Deutscher Bundestag Drucksache 16/690 16. Wahlperiode 15. 02. 2006 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Gehb, Dr. Günter Krings, Günter Baumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Joachim Stünker, Dr. Peter Danckert, Klaus Uwe Benneter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Drucksache 16/545 b) zu dem Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Sibylle Laurischk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Drucksache 16/128 Gegen eine europaweit verpflichtende Vorratsdatenspeicherung c) zu dem Antrag der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/237 Freiheit des Telefonverkehrs vor Zwangsspeicherungen Speicherung mit Augenmaß Effektive Strafverfolgung und Grundrechtswahrung A. Problem MitdemZielderErleichterungderVerhütung,Ermittlung,FeststellungundVerfolgungvonschwerenStraftatenwieTerrorismusundorganisierterKriminalität hatdieeuropäischeunionnacheinemwegzurharmonisierungvonspeicherfristenfürtelekommunikationsverkehrsdatengesucht.siewillsicherstellen, dassdieverkehrsdatenindergesamteneuropäischenunioneinheitlichaufvorratgespeichertunddenstrafverfolgungsbehördenimbedarfsfallzurverfügung gestelltwerdenkönnen.hierzumüsseninsbesonderedieerfasstenkommunikationsformen,diezuspeicherndendatenartenunddiespeicherungsfristenfestgelegtwerden.am2.dezember2005einigtensichdieeu-justizministermit qualifiziertermehrheitaufeinenrichtlinientext.deram14.dezember2005
Drucksache 16/690 2 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode vomeuropäischenparlamentangenommenebeschlussentsprichtdiesemratskompromiss.denfüreineannahmederrichtlinienocherforderlichenförmlichenbeschlussdesratesbeabsichtigtdieösterreichischeeu-ratspräsidentschaft noch im Februar dieses Jahres herbeizuführen. DerAntragderFraktionenderCDU/CSUundSPDbetont,dassesderBundesregierung gestärktdurchdiebisherigerestriktivebeschlusslagedesdeutschen Bundestages inintensivenverhandlungenaufeuropäischerebenegegenteils erheblichewiderständeseitenseinervielzahlanderermitgliedstaatengelungen sei,sowohlimeuropäischenparlamentalsauchimratdienötigenmehrheiten füreineregelungmitaugenmaßzugewinnen,sodassdieinkürzezurannahmestehenderichtlinienunmehreinevorratsspeicherungvondatenunterwahrungverfassungsrechtlichervorgabenerlaubenwerde.angesichtsderbesonderenbedeutungvontelekommunikationsverkehrsdatenfüreinewirksame StrafverfolgungaufdereinenSeiteunddernotwendigen,aberauchhinreichendenSpeicherungsfristvon6MonatensowiederBeschränkungderDatenabfrage aufdieermittlungundverfolgungschwererstraftatenaufderanderenseitesei esdenmitgliedstaatennunmöglich,einediegrenzenderverhältnismäßigkeit wahrende nationale gesetzliche Regelung zu erlassen. SowohlderAntragderFraktionderFDPalsauchderAntragderFraktion BÜNDNIS90/DIEGRÜNENbetonendagegen,dassderDeutscheBundestag sichinder15.wahlperiodezweimalineinstimmigangenommenenentschließungen (Bundestagsdrucksachen15/4597und15/4748)gegeneineverpflichtendeSpeicherungvonVerkehrsdatenaufVorratausgesprochenhabe.BeideAnträgezeigengrundsätzlicheBedenkenundVorbehaltegegeneineverpflichtendegenerelleVorratsdatenspeicherunginrechtsstaatlicher,wirtschaftlicherund technischerhinsichtauf.dieobligatorischespeicherungvontelekommunikationsdatenundihrespätereauswertungdurchdiesicherheitsbehördenstelle eineneingriffindasunverletzlichegrundrechtaufvertraulichekommunikation dar.auchangesichtsdesprioritärenzielsderverhütungbzw.bekämpfungder organisiertenkriminalitätunddesterrorismusinderaktuellschwierigensicherheitslagekönneeineverdachtsunabhängigespeicherungderverbindungsdaten allertelekommunikationsnutzerrechtsstaatlichnichtbegründetwerden. B. Lösung a)annahmedesantrags Drucksache16/545 derdiebundesregierung auffordert,demnachlangenverhandlungengefundenenkompromissfür einerichtlinieüberdievorratsspeicherungvontelekommunikationsdaten zuzustimmen,mitdenstimmenderfraktionendercdu/csuundspd gegendiestimmenderfraktionenfdp,dielinke.undbündnis90/ DIE GRÜNEN b)ablehnungdesantrags Drucksache16/128 mitdenstimmender FraktionenderCDU/CSUundSPDgegendieStimmenderFraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN c)ablehnungdesantrags Drucksache16/237 mitdenstimmender FraktionenderCDU/CSUundSPDgegendieStimmenderFraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN C. Alternativen AnnahmederAnträgederFraktionenFDPund/oderBÜNDNIS90/DIEGRÜNEN. D. Kosten Wurden im Ausschuss nicht erörtert.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 3 Drucksache 16/690 Beschlussempfehlung Der Bundestag wolle beschließen, a) den Antrag Drucksache 16/545 anzunehmen, b) den Antrag Drucksache 16/128 abzulehnen, c) den Antrag Drucksache 16/237 abzulehnen. Berlin, den 15. Februar 2006 Der Rechtsausschuss Andreas Schmidt (Mülheim) Vorsitzender Dr. Günter Krings Joachim Stünker Wolfgang Neskovic Dr. Peter Danckert Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Jerzy Montag
Drucksache 16/690 4 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode Bericht der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Dr. Peter Danckert, Joachim Stünker, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag I. Überweisung DerDeutscheBundestaghatdenAntragaufDrucksache 16/545inseiner16.Sitzungam9.Februar2006inerster LesungberatenundzurfederführendenBeratungdem RechtsausschussundzurMitberatungdemInnenausschuss, demausschussfürwirtschaftundtechnologie,demausschussfürwirtschaftlichezusammenarbeitundentwicklung,demausschussfürdieangelegenheitendereuropäischenunionunddemausschussfürkulturundmedien überwiesen. DieAnträgeaufdenDrucksachen16/128und16/237hat derdeutschebundestaginseiner8.sitzungam15.dezember2005inersterlesungberatenundzurfederführendenberatungdemrechtsausschusssowiezurmitberatungdeminnenausschussunddemausschussfürdieangelegenheiten dereuropäischenunionüberwiesen.derantragaufdrucksache16/128wurdezusätzlichdemausschussfürwirtschaftlichezusammenarbeitundentwicklungunddemausschussfürkulturundmedienzurmitberatungüberwiesen. DerAntragaufDrucksache16/237wurdezusätzlichdem AusschussfürWirtschaftundTechnologiezurMitberatung überwiesen. II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse DerInnenausschusshatdieAnträgeinseiner7.Sitzungam 15.Februar2006beraten.ErempfiehltmitdenStimmender FraktionenderCDU/CSUundSPDgegendieStimmender FraktionenFDP,DIELINKE.undBÜNDNIS90/DIE GRÜNENdieAnnahmedesAntragsaufDrucksache 16/545.WeiterhinempfiehltderInnenausschussmitden Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen diestimmenderfraktionenfdp,dielinke.und BÜNDNIS90/DIEGRÜNENdieAblehnungdesAntrags aufdrucksache16/128.hinsichtlichdesantragsaufdrucksache16/237empfiehltderinnenausschussmitdenstimmen derfraktionendercdu/csuundspdgegendiestimmen derfraktionenfdpundbündnis90/diegrünenbei StimmenthaltungderFraktionDIELINKE.ebenfallsdie Ablehnung. DerAusschussfürWirtschaftundTechnologiehatdieAnträgeaufdenDrucksachen16/545und16/237inseiner 6.Sitzungam15.Februar2006beraten.Erempfiehltmitden StimmenderFraktionenderCDU/CSUundSPDgegendie StimmenderFraktionenFDP,DIELINKE.undBÜNDNIS 90/DIEGRÜNENdieAnnahmedesAntragsaufDrucksache16/545.HinsichtlichdesAntragsaufDrucksache 16/237empfiehltderAusschussfürWirtschaftundTechnologiemitdenStimmenderFraktionenderCDU/CSUund SPDgegendieStimmenderFraktionenFDP,DIELINKE. undbündnis90/diegrünendieablehnung. DerAusschussfürwirtschaftlicheZusammenarbeitund EntwicklunghatdieAnträgeaufdenDrucksachen16/545 und16/128inseiner7.sitzungam15.februar2006beraten. ErempfiehltmitdenStimmenderFraktionenderCDU/CSU undspdgegendiestimmenderfraktionenfdpunddie LINKE.beiStimmenthaltungderFraktionBÜNDNIS90/ DIEGRÜNENdenAntragaufDrucksache16/545anzunehmen.HinsichtlichdesAntragsaufDrucksache16/128empfiehltderAusschussfürwirtschaftlicheZusammenarbeitund EntwicklungmitdenStimmenderFraktionenCDU/CSU, SPDundBÜNDNIS90/DIEGRÜNENgegendieStimmen derfraktionderfdpbeiabwesenheitderfraktiondie LINKE.dieAblehnung. DerAusschussfürdieAngelegenheitenderEuropäischen UnionhatdieVorlageninseiner6.Sitzungam15.Februar 2006beraten.ErempfiehltmitdenStimmenderFraktionen dercdu/csuundspdgegendiestimmenderfraktionen FDP,DIELINKE.undBÜNDNIS90/DIEGRÜNENdie AnnahmedesAntragsaufDrucksache16/545.Weiterhin empfiehltderausschussfürdieangelegenheitendereuropäischenunionmitdenstimmenderfraktionendercdu/ CSUundSPDgegendieStimmenderFraktionenFDP,DIE LINKE.undBÜNDNIS90/DIEGRÜNENdieAblehnung desantragsaufdrucksache16/128.hinsichtlichdesantragsaufdrucksache16/237empfiehltderausschussfürdie AngelegenheitenderEuropäischenUnionmitdenStimmen derfraktionendercdu/csuundspdgegendiestimmen derfraktionenfdp,dielinke.undbündnis90/die GRÜNENebenfallsdieAblehnung. DerAusschussfürKulturundMedienhatdieAnträgeauf dendrucksachen16/545und16/128inseiner6.sitzungam 15.Februar2006beraten.ErempfiehltmitdenStimmender FraktionenderCDU/CSUundSPDgegendieStimmen derfraktionenfdp,dielinke.undbündnis90/die GRÜNENdieAnnahmedesAntragsaufDrucksache16/545. WeiterhinempfiehltderAusschussfürKulturundMedien mitdenstimmenderfraktionendercdu/csuundspdgegendiestimmenderfraktionenfdp,dielinke.und BÜNDNIS90/DIEGRÜNENdieAblehnungdesAntrags aufdrucksache16/128. III. Beratung im Rechtsausschuss DerRechtsausschusshatdieVorlageninseiner6.Sitzung am25.februar2006abschließendberatenunddenantrag aufdrucksache16/545mitdenstimmenderfraktionender CDU/CSUundSPDgegendieStimmenderFraktionenFDP, DIELINKE.undBÜNDNIS90/DIEGRÜNENangenommen.DenAntragderFraktionderFDPaufDrucksache 16/128unddenAntragderFraktionBÜNDNIS90/DIE GRÜNENaufDrucksache16/237hatderRechtsausschuss jeweilsmitdenstimmenderfraktionendercdu/csuund SPDgegendieStimmenderFraktionenFDP,DIELINKE. undbündnis90/diegrünenabgelehnt. DieFraktionderCDU/CSUbetonte,dassesDankdergeschicktenVerhandlungsführungderBundesministerinder Justiz,BrigitteZypries,inBrüsselgelungensei,diesehr weitgehendenvorstellungenbeispielsweisegroßbritanniens zurvorratsdatenspeicherungzurückzudrängenundstattdessenzueinemgemeinsamenrichtlinientextzugelangen,der
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 5 Drucksache 16/690 einespeicherungvontelekommunikationsdatennureingeschränktvorsehe.mitdiesemtextliegenuneineabgewogeneregelungzurdatenspeicherungvor,diesowohldie GrundrechtederStraftäteralsauchdieGrundrechtederOpfervonStraftatenberücksichtige.FürdieFragederErstattungderdurchdieSpeicherungentstehendenKostenhabe manebenfallsinzwischenzurzufriedenheitderbetroffenen UnternehmeneineLösunggefunden. DieFraktionderSPDbekräftigte,dassdieBundesregierungerfolgreichverhandelthabe,uminÜbereinstimmung mitdemeuropäischenparlamentmöglichsteineminimallösungfürdiespeicherungvontelekommunikationsdatenauf Vorratzufinden.DieseLösungbegegnekeinenverfassungsrechtlichenoderrechtspolitischenBedenkenmehr.Siesei sinnvollundnotwendig,wasdienationaleunddieinternationalestrafverfolgungspraxiszeige.aufgabedesdeutschen Bundestagesseiesnunaber,daraufzuachten,dassdieseRegelungnichtzumEinfallstorfürweitergehendeMaßnahmen werde.eswärenunwünschenswert,dassdasgesetzzurumsetzungderrichtliniealsbaldnachendgültigemabschluss desnormsetzungsverfahrensaufeuropäischerebenevorgelegtwerde,umesausführlichberatenzukönnen. DieFraktionderFDPanerkanntezwarausdrücklichdasBemühendesBundesministeriumsderJustiz,aufeuropäischer EbeneeineAbschwächungderursprünglichvorliegenden undsehrvielweitergehendenregelungzurvorratsdatenspeicherungzuerreichen,hältjedochdienungefundeneregelungweiterhinfüreinegrundlegendfalscheweichenstellung. AuchderminimalistischeAnsatz,dersichvoraussichtlichauf EU-Ebenedurchsetzenwerde,stelleeinenParadigmenwechselinderVerpflichtungPrivaterzurSpeicherungvonDaten darundstoßeinsoweitweiterhinauferheblicheverfassungsrechtlichebedenkenderfraktionderfdp. DieFraktionBÜNDNIS90/DIEGRÜNENkannderBundesregierungindiesemZusammenhangkeinezufriedenstel- lendeverhandlungsführungaufeuropäischerebenebestäti- gen.dieentwicklung,diemitdemrichtlinientextzur Vorratsdatenspeicherungangestoßenwerde,istausSichtder FraktionBÜNDNIS90/DIEGRÜNENverheerend.Der DeutscheBundestaghabeinder15.Wahlperiodeeinstimmig eineentschließungzurvorratsdatenspeicherungverabschiedet,derzufolgediesefrageaufeuropäischerebenenichtgeregeltwerdensolle.vondieserhaltunghättensichdiefraktionendercdu/csuundspdoffensichtlichabgewandt.so steheinihremantragausdrücklichdrin,dassnuneinparadigmenwechselerfolgenwerde.anstellederregelungvon LöschungsfristenfürdievonPrivatengesammeltenDaten würdennunmehrspeicherungspflichtenfürprivatefestgeschrieben.dieseregelungwerdesowohlmitdeutschem Datenschutzrechtkollidierenalsauchdenhierzuvom BundesverfassungsgerichtgetroffenenEntscheidungenzuwiderlaufen.DiesenParadigmenwechselmachedieFraktion BÜNDNIS90/DIEGRÜNENnichtmit. DieBundesregierungbedanktesichfürdieAnerkennungihrerVerhandlungsführungundunterstrich,dassihrdiesenur gelingenkonnte,weilihrdersehrkritischebeschlussdes DeutschenBundestageszurVorratsdatenspeicherungden Rückengestärkthabe.DievonderFraktionBÜNDNIS90/ DIEGRÜNENangesprocheneEntschließunghabelediglich zumausdruckgebracht,dassdiedamalsvorgelegtenregelungennichtdiezustimmungdesdeutschenbundestages findenkonnten.inzwischenlägenandererechtlicheregelungenvor,dieauchandersbewertetwerdenkönnten.soseibeispielsweiseaufgrunddeutscherinterventiondasbewegungsbildaufgrunddermobilentelefonienichtindie RichtlinieaufgenommenwordenundauchdieLängeder SpeicherfristseidenMitgliedstaaten oberhalbdermindestspeicherfrist zureigenenentscheidungüberlassenworden. DieBundesregierungwerdedieangesprochenenkritischen PunkteimRahmenderUmsetzungderzukünftigenRichtliniebesonderssorgfältigbeachten. Berlin, den 15. Februar 2006 Dr. Günter Krings Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in Dr. Peter Danckert Wolfgang Neskovic Joachim Stünker Jerzy Montag
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