Prof. Dr. H. Brenner Osnbrück WS 20/202 Mthemtik für Anwender I Vorlesung 24 Der Mittelwertstz der Integrlrechnung Zu einer Riemnn-integrierbren Funktion f :[,b] R knn mn f(t)dt b ls die Durchschnittshöhe der Funktion nsehen, d dieser Wert mit der Länge b des Grundintervlls multipliziert den Flächeninhlt ergibt. Der Mittelwertstz der Integrlrechnung besgt, dss für eine stetige Funktion dieser Durchschnittswert (oder Mittelwert) von der Funktion uch ngenommen wird. Stz 24.. Sei [,b] ein kompktes Intervll und sei f :[,b] R eine stetige Funktion. Dnn gibt es ein c [,b] mit f(t)dt = f(c)(b ). Beweis. Über dem kompkten Intervll ist die Funktion f nch oben und nch unten beschränkt, es seien m und M ds Minimum bzw. ds Mimum der Funktion. Dnn ist insbesondere m f() M für lle [,b] und m(b ) f(t)dt M(b ).
2 Dher ist f(t)dt = d(b ) mit einem d [m,m] und ufgrund des Zwischenwertstzes gibt es ein c [,b] mit f(c) = d. Der Huptstz der Infinitesimlrechnung Es ist geschickt uch Integrlgrenzen zuzulssen, bei denen die untere Integrlgrenze die obere Intervllgrenze und die obere Integrlgrenze die untere Intervllgrenze ist. Dzu definieren wir für < b und eine integrierbre Funktion f :[,b] R b f(t)dt := f(t)dt. Definition 24.2. Sei I ein reelles Intervll und sei eine Riemnn-integrierbre Funktion und I. Dnn heißt die Funktion I R, die Integrlfunktion zu f zum Strtpunkt. f(t)dt, Mn spricht uch von der Flächenfunktion oder einem unbestimmten Integrl. Ds im Stz ist ds 0 in der Animtion, und +h im Stz ist ds wndernde in der Animtion. Der wndernde Punkt z in der Animtion ist ein Punkt, wie er im Mittelwertstz der Integrlrechnung uftritt. Stz 24.3. Sei I ein reelles Intervll und sei eine stetige Funktion. Es sei I und es sei F() := f(t)dt
3 die zugehörige Integrlfunktion. Dnn ist F differenzierbr und es gilt für lle I. F () = f() Beweis. Es sei fiiert. Der Differenzenquotient ist F(+h) F() = ( +h ) f(t)dt f(t)dt = h h h +h f(t)dt. Wir müssen zeigen, dss für h 0 der Limes eistiert und gleich f() ist. Dies ist äquivlent dzu, dss der Limes von ( +h ) f(t)dt hf() h für h 0 gleich 0 ist. Mit der durch f() gegebenen konstnten Funktion können wir hf() = +h f()dt schreiben und dmit den Ausdruck h +h (f(t) f())dt betrchten. Indem wir die Funktion g(t) := f(t) f() betrchten, können wir nnehmen, dss f() = 0 ist. Wegen der Stetigkeit von f gibt es zu jedem ǫ > 0 ein δ > 0 derrt, dss für lle t [ δ,+δ] die Abschätzung f(t) ǫ gilt. Dmit gilt für h [ δ,+δ] nch Lemm 23.5 die Abschätzung und dher +h f(t)dt h +h +h f(t) dt f(t)dt ǫ. +h ǫdt = h ǫ Stmmfunktionen Definition 24.4. Sei I R ein Intervll und sei eine Funktion. Eine Funktion F :I R heißt Stmmfunktion zu f, wenn F uf I differenzierbr ist und F () = f() gilt für lle I. Den Huptstz der Infinitesimlrechnung knn mn zusmmen mit Stz 23.4 ls einen Eistenzstz für Stmmfunktionen interpretieren.
4 Korollr 24.5. Sei I ein reelles Intervll und sei eine stetige Funktion. Dnn besitzt f eine Stmmfunktion. Beweis. Es sei I ein beliebiger Punkt. Aufgrund von Stz 23.4 eistiert ds Riemnn-Integrl F() = f(t)dt, und ufgrund des Huptstzes ist F () = f(), d.h. F ist eine Stmmfunktion von f. Lemm 24.6. Sei I ein reelles Intervll und sei eine Funktion. Es seien F und G zwei Stmmfunktionen von f. Dnn ist F G eine konstnte Funktion. Beweis. Es ist (F G) = F G = f f = 0. Dher ist nch Korollr 20.6 die Differenz F G konstnt. Isc Newton (643-727)
5 Gottfried Wilhelm Leibniz (646-76) Die folgende Aussge ist ebenflls eine Version des Huptstzes, der drin usgedrückte Zusmmenhng heißt uch Newton-Leibniz-Formel. Korollr 24.7. Sei I ein reelles Intervll und sei eine stetige Funktion, für die F eine Stmmfunktion sei. Dnn gilt für < b us I die Gleichheit f(t)dt = F(b) F(). Beweis. Aufgrund von Stz 23.4 eistiert ds Integrl. Mit der Integrlfunktion G() := f(t)dt gilt die Beziehung f(t)dt = G(b) = G(b) G(). Aufgrund von Stz 24.3 ist G differenzierbr mit G () = f(), d.h. G ist eine Stmmfunktion von f. Wegen Lemm 24.6 ist F() = G()+c. Dher ist f(t)dt = G(b) G() = F(b) c F()+c = F(b) F(). D eine Stmmfunktion nur bis uf eine dditive Konstnte bestimmt ist, schreibt mn mnchml f(t)dt = F +c, und nennt c eine Integrtionskonstnte. In gewissen Situtionen, insbesondere im Zusmmenhng mit Differentilgleichungen, wird diese Konstnte durch zusätzliche Bedingungen festgelegt.
6 Nottion 24.8. Es sei I ein reelles Intervll und F :I R eine Stmmfunktion zu f :I R. Es seien,b I. Dnn setzt mn F b := F(b) F() = f(t)dt. Diese Nottion wird huptsächlich bei Rechnungen verwendet, vor llem beim Ermitteln von bestimmten Integrlen. Mit den früher bestimmten Ableitungen von differenzierbren Funktionen erhält mn sofort eine Liste von Stmmfunktionen zu einigen wichtigen Funktionen. In der nächsten Vorlesung werden wir weitere Regeln zum Auffinden von Stmmfunktionen kennenlernen, die uf Ableitungsregeln beruhen. Im Allgemeinen ist ds Auffinden von Stmmfunktionen schwierig. Die Stmmfunktion zu, wobei R + und R,, ist, ist + +. Beispiel 24.9. Zwischen zwei (punktförmig gedchten) Mssen M und m bestehe der Abstnd R 0. Aufgrund der Grvittion besitzt dieses System eine gewisse Lgeenergie. Wie ändert sich die Lgeenergie, wenn die beiden Mssen uf einen Abstnd von R R 0 useinnder gezogen werden? Die ufzubringende Energie ist Anziehungskrft ml Weg, wobei die Anziehungskrft llerdings selbst vom Abstnd der Mssen bhängt. Nch dem Grvittionsgesetz ist die Krft beim Abstnd r gleich F(r) = γ Mm, r 2 wobei γ die Grvittionkonstnte bezeichnet. Dher ist die Energie (oder Arbeit), die mn ufbringen muss, um den Abstnd von R 0 uf R zu erhöhen, gleich E = R γ Mm dr R 0 r 2 R R 0 = γmm r dr ( 2 = γmm ) r R R 0 ( = γmm R 0 R Dmit knn mn der Differenz der Lgeenergien zum Abstnd R 0 bzw. R einen sinnvollen Wert zuweisen, nicht ber den Lgeenergien selbst. Die Stmmfunktion der Funktion ist der ntürliche Logrithmus. Die Stmmfunktion der Eponentilfunktion ist die Eponentilfunktion selbst. Die Stmmfunktion von sin ist cos, die Stmmfunktion von cos ist sin. ).
7 Die Stmmfunktion von + 2 ist rctn, es ist j (rctn ) = = = = cos 2 (rctn ) cos 2 (rctn )+sin 2 (rctn ) cos 2 (rctn ) + tn 2 (rctn ) + 2. Die Stmmfunktion von 2 (für ],[) ist 2 + ln, es ist j ( ) + ln = 2 2 + ( )+(+) ( ) 2 = 2 2 = (+)( ) ( 2 ). In der übernächsten Vorlesung werden wir eine Verfhren ngeben, wie mn zu einer beliebigen rtionlen Funktion (lso einem Quotienten us zwei Polynomen) eine Stmmfunktion finden knn. Achtung! Integrtionsregeln sind nur nwendbr uf Funktionen, die im gesmten Intervll definiert sind. Z.B. gilt nicht dt t 2 d = = = 2, d hier über eine Definitionslücke hinweg integriert wird. Beispiel 24.0. Wir betrchten die Funktion f :R R, t f(t), mit { 0 für t = 0, f(t) := sin für t 0. t t 2 Diese Funktion ist nicht Riemnn-integrierbr, d sie weder nch oben noch nch unten beschränkt ist. Es eistieren lso weder untere noch obere Treppenfunktionen für f. Trotzdem besitzt f eine Stmmfunktion. Dzu betrchten wir die Funktion H(t) := { 0 für t = 0, t 2 2 cos t 2 für t 0.
8 Diese Funktion ist differenzierbr. Für t 0 ergibt sich die Ableitung H (t) = t cos t 2 + t sin t 2. Für t = 0 ist der Differenzenquotient gleich s 2 cos 2 s 2 = s s 2 cos s. 2 Für s 0 eistiert der Grenzwert und ist gleich 0, so dss H überll differenzierbr ist (ber nicht stetig differenzierbr). Der erste Summnd in H ist stetig und besitzt dher nch Korollr 24.5 eine Stmmfunktion G. Dher ist H G eine Stmmfunktion von f. Dies ergibt sich für t 0 us der epliziten Ableitung und für t = 0 us H (0) G (0) = 0 0 = 0. Stmmfunktionen zu Potenzreihen Wir erinnern drn, dss die Ableitung einer konvergenten Potenzreihe gliedweise gewonnen werden knn. Lemm 24.. Es sei f = n n eine uf ] r, r[ konvergente Potenzreihe. Dnn ist die Potenzreihe n n n n= n=0 ebenflls uf ] r,r[ konvergent und stellt dort eine Stmmfunktion für f dr. Beweis. Der Beweis beruht uf der Theorie der Potenzreihen. Mit dieser Aussge knn mn mnchml die Tylor-Polynome (bzw. die Tylor-Reihe) einer Funktion bestimmen, indem mn die Tylor-Polynome der Ableitung verwendet. Wir geben dzu ein typisches Beispiel. Beispiel 24.2. Wir wollen die Tylor-Reihe des ntürlichen Logrithmus im Entwicklungspunkt bestimmen. Die Ableitung des ntürlichen Logrithmus ist nch Korollr 2.3 gleich /. Diese Funktion besitzt nch Stz 4.3 die Potenzreihenentwicklung = ( ) k ( ) k k=0
im Entwicklungspunkt (die für < konvergiert). Dher besitzt nch Lemm 24. der ntürliche Logrithmus die Potenzreihe ( ) k ( ) k. k k= Mit z = ist dies die Reihe z z2 2 + z3 3 z4 4 + z5 5.... 9
Abbildungsverzeichnis Quelle = MittelwertstzDerIntegrlrechnung-f grd5.png, Autor = Der Mthekernel, Lizenz = CC-by-s 3.0 Quelle = HuptstzDerInfinitesimlrechnung-f grd5.gif, Autor = DerMthekernel, Lizenz = CC-by-s 3.0 2 Quelle = GodfreyKneller-IscNewton-689.jpg, Autor = Godfrey Kneller, Lizenz = PD 4 Quelle = Gottfried Wilhelm Leibniz c700.jpg, Autor = Johnn Friedrich Wentzel d. Ä. (= Benutzer AndresPrefcke uf Commons), Lizenz = PD 5