1 Einführung. 2 Projektbeschreibung Das Programm (AZ /12-13) Oskar Dawo 1 und Manfred Wegner 2 (Projektleiter)
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- Liese Sternberg
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1 1 Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball: Entwicklung, Implementierung und Evaluation eines psychologischen Trainingsprogramms für Nachwuchshandballer (AZ /12-13) Oskar Dawo 1 und Manfred Wegner 2 (Projektleiter) 1 Eliteschule des Sports Gymnasium am Rotenbühl, Saarbrücken 2 Universität Kiel 1 Einführung In den folgenden Ausführungen zum Projekt Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball wird das modulare psychologische Trainingsprogramm beschrieben, das mit der Jugendnationalmannschaft in den Jahren 2012/2013 umgesetzt wurde und mit dem systematisch grundlegende mentale Fertigkeiten vermittelt und trainiert werden können. 2 Projektbeschreibung 2.1. Das Programm Zu Beginn der Projektphase im Grundlagentraining wurden grundlegende psychologische Verfahren in den Modulen Entspannung/Mobilisierung, Visualisierung, Zielsetzung, Selbstgespräche und Kommunikation eingeführt, im Training geübt und schließlich in Wettkampfsituationen eingesetzt. Module bezeichnen die inhaltlichen Schwerpunkte der Betreuungsarbeit, ihre Umsetzung geschah jeweils während einer Lehrgangsmaßnahme. Diese grundlegenden Werkzeuge dienten als Hilfsmittel, um im Aufbautraining komplexere psychologische Qualitäten wie Konzentration, Selbstvertrauen, Stressresistenz und Erfolgszuversicht zu entwickeln. Anschließend wurden spezielle Methoden eingesetzt, die auf die individuellen Bedingungen der Spieler bzw. der Mannschaft im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2013 in Ungarn zugeschnitten waren. Krisenintervention hatte immer Vorrang vor der Umsetzung der geplanten Trainingsmaßnahmen. Um im Einzelfall Hilfe leisten und geeignete Strategien zur Problemlösung finden zu können, bestand die Möglichkeit des Einzelgesprächs, was im Verlauf der Maßnahme immer häufiger auch genutzt wurde. Das Programm folgte in der Umsetzung einem erzieherischen Ansatz so wie von Williams (1986), Horn (2002) oder Burton und Raedeke (2008) vorgeschlagen. Das Vorgehen in den einzelnen Modulen gliedert sich in drei Stufen: dem Wissenserwerb, der Aneignung und der Implementierung in Training und Wettkampf (siehe Abb.1).
2 2 Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball:... Grundlagentraining Aufbau- und Leistungstraining Krisenintervention Entspannung / Mobilisation Konzentration Individuumorientiert Zielsetzung Stressmanagement Mannschaftsorientiert Visualisierung Wettkampfvorbereitung Trainerorientiert Selbstgespräche Teambuilding Kommunikation Abb. 1: Module des Trainingsprogramms 2.2. Zielgruppe des Programms Zielgruppe war die männliche Jugendnationalmannschaft im Handball (Jahrgang 1994/95). Das Trainingsprogramm setzte im Juli 2012 ein und dauerte 15 Monate bis Oktober Es wurden in dieser Zeit zehn Lehrgänge (47 Tage) absolviert, bei acht (35 Tage) war der Sportpsychologe anwesend. Während der WM in Ungarn wurden in den ersten acht Tagen weitere Interventionen und Einzelbetreuungen durchgeführt. Ein WM-Teilnehmer hatte im Durchschnitt an 29 Tagen die Möglichkeit, mit dem Sportpsychologen zu arbeiten. 3 Evaluation Für die Evaluation dieses Projektes wurden vier Indikatoren ausgewählt (siehe Abb. 2): die Servicequalität unter besonderer Berücksichtigung von Psychologenmerkmalen, die Entwicklung der mentalen Fertigkeiten, die Einstellung der Spieler und Trainer gegenüber der Sportpsychologie und schließlich die sportlichen Ergebnisse als Maßstab für alle Trainings- und Betreuungsmaßnahmen im Leistungssport (vgl. Anderson et al., 2002). Abb. 2: Effektivitätsindikatoren für die Evaluation der sportpsychologischen Praxis
3 Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball: Erfassung der Servicequalität Dieser Erfolgsmesser der Interventionen umfasst die Beraterqualität und die soziale Validität. Im Rahmen des Projekts wurde von den Sportlern fortlaufendes Feedback über Gespräche und informelle Interviews eingeholt. Der Sportpsychologe und die Trainer diskutierten jeden Workshop und entwarfen spezifische Aufgaben und Übungen für die Praxis, die das Training der mentalen Techniken aufgriffen und unterstützen. Am Ende der Trainingseinheiten sowie der einzelnen Module wurden die Ergebnisse diskutiert, die Entwicklungen der Spieler besprochen und besondere Aspekte festgehalten (Was war gut? Was muss verbessert werden?). Am Ende der Gesamtmaßnahme wurde ein stark formalisierter Ansatz zur Erfassung der Beraterqualität genutzt, der Sportpsychologen-Bewertungsbogen, mit dem zehn Beraterqualitäten erfasst werden. In Ergänzung zu dieser Einschätzung wurde auch die subjektiv wahrgenommene Effektivität in zwei Dimensionen erfasst: die Wirkung bei mir und die Wirkung beim Team. Schließlich konnten noch Tipps und Empfehlungen formuliert werden, um die Qualität/Effektivität der Maßnahme zu verbessern. Das Maß der Zufriedenheit der Sportler (soziale Validität) mit dem Angebot kann weitere hilfreiche Informationen über die Effektivität liefern und gegebenenfalls Verbesserungen anregen Entwicklung der Psychologischen Fertigkeiten Der Ansatz dieser Trainingsmaßnahme ist kognitiv-verhaltensorientiert. Psychologische Fertigkeiten werden dabei als gelernte Verhaltensweisen angesehen, die der Sportler nutzt, um seine Gedanken, seine Emotionen und sein Verhalten zu steuern. Üblicherweise werden in diesem Bereich die Verhaltensbeobachtung, standardisierte Fragebögen und Selbst- und Fremdeinschätzungsskalen zur Veränderungsmessung genutzt. Diese Instrumente wurden an die Inhalte der Module angepasst oder gemeinsam mit den Sportlern neu entwickelt. Schließlich wurde zur Evaluation des Gesamtprojektes der Fragebogen Athletic Coping Skills Inventory (ACSI-28) (Smith et al., 1995) in der deutschen Übersetzung von Brand und Koch (2004) zu drei Zeitpunkten eingesetzt: 2010 (Sichtung), 2012 ( Projektbeginn) und 2013 nach der WM (Projektende). Der ACSI-28 erhebt Daten zu einer Vielzahl von psychologischen Aspekten, die die sportliche Leistungsfähigkeit maßgeblich verbessern sollen: Umgang mit Schwierigkeiten, Trainierbarkeit, Konzentration, Selbstvertrauen und Motivation, Zielsetzung und mentale Wettkampfvorbereitung, Leistung unter Drucksituation und Freiheit von Zweifeln. Während der WM wurde den Spielern in zwei Spielen ein Fragebogen (Leistungsrückmeldebogen) vorgelegt, in dem sie die Besonderheiten der Stresssituation beschreiben konnten und ihr Anspannungsniveau zu vier Zeitpunkten (im Bus, beim Aufwärmen, vor dem Anpfiff, während des Spiels) angaben. Schließlich wurden von ihnen die Techniken beschrieben, die sie zur aktuellen Stressbewältigung nutzten. Individuelle Verläufe der Erregung konnten Rückschlüsse über den Bedarf an zusätzlichen Maßnahmen liefern. Ein weiterer Aspekt, der nicht explizit im Fokus des Programms stand, war der Teamzusammenhalt (Teamkohäsion). Während des gesamten Trainingsprogramms wurden immer wieder interaktive Übungen durchgeführt, bei denen die Spieler ihre persönlichen Erfahrungen vor der Gruppe offenlegen mussten. Diese gemeinsamen Lernerfahrungen und das Nutzen der Potenziale und Ressourcen einzelner Gruppenmitglieder zur persönlichen Weiterentwicklung hatten einen starken bindenden Effekt. Im Modul Kommunikation wurden Hinweise für eine günstige und effektive Kommunikation (im Training und Spiel), der Umgang miteinander innerhalb der Mannschaft sowie effektives verbales Feedback diskutiert und geübt. In Vertrauensübungen wurden (nicht nur in diesem Modul) Offenheit und Vertrauen in der Gruppe sowie Respekt vor der Individualität der Mitspieler gefordert und gestärkt. Diese zusätzliche Möglichkeit des Kennenlernens außerhalb des regulären Trainings half
4 4 Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball:... den Zusammenhalt zu stärken. Eine Integration neuer Mitglieder war dennoch leicht möglich. Dieser Aspekt wurde nicht systematisch erfasst, das gute Gruppenklima und der Zusammenhalt waren aber augenscheinlich beobachtbar und hatten laut Trainerurteil einen deutlichen Einfluss auf die Leistung Einstellung der Sportler und der Trainer Sicher kann die Einstellung und die Meinung der Sportler gegenüber der Sportpsychologie allgemein und deren Bedeutung für das eigene sportliche Leben ein weiteres Maß für die Effektivität der Trainingsmaßnahme sein. Eine fünfjährige Zusammenarbeit mit dem Trainerteam zeigt ebenfalls eine positive Einstellung gegenüber der Sportpsychologie und dem Sportpsychologen im Besonderen. Diese einzelnen Aspekte verdeutlichen die große Akzeptanz der Sportpsychologie bei den Sportlern und im Trainerteam Sportliche Leistung und Ergebnisse Die Effektivität des mentalen Trainings wird, wie alle anderen Leistungskomponenten und deren Zusammenwirken, auch auf dem Spielfeld im Wettkampf bewertet. Das gemeinsam formulierte Ziel des Teams war der Medaillengewinn. Die Mannschaft spielte in Ungarn ein überragendes Turnier. Erst im Halbfinale musste man sich gegen Kroatien mit 3 Toren geschlagen geben (29:26). Das Spiel um Platz 3 wurde anschließend 29:23 gewonnen und die Bronzemedaille als Belohnung erreicht. Sportlich überzeugte die Mannschaft, laut der Trainerurteile, durch ihre Geschlossenheit und ihren Teamgeist. Eine weitere Stärke war die taktische Variabilität durch unterschiedliche Spielertypen und das sichere Durchspielen von taktischen Abläufen (auch in Drucksituationen). Einzelne Spieler erreichten eine überragende Wurfeffektivität (z. B. Linksaußen: 58 Tore bei 71 Versuchen, das entspricht einer Wurfquote von 82 %). 4 Zusammenfassung In diesem Bericht werden das mentale Training und die Zusammenarbeit mit einem Psychologen im DHB über den Zeitraum von 15 Monaten beschrieben. Die Auswahl der Schwerpunkte bei diesem Programm orientiert sich an der aktuellen Forschungslage über die Effektivität von psychologischen Interventionen im Nachwuchssport und ist damit wissenschaftlich begründet. Das systematische Vorgehen erscheint im Rahmen der Nachwuchsförderung angemessen, die theoretische Begründung im Rahmen der praktischen Betreuungsarbeit liefert für die Spieler immer einen plausiblen und nachvollziehbaren Rahmen für die einzelnen Maßnahmen. Die Evaluation und Bewertung des Projektes wurde anhand von vier Kriterien vorgenommen: Beraterqualität Entwicklung der psychologischen Fertigkeiten Einstellung der Spieler und Trainer zur Sportpsychologie sportliches Ergebnis. Bei der Betrachtung der Evaluationsmaße hat das Projekt seine Ziele in vollem Umfang erreicht. Die sportlichen Ziele wurden erreicht, einzelne Spieler haben sich aufgrund ihrer besonderen Qualitäten (besonders in Drucksituationen) für höhere Aufgaben empfohlen und genießen in Zukunft eine besonders intensive Betreuung und Förderung. Die Zufriedenheit der Sportler und der Trainer mit der Arbeit des Sportpsychologen war besonders hoch. Die Einstellung zur Sportpsychologie und das
5 Mentales Training im Nachwuchsleistungssport Handball:... 5 Ansehen von Sportpsychologen allgemein haben sich durch das Projekt bei allen Verantwortlichen (auch beim Verband) weiter in eine positive Richtung verändert. Der Sportpsychologe entwickelte in Zusammenarbeit mit den Trainern Trainingsübungen und -aufgaben mit Schwerpunkt auf mentalen Fähigkeiten. Dadurch haben beide Seiten an Erfahrungen gewonnen und ihre Kompetenz als Trainer/ Psychologen verbessert. Schließlich kann der vorgestellte Rahmen der Evaluation und die dargestellten Aspekte auch für andere Projekte als hilfreich angesehen werden. 5 Literatur Anderson, A.G., Miles, A. Mahoney, C. & Robinson, P. (2002). Evaluating the effectiveness of applied sport psychology practice: Making the case for a case study. The sport psychologist 16, Brand, R. & Koch, A. (2004). Competitive State Anxiety Inventory 2 (CSAI-2g)-Deutsche Übersetzung. In Burton, D. & Raedeke, T. (2008). Sport psychology for coaches. Champaign, Il: Human Kinetics. Horn, T.S. (2002). Advances in Sport Psychology. Champaign, Il: Human Kinetics. Smith, R.E., Schulz, R.W., Smoll, F.L. & Ptacek, J.T. (1995). Development and validation of a multidimensional measure of sport-specific psychological skills. Journal of sport and exercise psychology, 17 (4), Wegner, M. & Dawo, O. (2012). Handball. In D. Beckmann-Waldenmayer & J. Beckmann (Hrsg.), Handbuch sportpsychologischer Praxis (S ). Balingen: Spitta. Williams, J.M. (Hrsg.). (1986). Applied sport psychology: personal growth to peak performance. Mountain View, CA.: Mayfield Publishing Company.
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