Ernährung im Rollstuhlsport

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1 «Kaderkurs C91» Ernährung im Rollstuhlsport PD Dr. sc. nat. Claudio Perret Sportmedizin Nottwil Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil Nottwil, 19. Dezember 2015 Inhalt Energiebereitstellung / Energieverbrauch Unterschiede Fussgänger vs. Querschnittgelähmte Ernährungspyramide(n) Praxisbeispiele Supplemente Doping 1

2 Ziele der Sporternährung Sicherstellen von Stoffwechselleistungen / Energieversorgung Förderung und Optimierung der Regeneration Stabilisierung und Förderung der Abwehrkräfte, des Wohlbefindens und der Leistungsmotivation Schutz vor Mangelerscheinungen und Ausgleich von Nährstoffverlusten Kontrolle der Zufuhr stoffwechselbelastender Substanzen Energiegewinnung 36 ATP 2

3 Energiebereitstellung aerob anaerob nach Boutellier Geschwindigkeit und Dauer: ATP-Resynthese von McGilvery,

4 Unterschiede zu Fussgängern Verlängerte Darmpassagezeit (v.a. Tetraplegiker) 4.5 h 8.5h 21h Bei normaler Darmtätigkeit: Passagezeit 2-3h! Unterschiede zu Fussgängern Verlängerte Darmpassagezeit (v.a. Tetraplegiker) Weniger aktive Muskelmasse Hauptsächlich Arm-/Schultermuskulatur aktiv Andere Muskelfasertypenverteilung (mehr Typ I) Blasenfüllung / -entleerung Boosting! Veränderungen bzgl. Körperzusammensetzung Deutlich reduzierter Grundumsatz 4

5 Muskelatrophie bei Querschnittlähmung Fussgänger Paraplegiker 3 Jahre nach Unfall AIS A Paraplegiker 20 Jahre nach Unfall AIS A Quelle: Frotzler A. Grundumsatz nach 6 Monaten Erstreha (n=25) Konsequenzen für Ernährung / Supplementation *p<0.05 zu Woche 2 Schmid et al. (unpublished data) 5

6 Energieverbrauch Fussgänger: Tetra-/Paraplegiker: ~ kcal/d ~ kcal/d ~ kcal/d Körperliche Aktivität (FG): kcal/h Tetra-/Paraplegiker: kcal/h Abhängig von der Sportart, Trainingsintensität, Dauer und Häufigkeit sowie vom Fitness-Stand und Lähmungshöhe/-ausmass Ernährung und Sport Die wichtigsten Fragen: Was? Wann? Wieviel? Warum? Bedarf prüfen und auf eine ausgewogene Ernährung achten! 6

7 Ausgewogene Ernährung Kohenhydrate % Fett % Proteine 15 % Genug Vitamine und Mineralien Take 5-Regel! Ausreichend Flüssigkeit 2-3l/Tag 7

8 Ernährungsanalyse Querschnittgelähmte Perret and Stoffel-Kurt, 2011 Ernährungsanalyse Querschnittgelähmte Perret and Stoffel-Kurt,

9 Die Realität: Rollstuhlathlet (2400kcal/Tag) Wettkampf! Training Kalorien [kcal] Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag Perret, unpublished data Ernährung vor/nach Wettkampf Total 17.5 g Kohlenhydrate (ca. 70 kcal!) am Abend vor dem Wettkampf Nach einem (schlechten) Rennen: - 1x Big Mac - 1x Pommes frites (super size) - 50 g Schokolade - 1 Donut l Wasser - 1 Soft Ice über 1200kcal!!! 9

10 Weitere Analyse Fett: 34% der Gesamtenergie Kohlenhydrate nur 50% (18% Zucker!) Take 5 nie erreicht (Schnitt: 2-3 Portionen pro Tag) Zu wenig Nahrungsfasern (beklagt sich über Magen-Darm-Probleme) Zuviel Kaffee (mit Zucker und 4 Löffel Kaffeerahm!) Mangel an Mikronährstoffen trotz Supplementen! Vergleich: Spitzenruderer (5800kcal/d) g/kg KG Perret (nicht publiziert) 10

11 Hunger und Sättigung Hunger und Sättigung sind wichtige Signale Wird dem Hunger-/Sättigungsgefühl entsprechend langsam (z.b. 5 Mal kauen pro Biss) und unabgelenkt (z.b. keine Bildschirme gleichzeitig konsumieren ) gegessen, entspricht die während dem Essen aufgenommene Kalorienmenge dem Kalorienverbrauch individuell erstaunlich exakt. (C. Mannhart) Zu wenig an Energie ist genau so schlecht, wie zu viel 11

12 Art der Lebensmittel und Durstgefühl Unverarbeitete/wenig verarbeitete Lebensmittel (z.b. Haferflocken, gut verträgliche Nüsse) sind stark verarbeiteten Lebensmitteln (z.b. Snacks, Fertigpizza) vorzuziehen Möglichst farbig essen Auf das Durstgefühl ist Verlass Supplemente Nötig für Athleten? Generell nicht! In speziellen Fällen und Situationen: Athleten mit sehr tiefen Energiebedarf, z.b. Querschnittlähmung? Spezielle Trainingsbedingungen (z.b. während Höhentraining)? Bei nachgewiesenem Mangel (Eisen, Vit. D) 12

13 Vitamin D-Mangel Swiss Paralympic Team Koffein Flück et al. (unpublished) Vitamin D: Sommer vs. Winter Regelmässige Kontrolle der Blutwerte! Koffein Flück et al. (unpublished) 13

14 Einteilung der Supplemente Supplementeguide Beispiele von Supplementen Coffein Basensalze (Natriumbicarbonat / Natriumcitrat) Kreatin Nitrat (Randensaft) Resultate nicht 1:1 auf Rollstuhlfahrer übertragbar Kaum Studien vorhanden 14

15 Coffein, Basensalze und 1500m-Leistung Supplement positiv Supplement negativ Individuell entscheiden! Flueck et al., 2013 (in press) Diskussion der Resultate Einfluss der Nebenwirkungen? Dosierung / Einnahmezeitpunkt? Bein- vs. Armarbeit? Muskelfaserzusammensetzung? Coffeinsensitivität? Noch viele offene Fragen! 15

16 Coffein und 3min-Handkurbeltest Tetraplegiker Paraplegiker Fussgänger Flueck et al., 2015 Kreatin: Fahrzeiten über 800m Time for 800 m [s] Creatine Placebo Before supplementation After supplementation Perret et al.,

17 Praktische Konsequenzen für Spitzensport Individuelles Austesten der Verträglichkeit Dosisreduktion, evtl. Dosierung pro kg/muskelmasse Einzelberatung für jede/n Athleten/in Supplemente und Doping I In den vergangenen Jahren viele positive Dopingproben wegen Supplementen Problem: jeder kann Supplemente unkontrolliert via Internet bestellen Viele Athleten nehmen täglich über 20! Supplemente Sehr oft in zu hohen Dosen (wenn 1 Löffel gut ist, sind 2 Löffel besser) 17

18 Supplemente und Doping II 634 Proben von 215 Firmen aus 13 Ländern Oft Mischungen mit Stimulanzien wie Ephedrin (macht, dass sich Athlet besser fühlt ) In 94 (14.8%) anabol-androgene Steroide (v.a. Nandrolon) gefunden DOPING! MERKE: Auch Rollstuhlsportler unterstehen den Dopingrichtlinien!!! Geyer et al., 2004 Take home message: Supplemente Vorsicht beim Einsatz von Supplementen Vor Supplementegebrauch Rücksprache mit Fachperson Das richtige Supplement, zur richtigen Zeit in der richtigen Dosierung! Supplemente ersetzen eine ausgewogene Ernährung nicht! 18

19 Literatur / Links Müesli und Muskeln ( Ingold Verlag; Autoren: C. Spahr / C. Mannhart) Besten Dank für Eure Aufmerksamkeit! 19