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- Heinrich Biermann
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1 $Id: reell.tex,v /11/07 13:46:36 hk Exp $ 1 Die reellen Zahlen 1.4 Das Vollständigkeitsaxiom In den vorhergehenden Abschnitten haben wir jetzt insgesamt 15 Axiome an die reellen Zahlen zusammengestellt. Aber auch all diese Axiome reichen noch nicht aus die reellen Zahlen vollständig zu beschreiben, es fehlt noch ein weiteres Axiom. Dies ist das sogenannte Vollständigkeitsaxiom, und es bezieht sich ausschließlich auf die Ordnungsstruktur der reellen Zahlen und nicht auf die arithmetische Struktur. Wir benötigen leider noch zwei vorbereitende Definitionen um das Vollständigkeitsaxiom überhaupt aussprechen zu können. Definition 1.6 (Obere und untere Schranken) Sei M R eine Teilmenge. (a) Eine reelle Zahl a R heißt obere Schranke von M wenn x a für alle x M gilt. (b) Die Menge M heißt nach oben beschränkt wenn es eine obere Schranke a R von M gibt. (c) Ein Element a M heißt maximales Element von M, oder ein Maximum von M, wenn x a für alle x M ist, wenn a also eine obere Schranke von M ist. Beachte das es nur ein einziges maximales Element von M geben kann, denn ist b M ein weiteres so haben wir b a und a b, also a = b. Gibt es ein maximales Element a M von M, so können wir damit max M := a schreiben. (d) Eine reelle Zahl a R heißt untere Schranke von M wenn x a für alle x M gilt. (e) Die Menge M heißt nach unten beschränkt wenn es eine untere Schranke a R von M gibt. (f) Ein Element a M heißt minimales Element von M, oder ein Minimum von M wenn x a für alle x M ist, wenn a also eine untere Schranke von M ist. Genau wie für maximale Elemente kann es höchstens ein minimales Element a von M geben, und in diesem Fall schreiben wir min M := a. (g) Die Menge M heißt beschränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist. 4-1
2 Die Terminologie dieser Definition wird am klarsten wenn wir uns die reellen Zahlen wie unten gezeigt als eine vertikal hingemalte Linie denken, wobei es unten nach und oben nach geht. Eine obere Schranke einer Teilmenge M R ist dann tatsächlich eine reelle Zahl, die eben oberhalb von M liegt. Beachte das obere Schranken bei weitem nicht eindeutig festgelegt sind, ist a eine obere Schranke von M, so ist auch jede andere reelle Zahl b R mit b a ebenfalls eine obere Schranke von M. Eine nach oben beschränkte Menge muss im allgemeinen kein Maximum besitzen, anschaulich haben wir zwar + immer ein Element unmittelbar oberhalb M, aber diese Zahl gehört eventuell nicht zu M. Beispielsweise a (obere Schranke) sind max[0, 1] = 1 und min[0, 1] = 0 aber das offene Intervall M = (0, 1) hat weder ein Maximum noch ein Minimum, da eben 0 und 1 hier nicht zu M gehören. Für die Beschränktheit einer Menge M R gibt es eine oftmals nützliche Umformulierung in Termen des Betrags reeller Zahlen M sup M M R ist beschränkt Es gibt c R mit c 0 und x c für alle x M. Gibt es nämlich ein c R mit c 0 und x c für alle x M, so ist auch c x c für alle x M, d.h. c ist eine untere und c ist eine obere Schranke von M. Damit ist M nach oben und unten beschränkt, also insgesamt beschränkt. Nun sei M umgekehrt beschränkt. Dann gibt es sowohl eine untere Schranke a von M als auch eine obere Schranke b von M, und wir setzen c := max{ a, b } 0. Für jedes x M haben wir dann x b b c und x a, also auch x a a c, und da x eine der beiden Zahlen x oder x ist bedeutet dies x c. Wie schon bemerkt muss eine nach oben beschränkte Menge keinesfalls ein Maximum haben. Aber selbst wenn eine nach oben beschränkte Menge M R kein Maximum besitzt, so gibt es trotzdem ein Zahl gerade oberhalb von M, diese ist sozusagen die bestmögliche obere Schranke von M. Explizit gesagt handelt es sich gerade um die kleinstmögliche obere Schranke von M, und diese wird auch als das Supremum der Menge M bezeichnet. Definition 1.7 (Supremum und Infimum) Sei M R eine Teilmenge. Dann heißt eine reelle Zahl a R ein Supremum von M wenn a eine kleinste obere Schranke von M ist, d.h. a ist eine obere Schranke von M und für jede andere obere Schranke b R von M gilt stets a b. Analog heißt eine reelle Zahl a R ein Infimum von M wenn a eine größte untere Schranke von M ist, d.h. a ist eine untere Schranke von M und für jede andere untere Schranke b R von M gilt stets b a. In dieser Definition reden wir noch vorsichtig von einem Supremum einer Menge M R, da es zunächst ja auch mehrere Suprema geben könnte. Dies ist aber nicht der Fall, 4-2
3 es kann höchstens ein Supremum von M geben. Seien nämlich a, b R zwei Suprema der Menge M R. Dann ist b eine obere Schranke von M und da a andererseits eine kleinste obere Schranke von M ist, folgt a b. Ebenso ist auch b a und wir haben insgesamt a = b. Analog kann es auch höchstens ein Infimum einer Menge M R geben. Da Supremum und Infimum somit eindeutig festgelegt sind, können wir sie auch mit einem Symbol bezeichnen. Man schreibt für M R sup M := Das Supremum von M, inf M := Das Infimum von M, natürlich nur falls das fragliche Supremum oder Infimum existiert. Wir hatten das Supremum einer Menge M R als die kleinste obere Schranke von M definiert, sofern eine solche überhaupt existiert. Dieser Begriff ist mit dem Begriff des Maximums der Menge M verwandt, aber er ist nicht dasselbe. Wir wollen uns den Zusammenhang der beiden Begriffe kurz einmal klar machen. Zunächst nehme an, dass M ein Maximum a = max M besitzt. Dann ist a insbesondere eine obere Schranke von M und ist b R eine beliebige obere Schranke von M, so gilt wegen a M auch a b. Damit ist a die kleinste obere Schranke von M, d.h. das Supremum von M. Gibt es also ein Maxiumum von M, so ist dieses auch gleich dem Supremum. Umgekehrt muss ein Supremum aber kein Maximum sein, ist zum Beispiel M = (0, 1), so ist sup M = 1 aber wegen 1 / M ist 1 kein Maximum von M. Haben wir allerdings eine Menge M R mit a = sup M M, so ist a M insbesondere eine in M liegende obere Schranke von M, also ein Maximum von M. Entsprechendes gilt dann auch für das Minimum und das Infimum einer Menge M R. Zusammenfassend haben wir für M R also die folgenden Implikationen: a = max M = a = sup M, a = sup M a M = a = max M, a = min M = a = inf M, a = inf M a M = a = min M. Sei M R gegeben. Gibt es dann ein Supremum a R von M, so ist a insbesondere eine obere Schranke von M, d.h. M ist nach oben beschränkt. Ist b R eine reelle Zahl mit b < a, so kann b keine obere Schranke von M mehr sein, da sonst ja a b gelten müsste, und dies bedeutet das es ein x M mit x > b gibt. Insbesondere muss M sein. Diese Beobachtung können wir jetzt zu einer äquivalenten Definition des Supremums umformulieren. Lemma 1.3 (Charakterisierung von Supremum und Infimum) Seien M R eine Teilmenge und a R. (a) Genau dann ist a ein Supremum von M wenn a eine obere Schranke von M ist und es für jedes b R mit b < a stets ein Element x M mit x > b gibt. 4-3
4 (b) Genau dann ist a ein Infimum von M wenn a eine untere Schranke von M ist und es für jedes b R mit b > a stets ein Element x M mit b > x gibt. Beweis: (a) = Dies haben wir bereits oben eingesehen. = Keine reelle Zahl b R mit b < a ist eine obere Schranke von M, und damit muss für jede obere Schranke b von M stets b a gelten. Damit ist a ein Supremum von M. (b) Analog zu (a). Die Existenz von Supremum oder Infimum kann über die Axiome eines angeordneten Körpers nicht bewiesen werden, und das noch ausstehende Vollständigkeitsaxiom der reellen Zahlen fordert diese Existenz einfach. Vollständigkeitsaxiom (V): Jede nach oben beschränkte, nicht leere Teilmenge = M R der reellen Zahlen besitzt ein Supremum. Dieses ist das letzte noch fehlende Axiom für die reellen Zahlen, man sagt auch das R ein vollständig angeordneter Körper ist. Hierdurch sind die reellen Zahlen in gewissen Sinne auch eindeutig festgelegt, aber dies wollen wir hier nicht näher ausführen. Da wir jetzt den vollständigen Satz an Axiomen für die reellen Zahlen zusammen haben, können wir auch noch einmal auf Redundanzen zwischen diesen eingehen. Schon im ersten Abschnitt hatten wir bemerkt, dass die Kommutativität der Addition (A2) nicht gefordert werden muss, sie folgt aus den restlichen acht Körperaxiomen. Weiter hatten wir im vorigen Abschnitt festgestellt das die Reflexivität (R) in der Linearität (L) der Anordnung enthalten ist. Mit dem Vollständigkeitsaxiom (V) kann man jetzt auch das Kommutativgesetz (M2) der Multiplikation streichen, dieses läßt sich auch aus den anderen Axiomen herleiten. Da dies allerdings schon etwas komplizierter ist und für unser Thema keine Rolle spielt, wollen wir dies hier nicht weiter behandeln. Am Vollständigkeitsaxiom fällt auf das hier das Supremum vor dem Infimum ausgezeichnet wird, während wir die beiden bisher als völlig analoge Spiegelbilder zueinander behandelt haben. Diese Auszeichnung des Supremums ist auch nur eine optische Täuschung, die Existenz des Infimums werden wir gleich beweisen. Umgekehrt hätte man genauso gut fordern können, dass jede nicht leere, nach unten beschränkte Menge reeller Zahlen ein Infimum hat, und könnte dann die Existenz des Supremums beweisen. Lemma 1.4 (Existenz des Infimums) Jede nicht leere, nach unten beschränkte Menge M R reeller Zahlen hat ein Infimum. Beweis: Sei = M R nach unten beschränkt, d.h. M hat eine untere Schranke. Dann ist die Menge N := {a R a ist eine untere Schranke von M} R 4-4
5 aller unteren Schranken von M nicht leer N. Ist a M, so gilt für jedes x N stets x a, da x ja eine untere Schranke von M ist, d.h. a ist eine obere Schranke von N. Damit ist jedes Element von M eine obere Schranke von N. Wegen M gibt es insbesondere überhaupt eine obere Schranke von N, d.h. die Menge N ist nach oben beschränkt. Nach dem Vollständigkeitsaxiom existiert das Supremum a := sup N R, und wir behaupten das a auch das Infimum von M ist. Ist x M so ist x eine obere Schranke von N, also a x. Damit ist a überhaupt eine untere Schranke von M. Ist jetzt b R eine beliebige untere Schranke von M, so ist b N und damit auch b a. Folglich ist a die größte untere Schranke von M, d.h. a = inf M. Wir werden im Laufe des Semesters sehr viele Anwendungen von Supremum und Infimum sehen, tatsächlich handelt es sich bei diesen beiden Begriffen um zwei der mit Abstand wichtigsten technischen Hilfsmittel der gesamten Analysis. Hier wollen wir jetzt nur noch eine allererste kleine Anwendung vorführen, und die sogenannte archimedische Eigenschaft der reellen Zahlen beweisen. Diese besagt im wesentlichen das die natürlichen Zahlen unter den reellen Zahlen beliebig groß werden und um dies zu beweisen benötigt man tatsächlich das Vollständigkeitsaxiom (V), die Axiome eines angeordneten Körpers reichen hierzu nicht aus. Lemma 1.5 (Die archimedische Eigenschaft von R) Sind a, b R mit a > 0 so existiert eine natürliche Zahl n N mit na > b. Beweis: Wir beweisen dies per Widerspruchsbeweis. Gäbe es kein solches n N mit na > b, so wäre na b für alle n N, d.h. b ist eine obere Schranke der Menge M := {na n N} R. Damit ist M nach oben beschränkt und wegen 0 M ist auch M. Nach dem Vollständigkeitsaxiom existiert das Supremum s := sup M von M. Wegen s a < s gibt es nach Lemma 3.(a) ein x M mit x > s a, und nach Definition von M gibt es weiter ein n N mit na = x > s a. Damit ist auch (n + 1)a M mit (n + 1)a = na + a > s a + a = s, aber andererseits ist auch (n + 1)a s da s eine obere Schranke von M ist. Dies ist ein Widerspruch und das Lemma ist bewiesen. Diesen Beweis wollen wir noch etwas kommentieren. Bisher haben wir alle unsere Aussagen direkt bewiesen, d.h. wir haben von den Voraussetzungen und unseren Axiomen ausgehend eine Kette von Folgerungen hergestellt die mit der behaupteten Aussage endet. Unser Nachweis der archimedischen Eigenschaft ist kein solcher direkter 4-5
6 Beweis sondern ein sogenannter Widerspruchsbeweis, oder indirekter Beweis, dies ist ein eigenständiger Beweistyp. Wie wir noch sehen werden gibt es im wesentlichen drei verschiedene Beweismethoden, die erste und am häufigsten verwendete Methode ist der direkte Beweis, die zweite ist der Widerspruchsbeweis und die dritte Methode werden wir etwas später in diesem Kapitel kennenlernen. Kommen wir zum allgemeinen Aufbau eines Widerspruchsbeweises. Nehmen wir an die Aussage A wäre zu zeigen. Bei einem Widerspruchsbeweis nimmt man an das A falsch wäre, dass also die Verneinung A gilt. In dieser hypothetischen Welt in der A nicht gilt beginnen wir dann weitere Aussagen herzuleiten und beweisen etwa eine Aussage B. Andererseits überlegt man sich das auch die Verneinung B von B wahr ist. Eine mathematische Aussage ist allerdings immer entweder wahr oder falsch, insbesondere können B und B nicht beide gleichzeitig gelten. Die von der Annahme A erschaffene Welt kann es also gar nicht geben, und daher kann A nicht falsch sein. Wieder da eine mathematische Aussage entweder wahr oder falsch ist, muss dann A wahr sein. In Lemma 5 haben wir die Aussage A = (n N) : na > b mit A = (n N) : na b und aus A leiten wir sowohl B = s ist eine obere Schranke von M als auch B = s ist keine obere Schranke von M her. Dies ist dann unser Widerspruch und A folgt. Als logische Formel hat ein Widerspruchsbeweis von A die Form [ ( A = B) ( A = B) ] = A wobei B eine weitere Aussage ist. Zumeist ist die zu beweisende Aussage selbst eine Implikation, hat also die Form A = C = D, wenn wir die Behauptung von Lemma 5 etwas ausführlicher schreiben ist diese in Wahrheit ja gleich A = (a, b R a > 0) = ( (n N) : na > b). }{{}}{{} C D Die Verneinung von A wird also zu A = C ( D) und im Widerspruchsbeweis werden dann (C D) = B und (C D) = B gezeigt. Der Beweis des Lemma 5 ist sogar ein Widerspruchsbeweis eines sehr speziellen Typs, es wird die Existenz der natürlichen Zahl n durch einen Widerspruchsbeweis eingesehen. Dass es möglich ist die Existenz von etwas durch die Widerlegung der Nichtexistenz zu begründen ist keinesfalls selbstverständlich und ist recht spezifisch für die Mathematik. Beispielsweise können Sie in der Physik die Existenz irgendeines neuen Elementarteilchens beim besten Willen nicht dadurch begründen das ihre Theorie andernfalls widersprüchlich wird, bevor man das hypothetische Teilchen nicht irgendwie experimentell ausfindig machen kann ist seine Existenz höchstens eine plausible Hypothese. Allgemein kann man die Existenz realer Objekte niemals durch theoretische Überlegungen wirklich nachweisen. Auch in der Mathematik selbst ist ein solches Vorgehen bis ins letzte Viertel des neunzehnten Jahrhunderts nicht als Beweis akzeptiert worden, die damals verwendete, und bei den Anwendungen der Mathematik in 4-6
7 den Naturwissenschaften noch immer verwendete, Interpretation mathematischer Objekte war es sich diese als Idealisierungen realer Objekte zu denken, so wie etwa ein mathematischer Kreis ein idealisierter Kreis ist dessen Rand tatsächlich unendlich dünn ist. Bei einer solchen Sichtweise bedeutet die Existenz eines mathematischen Objekts immer auch die Existenz irgendwelcher realen Dinge und ist damit eigentlich keiner Argumentation über Widerspruchsargumente zugänglich. Die Vorstellung das mathematische Objekte Idealisierungen wirklicher Gegenstände sind wurde in der Mathematik Ende des neunzehnten Jahrhunderts aufgegeben, beziehungsweise in die Modellierung verbandt, wir hatten schon einmal erwähnt das die Mathematik im eigentlichen Sinne nicht von der Realität handelt. Die Anwendung der Mathematik auf wirkliche Dinge denkt man sich dann als eine Art Übersetzungsprozess, bei dem die zu untersuchenden realen Objekte durch mathematische Objekte beschrieben werden, einen Vorgang den man dann als Modellierung bezeichnet. Dies hat zur Folge das das Wort Existenz in der Mathematik sehr viel freier verwendet werden kann als irgendwo sonst, etwa übertrieben folgt man dem magischen Prinzip, wenn man etwas einen Namen geben kann dann existiert es. Insbesondere wird beim Nachweis der Existenz mathematischer Objekte nicht verlangt das man das existierende Gebilde in irgendeiner Weise konkret angeben können muss oder eine Methode hat es zu berechnen. Daher ist es auch möglich die Existenz von etwas durch einen Widerspruchsbeweis zu begründen. Dies ist erst einmal genug zu grundsätzlichen Dingen und wir kommen wieder zum Begriff von Supremum und Infimum zurück. Manchmal ist es bequem für überhaupt jede Teilmenge M R Supremum und Infimum bilden zu können, unabhängig davon ob sie nach oben beschränkt ist oder nicht. Hierzu gehen wir zu den sogenannten erweiterten reellen Zahlen R := R {, } über, indem zwei neue Elemente ± zu R hinzugefügt werden. Wir setzen die Ordnung von R durch < x < für alle x R fort, also insbesondere <. Addition und Multiplikation sind auf R nicht vollständig definiert, man setzt nur + = x + = + x := und ( ) + ( ) = ( ) + x = x + ( ) := für alle x R und ( ) ( ) = ( ) ( ) :=, ( ) ( ) = ( ) ( ) := sowie x = x := {, x > 0,, x < 0, x ( ) = ( ) x := {, x > 0, x < 0 für alle x R\{0}. Andere Summen oder Produkte werden nicht definiert. 4-7
8 Ist dann M R eine beliebige Teilmenge, so existieren in R sowohl Supremum als auch Infimum. Ist nämlich M und nach oben beschränkt, so gibt es sup M R nach dem Vollständigkeitsaxiom. Ist M nicht nach oben beschränkt, so ist die einzige obere Schranke von M in R, also auch sup M =. Ist schließlich M =, so ist jedes a R obere Schranke von M, also sup M =. Insbesondere haben wir sup M R M ist nach oben beschränkt. Entsprechendes gilt dann fürs Infimum, also insbesondere inf = in R. Wenn wir ± als Supremum und Infimum zulassen wollen, so sprechen wir auch davon das Supremum und Infimum in R gebildet werden. Man könnte sogar sup M und inf M für Teilmengen M R betrachten, aber in aller Regel sind für uns nur Teilmengen von R von Interesse. Beachte das ± keine reellen Zahlen sind, der Übergang zu den erweiterten reellen Zahlen ist nur ein formaler Trick gelegentlich Fallunterscheidungen zu vermeiden. Ein Beispiel hierzu werden wir in einer Übungsaufgabe sehen. Dort haben wir zwei Mengen M, N R und wollen sagen, dass M N genau dann nach oben beschränkt ist, wenn M und N beide nach oben beschränkt sind und das in diesem Fall sup(m N) = max{sup M, sup N} gilt. Interpretieren wir dies in R, so können wir uns das Gerede über nach oben beschränkt sparen und müssen nur noch die Gleichung sup(m N) = max{sup M, sup N} hinschreiben. Da M R genau dann nach oben beschränkt ist, wenn in R die Bedingung sup M gilt, ist die Aussage über nach oben beschränkte Mengen in der Gleichung für die Suprema enthalten. Auch der Fall das eine oder beide der Mengen leer sind, wird automatisch mit behandelt. 1.5 Potenzen mit rationalen Exponenten Reelle Potenzen x a werden in mehreren Stufen, geordnet nach immer allgemeineren Exponenten a, definiert. In der ersten Stufe werden natürliche Exponenten a = n N mit n 1 behandelt, und bei diesen ist für die Basis x jede reelle Zahl zugelassen. Für x R und n N mit n 1 definieren wir die Potenz x n als x n := x }.{{.. x}. Nullte Potenzen werden dagegen durch x 0 := 1 für alle x R eingeführt, also insbesondere 0 0 = 1. Interpretieren wir ein Produkt mit Null Faktoren per Konvention als 1, so deckt sich diese Definition mit derjenigen von x n für n 1. Aus den Körperaxiomen folgen die Potenzrechenregeln, also (xy) n = x n y n, x n x m = x n+m und (x n ) m = x nm jeweils für alle x, y R, n, m N. Diese Regeln wollen wir jetzt nicht strikt formal vorführen, sondern uns auf eine etwas informelle Begründung verlassen. Zunächst sind x n x m = } x.{{.. x} x... x }{{} m mal 4-8 = x }.{{.. x} = x n+m n + m mal
9 und (x n ) m = x n... x n }{{} m mal = } x.{{.. x}... x }.{{.. x} } {{ } m mal = x }.{{.. x} = x nm nm mal und mit dem Kommutativgesetz der Multiplikation ergibt sich auch x n y n = } x.{{.. x} y... y }{{} = xy... xy = (xy) }{{} n. Man kann nun noch die übliche Formel für die Potenzen von Brüchen herleiten, im Fall y 0 ist zunächst (y 1 ) n y n = (y 1 y) n = 1 n = 1 = (y n ) 1 y n und somit auch (y 1 ) n = (y n ) 1, also schließlich ( ) n x = (xy 1 ) n = x n (y 1 ) n = x n (y n ) 1 = xn y y. n Beachte das x (nm) (x n ) m ist, zum Beispiel ist (2 3 ) 4 = 2 12 = 4096 während 2 (34 ) = 2 81 = sehr viel größer ist. Im Fall positiver Basen bleiben Ordnungsbeziehungen beim Potenzieren erhalten. Sind x, y R mit 0 < x < y und n N mit n 1, so haben wir auch x n = x... x }{{} < y... y = y }{{} n und haben wir x, y R mit 0 x y so folgt analog sogar für jedes n N das x n y n ist. Kombinieren wir dies mit den Kontrapositionen dieser Aussagen so ergibt sich auch, dass für alle x, y R und alle n N mit x, y > 0, n 1 genau dann x < y ist wenn x n < y n gilt. Wie sich die Anordnung von Potenzen bezüglich des Exponenten verhält hängt von der Lage der Basis zur Eins ab. Sind n, m N mit n < m so haben wir für jede reelle Zahl x > 1 x n = x... x }{{} = x }.{{.. x} }{{} m < x }.{{.. x} x }.{{.. x} = x m m während sich im Fall 0 < x < 1 analog x n > x m ergibt. Berücksichtigen wir auch noch die Gleichheitsfälle so ist für alle x R mit x 1 und alle n, m N mit n m stets auch x n x m während für x R mit 0 x 1 und n, m N mit n m die Ungleichung x n x m gilt. Insgesamt gilt damit für alle x R und alle n, m N auch das im Fall x > 1 genau dann x n < x m gilt wenn n < m ist und im Fall 0 < x < 1 ist genau dann x n < x m wenn n > m ist. Als Funktion von x wächst die Potenz x n damit umso schneller je größer n ist, für unsere folgenden Überlegungen benötigen wir diese Aussage allerdings in einer etwas spezifischer quantifizierten Form. Wir wollen uns die sogenannte Bernoullische 4-9
10 Ungleichung überlegen, diese besagt das für alle reellen Zahlen x mit x 1 und alle natürlichen Zahlen n stets (1 + x) n 1 + nx ist. Für n = 0 und n = 1 ist dies klar, und für n = 2 kann man es leicht einsehen, es ist etwa (1 + x) 2 = 1 + 2x + x x da Quadrate niemals negativ sind. Der Fall n = 3 ist schon komplizierter. Gehen wir zunächst einmal wie im Fall n = 2 vor, so haben wir die Rechnung (1 + x) 3 = (1 + 2x + x 2 ) (1 + x) = 1 + 3x + 3x 2 + x 3 = 1 + 3x + x 2 (3 + x) 1 + 3x da x+3 2 ist. Man könnte jetzt so fortfahrend argumentieren, allerdings wird in jedem Schritt die Anzahl der überzähligen Summanden größer und damit die Abschätzung schwerer und zum anderen werden auf diese Weise nur spezielle Werte von n behandelt, die Bernoullische Ungleichung ist aber für beliebige n N formuliert. Um eine Idee zu kriegen wie ein allgemeines n behandelt werden kann, schauen wir uns den Fall n = 3 noch einmal auf eine etwas andere Weise an. Wir wissen bereits (1 + x) x und multiplizieren wir diese Ungleichung mit 1 + x 0, so folgt (1 + x) 3 (1 + x) (1 + 2x) = 1 + 3x + 2x x. Dies ist zunächst einmal keine nennenswerte Vereinfachung, diese Methode läßt sich jetzt aber wiederholen. Multiplizieren wir das Ergebnis (1 + x) x wieder mit 1 + x 0 so wird auch (1 + x) 4 (1 + x) (1 + 3x) = 1 + 4x + 3x x, und wir haben den Fall n = 4 auf einfache Weise behandelt. Die Bernoullische Ungleichung für n = 4 folgt also aus der Bernoullischen Ungleichung für n = 3, und diese folgt wiederum aus derjenigen für n = 2. Dies setzt sich immer so fort, die Bernoullische Ungleichung für n = 4 liefert erneut durch Multiplikation mit 1+x diejenige für n = 5, daraus folgt die für n = 6, dann für n = 7 und immer so weiter. Eine systematische Auswertung dieser Idee führt jetzt auf die Methode der sogenannten vollständigen Induktion, die wir in der nächsten Sitzung behandeln wollen. 4-10
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