IV. Rechtsschein außerhalb des Handelsregisters
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- Julius Schmid
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1 IV. Rechtsschein außerhalb des Handelsregisters 1. Allgemeines Kaufmannseigenschaft oder das Bestehen einer Handelsgesellschaft auch auf anderem Wege als unrichtiger Registereintrag oder unrichtige Bekanntmachung. Sogar im Widerspruch zu dem Inhalt des Registers (str.). 2. Scheingesellschaft Wenn Beteiligte den Eindruck erwecken, sie seien Gesellschafter einer Handelsgesellschaft, ohne dass - Gesellschaft oder - jedenfalls fehlerhafte Gesellschaft vorliegen, müssen sie sich behandeln lassen als seien sie Gesellschafter Folie 505
2 Beispiel 94 A und B betreiben ihren Bielefelder Souvenirstand als GbR, weil dieser nur einen äußerst geringen Geschäftsumfang hat. Um gegenüber potentiellen Vertragspartnern besser dazustehen, treten sie im Rechtsverkehr als A & B OHG auf. Beide verbürgen sich im Namen der OHG telefonisch für eine Verbindlichkeit ihres Lieferanten L bei dessen Kreditinstitut K. Beide kommen ängstlich in ihre Kanzlei und hoffen, dass die Bürgschaft formunwirksam ist. Können Sie ihnen Hoffnung machen? Folie 506
3 Lösung Beispiel 94 Sie müssen die beiden enttäuschen, denn A und B müssen sich an dem von ihnen gesetzten Rechtsschein festhalten lassen, weshalb gegenüber K die Bürgschaft formwirksam ist. (Vgl. 766 BGB und 350 HGB). Folie 507
4 IV. Rechtsschein außerhalb des Handelsregisters 3. Scheinkaufmann Wer im Rechtsverkehr als Kaufmann auftritt, gilt als Kaufmann. Schutz des Rechtsverkehrs bezweckt, daher Grundsatz zu weit (z. B. könnte Hochstapler höhere Zinsen verlangen, 352 HGB BGB). Ungeschriebener Grundsatz: Wer in zurechenbarer Weise den Rechtsschein setzt oder unterhält, er sei Kaufmann, muss sich gegenüber gutgläubigen Dritten als solcher behandeln lassen. Vgl. auch 171, 405 BGB sowie Duldungs- und Anscheinsvollmacht. Folie 508
5 3. Scheinkaufmann: Voraussetzungen I Subsidiarität gegenüber 5, 15 HGB Rechtsscheintatbestand: Ausdrückliche Erklärung, Kaufmann zu sein - Konkludent durch schlüssiges Verhalten, das aus objektivem Empfängerhorizont den Eindruck vermittelt, es handele sich um einen Kaufmann, z. B. übertriebene Aussagen über Art und Umfang des Geschäfts. - Unzulässige Firmierung, die Kaufleuten vorbehalten ist ( 17 HGB): e. Kfm.. - Gebrauch von den Kaufleuten vorbehaltenen Einrichtungen (z. B. Prokuraerteilung durch Kleingewerbetreibenden). - Nicht: R stellt sich als Dipl.-Kaufmann vor. Folie 509
6 3. Scheinkaufmann: Voraussetzungen II Zurechenbarkeit: Veranlassung genügt, Verschulden nicht erforderlich. - Auch Unterlassen, wenn Scheinkaufmann Rechtsschein kannte oder hätte kennen müssen und nicht eingeschritten ist. - Z. B.: Makler behauptet ggü. Interessenten im Beisein des Verkäufers, dieser sei Kaufmann. - Nicht zulasten Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger, da deren Schutzinteresse überwiegt. Schutzbedürftigkeit des Dritten (Gutgläubigkeit). - Str., ob grobe Fahrlässigkeit (vgl. 932 ff. BGB) oder einfache Fahrlässigkeit genügt (vgl. 173, 405 BGB). - Aber grds. keine Nachforschungspflicht des Dritten. - Gutgläubigkeit vermutet (vgl. 405, 932 Abs. 1 BGB): es sei denn Beweislast trägt derjenige, der Bösgläubigkeit behauptet. - Kausalität des Rechtsscheins für das geschäftliche Verhalten des Dritten: Kenntnis und Ursächlichkeit für das Verhalten. Folie 510
7 3. Scheinkaufmann: Rechtsfolge Wahlrecht des Dritten, den Scheinkaufmann als Kaufmann zu behandeln, soweit das Vertrauen reicht. - Nicht zugunsten des Scheinkaufmanns (z. B. keine höheren Zinsen). - Nicht zulasten unbeteiligter Dritter, str. (z. B. kein gutgläubiger Erwerb vom angeblich ermächtigten Scheinkaufmann). Nur im Rechts- und Prozess-, nicht im Unrechtsverkehr. Str., ob auch gegen zwingende Schutzvorschriften zugunsten von Nichtkaufleuten, z. B. Nichtkaufmann erteilt formlos Bürgschaft Gültig nach 350 HGB trotz 766, 125 BGB? - E. A.: Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs vorrangig. - A. A.: Nur soweit Voraussetzungen von 2,3 HGB erfüllt sind (Kannkaufmann), also nicht bei nicht unternehmerisch tätigen Personen. Rechtsschutz kann nicht weiterreichen, als privatautonome Erklärung. - Jedenfalls bei Arglist 242 BGB-Einrede. Folie 511
8 Beispiel 95 Kleinkioskbetreiber A ist nicht im Handelsregister eingetragen, gibt aber auf seinen Geschäftsbriefen an, die Firma A Bielefelder Großhandel für Andenken zu führen. Um seinen neuen Lieferanten L nicht zu verlieren, gibt A telefonisch ein Schuldanerkenntnis ab. Als L gegen A aus dem Schuldanerkenntnis vorgehen möchte, weigert sich dieser, da die Schriftform, die eingehalten werden müsse, weil er ein Kleingewerbetreibender sei, nicht eingehalten wurde. Folie 512
9 Lösung Beispiel 95 Schuldanerkenntnis könnte nach 125, 781 BGB nichtig sein Wird Formgebot des 781 BGB durch 350 HGB ausgeschlossen? 343 Abs. 1 BGB (-) mangels Kaufmanneigenschaft Muss A sich wie Kaufmann behandeln lassen? - Rechtsschein wird von Geschäftsbriefen erzeugt - Von A zurechenbar veranlasst - L war gutgläubig und hat vertraut - Kein zwingender Schutz von Kann-Kaufleuten durch 781 BGB L kann sich auf Anerkenntnis berufen. Folie 513
10 4. Rechtsschein entgegen Registereintragungen Wird neben dem Register ein sonstiger Rechtsschein auch noch nach Eintragung erzeugt/aufrecht erhalten kann entgegen 15 Abs. 2 HGB Rechtsscheinshaftung greifen. Bedenke stets die Auslegungsregel im Rahmen des 164 Abs. 1 BGB (unternehmensbezogenes Geschäft): - Bezieht sich ein Geschäftsabschluss auf ein Unternehmen, - wird stets der Unternehmensträger berechtigt und verpflichtet, gleich welche Rechtsform er hat. Folie 514
11 Beispiel 96 E ist Einzelkaufmann und betreibt ein Elektrogeschäft. Er gründet mit mehreren seiner Angestellten eine KG, wobei er Kommanditist wird. Er erbringt seine Einlage voll und lässt alles ordnungsgemäß eintragen und bekanntmachen. Auf seine Bitten wurde er auch einzelvertretungsberechtigter Prokurist der KG. Ab und zu erwirbt er einige neue und vielversprechende Haushaltsgeräte. Dabei nutzt er das alte Briefpapier mit dem Briefkopf E Elektronikeinzelhandel e. K.. Seine Vertragspartnerin M verlangt von ihm Kaufpreiszahlung. E verweist darauf, dass er bloß Kommanditist sei und somit nicht hafte. M hält dem entgegen, sie sei als langjährige Vertragspartnerin davon ausgegangen, dass E weiterhin Einzelkaufmann gewesen sei und hätte mit der KG niemals einen Vertrag abgeschlossen. Die KG ist ins Trudeln geraten, weil die Mitarbeiter längst nicht so erfolgreich sind, wie damals der E. Folie 515
12 Lösung Beispiel 96 E haftet nicht als Vertragspartei, da KG Vertragspartei geworden ist (unternehmensbezogenes Geschäft). Für Verbindlichkeiten der KG haftet E nicht, 171 Abs. 1 HGB. Haftung des E aus allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen? - Briefbogen als Rechtsscheinstatbestand: Erwecken des Anscheins, als hafte E als natürliche Person. - Grundsätzlich gilt allerdings 15 Abs. 2 HGB. Es kann kein schützenswertes Vertrauen gegen den Registerinhalt entstehen. Es ist folglich grds. eine Obliegenheit der M, in das Handelsregister zu sehen, bevor sie Verträge schließt. - Allerdings verwehrt 242 BGB dem E die Berufung auf den Registerinhalt. Es musste der M als langjähriger Vertragspartnerin überflüssig erscheinen, vor jedem neuen Vertragsschluss Einsicht zu nehmen. - Diesen Rechtsschein hat E auch zurechenbar veranlasst. Auch war die M gutgläubig. Aus Rechtsschutzgesichtspunkten spricht nicht dagegen, dass sie nicht in das Handelsregister gesehen hat. Die Gutgläubigkeit war kausal für den Vertragsschluss. Deswegen haftet E aus allgemeinen Rechtsscheinsgrundsätzen persönlich der M. Folie 516
13 Beispiel 97 (BGH NJW 1998, 2897) November 1992 verhandelten der Bekl. und sein Vater im Namen einer P-GmbH mit der Kl. über Kauf einer Maschine. Der Bekl. trat bei den Vertragsverhandlungen als Geschäftsleitung, sein Vater als Geschäftsführer dieser Gesellschaft auf. Der Kl. war nicht bekannt, dass die Gesellschaft nicht existierte. Gesellschaft entstand erst am durch Eintragung in das Handelsregister. Gesellschaft bald insolvent. Die Kl. hat die Maschine Ende Januar 1993 geliefert und montiert. Tatsächlicher Unternehmensinhaber war Vater. Kann die Kl. den Bekl. aus dem Kaufvertrag in Anspruch nehmen? Folie 517
14 Lösung Beispiel 97 Wahrer Rechtsträger wird durch unternehmensbezogenes Geschäft berechtigt und verpflichtet. Die Kl. erwartete, eine GmbH als Vertragspartnerin zu erhalten. Nach den Grundsätzen über das unternehmensbezogene Geschäft erhielt sie mit dem Vater des Bekl. einen unbeschränkt haftenden Vertragspartner. Mit zwei unbeschränkt haftenden Schuldnern konnte die Kl. ebenso wenig rechnen wie mit einer persönlichen Haftung gerade des Bekl. Ob die Kl. den Bekl. auf Grund seines Auftretens bei den Vertragsverhandlungen für einen Gesellschafter der vermeintlichen GmbH gehalten hat und halten durfte, ist unerheblich. Die Rechtsscheinhaftung kann nicht weitergehen als die Haftung ginge, wenn der Schein der wirklichen Rechtslage entspräche. Folie 518
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