Prof. Dr. rer. nat. Thomas Iftner
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- Sigrid Schulze
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1 Welche Anforderungen müssen an einen humanen Papillomaviren (HPV) Test gestellt werden, der in der Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses nach den neuesten Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eingesetzt werden kann? Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).. Rechtsgrundlage für die Arbeit des G-BA ist das Fünfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V). Seit 1971 haben gesetzlich krankenversicherte Frauen ab einem Alter von 20 Jahren die Möglichkeit, jährlich eine Früherkennungsuntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs wahrzunehmen. Die Untersuchung wird mittels Pap-Test (Papanicolaou-Abstrich, Zellabstrich vom Gebärmuttermund) durchgeführt (Krebsfrüherkennungs-Richtlinien [KFE-RL]). Mit dem Krebsfrüherkennungs- und Registergesetz von 2013 hat der Gesetzgeber den G-BA damit beauftragt, das bislang opportunistische Zervixkarzinom-Screening in ein organisiertes Screening zu überführen. Dies beinhaltet die Einführung eines Einladungswesens, die Bereitstellung verbesserter Informationen für die anspruchsberechtigten Versicherten, den Ausbau der Qualitätssicherung sowie eine Erfolgskontrolle und einen Abgleich der Daten von Krebsregistern mit Daten nach 299 SGB V (wwwg-ba.de). Der G-BA hat im September 2016 seine neuen Eckpunkte für das zukünftige Zervixkarzinom-Screening publiziert. Frauen ab dem Alter von 35 Jahren soll statt der derzeitigen jährlichen zytologischen Untersuchung alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung bestehend aus einem Test auf genitale Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) und einer zytologischen Untersuchung angeboten werden. Frauen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren haben weiterhin Anspruch auf eine jährliche zytologische Untersuchung (wwwg-ba.de). Der zuständige Unterausschuss Methoden Bewertung im G-BA hat jedoch noch keine Qualitätsund Eignungskriterien für den HPV Test, welcher zusätzlich zur Zytologie für Frauen ab 35 Jahren in einem Intervall von 3 Jahren angeboten werden soll, benannt. Da dieses Thema in den Bereich Qualitätssicherung in der virologischen Diagnostik fällt, fühlt sich die Gesellschaft für Virologie (GfV) zu einer diesbezüglichen Stellungnahme verpflichtet. Weltweit sind derzeit mehr als 150 kommerzielle Testverfahren zum Nachweis von HPV im Zervikalabstrich verfügbar, die sich im allgemeinen Testprinzip, dem Nachweis von HPV DNA oder RNA und dem Bereich des viralen Genoms, welcher nachgewiesen wird, stark unterscheiden (Poljak et al., J. Clin. Virol. 2016). Während manche Testverfahren sich darauf beschränken, die von der WHO als karzinogen für den Menschen klassifizierten so genannten Hochrisiko HPV Typen als Gruppe nachzuweisen, gibt es auch mehrere Testverfahren, die zusätzlich den spezifischen Nachweis der beiden HPV Typen 16 und 18, welche das höchste Risikopotenzial beinhalten, leisten. Daneben existieren zahlreiche Testverfahren, die mit verschiedensten Methoden die Genotypisierung von
2 unterschiedlichen HPV Typen, zum Teil einschließlich der so genannten Hochrisiko HPV Typen, durchführen. Lediglich ein Verfahren ist in der Lage, die virale Aktivität durch den Nachweis der Transkripte für die viralen Onkogene E6 und E7 für alle Hochrisiko Typen als Gruppen-Test nachzuweisen. Beim Vergleich der Nachweisverfahren für virale DNA oder virale RNA von HPV ist zu berücksichtigen, dass die Nachweisgrenze, ab der ein Test ein positives Ergebnis anzeigt, nicht vor allem durch die analytische Sensitivität des Testverfahrens bestimmt wird. Vielmehr sollte dies in klinische Studien ermittelt werden, in welchem ein optimales Verhältnis der klinischen Sensitivität zur klinischen Spezifität den Cut-Off festlegt, d.h. den Schwellenwert für ein positives Testergebnis. Somit sind sämtliche PCR-basierten Testverfahren, die auf eine maximale Sensitivität ausgerichtet sind, nicht für den Einsatz in der Früherkennungsuntersuchung geeignet, da sie einen viel zu großen Prozentsatz von latenten Infektionen, die in diesem Zusammenhang ohne klinische Bedeutung sind, nachweisen würden und damit bei gesunden Frauen zu unnötigen Nachfolgeuntersuchungen, individueller Verunsicherung und zu unnötigen Kosten für das Gesundheitssystem führen würden. Aus diesem Grund hat sich bereits 2007 eine internationale Expertengruppe zusammengefunden, um Leitlinien für neue HPV Testverfahren festzulegen, die sich vor allem an dem in vier europäischen randomisierten kontrollierten Studien eingesetzten Testverfahren HC2 (High Hybrid-Capture Test) (Ronco et al., Lancet 2014) orientieren, welches bereits 2003 von der amerikanischen Bundesbehörde FDA für den Einsatz in der Früherkennung des Zervixkarzinoms zugelassen wurde. Diese Leitlinien fordern von neuen Testverfahren eine klinische Sensitivität von mindestens 90% und eine klinische Spezifität von mindestens 98% (95% CI > ) im Vergleich zu dem etablierten Testverfahren HC2 (Gold-Standard). Die Vergleichsstudien sollten in einer repräsentativen Anzahl von Abstrichen aus einer Routine-Screening Population von Frauen, die mindestens 30 Jahre alt sind und mindestens 60 Fälle mit Präkanzerosen (Zervikale Intraepitheliale Neoplasie Grad2, CIN2) sowie mindestens 800 Abstriche von histologisch unauffälligen Frauen enthalten, durchgeführt werden. Zusätzlich wird von dem neuen Testverfahren eine hohe intra- und inter- Labor Reproduzierbarkeit von mindestens 87% erwartet. Die Bewertung eines neuen Verfahrens nach Durchführung dieser Untersuchungen sollte mit einem non-inferiority Test durchgeführt werden (Meijer et al., Int. J. Cancer, 2009). Obwohl diese Leitlinien zweifellos hilfreich sind, sind sie dennoch nicht ausreichend, um den Einsatz eines HPV Testverfahrens in der Früherkennung des Zervixkarzinoms zu rechtfertigen. Neben reinen analytischen Testbewertungen müssen HPV Tests, die in einem Massenscreening eingesetzt werden sollen, nachgewiesenermaßen in großen Populationen unter Normalbedingungen d.h. auch außerhalb von klinischen Studien - wie oben gefordert funktionieren, und schließlich auch eine Akzeptanz sowohl bei den durchführenden Laboren und bei den einsendenden Ärzten haben als auch nachgewiesenermaßen kosteneffektiv sein. In den USA werden die meisten dieser Kriterien bei dem Zulassungsverfahren durch die Bundesbehörde FDA spezifisch geprüft, bevor schließlich eine Zulassung erfolgt. In Europa gibt es dagegen kein vergleichbares Zulassungsverfahren, sondern lediglich eine in vitro Diagnostik Richtlinie der EU, bei der Verfahren zum Nachweis von HPV nur die Konformität mit den europäischen Richtlinien belegen müssen (CE Kennzeichnung). Jedoch erfüllen auch durch die FDA zugelassene Testverfahren nicht notwendigerweise alle Anforderungen für ein Screening Programm, wie anhand eines DNA-Testes gezeigt werden konnte, der bei Frauen mit zytologisch unauffälligen Befunden eine doppelt so hohe Positivitätsrate aufwies, im Vergleich zu dem Gold-Standard Test. Durch eine Anhebung des cut-offs könnte dieser Mangel an klinischer Spezifität ohne Verlust der Sensitivität behoben werden (Boehmer et al., BMC Inf. Dis. 2014; Boers et al. PLoS One; 2014).
3 Naturgemäß sollte ein Test, der die Aktivität der viralen Onkogene direkt nachweisen kann, spezifischer sein als Tests für den bloßen Nachweis der HPV-DNA, die in Form von viralen Partikeln auch außerhalb einer infizierten Zelle vorliegen kann und daher nicht notwendigerweise eine Präkanzerose anzeigt. In der Tat zeigen publizierte Arbeiten eine zum Goldstandard vergleichbare Sensitivität dieser Nachweisverfahren gekoppelt mit einer signifikant erhöhten Spezifität, die somit zu einer erheblichen Reduktion (23%) der benötigten Nachfolgeuntersuchungen aufgrund eines positiven Testergebnisses führen würde (Haedicke & Iftner J. Clin. Virol. 2016; Iftner et al., J. Clin. Microbiol. 2015). Bei dem neu vom G-BA vorgeschlagenen Screening für Frauen ab 35 Jahren sollen die Intervalle auf drei Jahre verlängert werden. Durch die Ko-Testung (Zytologie und HPV-Test) erhofft man sich eine erhöhte Sicherheit trotz Intervall-Verlängerung. Da aus Deutschland noch keine Daten für das kumulative Risiko von hochgradigen Krebsvorstufen (CIN3+) bei verlängerten Intervallen basierend auf zytologischen Untersuchungen vorliegen, sollten solche HPV Tests eingesetzt werden, die ausreichende Sicherheit (hoher negativer Vorhersagewert (NPV) und niedriges kumulatives Risiko für CIN3+) bieten. Für drei DNA Tests, die auf dem Nachweis der genomischen Region für das Hauptkapsidprotein beruhen und den oben angesprochenen RNA Test für den Gruppennachweis der Hochrisiko-HPV Typen sind Daten aus prospektiven Studien über drei Jahre verfügbar, die eine vergleichbare Sicherheit wie der Goldstandard nahelegen (Poljak et al., J Clin Virol. 2016, Reid et al., Am. J. Clin. Pathol. 2015, Wright et al., Gynecol. Oncol. 2015). Somit wären diese Tests für den Einsatz in dem neuen G-BA Zervixkarzinom Screening prinzipiell geeignet. Da alle diese Tests (für den RNA Test gilt dies nur in Verbindung mit einer bestimmten Plattform) zusätzlich die Möglichkeit bieten, gleichzeitig oder sukzessive aus derselben Probe die beiden Höchstrisiko-Typen HPV16/18 nachzuweisen, würde dies noch eine weitere Möglichkeit der Triage von Frauen, die in der Ko- Testung positiv sind, erlauben. Eine Studie aus Dänemark mit Frauen kam zu dem Schluss, dass jede 17. Frau, die im Hochrisiko HPV DNA Gruppentest positiv war bereits eine CIN3 Läsion aufwies, während diese Wahrscheinlichkeit auf jede achte Frau in der Gruppe der HPV-16 positiven anstieg (Kjaer et al., Cancer Causes Control 2014). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle in Europa auf dem Markt erhältlichen Verfahren eine CE-Kennzeichnung aufweisen müssen. Diese stellt jedoch keinerlei Gütesiegel für eine ausreichende Eignung innerhalb eines generellen Früherkennungsprogramms dar. Für die meisten Testverfahren existieren bisher keine publizierten Daten. Die von Meijer et al (Meijer et al., Int. J. Cancer, 2009) geforderten Kriterien werden nur von acht Testverfahren zum Nachweis aller Hochrisiko Typen erfüllt, von denen wiederum nur vier eine FDA Zulassung für den amerikanischen Markt erhalten haben. Die FDA Zulassung ist jedoch in Europa nicht maßgeblich und zudem kein Garant für die Eignung eines Testes im Massen-Screening. Deshalb wäre zu fordern, dass die im Primärscreening eingesetzten HPV-Tests die Anforderungen für hoch kritische IVDs der Klasse C gemäß den Vorgaben der International Medical Device Regulators Forum (IMDRF) erfüllen sollten. Zusätzlich wären wissenschaftliche Anwendungsstudien, wie sie z.b. in Großbritannien oder im Rahmen des VALGENT Projektes (Arbyn et al., J. Clin. Virol. 2016) durchgeführt werden, in welchen verschiedene Testverfahren im Routinescreening eingesetzt und verglichen werden, im Sinne einer Evidenzbasierten Diagnostik und Kosteneffektivität im Gesundheitswesen dringend zu fordern.
4 [1] Poljak M, Kocjan BJ, Ostrbenk A and Seme K. Commercially available molecular tests for human papillomaviruses (HPV): 2015 update. J Clin Virol 2016; 76 Suppl 1: S3-S13. [2] Ronco G, Dillner J, Elfstrom KM, Tunesi S, Snijders PJ, Arbyn M, Kitchener H, Segnan N, Gilham C, Giorgi-Rossi P, Berkhof J, Peto J, Meijer CJ and International HPVswg. Efficacy of HPV-based screening for prevention of invasive cervical cancer: follow-up of four European randomised controlled trials. Lancet 2014; 383: [3] Meijer CJ, Berkhof J, Castle PE, Hesselink AT, Franco EL, Ronco G, Arbyn M, Bosch FX, Cuzick J, Dillner J, Heideman DA and Snijders PJ. Guidelines for human papillomavirus DNA test requirements for primary cervical cancer screening in women 30 years and older. Int J Cancer 2009; 124: [4] Boehmer G, Wang L, Iftner A, Holz B, Haedicke J, von Wasielewski R, Martus P and Iftner T. A population-based observational study comparing Cervista and Hybrid Capture 2 methods: improved relative specificity of the Cervista assay by increasing its cut-off. BMC Infect Dis 2014; 14: 674. [5] Boers A, Slagter-Menkema L, van Hemel BM, Belinson JL, Ruitenbeek T, Buikema HJ, Klip H, Ghyssaert H, van der Zee AG, de Bock GH, Wisman GB and Schuuring E. Comparing the Cervista HPV HR test and Hybrid Capture 2 assay in a Dutch screening population: improved specificity of the Cervista HPV HR test by changing the cut-off. PLoS One 2014; 9: e [6] Iftner T, Becker S, Neis KJ, Castanon A, Iftner A, Holz B, Staebler A, Henes M, Rall K, Haedicke J, von Weyhern CH, Clad A, Brucker S and Sasieni P. Head-to-Head Comparison of the RNA- Based Aptima Human Papillomavirus (HPV) Assay and the DNA-Based Hybrid Capture 2 HPV Test in a Routine Screening Population of Women Aged 30 to 60 Years in Germany. J Clin Microbiol 2015; 53: [7] Haedicke J and Iftner T. A review of the clinical performance of the Aptima HPV assay. J Clin Virol 2016; 76 Suppl 1: S [8] Poljak M, Ostrbenk A, Seme K, Sterbenc A, Jancar N and Vrtacnik Bokal E. Three-year longitudinal data on the clinical performance of the Abbott RealTime High Risk HPV test in a cervical cancer screening setting. J Clin Virol 2016; 76 Suppl 1: S [9] Reid JL, Wright TC, Jr., Stoler MH, Cuzick J, Castle PE, Dockter J, Getman D and Giachetti C. Human Papillomavirus Oncogenic mrna Testing for Cervical Cancer Screening: Baseline and Longitudinal Results From the CLEAR Study. Am J Clin Pathol 2015; 144: [10] Wright TC, Stoler MH, Behrens CM, Sharma A, Zhang G and Wright TL. Primary cervical cancer screening with human papillomavirus: end of study results from the ATHENA study using HPV as the first-line screening test. Gynecol Oncol 2015; 136: [11] Kjaer SK, Munk C, Junge J and Iftner T. Carcinogenic HPV prevalence and age-specific type distribution in 40,382 women with normal cervical cytology, ASCUS/LSIL, HSIL, or cervical cancer: what is the potential for prevention? Cancer Causes Control 2014; 25: [12] Arbyn M, Depudt C, Benoy I, Bogers J, Cuschieri K, Schmitt M, Pawlita M, Geraets D, Heard I, Gheit T, Tommasino M, Poljak M, Bonde J and Quint W. VALGENT: A Protocol for Clinical Validation of Human Papillomavirus Assays. J Clin Virol 2016; 76 Suppl 1: S Prof. Dr. rer. nat. Thomas Iftner Leiter Sektion Experimentelle Virologie Eberhard-Karls-Universität Tübingen Medizinische Fakultät Universitätsklinikum Tübingen Institut für Medizinische Virologie Sektion Experimentelle Virologie Elfriede-Aulhorn-Str Tübingen Deutschland Telefon ++49 (0)
5 Fax ++49 (0) Disclaimer: Becton Dickinson GmbH und Hologic GmbH : nicht zweckgebundene Zuwendung an das Universitätsklinikum Tübingen Hologic GmbH, MSD Sharp & Dohme GmbH: Gewährung von Sprecherhonorar Hinweis: Die Projektgruppe ZERVITA ( die es seit fast 10 Jahren gibt, möchte die Öffentlichkeit aufklären, um unnötige Erkrankungen durch HPV zu vermeiden. Die Projektgruppe ZERVITA ist eine nationale Aufklärungsstelle über Gebärmutterhalskrebs und HPV. Sie besteht aus 20 Mitgliedsorganisationen: Forschungseinrichtungen, wissenschaftlichen Fachverbänden, Berufsverbänden und Krebsorganisationen. Die Finanzierung erfolgt ausschließlich über Spenden, Mitgliederbeiträge, Unternehmenskooperationen und Zuwendungen von Stiftungen.
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