VO Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil. Das Rechtsgeschäft. Prinzipien. 04. Rechtsgeschäft. Univ. Prof. Dr. Andreas Kletečka.

Transkript

1 VO Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Univ. Prof. Dr. Andreas Kletečka Das Rechtsgeschäft Willenserklärungen, die auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sind Geschäftswille, Rechtsfolgenwille Anders als Gefälligkeitszusagen, Gentlemen s Agreement oder Scherzerklärungen Kundgabezweck Erklärungswert: Empfängerhorizont entscheidend! Privatautonomie Prinzipien Abschluss und Inhaltsfreiheit Vertrauensschutz Äquivalenz Leistung Gegenleistung > laesio enormis, Wucher Vertragstreue 3 1

2 Von der Willenserklärung zu unterscheiden Willensbetätigung: = innerer rechtsgeschäftlicher Erfolgswille + entsprechendes äußeres Verhalten Bsp: Dereliktion, Aneignung Willensmitteilung: auf Tatsächliches gerichtet, Rechtsfolgen treten auch ohne Rechtsfolgenwillen ein Bsp: Mahnung Wissenserklärung: Nachricht über Tatsachen, Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein Bsp: Verständigung des Schuldners von Zession 1396 Realakte: Kein Willensakt, rein tatsächliches Verhalten, Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein Bsp: Entstehung von Urheberrechten Willenserklärungen Willenserklärungen müssen nach außen wahrnehmbar sein Ausdrücklich Worte oder allgemein angenommene Zeichen oder Schlüssig Handlung muss eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen sein 2

3 Schlüssige (konkludente) Willenserklärungen 2 Theorien: Erklärungswert ergibt sich aus Begleitumständen Verhalten ist primär nicht auf Erklärung, sondern auf anderen Zweck gerichtet, daraus kann aber Erklärungswert entnommen werden Bsp: Darlehensgeber nimmt nach Ablauf der Darlehensfrist weitere Zinszahlungen entgegen keine vorschnelle Annahme von Schlüssigkeit, va bei negativen Rechtsfolgen für den Erklärenden! Schweigen Gilt idr nicht als Zustimmung Ausnahmen: Pflicht zum Widerspruch wegen Sonderrechtsbeziehung Erklärungswert des Schweigens als bisherige Gepflogenheit Ausschließlich Vorteile für den Schweigenden Schweigen 1003 ABGB: Unverzügliche Antwortpflicht von Personen, die zu Geschäftsbesorgung öffentlich bestellt sind Schweigen ist nicht Zustimmung, begründet aber Schadenersatzpflichten Kaufmännisches Bestätigungsschreiben schriftliche Bestätigung mündlicher Vertragsabschlüsse: Schweigen ist keine Zustimmung zur Änderung 3

4 Objektiver Erklärungswert einerseits Selbstbestimmung Eintritt von Rechtsfolgen als Konsequenz von Willensausübung Spricht für Willenstheorie andererseits Verkehrssicherheit Vertrauen des Erklärungsempfängers Spricht für Erklärungstheorie Objektiver Erklärungswert hm: Es kommt auf das Verständnis eines redlichen, verständigen Erklärungsempfängers an. Vertrauenstheorie aber Falsa demonstratio non nocet objektiver Erklärungswert ist unbeachtlich, wenn sich Parteien in der Sache einig sind = natürlicher Konsens Auslegung von Willenserklärungen 914 und 915: Auslegung von Verträgen, aber auch einseitigen Rechtsgeschäften Wortsinn der Erklärung unter Rücksichtnahme auf Wille der Parteien Übung des redlichen Verkehrs (im Verkehr geltende Gewohnheiten & Gebräuche) 4

5 Auslegung (1) Lücke, weil Parteien über Konfliktfall nicht gesprochen haben Dispositives Recht (2) Lücke, weil Parteien über Konfliktfall nicht gesprochen haben und Anwendung des dispositiven Rechts nicht wollen oder passendes dispositives Recht nicht besteht hypothetischer Parteienwille Verkehrssitte = tatsächliches Verhalten, das im Verkehr regelmäßig geübt wird Unklarheitenregeln des 915 ABGB: Unentgeltliche Verträge: Vermutung, Verpflichteter wolle sich eher geringere als schwerere Last auferlegen Bsp: Unentgeltliche Überlassung ist im Zweifel Leihe, nicht Schenkung Entgeltliche Verträge: Undeutliche Äußerung wird zum Nachteil dessen ausgelegt, der sich ihrer bedient hat Dissens: Mittels Auslegungsregeln kein Erklärungssinn ermittelbar Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit Erklärungsbewusstsein Problematik: Abgabe einer Willenserklärung ohne Wissen eine solche abzugeben Mangel des Erklärungsbewusstseins hindert Wirksamkeit nicht! Einschränkung: Nur bei Fahrlässigkeit des (unbewusst) Erklärenden Unnötige Erhöhung des Risikos des Entstehens eines Erklärungstatbestandes Bsp 1: Blätter mit Blankounterschriften werden offen liegen gelassen Bsp 2: Briefpapier und Geschäftsstampiglie werden aus verschlossenem Schreibtisch gestohlen 5

6 Zugang Wann werden Willenserklärungen wirksam? Im Moment der Äußerung? Mit Absendung? Im Moment des Empfangs? 862a ABGB: Empfangstheorie Moment des Einlangens der Erklärung in der Sphäre des Adressaten Zugang Zugangszeitpunkt: Kenntnisnahme Möglichkeit der Kenntnisnahme d.h. Einlangen in den Machtbereich Empfänger hat unter normalen Umständen die Möglichkeit sich mit Willenserklärung vertraut zu machen Bis Zugang reist die Willenserklärung auf Risiko des Erklärenden Verlust/Verstümmelung ist Risiko des Erklärenden Zugang durch Boten Erklärungsbote (überbringt Erklärung des Erklärenden) Erklärender trägt Risiko von Verlust/Entstellung Empfangsbote (übernimmt Erklärung des Erklärenden) Zugang ist mit Mitteilung an diesen erfolgt ( Machtbereich ) Empfänger trägt Risiko Vorsatz des Boten? str 6

7 Rechtsgeschäftstypen Ein und mehrseitige Rechtsgeschäfte Eine oder mehr Willenserklärungen? Bsp einseitiges Rechtsgeschäft: Letztwillige Verfügung Ein und mehrseitig verpflichtende zb Schenkungsvertrag, nur einer berechtigt zb Kaufvertrag: jeder zugleich berechtigt und verpflichtet Vermögens und personenrechtliche Kauf, Miete, Eheschließung, Annahme an Kindes statt Mit und ohne Zuwendungscharakter Vermögensvermehrung einer anderen Person bezweckt? Bsp: Dereliktion, Erteilung v. Vollmacht ohne Zuwendungscharakter Entgeltliche und unentgeltliche Eine Leistung wird für die andere hingegeben entgeltlich und gegenseitig nicht immer deckungsgleich Bsp: Maklervertrag entgeltlich, nicht aber gegenseitig; nicht zur Vermittlung verpflichtet, aber Anspruch auf Entgelt bei Vermittlung Unter Lebenden und von Todes wegen Letztere werden erst mit Tod wirksam 20 Verpflichtungs und Verfügungsgeschäft Kausal vs abstrakt 21 7

8 Verpflichtungs und Verfügungsgeschäfte Verpflichtungsgeschäft: Schuldrechtliches Geschäft, das künftige Verpflichtungen (Lieferung, Eigentumsübertragung) erzeugt Veränderungen sind aber noch nicht bewirkt! Verfügungsgeschäft: Wirkt unmittelbar auf Recht ein; es wird übertragen, aufgehoben oder beschränkt Abstrakt Kausal Verpflichtungsgeschäft Kausales Verpflichtungsgeschäft: Angabe eines Zweckes, der RG wirtschaftlich rechtfertigt zb: Hingabe von EUR als Kaufpreis/Mietzins/ Darlehen Abstraktes Verpflichtungsgeschäft: Keine Angabe eines Zweckes des RG zb: Hingabe von EUR einfach so Abstrakt Kausal Verfügungsgeschäft Kausales Verfügungsgeschäft: Wirksamkeit ist von Rechtsgrund (Titel) abhängig, der es rechtfertigt Abstraktes Verfügungsgeschäft: Wirksamkeit ist von Rechtsgrund (Titel) unabhängig 8

9 Abstrakte Verpflichtungen: Ungültigkeit nach österr. Recht Gefahr der Umgehung der Nichtigkeitsfolge von verbotenen Geschäften Schuldner dürfen Einwendungen nicht genommen werden 9