Deeskalation und Erhaltungstherapie Erreichtes und Erwartetes
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- Mathias Bayer
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1 Deeskalation und Erhaltungstherapie Erreichtes und Erwartetes Prof. Dr. med. Susanna Hegewisch-Becker Onkologische Schwerpunktpraxis, Hamburg Die Entwicklung von Chemotherapie-Regimen, in denen 5-FU/Leucovorin mit neueren zytotoxischen Substanzen (Irinotecan und Oxaliplatin) und zielgerichtenden Therapien (Bevacizumab, Cetuximab, Panitumumab) kombiniert wird, hat das mediane Überleben der Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen auf etwa 2 Jahre verlängert. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit für eine Anpassung der Behandlungsstrategien, die nunmehr auf einer Verlängerung der Lebenszeit bei guter Lebensqualität fokussieren (Continuum-of-care Paradigma (1)). Eine Therapielinie wird nicht mehr zwangsläufig bis zur Progression fortgeführt, bevor auf ein alternatives Behandlungsregime gewechselt wird. Um Toxizität zu minimieren werden derzeit zunehmend Konzepte zur Erhaltungstherapie und zur Behandlungsunterbrechung mit der Möglichkeit der Reinduktion einer zuvor erfolgreichen Substanz untersucht. Während Irinotecan-haltige Therapien zum Teil länger durchgeführt werden können, ist bei Oxaliplatin-haltigen Therapien die Neurotoxizität in der Regel Dosis-limitierend. Daher haben nur zwei kleinere Studien Stop-and-go-Strategien mit einem Irinotecan-basierten Protokoll untersucht. In der GISCAD-Studie wurde die Behandlung mit FOLFIRI nach 6 Zyklen gestoppt und zum Zeitpunkt der Progression wieder aufgenommen. In einer griechischen Studie wurde nach vorab festgelegtem Regime im Wechsel 2 Monate behandelt und 2 Monate komplett pausiert. Beide Studien zeigen bezüglich PFS und OS keinen signifikanten Unterschied. Die überwiegende Zahl der Studien zur Erhaltungstherapie beschäftigt sich mit Oxaliplatin-haltigen Regimen. Zur Reduktion der Oxaliplatin-assoziierten Toxizität werden verschiedene Ansätze untersucht. Neben einer kompletten Behandlungspause ist auch der Verzicht auf einzelne oder mehrere Substanzen und die Reinduktion zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Letzteres Konzept hat seit Einführung der Biologicals an Attraktivität gewonnen und eröffnet die Möglichkeit, in der Erhaltungsphase auf die Zytostatika komplett zu verzichten. 1
2 Abgeschlossene Studien Erstmals wurde die Möglichkeit einer Stop-and-go Therapie in den OPTIMOX1 und OPTIMOX2 Studien untersucht, in denen die intermittierende Gabe von Oxaliplatin sowie die Möglichkeit einer kompletten Behandlungspause untersucht worden ist. In der OPTIMOX 1 Studie (N = 620) wurde in Arm A FOLFOX 4 alle 2 Wochen bis zur Progression gegeben oder in Arm B FOLFOX 7 für 6 Zyklen gefolgt von einer Oxaliplatin-freien Erhaltungstherapie für 12 Zyklen mit anschließender Reinduktion von Oxaliplatin. Sowohl PFS (9,0 versus 8,7 Monate) als auch medianes OS (19,3 Monate versus 21,2 Monate) waren in beiden Armen vergleichbar. In Arm B konnte bei 69,4 % aller Patienten, die eine Reinduktion erhalten hatten (40,1 %), noch einmal ein Ansprechen bzw. eine Krankheitsstabilisierung erreicht werden (24). Eine Subgruppenanalyse für alte Patienten (76 bis 80 Jahre) hat gezeigt, dass diese Gruppe mit einem PFS von 9 Monaten und einem medianen Gesamtüberleben von 20,7 Monaten ein vergleichbar gutes Ergebnis zeigten wie die Patienten <75 Jahre. In der GERCOR-OPTIMOX2 Studie (N = 202) wurde Arm B der OPTIMOX1 Studie (intermittierend Oxaliplatin) verglichen gegen einen Behandlungsarm, der die vollständige Therapieunterbrechung und eine Reinduktion von FOLFOX 7 bei Tumorprogression vorgesehen hat. Der primäre Endpunkt dieser Studie war die mediane Dauer der Krankheitskontrolle, entsprechend der Summe des PFS von Beginn der Behandlung bis zum Ende der Reinduktion. Bezüglich dieses Endpunktes zeigte sich die intermittierende Oxaliplatin-Gabe der Therapieunterbrechung überlegen (13,1 versus 9,2 Monate). Das mediane OS betrug 23,8 Monate für OPTIMOX1, jedoch nur 19,5 Monate für OPTIMOX2 (3). Dies hat zu einer kritischen Betrachtung der Möglichkeit einer kompletten Therapiepause geführt. Allerdings muss bei der Bewertung der GERCO-OPTIMOX2 Studie die kleine Patientenzahl berücksichtigt werden. Zudem wurde, wie allerdings auch in den meisten anderen Studien, bereits zu Beginn der Induktionstherapie randomisiert, so dass Patienten in den intermittierenden Behandlungsarm eingeschlossen wurden, die für diese Behandlungsstrategie z.b. aufgrund einer frühen Progression oder auch einer Metastasenresektion nicht geeignet waren. Die MRC COIN-Studie (N=1630) hat die kontinuierliche Gabe von 5-FU oder Capecitabine in Kombination mit Oxaliplatin gegen eine Stop-and-go-Strategie untersucht. Im experimentellen Arm wurde die Chemotherapie initial nur 12 Wochen verabreicht gefolgt von einer Behandlungspause bis zur klinischen oder radiologischen Progression. Die Reinduktion war dann für weitere 12 Wochen 2
3 geplant, gefolgt von einer erneuten Behandlungspause. Das mediane Überleben war mit 15,3 Monaten versus 14,3 Monaten vergleichbar (4). Die CONcePT-Studie hatte zum Ziel zu untersuchen, ob bei durchgängiger Gabe von 5-FU/Bevacizumab eine intermittierende Oxaliplatin-Gabe (16 Wochen on, 16 Wochen off) nach vorgegebenem Schema erlauben würde, die Patienten länger mit Oxaliplatin behandeln zu können als mit einem konventionellen bis zur Progression durchgehenden Behandlungsansatz. In dieser Studie wurde FOLFOX 7 mit Bevacizumab appliziert. Die Studie sollte zudem die Effektivität von Calcium/Magnesium-Infusionen zur Reduktion der Oxaliplatin-induzierten Neurotoxizität evaluieren und musste vorzeitig abgebrochen werden, da fälschlicherweise der Verdacht auf Beeinträchtigung der Effektivität in Folge der Calcium/Magnesium-Gabe bestand (5). In der CAIRO-II-Studie, in der randomisiert XELOX/Bevacizumab verglichen wurde versus XELOX/Bevacizumab plus Cetuximab, wurde Oxaliplatin in beiden Armen nach 6 Zyklen dauerhaft abgesetzt. Das mediane Überleben war für den Arm XELOX/Bevacizumab mit 10,7 Monaten trotzdem ausgezeichnet (N = 755). Die zusätzliche Gabe von Cetuximab hat das progressionsfreie Überleben signifikant auf 9,4 Monate reduziert (6). Unter Einsatz der zielgerichteten Substanzen ist es selbstverständlich nun auch möglich an Stelle einer kompletten Behandlungspause die Therapie lediglich mit den Biologicals fortzuführen. Diese Strategie wurde in der skandinavischen NORDIC VII Studie mit Cetuximab und in der spanischen MACRO-Studie mit Bevacizumab untersucht. Auch hier ist in beiden Studien bereits initial randomisiert worden, was wiederum die Gefahr der Verwässerung der Trennschärfe zwischen den beiden Behandlungsarmen beinhaltet. In der NORDIC VII Studie (N=571) wurde im Stop-and-go-Arm (C) Cetuximab kontinuierlich bis zur Progression gegeben, während die FOLFOX-basierte Chemotherapie nach 16 Wochen gestoppt und erst im Falle der Progression wieder aufgenommen wurde. In Arm A wurde die Chemotherapie, in Arm B die Chemotherapie plus Cetuximab durchgängig bis zur Progression verabreicht. Sowohl medianes PFS (A 7,9, B 8,3, C 7,3 Monate) als auch medianes OS waren unter Berücksichtigung des K-ras-Wildtyps (A 22,0, B 20,1, C 21,4 Monate) vergleichbar (7). In der MACRO-Studie (N=480) erfolgte eine Randomisierung zwischen der als Standardtherapie deklarierten durchgängigen Gabe von XELOX/Bevacizumab bis 3
4 zur Progression oder einer Deeskalation auf Bevacizumab als Monotherapie nach 6 Zyklen Induktionstherapie. Unter der fortgesetzten XELOX/Bevacizumab- Kombinationstherapie lag das PFS bei 10,4 Monaten versus 9,7 Monaten unter der Bevacizumab-Mono-Erhaltungstherapie (HR = 1,1; 95 %-CI 0,89-1,37). Mit diesem Konfidenzintervall verfehlte die Studie knapp ihr Ziel, die nicht Unterlegenheit der Bevacizumab-Mono-Therapie zu zeigen. Das OS lag bei 23,4 Monaten im Standardarm versus 21,7 Monaten im experimentellen Arm (8). Beim diesjährigen ASCO wurden Daten der skandinavischen ACT-Studie vorgestellt (N=249), in der eine 18-wöchige Induktionschemotherapie nach Wahl des Investigators (XELOX, XELIRI, FOLFOX, FOLFIRI) in Kombination mit Bevacizumab gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Bevacizumab plus/minus Erlotinib untersucht worden ist. 73% der Patienten erhielten eine Oxaliplatin-basierte Induktionstherapie. 162 Patienten wurden nach Abschluss der Induktionstherapie randomisiert. Für Bevacizumab/Erlotinib war das PFS mit 5.9 Mon tendentiell besser als für Bevacizumab mono mit 4.2 Monaten (p=0.24), Nebenwirkungen > Grad 3 waren für die Kombination erwartungsgemäß höher (9). In einer Placebo-kontrollierten Phase-II-Studie hat sich die Kombination des Thyrosinkinase-Inhibitors Enzastaurin mit 5-FU/FA/Bevacizumab als Erhaltungstherapie im Anschluss an 6 Zyklen Induktionstherapie bei einer signifikanten Zunahme der thrombembolischen Komplikationen als sehr nebenwirkungsreich erwiesen und war bezüglich der Effektivität potentiell unterlegen (PFS 5.8 vs. 8.1 Monate, p=0.913) (10). Fazit zur bisherigen Datenlage Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass aufgrund des unterschiedlichen Studiendesigns der oben genannten Studien zahlreiche wichtige Fragen unbeantwortet bleiben. Eine signifikante Reduktion der Oxaliplatin-assoziierten Neurotoxizität konnte in allen Studien gezeigt werden. Zudem ergibt sich bisher kein eindeutiger Hinweis für eine Unterlegenheit der Deeskalations- oder Stop-and-Go- Strategien. Definitive Aussagen sind allerdings aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit der Studiendesigns bezüglich Therapiedauer und Länge der Phasen der Deeskalation bzw. Behandlungspausen noch nicht möglich. Die in den meisten Studien durchgeführte Randomisierung bereits vor Beginn der Induktionstherapie erschwert die Bewertung zusätzlich. Weiterhin ist nicht geklärt, ob eine Reinduktion erst zum Zeitpunkt der Progression erfolgen sollte oder es sinnvoller wäre, 4
5 intensivierte Therapiephasen mit weniger intensiven in vorab definierten zeitlichen Intervallen abzuwechseln, sowie es in der Konzept CONcePT-Studie vorgesehen war. Laufende Studien Weitere Erkenntnisse zur Frage der Deeskalationsstrategie werden in den nächsten Jahren erwartet. Die KRK 0207-Studie der Arbeitsgemeinschaft internistische Onkologie (AIO) untersucht derzeit ein Konzept, in dem die Patienten nach 24- wöchiger Induktionstherapie mit XELOX/Bevacizumab oder FOLFOX-Bevacizumab einer Erhaltungstherapie/Therapiepause zugeführt werden, soweit sie weder progredient sind noch eine Metastasenresektion vorgenommen werden kann oder sie aus anderen Gründen nicht für eine Teilnahme qualifizieren. Die Randomisierung erfolgt erst am Ende der Induktionstherapie. Die dreiarmige Studie vergleicht die Weitergabe von 5-FU oder Capecitabine plus Bevacizumab (Arm A) mit einer Bevacizumab-Mono-Therapie (Arm B) oder einer kompletten Therapiepause (Arm C). Zum Zeitpunkt der Progression erfolgt in allen Armen eine Reinduktion mit Chemotherapie plus Bevacizumab. Die CAIRO-III-Studie untersucht eine Induktionstherapie mit 6 Zyklen CAPOX plus Bevacizumab gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Low dose Capecitabine plus Bevacizumab versus Therapiepause. In der DREAM/OPTIMOX3 Studie wird nach einer Induktionstherapie mit FOLFOX oder XELOX plus Bevacizumab eine Erhaltungstherapie mit Bevacizumab/Erlotinib vs. Bevacizumab mono untersucht. Literatur: 1. Goldberg RM et al.: Oncologist 2007; 12: Tournigand C et al.: JCO 2006; 24: Chibaudel B et al.: JCO 2009; 27: Maughan TS et al.: ASCO GI 2010, abstr Grothey A et al.: JCO 2008; 26 (suppl) 6. Tol J et al.: N Engl J Med 2009;360: Tveit K et al.: ASCO GI 2011, abstr Tabernero J et al.: ASCO 2010, abstr Johnsson A et al.: ASCO 2011, abstr Wolff RA et al.: ASCO 2011, abstr
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