I. Grundlagen. (1) Kennzeichen einer Stellvertretung
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- Gitta Weiss
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1 Stellvertretung 1
2 I. Grundlagen (1) Kennzeichen einer Stellvertretung Rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen Die Rechtsfolgen treffen den Vertretenen Unterscheidung zwischen Stellvertretung ( 164 I 1 BGB) und Empfangsstellvertretung ( 164 III BGB) Merke: Eine Stellvertretung kommt sowohl für die Abgabe als auch den Zugang einer Willenserklärung in Betracht. 2
3 I. Grundlagen (2) Unmöglichkeit einer Stellvertretung Bei reinen Realakten Beispiel: Erwerb von unmittelbarem Besitz Bei höchstpersönlichen Rechtsakten Beispiel: Hochzeit 3
4 II. Voraussetzungen der Stellvertretung (1) Eigene Willenserklärung des Vertreters (2) Handeln in fremdem Namen (3) Vertretungsmacht 4
5 (1) Eigene Willenserklärung des Vertreters Vertreter handelt mit eigener Entschließungsfreiheit Rechtsgeschäftlich gebunden wird jedoch der Vertretene (nicht der Vertreter!) ACHTUNG Unterschied zum Boten: Bote ist Übermittler einer fremden Willenserklärung -Wichtig im Rahmen der Geschäftsunfähigkeit -Bote kann auch ein Geschäftsunfähiger sein, z.b. ein 5-jähriges Kind 5
6 (2) Handeln in fremdem Namen Geregelt in 164 BGB Offenkundigkeitsprinzip Abgabe der Willenserklärung muss offenkundig im Namen des Vertretenen erfolgen, 164 I 1 BGB Kenntniserlangung: ausdrücklich oder aus den Umständen ersichtlich, 164 I 2 BGB Eine nicht offengelegte Vertretung des Handelnden stellt ein Eigengeschäft dar, 164 II BGB (Anfechtung ausgeschlossen) Der Inhalt des Zugangs einer Willenserklärung muss sich offenkundig an den Vertretenen richten, 164 III BGB 6
7 (2) Handeln in fremdem Namen Besonderheiten: Unternehmensbezogene Geschäfte Betriebsinhaber wird verpflichtet (vgl. 56 HGB) Handeln für noch zu benennende Dritte Anonyme Vertretene, die erst später bekannt werden Geschäft für den, den es angeht Vertragspartner kann darauf verzichten, zu erfahren, wer vertreten wird bzw. ob sein Gegenüber überhaupt als Vertreter handelt Anwendungsbereich: Bargeschäfte des täglichen Lebens 7
8 (3) Vertretungsmacht Befugnis, im Namen des Vertretenen zu handeln Verschiedene Arten von Vertretungsmacht a) Gesetzliche Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins 8
9 Vertretungsmacht a) Aufgrund Gesetz b) Durch Rechtsgeschäft c) Kraft Rechtsscheins Innenvollmacht, 167 I 1.Alt.BGB Kundgemachte Innenvollmacht, 171, 172 BGB Außenvollmacht, 167 I 2.Alt.BGB 9
10 Vertretungsmacht a) Aufgrund Gesetz b) Durch Rechtsgeschäft c) Kraft Rechtsscheins Außenvollmacht, 170 BGB Öffentl. Kundgebung, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht 10
11 (3) Vertretungsmacht a) Gesetzliche Vertretungsmacht Ergibt sich aus Gesetz (z.b. elterliche Vertretungsmacht bei Minderjährigen, vgl I, 1629 I BGB) 11
12 (3) Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Vollmacht, 166 II BGB (Legaldefinition) i. Erteilung der Vollmacht ii. Form der Vollmachtserteilung iii. Umfang der Vollmacht iv. Erlöschen der Vollmacht 12
13 (3) Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Vollmacht, 166 II BGB (Legaldefinition) i. Erteilung der Vollmacht Innenvollmacht, 167 I 1. Alt. BGB: Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden Außenvollmacht, 167 I 2. Alt. BGB: Erklärung gegenüber dem Dritten, mit dem der zu Bevollmächtigende ein Rechtsgeschäft vornehmen soll Nach außen kundgemachte Innenvollmacht, 171, 172 BGB: Reine Wissenserklärung, es wird nach außen erklärt, dass im Innenverhältnis eine Bevollmächtigung stattgefunden hat 13
14 (3) Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Vollmacht, 166 II BGB (Legaldefinition) ii. Form der Vollmachtserteilung Vollmachtserteilung ist grds. formfrei Ausnahme: wenn Schutzzweck der einschlägigen Formvorschriften eine Formpflicht auch für die Vollmacht erfordert (z.b. 311 b I BGB) 14
15 (3) Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Vollmacht, 166 II BGB (Legaldefinition) iii. Umfang der Vollmacht Auslegung nach objektivem Empfängerhorizont, 133, 157 BGB Spezialvollmacht (Abschluss eines bestimmten Geschäfts) Generalvollmacht (Rechtshandlungen aller Art) 15
16 (3) Vertretungsmacht b) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht Vollmacht, 166 II BGB (Legaldefinition) iv. Erlöschen der Vollmacht Beendigung des Grundverhältnisses, 168 S. 1 BGB Widerruf der Vollmacht, 168 S. 2 BGB Fristablauf bei befristeter Vollmacht, 163 BGB Bedingungseintritt bei auflösend bedingter Vollmacht, 158 II BGB Anfechtung, 142 I BGB 16
17 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht 17
18 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Vollmacht wird im Außenverhältnis erteilt, im Innenverhältnis widerrufen Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht 18
19 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Information eines Dritten bzw. der allgemeinen Öffentlichkeit über eine bereits erteilte Innenvollmacht, die später im Innenverhältnis widerrufen wird Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht 19
20 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Vollmachtsurkunde nach Widerruf der Vollmacht nicht zurückgegeben oder für kraftlos erklärt Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht 20
21 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Vertretener kennt und duldet das Auftreten des vollmachtslosen Vertreters (= wissentliches Geschehenlassen) Vertragspartner kann nach Treu und Glauben von der Vollmachtserteilung für den Handelnden ausgehen, 173 BGB Anscheinsvollmacht 21
22 (3) Vertretungsmacht c) Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins Schutz des Vertragsschließenden (Gläubigerschutz) Objektive Umstände deuten auf Vertretungsmacht hin Außenvollmacht, 170 BGB Öffentliche Kundgabe, 171 BGB Vollmachtsurkunde, 172 BGB Duldungsvollmacht Anscheinsvollmacht Fahrlässige Unkenntnis des Vertretenen Vertragspartner kann nach Treu und Glauben von der Vollmachtserteilung für den Handelnden ausgehen, 173 BGB analog 22
23 (3) Vertretungsmacht Prüfungsschema: Duldungs-/Anscheinsvollmacht (1) Rechtsscheinstatbestand a) Vertreter ohne tatsächliche Vertretungsmacht b) Objektive Umstände, die auf Vertretungsmacht hindeuten (bei Anscheinsvollmacht zusätzlich: Dauer oder Häufigkeit) (2) Zurechenbarkeit des Rechtsscheins a) Duldungsvollmacht: wissentliches Geschehenlassen b) Anscheinsvollmacht: fahrlässige Unkenntnis (3) Gutgläubigkeit des Vertragspartners (4) Kausalität des Rechtsscheins für rechtgeschäftliches Verhalten des Vertragspartners 23
24 (3) Vertretungsmacht Grenzen von Vertretungsmacht a) Missbrauch der Vertretungsmacht Überschreitung im Innenverhältnis, 177 ff. BGB analog i. Kollusion von Vertreter und Drittem Bewusstes gemeinsames Handeln zum Nachteil des Vertretenen Rechtsfolge: Unwirksamkeit gem. 138 I BGB ii. Fahrlässige Unkenntnis des Dritten Befugnisüberschreitung in ersichtlich verdächtiger Weise, sodass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mussten Folge: Einrede der unzulässigen Rechtsausübung gem. 242 BGB 24
25 (3) Vertretungsmacht Grenzen von Vertretungsmacht b) Insichgeschäft, 181 BGB i. Verbot des Selbstkontrahierens, Alt. BGB Vertreter schließt ein Rechtsgeschäft im Namen des Vertretenen mit sich selbst ab ii. Verbot der Mehrvertretung, Alt. BGB Vertreter tritt gleichzeitig als Vertreter zweier verschiedener Personen auf iii. Ausnahme: Ein Insichgeschäft ist zulässig, wenn es vom Vertretenen gestattet wurde oder es in Erfüllung einer Verbindlichkeit vorgenommen wird 25
26 III. Vertreter ohne Vertretungsmacht Geregelt in 177 ff. BGB Überschreitung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis Folge: Der abgeschlossene Vertrag gilt zunächst als schwebend unwirksam, 177 I BGB 26
27 III. Vertreter ohne Vertretungsmacht Der Vertretene kann den Vertrag entweder genehmigen oder die Genehmigung verweigern Genehmigung: rückwirkende Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (ex tunc, 184 I BGB) Verweigerung: endgültige Unwirksamkeit 27
28 III. Vertreter ohne Vertretungsmacht Vertragspartner kann den Vertrag bis zur Genehmigung widerrufen, 178 BGB 28
29 IV. Haftung des Vertreters nach 179 BGB Bei Verweigerung der Genehmigung anstelle des Vertretenen Erfüllung oder Schadensersatz, 179 I BGB Wahlrecht des Vertragspartners Bei Unkenntnis seitens des Vertreters ist der Vertrauensschaden zu ersetzen, 179 II BGB Vertrauensschaden ist begrenzt auf Erfüllungsschaden 29
30 IV. Haftung des Vertreters nach 179 BGB Prüfungsschema (1) Vertreter ohne Vertretungsmacht (2) Verweigerung der Genehmigung durch Vertretenen (3) Kein Ausschlussgrund des 179 III BGB 30
31 V. Stellvertretung und Anfechtung (1) Anfechtung der Willenserklärung im Rahmen des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts Anfechtungsberechtigter: Vertretener Grund: Willenserklärung wirkt für und gegen den Vertretenen Anfechtungsgrund: Vertreter Bezüglich des Willensmangels ist grds. auf die Person des Vertreters abzustellen, 166 I BGB Ausnahme: Person des Vertretenen, wenn seine Weisung o.ä. auf die Erklärung des Vertreters durchschlug, 166 II BGB Anfechtungsgegner: Vertragspartner 31
32 V. Stellvertretung und Anfechtung (2) Anfechtung der Willenserklärung im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht Anfechtung der Vollmacht Folge: Rückwirkendes Erlöschen der Vollmacht, 142 I BGB, Vertreter ohne Vertretungsmacht Rechtsschein nach h.m. nicht anfechtbar 32
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