Auslegung der Willenserklärung
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- Thilo Dieter
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1 Auslegung der Willenserklärung
2 Bedeutung der Frage Gesetzesauslegung haben wir kennen gelernt Erfolgt nach objektiven Kriterien Aber auch WE können mehrdeutig sein Testaments- Beispiel:
3 Beispiel: Erblasser E wendet seinem Neffen N im Wege des Vermächtnisses sein Grundstück in Leipzig, eingetragen im Grundbuch Blatt 13 zu. E war Eigentümer einer Wiese, Blatt 31, und eines Baugrundstücks, Blatt 13. Was kann N aufgrund des Testaments von dem Erben X verlangen? AGL ist 2174, Vermächtnisanspruch: Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern
4 Lösung Wortlaut: Baugrundstück, Blatt 13 X wendet ein, dass E mehrfach und unter Zeugen geäußert habe, er wolle N die Wiese zuwenden. Zudem ist N als einziger der Beteiligten Landwirt. Was ist entscheidend? Nur der Wortlaut oder auch weitere Umstände?
5 Bedeutung des wahren Willens Fall ist geregelt in 133: Nicht der Buchstabe, sondern der wahre Wille entscheidet Auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände sind zu berücksichtigen Spracheigentümlichkeiten Vorgeschichte der Erklärung Vorhandene Dokumente Verfolgter wirtschaftlicher Zweck Dollar- Beispiel: Auslegung ergibt Can-$
6 133 und/oder 157 Bei einseitiger WE genügt der Wille des Erklärenden Keine weitere Partei am Rechtsgeschäft beteiligt Kein Anlass für Schutz des Rechtsverkehrs Schwieriger wird es bei zweiseitigen Geschäften Schutz des anderen Beteiligten vor Missverständnissen? Erklärungsverantwortung? 157 erklärt auch die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben für beachtlich, aber nicht nur. Ebenso wie bei den Voraussetzungen der WE Ausgleich zwischen Wille und Verkehrsschutz erforderlich
7 Vorgehensweise bei zweiseitigen Rechtsgeschäften Zuerst tatsächliche Willensübereinstimmung prüfen Tatsächliche Willensübereinstimmung führt immer zum gültigen Vertragsschluss!!! Auch wenn Wortwahl mehrdeutig zb gemeinsamer Fehlgebrauch: Codewort Gummibärchen für Commerzbank- Aktien Übereinstimmend falsch verstandenes Fremdwort: Haarkjöringsköd zb erkanntes Missverständnis: KV über Grundstück Blatt 13, Käufer wollte aber eine Wiese und hatte diese auch besichtigt Angebot von nikotinfreiem Kaffee, Käufer erkennt, dass koffeinfreier gemeint ist. Grundsatz: falsa demonstratio non nocet
8 Vorgehensweise bei zweiseitigen Rechtsgeschäften Im zweiten Schritt Empfängerhorizont prüfen Empfänger ist nicht schutzwürdig, wenn er fahrlässig gehandelt hat ( 932!) Fahrlässigkeit ist ein objektiver Begriff (im Verkehr erforderliche Sorgfalt) Daher Verständnismöglichkeit des objektiven Erklärungsempfängers Frage: Was hätte der objektive, sorgfältig handelnde Empfänger der Erklärung verstanden?
9 Normativer Konsens Preisangabe des Verkäufers in Dollar Verkäufer sitzt und produziert in Kanada Verlangt Bezahlung in (wertvolleren) US-$ 1. Prüfstufe: Empirischer Konsens (-) 2. Prüfstufe: Normativer Konsens? Maßgeblich ist obj. Empfängerhorizont Hier: Can-$ Daher trotz entgegenstehendem Willen des Erklärenden Auslegung dahin, dass Can-$ gemeint waren. Führt zu: Vertragsschluss mit diesem Inhalt!!! Achtung: Kein Dissens! Einigung im rechtlichen Sinne zu bejahen Regulierung des nicht gewollten Vertrages über die Irrtumsanfechtung ( 119 I 1. Alt, Inhaltsirrtum)
10 Auslegung geht dem Dissens vor! Möglichkeit der normativen Auslegung schafft Einigung im Rechtssinne auch dort, wo tatsächlich ein Missverständnis vorlag Gesetzgeber will diese Fälle über 119 gelöst haben Mit verschuldensunabhängiger Schadensersatzpflicht ( 122) des sich undeutlich Erklärenden Daher nicht vorschnell Dissens ( 155) annehmen Die Norm hat nur einen geringen Anwendungsbereich Vor allem dann, wenn objektive Auslegung kein Ergebnis ergibt, weil eine Variante so wahrscheinlich ist wie die andere Weinsteinsäure-Fall des RG (RGZ 104, 266) Aktien-Fall des OLG Köln, WM 1970, 892.
11 Ausnahmen von falsa demonstratio - Grundsatz Erklärungen an eine Vielzahl von Personen: AGB, manche Gesellschaftsverträge Hier nur objektives Verständnis maßgeblich Für AGB Sonderegelung in 305 c II: Auslegung gegen den Verwender Problem auch bei formbedürftiger Erklärung Testament, Grundstück Inwieweit kann Auslegung zu einem nicht formgütig erklärten Inhalt führen?
12 Ergänzende Auslegung Ausfüllung von Lücken im Vertrag Primäre Auffüllung durch Gesetzesrecht Wenn dort nichts geregelt: Bewusste oder unabsichtliche Lücke? Auffüllung unbewusster Lücken durch mutmaßlichen Parteiwillen Was hätten redlich denkende Dritte vereinbart, wenn sie das Problem erkannt hätten? Auch hier Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung Real feststellbarer Wille hat aber immer Vorrang Keine Vertragskorrektur gegen den Parteiwillen
13 Gesetzliche Sonderregeln I 116, geheimer Vorbehalt: Rein empirisch liegt Nichteinigung vor: Erklärender wollte Rechtsfolgen nicht Empfänger hingegen schon (erkennt Empfänger den Vorbehalt, liegt falsa demonstratio vor) Objektiver Empfängerhorizont führt aber zur Gültigkeit der WE Wenn Vorbehalt nicht erkennbar, aus objektiver Sicht unbeachtlich
14 Gesetzliche Sonderregeln II 117, Scheingeschäft Einverständlich nicht gewollte Erklärung gilt nicht Beiderseitiges Verständnis geht dem objektiven Anschein vor Fall der falsa demonstratio Statt dessen gilt das wirklich Gewollte Sofern dieses Geschäft die sonstigen Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt Beispiel: Scheinbeurkundung bei Grundstücksgeschäften
15 Gesetzliche Sonderregeln III Scherzerklärung Lässt sich in dieses System nicht einordnen Wenn Empfänger sie ernst nehmen durfte, müsste die Erklärung eigentlich gültig sein Mit Anfechtung, wenn Irrtum vorlag 118 geht aber von Ungültigkeit aus Allerdings mit Rechtsfolge 122 entsprechend Insofern kein Unterschied zur Anfechtungslösung Insgesamt systemwidrige Ausnahme
16 Zur Übung: Klosettrollen-Fall: Schulleiter bestellt aus Katalog 25 Gros Packungen WC-Papier Nimmt an, es handele sich um 25 große Packungen Geliefert werden Packungen Gros ist eine altertümliche Maßeinheit Ein Gros = 144 Stück (12*12) Schule will die Menge nicht abnehmen, Lieferant verlangt Erfüllung. Erst lösen, dann lesen: LG Hanau, NJW 1979, Kornblum, Jus 1980, 258.
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