovations Center (MagIC) GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH Inhalte Über mich Einführung Aufbau von Werkstoffen Physikalische und mechanische Eigenschaften Phasenumwandlungen Diffusion, Erholung und Rekristallisation Zustandsdiagramme Werkstoffprüfung Herstellung, Eigenschaften, Verund Bearbeitung Fe Al und Mg Cu und Zn Ti, Ni und sonstige Si Polymere Keramik und Glas Verbundwerkstoffe Werkstoffauswahl Page 2 Thermisch aktivierte Bewegung Die Atome oder Moleküle eines Gitters sind keinesfalls so festgelegt, wie es der Kristallaufbau vermuten lässt. Bei genügend hohen Temperaturen haben die Kristallatome ausreichend Energie, um über Zwischengitterplätze oder in Verbindung mit Leerstellen ihre Plätze zu verlassen und im Gitter zu wandern. Diese thermisch aktivierte Bewegung, bei der es zu einem großen Materialtransport innerhalb des Werkstoffs kommen kann, nennt man Diffusion. Die Diffusion ist einer der bestimmenden Prozesse bei fast allen Festkörperreaktionen, denn über die Diffusion gelangen die Reaktanden erst zueinander. Die möglichen atomaren Diffusionsmechanismen ( = Materietransport im Festkörper) laufen ab über: a) Platztausch [a) Platztausch und b) Ringwechsel b) Ringwechsel lassen sich über mehrere Schritte von c) und d) realisieren] c) Zwischengitterplätze d) Leerstellen nur Betrachtung von c) und d)
2 Diffusion Diffusion - Transport von Masse durch Atombewegung Mechanismen: Gase & Flüssigkeiten zufällige (Brownsche) Bewegung Festkörper Leerstellendiffusion oder Zwischengitterdiffusion Diffusion Festkörperdiffusion: In einer Legierung wandern Atome von Bereichen hoher Konzentration in Bereich niedriger Konzentration! t=0 t>0 Konzentrationsprofil Konzentrationsprofil Diffusion Selbstdiffusion: In einem reinen Festkörper wandern die Atome ebenfalls: Markierung einiger Atome C A D B Lage nach einer Zeit t C D A B
3 Diffusionsmechanismen Leerstellen Diffusion: Atome wandern über Leerstellen geschieht mit Substitutionsatomen und Wirtsatomen Geschw. hängt ab von: -- Leerstellenkonzentration -- Aktivierungsenergie für den Platzwechsel Zeit Diffusion - Simulation Simulation von Platzwechseldiffusion über eine Grenzfläche: Platzwechselgeschwindigkeit hängt ab von: -- Leerstellenkonzentration -- Sprungfrequenz Diffusion - Mechanismen Zwischengitterdiffusion kleinere Atome diffundieren auf Zwischengitterplätzen. Position des Zwischengitteratoms vor dem Diffusionssprung Position des Zwischengitteratoms nach dem Diffusionssprung Schneller als Leerstellendiffusion
4 Diffusion - Prozesse Oberflächenhärtung: -- Kohlenstoff diffundiert in das Eisengitter im Bereich der Oberfläche -- Beispiel: Oberflächengehärtetes Zahnrad. Ergebnis: Die Anwesenheit von C-Atomen härtet Eisen (Stahl). stationäre Diffusion Wie quantifiziert man die Rate oder den Durchsatz bei der Diffusion? mol (oder Masse) diffundiert mol kg J Fluß = oder 2 2 Fläche Zeit cm s m Messungen zur Diffusion ( )( ) s Herstellen eines dünnen Films (Membran) bekannter Oberfläche Herstellen eines Konzentrationsgradienten Messen, wie schnell Atome oder Moleküle durch die Membrane diffundieren M = M l dm diffundierte J Steigung J = = At A dt Masse Zeit Diffusion - Gleichungen Diffusionsgeschwindigkeit ist unabhängig von der Zeit Fluss ist proportional zum Gradienten = dc dx C 1 C 1 C 2 C 2 1. Ficksches Gesetz dc J = D dx x 1 x 2 x D Diffusionskoeffizient dc ΔC C2 C1 falls linear = dx Δx x2 x1
5 Diffusion und Temperatur Diffusionskoeffizient steigt mit zunehmender Temperatur. D = D o exp Q d RT D = Diffusionskoeffizient [m 2 /s] D = Konstante [m 2 o /s] (Schwingfrequenz) Q d = Aktivierungsenergie [J/mol oder ev/atom] R = allg. Gaskonstante [8,314 J/mol-K] T = absolute Temperatur [K] Diffusion and Temperatur D hängt exponentiell von T ab D (m 2 /s) 10-8 T( C) C in γ-fe Fe in γ-fe Fe in α-fe 600 C in α-fe Al in Al 300 D Zwischengitter >> DSubst.-Atom C in α-fe C in γ-fe Al in Al Fe in α-fe Fe in γ-fe K/T Nicht stationäre Diffusion Die Konzentration der diffundierenden Atomsorte hängt ab von Zeit und Ort C = C(x,t) In diesem Fall verwendet man das zweite Ficksche Gesetz zweites Ficksches Gesetz 2 C C = D 2 t x Zusammenhang zwischen zeitlicher und örtlicher Konzentrationsänderung!
6 Zusammenfassung Diffusion schneller für... gestörte Kristallstrukturen Werkstoffe mit sekundären Bindungen kleine diffundierende Atome Werkstoffe mit geringer Dichte Diffusion langsamer für... dichtest gepackte Gitter Werkstoffe mit kovalenten Bindungen große diffundierende Atome Werkstoffe mit hoher Dichte Erholung und Rekristallisation Wärmebehandlung nach Kaltumformung Eine Stunde Wärmebehandlung senkt Rp, Rm und erhöht A. Effekte der Kaltumformung werden wieder rückgängig gemacht! Zugfestigkeit (MPa) Temperatur (ºC) Zugfestigkeit Erholung Dehnung Rekristallisation Dehnung (%) Kornwachstum 3 Behandlungsschritte von Interesse!!
7 Erholung Kennzeichen der Erholung ist die Annäherung der physikalischen Eigenschaften des Werkstoffs an seine Eigenschaften vor der Verformung, z.b. auch durch Relaxation von Eigenspannungen. Es kommt einerseits zur Annihilation von Leerstellen und Versetzungen entgegengesetzten Vorzeichens, sowie andererseits zur Umlagerung von Versetzungen gleichen Vorzeichens in eine energetisch günstigere Lage (Polygonisation). Annihilation Polygonisation Rekristallisation Durch Bestrahlung mit energiereichen Teilchen, durch Kaltverformung, durch Abschrecken sowie durch Wachstumsstörungen bei der Kristallisation werden in ein Kristallgitter Defekte eingebaut, die die freie Enthalpie G des Werkstoffs erhöhen. Kaltverformung - aufgebrachte Energie wird zu ca. 5% in Form von Versetzungen (Metalle: typischerweise pro m 2 = 2 MJ/m 3 ) und anderen Gitterbaufehlern im Werkstoff gespeichert, der Rest wird in Wärme umgesetzt. Der Werkstoff hat aber das Bestreben, durch Ausheilen von Gitterdefekten die freie Enthalpie herabzusetzen. Bei einer Temperaturauslagerung eines zuvor plastisch verformten Werkstoffs kommt es deshalb zu charakteristischen Veränderungen der Defektkonzentration und -verteilung, sowie der Korngröße. A) Kaltverformtes Metall B) Erholung C) Rekristallisation D) Kornwachstum Rekristallisation Es bilden sich neue Körner, die: -- eine geringe Versetzungsdichte haben -- klein sind -- die Kaltverformungskörner aufbrauchen. 0,6 mm 0,6 mm 33% kalt verformtes Messing Neue Körner nach 3 Sek. bei 580 C.
8 Rekristallisation alle kaltverformten Körner sind aufgebraucht. 0,6 mm 0,6 mm nach 4 Sekunden nach 8 Sekunden Rekristallisationstemperatur TR TR = Rekristallisationstemperatur = Temperatur des schnellsten Eigenschaftswechsels Tm => TR 0,3-0,6 Tm (K) Wegen Diffusion Anlassdauer TR = f(t) kürzere Dauer => höheres TR Höherer % Kaltverformung => geringere TR Verformungsverfestigung Reine Metalle haben kleinere TR wegen der einfacheren Versetzungsbewegung Einfacher in reinen Metallen => kleinere TR Rekristallisationstemperaturen Die folgende Tabelle führt Rekristallisationstemperaturen (95% rekristallisiert innerhalb einer Stunde) einiger Metalle an: Rekristallisationstemperatur ( C) Al technische Reinheit 200 hochrein -50 Cu Fe Ni Die Umformung metallischer Werkstoffe wird in Bezug zu T r eingeteilt in: Kaltumformung T < T r Defekte nehmen zu, eine Verfestigung tritt ein Warmumformung T > T r Rekristallisation bei gleichzeitiger Verformung dynamische Rekristallisation
9 Primäre Rekristallisation Läßt sich die Energie durch Erholungsprozesse nicht mehr weiter minimieren, so beginnt ein Wachstum defektarmer Körner in Bereiche mit hoher Versetzungsdichte. Die Triebkraft dieser primären Rekristallisation ist die weitere Minimierung der Versetzungsdichte. Die Rekristallisation verläuft ähnlich einer Phasenumwandlung in zwei Stufen: - der Keimbildung und - dem Keimwachstum defektfreier, bzw. defektarmer Kristallgitterbereiche. Die Keimbildung erfolgt häufig durch Ausbauchen von Großwinkelkorngrenzen aufgrund unsymmetrischer Auflösung von Subkorngrenzen. ρ 0 = hohe Defektdichte ρ 1 = niedrige Defektdichte Die Keimbildung geht auch häufig von Korngrenztripelpunkten oder Ausscheidungen aus, da dies Orte hoher Verformung (und damit Defektkonzentration) sind. Primäre Rekristallisation Kennzeichen der primären Rekristallisation ist somit die Bewegung von Korngrenzen, so dass stark verformtes Gefüge durch fehlstellenarmes Gefüge mit niedrigerer freier Enthalpie ersetzt wird. Unterhalb einer Mindestverformung (1-5% bei den meisten Metallen) wird keine Rekristallisation beobachtet, da die Defektdichte nicht ausreicht. mittlere Korngröße t = const. ε c Verformungsgrad ε Sekundäre Rekristallisation Nach Abschluß der primären Rekristallisation setzt Kornvergröberung ein. Als Triebkraft dient die in den Korngrenzen gespeicherte Grenzflächenenergie, die durch Kornwachstum verringert wird. (Das Verhältnis Fläche zu eingeschlossenem Volumen wird mit wachsendem Korndurchmesser kleiner). Sowohl die Rekristallisationsgeschwindigkeit als auch die Endkorngröße hängen von der Temperatur und dem Verformungsgrad ab. t = const. mittlere Korngröße Glühtemperatur Bei gleich langer Glühdauer gilt: je höher die Versetzungsdichte im Ausgangsgefüge (Verformungsgrad), um so niedriger liegt die Rekristallisationstemperatur.
10 Sekundäre Rekristallisation Die Korngröße der primär rekristallisierten Kristalle ist umso kleiner, je höher die Versetzungsdichte war. (Faustregel: die kleinste durch primäre Rekristallisation erreichbare Korngröße ist ~ 1 μm). Bei hohen Temperaturen ist die primäre Rekristallisation rasch beendet und es kann zu heterogenem Kornwachstum kommen. Dieses wird durch die Behinderung verschiedener Korngrenzen durch Ausscheidungsteilchen, ungünstige Orientierung etc. hervorgerufen, so dass nur wenige Kristalle über einen großen Bereich wachsen können. Es entsteht ein sehr inhomogenes Korngefüge, das sich im Allgemeinen negativ auf die Werkstoffeigenschaften auswirkt. Inhomogenes Gefüge Kornwachstum Nach längerer Zeit wachsen große Körner aus den kleinen. Warum? Oberflächenenergie der Korngrenzen wird reduziert. 0,6 mm 0,6 mm Nach 8 s, 580ºC Nach 15 min, 580ºC Tertiäre Rekristallisation Tertiäre Rekristallisation tritt z.b. in dünnen Blechen auf, in denen stark unterschiedliche Oberflächenenergien bestimmter Kristallflächen zu einem bevorzugten Wachstum von zur Oberfläche günstig orientierten Kristallen führen kann. Hierdurch können ausgeprägte Texturen wie z.b. Walztexturen oder die Goss-Texturen in Fe-Si Transformatorblechen entstehen. a) b) a) Gefüge mit nicht-ausgerichteten Kristalliten, Werkstoff ist quasi-isotrop b) Gefüge mit ausgerichtete Kristalliten, Werkstoff hat Textur und ist anisotrop
11 Rekristallisationsdiagramm Aus der Kenntnis der Temperatur- und Verformungsgradabhängigkeit des Rekristallisationsverhaltens eines Werkstoffs können Rekristallisationsdiagramme erstellt werden, die zur gezielten Einstellung einer bestimmten Korngröße benutzt werden. Die Rekristallisation spielt auch in nichtmetallischen Werkstoffen eine wichtige Rolle: Graphit mit hoher Defektkonzentration durch Bestrahlung im Reaktor dünne Halbleiterschichten mit Aufdampfdefekten verformte Kunststoffe
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