Höhere Mathematik Vorlesung 2

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Transkript:

Höhere Mthemtik Vorlesung 2 März 217

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Ordnung brucht nur der Dumme, ds Genie beherrscht ds Chos. Albert Einstein 2 Prmeterbhängige Integrle Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynmn! Eine Sche, die ich nie gelernt hbe, wr die Integrtion von geschlossenen Kurven. Ich htte gelernt, Integrle zu lösen und dbei verschiedene Methoden nzuwenden, die in einem Buch drgestellt wren, ds mein Physiklehrer n der High School, Mr. Bder, mir gegeben htte. Eines Tges sgte er zu mir, ich solle nch der Stunde dbleiben. Feynmn, sgte er, du redest zuviel und du mchst zuviel Krch. Ich weiss wrum. Du lngweilst dich. Ich werde dir ein Buch geben. Wenn wir Unterricht hben, setzt du dich d hinten in die Ecke und studierst dieses Buch, und wenn du lles weisst, ws in dem Buch steht, knnst du wieder reden. So psste ich in den Physikstunden nicht uf, wenn es um ds Psclsche Gesetz ging oder um irgend etws nderes, ws sie gerde durchnhmen. Ich sss hinten mit diesem Buch: Höhere Anlysis von Woods. Dieses Buch brchte mir uch bei, wie mn Prmeter unter dem Integrlzeichen differenziert. Es zeigt sich, dss ds n den Universitäten nicht viel gelehrt wird, sie messen dem kein besonderes Gewicht bei. Aber ich kpierte, wie mn diese Methode benutzt, und ich hbe dieses Werkzeug immer wieder verwendet. Weil ich lso durch dieses Buch Autodidkt wr, htte ich seltsme Methoden, Integrle zu lösen. Ds Resultt wr folgendes: Wenn die Leute m MIT oder in Princeton Schwierigkeiten htten, ein bestimmtes Integrl zu lösen, dnn lg ds 1

drn, dss es mit den Stndrd methoden, die sie in der Schule gelernt htten, nicht ging. Dnn komme ich und versuche unter dem Integrlzeichen zu differenzieren, und ds klppte oft. Auf diese Weise km ich in den Ruf, gut Integrle lösen zu können, und ds nur, weil ich einen nderen Werkzeugksten htte ls die nderen und weil sie lle ihre Werkzeuge n dem Problem usprobiert htten, bevor sie es mir vorlegten. Richrd Feynmn, Physiker Folgend werden wir den theoretischen Bckground der Feynmn Methode präsentieren. Definition: Ds prmeterbängige Integrl Sei f : [, b] [c, d] R, sodss f für festes ξ [c, d] ls Funktion von x integrierbr über [, b] ist. Mn nennt die Funktion: ein prmeterbhängige Integrl. b f(x, ξ)dx Definition: Ds prmeterbängige uneigentliche Integrl Sei f : [, b) [c, d) R, b, d R, sodss f für festes ξ [c, d) ls Funktion von x uneigentlich integrierbr über [, b) ist. Mn nennt die Funktion: b f(x, ξ)dx ein prmeterbhängige uneigentliche Integrl. Beispiel: Offenbr ist: sin x x e ξx dx ein prmeterbhängige uneigentliche Integrl, wobei f(x, ξ) = und f : (, ) (, ) R. Ds Integrl konvergiert, weil sin x x F (ξ) e ξx e ξx und: e ξx dx = 1 ξ < sin x x e ξx Also f, für festes ξ (, ), ls Funktion von x uneigentlich integrierbr über (, ) ist. 2

Stetigkeit prmeterbhängiger Integrle: Ist f(x, ξ) stetig uf [, b] [c, d], so existiert ds Integrl: F (ξ) := b f(x, ξ)dx für lle ξ [c, d] und F (ξ) ist stetig uf [c, d]. Bemerkung: In diesem Fll dürfen wir den Grenzwert unter ds Integrl ziehen: lim ξ ξ b f(x, ξ)dx = b lim f(x, ξ)dx = ξ ξ b f(x, ξ )dx Stetigkeit der prmeterbhängigen uneigentlichen Integrle: Es sei f : [, ) [c, d] R stetig, wobei >. Wir nehmen n, dss eine uneigentlich integriebre Funktion g : [, ) R existiert, und: f(x, ξ) g(x), x. Dnn ist: stetig uf [c, d]. f(x, ξ)dx Bemerkungen: Ds selbe Ergebnis gilt für den Fälle [, b) oder (, b],, b R. Eine Funktion f mit der Eigenschft: f(x, ξ) g(x), ξ, und g(x)dx < heisst mjorisiert intergrierbr über [, ) Vertuschbrkeit der Integrtionsreihenfolge: Sei f : [, b] [c, d] IR stetig, dnn gilt es die Gleichheit: d c F (ξ)dξ = d b c f(x, ξ)dxdξ = b d c f(x, ξ)dξdx. 3

Vertuschbrkeit der Integrtionsreihenfolge: Uneigentlicher Fll Es sei f : [, ) [c, d] R stetig, wobei >. Wir nehmen n, dss eine uneigentlich integriebre Funktion g : [, ) R existiert, und: f(x, ξ) g(x), x. Dnn gilt es die Gleichheit: d F (ξ)dξ = d f(x, ξ)dxdξ = d c c c f(x, ξ)dξdx. Beweis: Sehe [Brtle] Stz 33.8. Differenzierbrkeit prmeternhängiger Integrle: Ist f(x, ξ) stetig uf [, b] [c, d] und nch ξ stetig (prtiell) differenzierbr, so ist uch F (ξ) uf dem Intervl [c, d] stetig differenzierbr, und es gilt: F (ξ) = b (x, ξ)dξ ξ Differenzierbrkeit der prmeterbhängigen uneigentlichen Integrle: Es sei f : [, ) [c, d] R stetig. Wir nehmen n, dss die prtielle Ableitung ξ existiert und stetig ist. Die Funktionen f und ξ sind mjorisiert integriebr über [, ) : (x, ξ) ξ g 1(x), (x, ξ) ξ g 2(x), x [, ). sodss g 1 (x)dx < und Dnn ist F (ξ) differenzierbr und: stetig uf [c, d]. F (ξ) = g 2 (x)dx <. (x, ξ)dx ξ Beispiel: Mn betrchtet ds prmeterbhängige Integrl: e x2 cos(ξx)dx 4

D e x2 cos(ξx) e x2 ist die Funktion F stetig uf R. Weiters gilt es: und e ξ = x 2 ( x) sin(xξ) e x2 x e x2 x dx <. Schliesslich ist F differenzierbr. Leibniz Regel für prmeterbhängige Grenzen: Seien, b : (c, d) [α, β] differenzierbre Funktionen und f : [α, β] (c, d) R stetig, sodss die prtielle Ableitung ξ existiert und stetig uf [α, β] (c, d) ist. Gegeben sind uch die Mjornten: f(x, ξ) g 1 (x) und (x, ξ) ξ g 2(x), sodss β α g 1 (x)dx und β Dnn gilt es die Leibniz Regel: d dξ b(ξ) (ξ) f(x, ξ)dx = α b(ξ) (ξ) Beweis: Sehe [Konrd] Korollr 11.4 Korollr: Für ds eigentliche Integrl d dξ b(ξ) (ξ) g 1 (x)dx existieren. ξ (x, ξ)dx + f(b(ξ), ξ)b (ξ) f((ξ), ξ) (ξ) b(ξ) (ξ) f(x)dx die Leibniz Regel lutet: f(x)dx = f(b(ξ))b (ξ) f((ξ)) (ξ) 5

Übungen mit Lösungen Aufgbe 1. Beweisen Sie die Identität: x n e x dx = n! Lösung: Wir betrchten ds prmeterbhängige Integrl: F (t) = wobei f(x, t) = e tx. Mn sieht leicht n: e tx dx F (t) = 1, t >. t x m D, für festes m, lim =, gibt es ein c >, sodss: x etx x m e tx c x 2, t 1 2. Wenden wir nun die Differenzierbrkeit der prmeterbhängigen uneigentlichen Integrle n, d lle Bedingungen erfüllt sind: Noch einen Schritt weiter: und nch n Schritte: Für t = 1 bekommt mn: F (t) = 1 t 2 = xe tx dx. F (t) = 2 t 3 = x 2 e tx dx, F (n) (t) = ( 1) n n! t n+1 = x n e x dx = n! ( 1) n x n e tx dx Aufgbe 2. Ds gußsche Integrl I ist konvergent und gilt es: I := Lösung: Mn sieht leicht n, dss: e x2 dx = π I = e x2 dx = 2 e x2 dx (gerde Funktion). 6

Bezeichnen wir: J = e x2 dx. und betrchen wir ds prmeterbhängige Integrl: e ξ2 (1+x 2 ) 1 + x 2 dx 1 Dnn F () = 1 + x 2 dx = rctg(x) = π und lim. Gibt ein 2 ξ g(x) = 1 1+x sodss: 2 e ξ2 (1+x 2 ) f(x, ξ) = 1 + x 2 1 1 + x 2 = g(x) und g(x)dx = π 2 <. Alle Bedingungen des Stzes der Differenzierbrkeit sind erfüllt. Also: ( ) F e ξ2 (1+x 2 ) (ξ) = ξ 1 + x 2 dx = 2ξe ξ2 (1+x 2) dx = 2ξe ξ2 e (ξx)2 dx Nch der Substitution y = ξx kriegt mn: Zum Schluss: β dnch: und: F (ξ) = 2ξe ξ2 e (y)2 dy = 2ξe ξ2 J F (ξ)dξ = β 2ξe ξ2 Jdξ = 2J β e ξ2 dξ β lim (F (β) F ()) = 2J lim ξe ξ2 dξ = 2J 2 β β lim F (ξ) F () = π ξ 2 = 2J 2 π J = 2 I := e x2 dx = π 7

Übungsbltt 2 Aufgbe 3. Finde den Wert des Integrls: Hinweis: I(ξ) = 1 I = 1 ln(1 + ξ x) 1 + x 2 dx ln(1 + x) 1 + x 2 dx. Aufgbe 4. Mn berechne ds Integrl: dx (x 2 + 2 ) 2 dx. Hinweis: Mn betrchte f(t, ) = t dx x 2 + 2 dx Aufgbe 5. Studieren Sie die Stetigkeit des Integrls: F (t) = Aufgbe 6. Um ds Integrl prmeterbhängige Integrl: sin(tx) dx, t R. 1 + x2 sin x dx zu brechnen, verwenden Sie ds x ξx sin x e dx, ξ >. x 8

Literturverzeichnis [1] M. Eisermnn. Höhere Mthemtik 3, 216. [2] R. Brtle. The Elements of Rel Anlysis, John Wiley & Sons, 1976. 9

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