Einführung in die. 6. Vorlesung
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- Curt Schmitz
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1 Einführung in die Rechtswissenschaft 6. Vorlesung
2 I. Anwendungsmethoden Subsumtion und Interpretation Gesetz fragliches Ges. Lücke im Gesetz Subsumtion Auslegung Rechtsfortbildung (RichterR/GewR) Lückenfüllung/Analogie
3 II. Rechtsfortbildung Jenseits des möglichen Wortsinns einer möglicherweise anwendbaren Norm (secundum legem), D. h. jenseits der. 2. Stufe der Auslegung, kann Rechtsfortbildung notwendig sein.
4 Zwei Arten der Rechtsfortbildung (1) Rechtsfortbildung neben dem Gesetz (praeter legem): Ergänzung des Gesetzes durch Lückenfüllung/Analogie. Letzte Vorlesung (2) Rechtsfortbildunggegendas Gesetz(contra legem): Gesetzesdurchbrechung, d. h. Wortlautwidrige Nichtanwendung oder Andersanwendung des Gesetzes In dieser Vorlesung
5 Zwei Arten der Rechtsfortbildung Früher strikte Grenze zwischen beiden Arten. Während die Rechtsfortbildung neben dem Gesetz erlaubt war, war die Rechtsfortbildung gegen das Gesetz strikt verboten. Heute wird die Grenze nicht mehr ganz so strikt eingehalten. Wegen der Formel Gesetz und Recht in Art. 20 III GG und zur Realisierung von Werten des GG wurde in extremen Ausnahmen Rechtsfortbildung gegen das Gesetz für zulässig angesehen.
6 IV. Rechtsfortbildung im engeren Sinn/Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung/ gegen das Gesetz Praktisch keine Rechtsanwendung mehr, sondern wieder Rechtsfindung. Man erreicht hier erneut das bloße, gesetzesunabhängige Richterrecht, allerdings mit Berufung auf GG Hier jedenfalls anders als bei der Rechtsfortbildung neben dem Gesetz keine Pflicht des Richters zur Rechtsfortbildung Fraglich vielmehr, ob Rechtsfortbildung zulässig, denn in ihr liegt Verstoß gegen Art. 20 III/97I GG
7 Rechtsfortbildung gegen das Gesetz Ob diese Art der Rechtsfortbildung zulässig ist, ist auch in der Literatur umstritten. Von der Rechtsprechung wurde sie in extremen Ausnahmefällen praktiziert. Wesentlich Voraussetzung ist wie bei der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung, dass überhaupt eine Rechtsfrage vorhanden ist, dass man sich also nicht im rechtsfreien Raum bewegt.
8 Rechtsfortbildung gegen das Gesetz = nicht nur jenseits des möglichen Wortsinns, weil das ist ja auch bei der Rechtsfortbildung neben dem Gesetz so, sondern gegen den möglichen Wortsinn und gleichzeitig gegen die erkennbare Absicht des historischen Gesetzgebers. Steht die erkennbare Absicht nicht entgegen, so handelt es sich nur um eine Lückenfüllung durch Analogie. Steht die erkennbare Absicht des historischen Gesetzgebers entgegen, so ist Lückenfüllung unzulässig.
9 Beispiele für die Rechtsfortbildung gegen das Gesetz - Zulassung der Sicherungsübereignung, obwohl 1205 BGB besitzloses Pfandrecht verbietet (BGHZ 28, 16) - Zulassung der Einziehungsermächtigung (BGHZ 4, 164; 70, 393) - Zulassung des Anwartschaftsrechts (BGHZ 20, 88) - Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 107, 78, 87ff.)
10 Beispiele für die Rechtsfortbildung gegen das Gesetz 253 BGB beschränkt Schadensersatz auf Vermögensschäden. Schmerzensgeld gibt es nur in den im Gesetz nach dem früheren 847, heute in 253 II BGB geregelten Ausnahmefällen bei Verletzung von Körper, Gesundheit, Freiheitsentziehung, sexueller Selbstbestimmung. Der BGH hat bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichheitsrechts aus Art. 1 I, 2 I GG trotzdem Entschädigung gewährt, z. B. bei Werbung mit Prominenten (BGHZ 26, 349; 35, 363; 39, 124).
11 Beispiele für die Rechtsfortbildung gegen das Gesetz Anerkennung des sog. Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstiges Recht im Sinne des 823 I BGB. Damit hat sich der BGH über das fest umrissene System der Unrechtstatbestände in 823 I BGB hinweggesetzt (BGHZ 13, 334). Einführung der Culpa in Contrahendo (BGHZ 6,333; 66, 54)
12 Beispiele für die Rechtsfortbildung gegen das Gesetz Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit bei nichtrechtsfähigen Vereinen, sofern sie Gewerkschaften sind, entgegen 50 ZPO. Anerkennung der BGB-Gesellschaft als Anerkennung der BGB-Gesellschaft als rechtsfähig (NJW 2001, S. 1056).
13 Verbote und Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Verbote und Grenzen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung gelten hier erst recht: z. B. Analogieverbot im Strafrecht Art. 103 II GG. Subsidiarität: Kommt nur in Betracht, wenn die vorherigen Stufen der Auslegung und der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung nicht genügen.
14 Verbote und Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Nach Meinung von Larenz ist den Gerichten eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung allenfalls dann gestattet, wenn infolge dauernden Versagens des Gesetzgebers ein echter Rechtsnotstand entstanden ist: Bsp. Aufwertungsrechtsprechung des Reichsgerichts
15 Fallgruppen und Begründungen Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs. Bsp.: Sicherungsübereignung Mit Rücksicht auf die Natur der Sache : leibliche, seelische und geistige Grundgegebenheiten: z. B. Bundeskompetenz aus der Natur der Sache als Einschränkung der generellen Kompetenzzuweisung an die Länder
16 Fallgruppen und Begründungen Rechtsfortbildung mit Rücksicht auf ein rechtsethisches Prinzip, z. B. Menschenwürde und Menschenrechte, Naturtatsachen, Widerspruchsfreiheit, generelles Willkürverbot, Gebot der Einzelfallgerechtigkeit
17 Rechtfertigung der gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung Art. 97 GG soll nur externe Einflüsse auf den Richter ausschließen, Bsp.: Richterbriefe in der NS-Zeit, I. sachliche, II. Persönliche. Aber kein Ausschluß des Richterrechts Hier wird Streit um Art. 20 III GG aktuell: je nachdem wie eng man Recht versteht: Ausschluß oder Rechtfertigung der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung
18 Grundsätzliches Hinter allem dem steht grundsätzliche Frage, wie strikt man die Bindung des Richters an das Gesetz verstehen soll. Wichtiger Gesichtspunkt: Gesetzgeber kann ja richterliche Rechtsfortbildung per Gesetz ändern v. a. für ältere Gesetze zulässig, da bei diesen die Legitimation schwindet Immer Frage, ob nicht nach Art. 100 GG konkrete Normenkontrolle möglich und nötig
19 Wirkung der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung Wirkt wie jedes richterliche Urteil grundsätzlich nur für einzelnen Fall Gerichte kein Ersatzgesetzgeber aber faktisch bei obergerichtlichen Entscheidungen allgemeine Wirkung Und es kann sich Richterrecht/Gewohnheitsrecht entwickeln
20 IV. Konkurrenzen Umgekehrter Fall zur Rechtsfortbildung, bei der kein Gesetz anwendbar ist: mehrere Gesetze anwendbar. Dann stellt sich Frage der Konkurrenzen: zwei Möglichkeiten: (1) Verdrängende Konkurrenz: Eine Norm schließt die Anwendung der anderen aus (2) Kumulative Konkurrenz: Auf den selben Sachverhalt sind nebeneinander zwei Normen anwendbar
21 1. Verdrängende Konkurrenzen a) Rangverschiedene Normen: Spezialität geht vor b) Ranggleiche Normen: aa) Zeitlicher Vorrang der jüngeren Norm: lex posterior derogat legi priori bb) Inhaltlicher Vorrang: Speziellere Norm verdrängt die allgemeine: Spezialität: lex specialis derogat legi generali. Bsp.: 249 StGB gegenüber 242 StGB
22 2. Kumulative Konkurrenz Hier sind mehrere Normen auf einen Sachverhalt anwendbar: Bsp.: Anspruchskonkurrenz, z. B. Rückgabe der Mietsache nach 546 und 985/986 BGB Im Strafrecht spricht man von Idealkonkurrenz oder Tateinheit: 52 StGB Z. B. Anwendung von mehreren Normen des GG, z. B. Art. 3 I und Art. 4 GG
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