Europäisches und Interna2onales Steuerrecht 2. Stunde Universität Trier Sommersemester 2015
24 Bsp. 1: S ist Franzose und wohnt in Paris. Er betreibt dort eine Maschinenfabrik und unterhält in München eine Zweigniederlassung. Ferner erzielt er Einnahmen aus der Vermietung eines bebauten Grundstücks in Hamburg. S ist mit Einnahmen aus Zweigniederlassung (= BetriebsstäLe isd 12 Nr. 2 AO) gemäß 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr 2 lit. a Alt. 1 EStG und mit den Mieteinnahmen gemäß 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 6 Var. 1 EStG in Deutschland beschränkt steuerpflich2g. Bsp. 2: B ist ein brasilianisches Topmodel und nimmt 2014 an einem eintägigen Fotoshoo2ng in Trier teil. Die dabei entstandenen Fotos erhält ein deutsches Lifestyle- Magazin vertragsgemäß zur Veröffentlichung. B erhält eine einheitliche Vergütung ihv 50.000 für das Foto- Shoo2ng selbst und für die Überlassung ihrer Persönlichkeitsrechte für eine Veröffentlichung in der Presse. Vergütung für die Teilnahme an Shoo2ng 49 Abs. 1 Nr 2 lit. d EStG? Darbietung? wohl [- ] entgeltliche Überlassung der Persönlichkeitsrechte (Veröffentlichung) inländische Einkünie aus GewB ( 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr 2 lit. f. bb) EStG, wenn Recht veräußert, dessen Verwertung in inländischer BetriebsstäLe erfolgt. hier [+] (ggf. Auieilung)
25 Fall 3: A, ansässig in Luxemburg, hält im Betriebsvermögen seines dor2gen Gewerbe- betriebs Anteile an der X- AG mit Sitz in Trier. Im Jahr 2014 erhält A eine Dividendenzahlung i.h.v. 10.000. Ist A mit seinen Einkünien in Deutschland beschränkt steuerpflich2g? Einkün/e isd. 49 I EStG? 49 I Nr. 2 lit. a EStG? - Einkünie aus Gewerbebetrieb [+] - Inländische BetriebsstäLe [- ] 49 I Nr. 5 lit. a EStG? - Einkünie aus Kapitalvermögen nach 20 I Nr. 1 EStG? - Grundsätzlich [+], aber Subsidiarität nach 20 VIII EStG, daher [- ] Aber: isolierende Betrachtungsweise ( 49 II EStG)? - Im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale bleiben außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden können. - Merkmal Gewerbebetrieb ist im Ausland verwirklicht. Folge: A erzielt inländische Einkünie isd. 49 I Nr. 5 lit. a EStG.
26 Wesentlicher Nachteil der beschränkten Steuerpflicht Keine BerücksichJgung der persönlichen Verhältnisse (z.b. Familienstand, Kinder, Sonderausgaben) RechOerJgung: idr sind im ausländischen Wohnsitzstaat die persönlichen Verhältnisse beim Steuerpflich2gen zu berücksich2gen Nachteile bei der ErmiQlung der inländischen Einkün/e (Einschränkung des objekjven NeQoprinzips) Abzug von Betriebsausgaben ( 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten ( 9 EStG) nur bei einem wirtschailiche Zusammenhang mit inländischen Einkünien ( 50 Abs. 1 Satz 1 EStG) Kein Freibetrag bei Betriebsveräußerungen nach 16 Abs. 4 EStG ( 50 Abs. 1 Satz 3 EStG)
27 Nachteile bei der ErmiQlung des zu versteuernden Einkommens (teilweise Einschränkung des subjekjven NeQoprinzips): Alle in 50 Abs. 1 Satz 3 EStG: Kein Abzug von Sonderausgaben ( 10 EStG) Rückausnahme für Arbeitnehmer für die Beiträge zu Renten- und Krankenversicherung ( 50 Abs. 1 Satz 4 EStG) Kein Abzug von Riester- Renten ( 10a EStG) Kein Abzug von Spenden ( 10b EStG) Keine Sonderausgaben- Pauschale ( 10c EStG) Rückausnahme für Arbeitnehmer mit zeitantelig gekürzter Pauschale ( 50 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 EStG) Kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende ( 24b EStG) Keine Kinderfreibeträge ( 32 EStG) Keine außergewöhnliche Belastungen ( 33, 33a, 33b EStG) Keine Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäiigungen ( 35a EStG)
28 Besonderheiten beim Tarif 50 Abs. 1 Satz 2 EStG: Anwendung des Grundtarifs ( 32a Abs. 1 EStG) ohne Grundfreibetrag - Erhöhung des Einkommens um den Grundfreibetrag ( 50 Abs. 1 Satz 2 EStG) - Rückausnahme ( 50 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 EStG): Keine Erhöhung um den Grundfreibetrag bei Einkünien von Arbeitnehmern nach 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG Der früher geltende Mindeststeuersatz des 50 Abs. 3 EStG af war europarechtswidrig und wurde daher zum VZ 2009 abgeschav. vgl dazu EuGH, C- 234/01, Slg. 2003, I- 5933 (Gerritse)
29 Fall 4: Der Belgier S ist bei einem deutschen Unternehmen in Aachen angestellt. Er wohnt zusammen mit Frau und Kindern in Belgien und fährt täglich über die Grenze zur Arbeit. Andere Einkünie als aus der Tä2gkeit des S in Deutschland haben die Eheleute nicht. In seiner Einkommensteuererklärung beantragt S die Anwendung des Spliyng- Tarifs ( 26, 32a V EStG). Anwendung des Spliyng- Tarifs bei beschränkt Steuerpflich2gen? S hat weder den Wohnsitz ( 8 AO) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt ( 9 AO) in Deutschland. S ist daher grundsätzlich nach 1 Abs. 4 EStG mit seinen inländischen Einkünie nur beschränkt steuerpflich2g (hier nach 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. a EStG aus einer im Inland ausgeübten nichtselbständigen Tä2gkeit). Bei beschränkt Steuerpflich2gen ist aber nicht der Spliyng- Tarif ( 32a V EStG), sondern der Grundtarif anzuwenden ( 50 Abs. 1 Satz 2 EStG i.v.m. 32a I EStG). Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht?
30 Fall 4: EuGH, C- 279/93, Slg. 1995, I- 225 Schumacker Verstoß gegen die Arbeitnehmer- Freizügigkeit (Art. 45 AEUV)? Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf direkte Steuern? I. BeeinträchJgung des Schutzbereichs? Offene oder versteckte Diskriminierung EU- ausländischer Arbeitnehmer? - Offene Diskriminierung [- ] (ESt knüpi nicht an die Staatsangehörigkeit an) Aber: versteckte (indirekte) Diskriminierung: - Zwar werden Ausländer nicht ausdrücklich diskriminiert, aber diese sind typischerweise betroffen II. RechOerJgung? Geschriebene Rech er2gungsgründe (Art. 45 III AEUV): - öffentliche Ordnung, Sicherheit, Gesundheit aber ungeschriebene Rech er2gungsgründe vor allem im Steuerrecht? - Wirksamkeit der Steueraufsicht - Verhinderung von Steuerumgehung, - flucht oder - missbrauch - Angemessene Auieilung der Besteuerungsbefugnisse und Kohärenz
31 Fall 4: EuGH, C- 279/93, Slg. 1995, I- 225 Schumacker Lösung des EuGH: Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht zwar grundsätzlich gerech er2gt. aber: Wenn sich aber S gegenüber anderen inländischen Arbeitnehmern hinsichtlich der von ihm erzielten Einkünie in einer vergleichbaren Lage befindet, verbietet Art. 45 AEUV eine Höherbesteuerung, die nur an die Tatsache der Nichtansässigkeit anknüpi und damit regelmäßig ausländische Staatsangehörige triv. Zwischen A und einem inländischen Arbeitnehmer bestehen keine nennenswerten Unterschiede, die es rech er2gen könnten, A steuerlich schlechterzustellen. ReakJon des deutschen Gesetzgebers: Der deutsche Gesetzgeber musste nach dieser Entscheidung das EStG ändern. Nichtansässige nun die Möglichkeit, auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflich2g behandelt zu werden ( 1 Abs. 3, 1a EStG).
32 Fall 5: G ist ein niederländischer Schlagzeuger. Für einen Radio- AuiriL in Berlin bekommt er 5000 und hat nachweislich Betriebsausgaben ihv 1000. Im gleichen Jahr erzielt G in den Niederlanden Einkünie ihv 55.000. Nach dem DBA Niederlande wird das Besteuerungsrecht für die inländischen Einkünie Deutschland zugewiesen. Deutschland erhebt pauschal einheitlich 25 % der BruLoeinnahmen (1250 ) als Einkommensteuer, ohne dass die Betriebs- ausgaben berücksich2gt werden ( 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. und Satz 2 EStG a.f.). Wie sind das BA- Abzugsverbot und der Tarif (25 %) unionsrechtlich zu beurteilen? EuGH, C- 234/01, Slg. 2003 I- 5933 Gerritse ) Verstoß gegen Grundfreiheiten? Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, Art. 57 Abs. 2 lit. d AEUV) Kein Betriebsausgabenabzug: Diskriminierung von typischerweise EU- ausländischen Künstlern Nach EuGH: kein Rech er2gungsgrund ersichtlich Einheitlich 25 % Tarif (Steuerabzug): Berücksich2gung des Grundfreibetrags (nur bei unbeschränkt Steuerpflich2gen) [+] Höherer Steuersatz als beim progressiven Tarif? nicht zu rech er2gende Diskriminierung (= geändert in gegenwär2ger Rechtslage)
33 Erhebung der Einkommensteuer für beschränkt SteuerpflichJge Ausnahme: Anordnung eines Steuerabzugs durch das Finanzamt ( 50a VII EStG) Voraussetzung: Zweckmäßigkeit zur Sicherung des Steuer- anspruchs Steuersatz: 25 % Grundsatz: Veranlagung zur Einkommensteuer Ausnahme in 50 Abs. 2 Satz 1 EStG: Abgeltung der Steuerschuld mit dem Steuerabzug, wenn die Einkünie dem Steuerabzug unterliegen, Lohnsteuer (nach 38 ff., insb. 38b I 1 Nr. 1 b, 39a IV, 39b I) Kapitalertragsteuer (nach 43 ff. EStG) Fälle des 50a EStG - Vergütungen für künstlerische, sportliche, arjsjsche, unterhaltene oder ähnliche Darbietungen und für ihre Verwertungen (Abs. 1 Nr. 1 und 2) Freigrenze: bis 250 je Darbietung (Abs. 2 Satz 3) Steuersatz: 15 % (Abs. 2 Satz 1) - Vergütungen für die Nutzung von Rechten (Abs. 1 Nr. 3) Steuersatz: 15 % (Abs. 2 Satz 1) - Aufsichtsratsvergütungen (Abs. 1 Nr. 4) Steuersatz: 30 % (Abs. 2 Satz 1)
34 Rückausnahmen in 50 Abs. 2 Satz 2 EStG (keine Abgeltung durch den Steuerabzug): Einkünie im inländischen Betrieb (Nr. 1) Nachträgliche Verneinung einer unbeschränkten Steuerpflicht (Nr. 2) auch unbeschränkte Steuerpflicht im Kalenderjahr (Nr. 3) Arbeitnehmer: Eintragung auf einer Bescheinigung des Finanzamtes, nach der bes2mmte Werbungskosten oder Sonderausgaben zu berücksich2gen sind (Nr. 4 lit. a) Unionsrechtliche Besonderheiten Wahlrecht für EU- Ausländer oder EU- Körperscha/en bei 50a EStG Abzug von Aufwendungen ( 50 II 1 EStG): Abzug von BA oder WK bei Nachweis gegenüber dem Schuldner ( 50a III 1 EStG) Steuersatz natürlicher Personen: 30 % ( 50a III 4 Nr. 1 EStG) Steuersatz bei Körperschaien: 15 % ( 50a III 4 Nr. 2 EStG) Ausnahmen von der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ( 50 II 1 EStG) Antrag auf Steuerveranlagung bei EU- Ausländern (vgl. 50 II 7 EStG) Arbeitnehmer ( 50 II Nr. 4 lit. b EStG) Vergütungen für künstlerische, sportliche, ar2s2sche, unterhaltene oder ähnliche Darbietungen und für ihre Verwertungen ( 50 II Nr. 5 EStG) Aufsichtsratvergüt. ( 50 II Nr. 5 EStG)