2015 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapeutische Umschau 2015; 72 (3): DOI / /a000661
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- Henriette Egger
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1 2015 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapeutische Umschau 2015; 72 (3): DOI / /a Übersichtsarbeit 171 Klinik für Nephrologie, Universitätsspital Zürich Die stellt die häufigste viszerale Manifestation des systemischen Lupus erythematodes (SLE) dar und beeinflusst die Lupus-bedingte Morbidität und Lebensqualität wesentlich. Der renale Lupusbefall zeigt histologisch ein breites Spektrum und reicht klinisch von milden asymptomatischen Veränderungen des Urinbefundes bis hin zum schweren nephrotischen Syndrom oder zum rasch progredienten Nierenversagen. Die therapeutischen Optionen haben sich über die letzten Jahrzehnte deutlich verbessert, bestehen aber trotz intensiver Forschung weiterhin in einer relativ unspezifischen und nebenwirkungsreichen Immunsuppression, deren Intensität der schwere des renalen Befalls angepasst werden muss. Für eine differenzierte Therapieplanung kommt der histologischen Diagnose und damit einer Nierenbiopsie eine wesentliche Rolle zu. In dieser Übersichtsarbeit sollen die Grundlagen der Pathogenese, die histologischen Manifestationen, sowie die Klinik, Diagnostik und Therapie der zusammengefasst werden. Einführung Die Lupusnehritis (LN) stellt die mit Abstand häufigste viszerale Manifestation eines systemischen Lupus erythematodes (SLE) dar. Der SLE ist eine chronische entzündliche Autoimmunerkrankung, welche prinzipiell alle Organe befallen kann. Klinisch am häufigsten treten nebst konstitutionellen Symptomen muskuloskelettale Beschwerden und Hautveränderungen auf. Ein klinisch fassbarer renaler Befall tritt im Verlauf der Erkrankung bei ca. der Hälfte der Patienten mit SLE auf [1]. Sehr viel seltener tritt eine LN isoliert ohne extrarenale Manifestationen eines Lupus auf. Der SLE zeigt eine ausgeprägte weibliche Prädominanz (10:1). Mit einer Prävalenz um pro 100'000 in Europa ist der SLE eine seltene Erkrankung [2]. Seine soziökonomische Bedeutung ist aber dennoch groß: Die Erkrankung verläuft in aller Regel chronisch mit wiederholten Krankheitsschüben ( flares ) und betrifft vorwiegend junge Frauen in ihren aktiven Lebensjahren. Als häufigste viszerale Manifestation trägt die LN wesentlich zur Langzeitmorbidität und Mortalität des SLE bei und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität: Sie erhöht das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen stark, kann bei ungünstigem Verlauf zur terminalen Niereninsuffizienz führen und stellt die häufigste Indikation für eine intensive Immunsuppression dar. Ätiolopathogenese des SLE und der LN Das charakteristische Merkmal des SLE ist ein Verlust der immunologischen Toleranz gegenüber ubiquitären nukleären Autoantigenen, was sich serologisch in der Bildung von antinukleären Antikörpern (ANA) niederschlägt. Im Rahmen eines physiologischen oder pathologischen Zellunterganges werden ständig endogene Nukleinsäuren freigesetzt, welche strukturelle Ähnlichkeit mit Viruspartikeln haben [3]. Das menschliche Immunsystem wurde im Zuge der Evolution auf eine effiziente Abwehr von Viruspartikeln getrimmt. Eine Reaktion des Immunsystems gegen endogene Nukleinsäuren wird normalerweise durch DNA-Methylierung und eine rasche Phagozytose nekrotischer und apoptotischer Zellen verhindert. Eine ungünstige Kombination von genetischen Defekten bzw. Varianten des Phagozytose- und des Immunsystems mit exogenen Faktoren wie Virusinfekten als Trigger des Immunsystems und erhöhtem Zelluntergang z. B. durch UV-Strahlung kann zu einem Verlust der Toleranz gegen nukleäre Autoantigene führen. Ist es einmal zu einer Autoimmunisierung gekommen, so bleibt in der Regel ein immunologisches Gedächtnis bestehen, weshalb der SLE praktisch immer chronisch verläuft und durch wiederholte Krankheitsschübe gekennzeichnet ist. Welche Faktoren für den unterschiedlichen Organbefall verantwortlich sind, ist unvollständig geklärt. In der Entwicklung der LN kommt der intrarenalen Ablagerung zirkulierender und in situ gebildeter Immunkomplexe eine große Bedeutung zu [3]. Diese Immunkomplexe aktivieren verschiedene Immun-Effektorsysteme wie das Komplementsystem und das angeborene Immunsystem und können zur Rekrutierung von Entzündungszellen und zur Zytokinfreisetzung mit anschließender Gewebeschädigung führen. Das histologische Spektrum der So mannigfaltig das klinische Bild eines SLE insgesamt sein kann, so variabel sind auch die Manifestationen in der Niere: Alle Kompartimente Glomeruli, Tubulointerstitium und Gefäße können betroffen sein. Die glomerulären Veränderungen stehen dabei in der Regel im Vordergrund und sind am bedeutendsten. Sie sind selber wiederum sehr vielgestaltig und werden in der ISN/ RPS-Klassifikation von 2003 [4], welche die ältere WHO-Klassifikation ablöst, in 6 Klassen eingeteilt (Tab. 1). Für alle Formen der LN charakteristisch ist wie oben beschrieben die Ab lagerung von Immunkomplexen. Die se enthalten in der Regel verschiedene Immunglobulinklassen sowie Komplementspaltprodukte und produzieren in der indirekten Immunfluoreszenz-Untersuchung daher das Lupus-typische full house - Muster (Positivität für IgG, IgM, IgA,
2 172 Übersichtsarbeit C1q und C3). Entscheidend für die Auswirkungen der Immunkomplexabagerungen ist deren genaue Lokalisation (Abb. 1). Eine Ablagerung im Mesangium kann ohne weitere pathologische Folgen bleiben (LN Klasse I) bzw. zu einer Proliferation der Mesangialzellen und zu einer Vermehrung der mesangialen Matrix führen (LN Klasse II), was aber nur geringe Auswirkungen auf die glomeruläre Funktion hat. Lagern sich Immunkomplexe direkt unterhalb der glomerulären Endothelzellen ab (subendothelial), so stehen sie über die endothelialen Fenestrierungen in direktem Kontakt mit der Blutzirku lation und lösen eine starke Entzündungsreaktion aus: Rekrutierung von Leukozyten, Endothelzellproliferation und mitunter Ruptur ganzer glo merulärer Kapillaren mit konsekutiver Pro liferation der Parietalzellen und Halbmondbildung. Diese sogenannte proliferative stellt die aggressivste Form der LN dar und wird je nach Prozentzahl betroffener Glomeruli in Klasse III (< 50 %) bzw. IV (> 50 %) eingeteilt und je nach Akuität bzw. Chronizität der Veränderungen weiter unterteilt. Lagern sich Immunkomplexe schließlich auf der Außenseite der glomerulären Basalmembran zwischen dieser und den Fußfortsätzen der Podozyten ab, so kommt es zu keiner entzündlichen Reaktion, wohl aber zu einer Schädigung der Podozyten mit einem Verlust der Fußfortsätze und einer Permeabilitätsstörung der Glomeruli. Diese Klasse V LN stellt eine Spezialform der membranösen Nephropathie dar. Bei der LN Klasse VI schließlich handelt es sich um die ausgebrannte LN mit ausgedehnten irreversiblen narbigen/sklerotischen Veränderungen. Diese Einteilung liefert wichtige Informationen über die Prognose der Erkrankung und das zu erwartende Therapieansprechen und ist daher entscheidend für die Therapieplanung (siehe unten). Tubulointerstitielle und vaskuläre Veränderungen werden in der ISN/RPS- Klassifikation nicht berücksichtigt, sollten aber vom Pathologen separat erwähnt werden [4]. Bei den ersteren handelt es sich um eine lymphozy täre Infiltration und im späteren, irrever- Abbildung 1 Der Ort der Immunkomplexablagerung bestimmt das histologische und klinische Bild der LN. (a) Normales Glomerulum. Die glomerulären Kapillaren welche den eigentlichen glomerulären Filter bilden bestehen aus einer glomerulären Basalmembran (grau), welche auf der Innenseite durch ein fenestriertes glomeruläres Endothel (rosa) und auf der Aussenseite durch die interdigitierenden Fussfortsätze der Podozyten (blau) bedeckt ist. Das Mesangium (grün) bildet das stützende Gerüst des glomerulären Kapillarknäuels. Die durch parietale Epithelzellen (lila) ausgekleidete Bowman Kapsel sammelt den Primärharn und leitet ihn in den proximalen Tubulus (braun). (b) Eine Ablagerung von Immunkomplexen (gelb) im Mesangium kann weitgehend ohne Folgen bleiben (b1) oder zu einer Proliferation der Mesangialzellen (b2) führen. Die klinischen Auswirkungen sind in beiden Fällen relativ gering (leichte Proteinurie und Mikrohämaturie) und der Verlauf benigne. (c) Immunkomplexe, die sich im subendothelialen Raum (zwischen Endothelzellen und der glomerulären Basalmembran) ablagern, stehen über die Fenestrationen des glomerulären Endothels in direktem Kontakt mit dem Blutstrom und führen daher zu einer ausgeprägten Entzündungsreaktion mit Leukozytenrekrutierung und Endothelschwellung (c1). Gelegentlich bildet sich eine zirkumferentielle dicke Schicht von Immunkomplexen entlang des subendothelialen Raumes, welche lichtmikroskopisch als sogenannte wire loops sichtbar ist (c2). Im chronischen Verlauf kommt es oft zu einer Neubildung einer zweiten, inneren glomerulären Basalmembran mit interposition von Mesangialzellen zwischen den beiden Schichten (c3). Infolge der schweren Entzündung kann es zur Ruptur von Kapillarschlingen konnen, was eine Proliferation der parietalen Endothelzellen zur Folge hat mit Bildung von Halbmonden (c4). Selbstredend gehen diese Veränderungen mit einer starken Beeinträchtigung der Nierenfunktion, einer Proteinurie und einem Verlust von Erythrozyten sowie Leukozyten im Urin ( aktives Sediment ) einher. (d) Lagern sich Immunkomplexe im subepithelialen Raum also auf der Aussenseite der glomerulären Basalmembran zwischen dieser und den Podozyten ab, kommt es aufgrund der räumlichen Trennung vom Blutstrom zu keiner zellulären Entzündungsreaktion, jedoch zu einer Schädigung der Podozyten und zu einem Verlust der interdigitierenden Fussfortsätze. Folge ist in der Regel eine ausgeprägte Proteinurie ohne aktives Sediment.
3 Therapeutische Umschau 2015; 72 (3): Übersichtsarbeit 173 Tabelle 1 Klassifikation der nach ISN/RPS 2003 [4] Klasse I Klasse II Klasse III (A/C) Klasse IV-S Klasse IV-G (A/C) Klasse V Klasse VI siblen Stadium um eine interstitielle Fibrose und Tubulusatrophie; als vaskuläre Läsionen finden sich Immunkomplexablagerungen in der Gefäßwand, atherosklerotische Veränderungen, eine thrombotische Mikroangiopathie im Rahmen eines sekundären Antiphospholipidsyndromes oder selten eine Lupusvaskulitis [5]. Klinische Manifestationen Minimale mesangiale mesangiale Immundepots in Immunfluoreszenz und Elektronenmikroskopie sichtbar lichtmikroskopisch unauffällige Glomeruli Mesangial proliferative mesangiale Immundepots Proliferation der mesangialen Zellen und Zunahme der mesangialen Matrix Fokale fokal: < 50 % der Glomeruli betroffen subendotheliale Immundepots A: aktive = proliferative Läsionen (Zellvermehrung in glomerulären Kapillaren und innerhalb der Bowman-Kapsel) C: chronische = sklerosierene Läsionen (irreversibel) Diffuse diffus: > 50 % der Glomeruli betroffen ansonsten wie Klasse III A/C wie bei Klasse III S: segmental (nur ein Teil einjedes Glomerulums betroffen) G: global (die ganzen Glomeruli betroffen) Membranöse subepitheliale Immundepots (zwischen der Aussenseite der glomerulären Basalmembran und den Podozyten gelegen) Verdickung der Basalmembran Fortgeschrittene sklerosierende > 90 % aller Glomeruli sind vollständig sklerosiert Klinisch äußern sich die oben beschriebenen histologischen Verän derungen als Mikrohämaturie, Protein urie und im Verlauf in einer mehr oder weniger raschen Abnahme der Nierenfunktion (sprich der glomerulären Filtration, GFR). Kommt es zu einer ausgeprägten Proteinurie, kann diese ein nephrotisches Syndrom mit symptomatischen Ödemen verursachen, bei einer schweren proliferativen kann es zu einer ausgeprägten, gelegentlich symptomatischen arteriellen Hypertonie kommen. Häufig aber bestehen initial keine Symptome eines renalen Befalles, weshalb einer regelmäßigen Urinuntersuchung und Bestimmung des Serumkreatinines bei Lupuspatienten eine wichtige Rolle zukommt (siehe unten). Erwartungsgemäß zeigt sich eine gewisse Korrelation zwischen der histologischen Läsion und dem klinischen Bild: Eine LN Klasse IV manifestiert sich klassischerweise mit einem aktiven Sediment (Mikrohämaturie mit dysmorphen Erythrozyten, gelegentlich mit Erythrozytenzylindern +/ sterile Leukozyturie) und einer subnephrotischen bis nephrotischen (> 3.5 g/tag) Proteinurie und führt unbehandelt zu einem rasch progredienten Abfall der GFR. Bei einer LN Klasse III sind Mikrohämaturie und Proteinurie in der Regel weniger stark ausgeprägt und der GFR- Abfall langsamer progredient. Eine membranöse (Klasse V) manifestiert sich typischerweise mit einer nephrotischen Proteinurie, oft ohne Mikrohämaturie, und bei einer Klasse VI LN liegt meist eine fortgeschrittene Niereninsuffizienz vor. Diese klinisch-pathologischen Korrelationen sind aber keineswegs perfekt so kann sich beispielsweise eine LN Klasse IV als nephrotisches Syndrom mit blandem Urinsediment äußern. Überdies lässt sich das Ausmaß an akuten gegenüber chronischen Veränderung en klinisch nur schwer abschätzen. Diagnostik Nebst Klinik, Urinbefund und Serumkreatinin geben serologische Parameter einen gewissen Hinweis auf Wahrscheinlichkeit und Aktivität einer Nierenbeteiligung: Die Titer von Antikörpern gegen Doppelstrang-DNA und gegen die Komplementkomponente C1q korrelieren mit dem Vorhandensein einer proliferativen. Eine reduzierte Serumkonzentration der Komplementkomponenten C3 und C4 weist allgemein auf systemische Lupusaktivität hin. Die Sensitivität und Spezifität sämtlicher serologischer Parameter für einen renalen Befall sind allerdings sehr begrenzt [6 8]. Zur Klassifizierung einer, welche eine wichtige Voraussetzung für eine adäquate Therapie darstellt, ist daher in der Regel eine Nierenbiopsie unabdingbar. Eine Nierenbiopsie gilt bei Lupuspatienten als indiziert bei einer Proteinurie von mehr als 1 g pro Tag oder einer Proteinurie von mehr als 0.5 g pro Tag und einer Mikrohämaturie oder einem steigenden Serumkreatinin ohne andere Erklärung [9], sofern nicht eine aggressive Therapie aufgrund eines anderen vitalen (z. B. pulmonalen oder neurologischen) Organbefalles ohnehin indiziert ist. Bei Vorliegen einer proliferativen (Klasse III/IV) ist ein rasches Therapieeinleiten prognostisch relevant [1]. Ein regelmäßiges Screening von Lupuspatienten auf eine renale Beteiligung ist daher entscheidend. Dieses besteht in einer Bestimmung des Serumkreatinines, Abschätzen der Protein urie mittels Protein-Kreatininquotient im
4 174 Übersichtsarbeit Tabelle 2 Standardtherapieschemata der proliferativen (Klasse III/IV) LN Induktionstherapie alle in Kombination mit hochdosiertem Prednison (1 mg/kg, dann tapering) +/ initial Methylprednisolon i. v. Erhaltungstherapie alle in Kombination mit tief dosiertem Prednison (5 10 mg, im Verlauf ggf. Ausschleichen) Schema Bemerkungen Schema Bemerkungen Cyclophosphamid i. v g/m 2 monatlich für 6 Monate ( NIH-Schema ) Cyclophosphamid i. v. 0.5 g alle 2 Wochen für 3 Monate ( EUROLUPUS ) Mycophenolat mofetil 2 1,5 g täglich für 6 Monate traditionelles Schema, am meisten Langzeiterfahrung äquivalent mit NIH-Schema bei geringerer Toxizität, aber nur in Kaukasiern evaluiert und wenige Daten bei schwerer LN gleiche Wirksamkeit wie NIH-Schema, gleiche kurzfristige Nebenwirkunsrate (aber weniger zu erwartende langfristige NW), keine Langzeitdaten Azathioprin 2 mg/kg täglich optimale Dauer unklar Mycophenolat mofetil 2 1 g täglich optimale Dauer unklar MMF gegenüber AZA überlegen in der ALMS- Studie [17] (alle Ethnien); kein signifikanter Unterschied, aber Trend zugunsten MMF, in der kleineren MAINTAIN-Studie [18] (nur Europäer) Zusätzlich empfiehlt sich bei allen Patienten die Gabe von Antimalarika (Plaquenil) sowie eine supportive Therapie (antiproteinurische Therapie mit ACEI/ARB, ev. andere Antihypertensiva, Osteoporoseprophylaxe, ev. Infektprophylaxe, ev. Statine). Aufgrund der Gonadentoxizität von Cyclophosphamid wird vor Therapieeinleitung bei Frauen in gebärfähigem Alter eine Ovarienprotektion mit GnRH Agonisten empfohlen, bzw. bei männlichen Patienten eine Spermien-Kryokonservierung. Spoturin sowie einer Beurteilung des Urinsedimentes. Bei Patienten mit stabilem Verlauf eines SLE ohne LN in der Anamnese sollten diese Untersuchungen mindestens halbjährlich erfolgen, bei Patienten mit bekannter LN in der Vorgeschichte vierteljährlich und bei aktiver LN oder hoher extrarenaler Lupusaktivität noch häufiger [9]. Auch initial nach Diagnosestellung eines SLE empfehlen sich mindestens vierteljährliche Urinuntersuchungen, da eine LN bei den meisten Patienten früh nach Erstmanifestation des SLE auftritt. Therapie Die Therapie einer LN hat drei Hauptziele: Erstens gilt es, die Nierenfunktion langfristig zu erhalten und die Progression zu einer terminalen Niereninsuffizienz möglichst zu verhindern. Zweitens sollen extrarenale Komplikationen der LN, insbesondere eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität als Folge einer chronsichen Niereninsuffizienz, minimiert werden. Und drittens sollen Symptome, sofern vorhanden (z. B. Ödeme beim nephrotischen Syndrom), gemildert werden. All diese Ziele gilt es mit einer vertretbaren Toxizität und einem Minimum an Nebenwirkungen und therapiebedingten Komplikationen zu erreichen. Die Fortschritte der letzten Jahre im pathogenetischen Verständnis der LN haben bisher leider noch nicht in effektive therapeutische Ansätze gemündet, welche spezifisch die Autoimmunität blockieren ohne eine generelle Immunsuppression zu bewirken. Dennoch erlaubt heute der differenzierte Einsatz einer steigenden Zahl etablierter Therapieprotokolle mit unterschiedlichen Immunsuppressiva eine individualisierte Therapie mit einer relativ guten Wirksamkeit und einer vertretbaren Langzeittoxizität. Da die Prognose wie auch die Aussichten auf ein Therapieansprechen von der histologischen Klassifikation abhängen, wird die Therapie einer LN der Histologie angepasst [9, 10]. Eine Klasse I oder II LN hat eine gute Prognose und bedarf keiner spezifischen Therapie. Bei einer proliferativen LN (Klasse III oder IV), vor allem bei relevantem Aktivitätsgrad, ist in der Regel eine rasche und intensive immunsuppressive Therapie indiziert, da die proliferative LN unbehandelt rasch zu einer irreversiblen chronischen Niereninsuffizienz führen kann: Vor 50 Jahren betrug das 5-Jahres-Überleben bei Vorliegen einer LN Klasse IV unter 20 % [1]. Glücklicherweise hat sich dies in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert. Insbesondere die Gabe von Cyclophosphamid kombiniert mit hochdosierten Steroiden hat die Langzeitprognose der LN wesentlich verbessert [11] und sich daher seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts zur Standardtherapie einer proliferativen LN (Klasse III/IV) entwickelt. Die gute Wirksamkeit wird allerdings mit einer beträchtlichen Rate an Nebenwirkungen erkauft (Leukopenie, Infektanfälligkeit und bei hoher kumulativer Dosis eine erhöhte Malignomrate sowie Fertilitätseinbuße). Ein Hauptziel in der klinischen LN-Forschung der letzten Jahren bestand daher darin, die Cyclophosphamid-Dosis zu reduzieren oder ganz ohne Cyclophosphamid auszukommen bei gleich bleibender Wirksamkeit der
5 Therapeutische Umschau 2015; 72 (3): Übersichtsarbeit 175 Therapie. Als alternative Initialtherapien zur klassischen iv-cyclophosphamid-therapie nach dem NIH-Schema [11] haben sich insbesondere das EUROLUPUS-Schema, welches mit einer geringeren Cyclophosphamid- Dosis auskommt [12, 13], und eine Behandlung mit Mycophenolat mofetil (MMF) anstelle von Cyclophosphamid [14] etabliert. Daneben gibt es weniger gut evaluierte alternative Schemata, welche z. B. einen Calcineurin-Inhibitor anstelle von Cyclophosphamid bzw. MMF oder zusätzlich zu MMF einsetzen. Eine hochdosierte Steroidgabe stellt bis heute einen Eckpfeiler fast aller Induktionstherapien einer proliferativen LN dar, wobei es aufgrund der beträchtlichen Langzeitnebenwirkungen von Steroiden zunehmend Bestrebungen gibt, auch die Steroiddosis in neuen alternativen Therapieschemata zu minimieren. Die am besten evaluierten und gängigsten Therapieschemata der LN sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Da der SLE und die LN eine schubweise Erkrankung darstellen, ist die Rezidivrate einer proliferativen LN hoch. An die Induktionsphase, welche 3 6 Monate dauert und mit einer relativ aggressiven Therapie auf ein Minimier en der Krankheitsaktivität abzielt, schließt sich daher eine remissionserhaltende Therapie an, welche mit tiefer dosierten Immunsuppressiva das ansonsten sehr hohe Rezidivrisiko reduzieren soll [9, 10, 15]. Selbstver ständlich ist die Grenze zwischen Remissionsinduktion und -Erhaltung nicht immer scharf zu ziehen und die Definitionen einer Remission werden nicht ganz einheitlich verwendet. In der Regel versteht man unter einer kompletten Remission (CR) eine Reduktion der Proteinurie auf < 0.5 g pro Tag und eine Erholung des Serumkreatinines auf die bisherige baseline, unter einer partiellen Remission (PR) eine mindestens 50 %-ige Reduktion der Proteinurie auf < 3 g pro Tag und eine Stabilisierung des Serumkreatinines [10]. Eine PR sollte spätestens nach drei, eine CR spätestens nach zwölf Monaten Therapie erreicht werden, ansonsten müssen ein Therapiewechsel bzw. je nach initialer Histologie eine Rebiopsie erwogen werden. Als remissionserhaltende Therapie sind sowohl Azathioprin als auch MMF den früher üblichen viertel jähr lichen Cyclophosphamid-Infusionen überlegen und auch weniger toxisch [16]. MMF ist wahrscheinlich zur Remissionserhaltung etwas wirksamer als Azathioprin [17, 18] (siehe Tab. 2). Unklar ist bis heute die optimale bzw. notwendige Dauer einer Erhaltungstherapie; je nach initialer Schwere der Erkrankung und serologischen Aktivitätsmarkern kann nach einer min destens zweijährigen remissionserhaltenden Therapie ein langsamer Ausschleichversuch begonnen werden unter Monitoring von Nierenfunktion, Sediment, Proteinurie und serolo gischen Aktivitätsmarkern. Nach einer schweren LN und bei persistierender serologischer Aktivität kann aber mitunter eine zeitlich unbegrenzte tief dosierte Immunsuppression sinnvoll sein. Die LN Klasse V hat eine bessere Langzeitprognose und erlaubt oft zunächst ein abwartendes Verhalten und eine konservative antiproteinurische Therapie mittels ACE-Inhibitoren (ACEI) bzw. Angiotensinrezeptor-Blockern (ARB). Bei persistierender nephrotischer Proteinurie ist aber eine im munsuppressive Therapie angezeigt, einerseits um den Symptomen und möglichen Komplikationen eines nephrotischen Syndromes zu begegnen, andererseits da eine anhaltend hohe Proteinurie einen Risikofaktor für eine fortschreitende Niereninsuffizienz darstellt [9, 10]. Die Datenlage zur optimalen immunsuppressiven Therapie der LN Klasse V ist begrenzt; übliche Therapien sind die für eine LN III/IV etablierten Schemata (Tab. 2) oder aber eine Kombination aus Steroiden mit Calcineurin-Inhibitoren oder allenfalls Azathioprin. Bei einer LN Klasse VI schließlich geht es vor allem darum, eine unnötige Immunsuppression zu verhindern bzw. zu minimieren, ein Voranschreiten der chronischen Niereninsuffizienz durch konservative Maßnahmen (ACEI/ARB u. a.) zu verlangsamen, die Folgeerscheinungen einer Niereninsuffizienz zu behandeln und rechtzeitig ein Nierenersatzverfahren zu thematisieren und zu planen. Supportive Maßnahmen wie eine antiproteinurische Therapie mit ACEI/ARB und eine Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren wie auch eine Basistherapie mit dem Antimalarikum Hydroxychloroquin (Plaquenil) sind bei allen Klassen der LN zu empfehlen. und Schwangerschaft Da der SLE viele junge Frauen in der Phase der Familienplanung betrifft, stellt sich oft die Frage ob, wann und wie eine Schwangerschaft bei Vorliegen einer LN möglich ist. Das Vorliegen einer LN hat mannigfaltige Auswirkungen sowohl auf das fötale wie auch das maternale Risiko, weshalb eine Schwangerschaft bei Patientinnen mit LN, bzw. mit SLE im Allgemeinen, gut geplant sein will [19]. Zunächst erhöht eine Schwangerschaft wahrscheinlich das Risiko eines Lupus-Schubes. Dies ist einerseits wohl durch hormonelle Faktoren bedingt, andererseits aber oft auch Folge einer Reduktion der immunsuppressiven Therapie aufgrund von Bedenken der Fötotoxizität. Zweitens führt eine LN zu einer erhöhten Inzidenz maternaler Komplikationen, allem voran einer Präeklampsie. Deren Risiko hängt insbesondere vom Grad der Nierenfunktionseinschränkung und der Proteinurie ab. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz kann eine Schwangerschaft überdies die langfristige Nierenfunktionsverschlechterung beschleunigen. Drittens führt eine LN zu einem erhöhten fötalen Risiko, insbesondere zu einer erhöhten Inzidenz an Aborten, Frühgeburtlichkeit und intrauterinter Wachstumsverzögerung (IUGR). Daneben besteht insbesondere bei hochtitrigem Nachweis von anti-ro/ssa-autoantikörpern das Risiko eines neonatalen Lupus. Und viertens schließlich sind viele Immunsuppressiva und auch Blutdruckmedikamente teratogen, weshalb Patientinnen unter solcher Medikation bezüglich einer sicheren Kontrazeption beraten werden müssen und sich die Therapie einer aktiven LN in der Schwangerschaft schwierig gestaltet.
6 176 Übersichtsarbeit Aufgrund der oben genannten Aspekte verbietet sich eine Schwangerschaft während eines renalen Lupusschubes bzw. während der Induktionstherapie einer LN [10]. Die Bedenken, dass orale Kontrazeptiva den Verlauf eines SLE ungünstig beeinflussen, konnten nicht erhärtet werden, es gilt aber zu beachten, dass östrogenhaltige Präparate das Thromboserisiko erhöhen, welches bei SLE-Patientinnen (insbesondere bei positiven Antiphospholipid-Antikörpern) ohnehin erhöht ist. Nach erfolgreicher Induktionstherapie und erreichter CR ist während der Remissionserhaltungstherapie bei erhaltener oder nur mäßig reduzierter Nierenfunktion und geringer oder normalisierter Proteinurie eine Schwangerschaft mit einem vertretbaren Risiko grundsätzlich möglich. Vor der Schwangerschaft muss dann eine Umstellung von MMF auf Azathioprin erfolgen, da das erstere teratogen ist, und ACEI und ARB müssen abgesetzt werden. Die remissionserhaltende Therapie mit Azathioprin sollte in jedem Fall während der Schwangerschaft weitergeführt werden, da das Risiko eines Rezidives schwerer wiegt als das sehr geringe fötotoxische Risiko durch Azathioprin. Ebenso sollte eine Therapie mit Plaquenil weitergeführt werden. Zur Reduktion des Abortrisikos empfiehlt sich die Gabe von ASS 100 mg täglich. Besteht eine relevante Nierenfunktionseinschränkung (Niereninsuffizienz KDIGO-Stadium G3b oder höher entsprechend einer GFR < 45 ml/ min/1.73 m 2 ) und/oder eine relevante residuelle Proteinurie (> 1 g pro Tag), so muss das deutlich erhöhte maternale und fötale Risiko eingehend mit der Patientin diskutiert werden. In jedem Fall ist während einer Schwangerschaft eine engmaschige interdisziplinäre Betreuung durch Gynäkologen und Nephrologen mit entsprechender Erfahrung wichtig. Fazit Das Spektrum der Nierenbeteiligung beim SLE ist breit und reicht von asymptomatischen Veränderungen bis zu rasch progredienten schweren Verläufen. Da ein SLE vorwiegend jüngere Frauen betrifft und praktisch immer chronisch verläuft, erfordert die Therapie einer LN die Berücksichtigung multipler Aspekte wie kumulative Organschädigung, Langzeittoxizität der Therapie, Familienplanung, etc. Durch differenzierte Therapien lässt sich das Risiko einer progredienten Niereninsuffizienz heute deutlich reduzieren bei meist vertretbarer Langzeittoxizität der eingesetzten Immunsuppressiva. Hierfür ist ein frühes Erkennen einer behandlungsbedürftigen Nierenbeteiligung prognostisch entscheidend. Es bleibt zu hoffen dass die wachsenden pathophysiologischen Erkenntnisse über die LN zur Entwicklung spezifischer Therapeutika führen werden, welche eine noch effektivere Behandlung der LN ohne schwere Nebenwirkungen erlauben. Lupus nephritis Lupus nephritis represents the most common visceral organ manifestation of systemic lupus erythematosus and has a major impact on lupus related morbidity and quality of life. Histologically, renal lupus involvement exhibits a broad range of patterns, which cause diverse clinical manifestations, ranging from mild asymptomatic urinary test abnormalities to severe nephrotic syndrome or rapidly progressive renal failure. Therapeutic options have considerably improved over the last decades, but despite intensive research efforts continue to be based on relatively unspecific immunosuppression. Given their considerable side effects, immunosuppressive treatments must be well tailored to the severity of lupus nephritis. For such a rational treatment planning, the exact histological diagnosis based on kidney biopsy plays a central role. This review article summarizes the basis of pathogenesis, histological manifestations, clinical pictures, diagnosis and treatment approaches of lupus nephritis. Literatur 1. Appel G, Jayne D. Lupus Nephritis. In: Floege J, Johnson RJ, Feehally R, eds. Comprehensive Clinical Nephrology. St. Louis: Elsevier, 2010: Danchenko N, Satia JA, Anthony MS. Epidemiology of systemic lupus erythematosus: a comparison of worldwide disease burden. Lupus 2006; 15: Lech M, Anders HJ. The Pathogenesis of Lupus Nephritis. J Am Soc Nephrol 2013; 24: Weening JJ, D'Agati VD, Schwartz MM, et al. The classification of glomerulonephritis in systemic lupus erythematodes revisited. Kidney Int 2004; 65: LH, Yu F, Tan Y, Qu Z, et al. Inclusion of renal vascular lesions in the 2003 ISN/RPS system for classifying lupus nephritis improves renal outcome predictions. Kidney Int 2013; 83: Esdaile JM, Abrahamowicz M, Joseph L, et al. 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