Definition 3.1: Ein Differentialgleichungssystem 1. Ordnung
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- Cornelia Raske
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1 Kapitel 3 Dynamische Systeme Definition 31: Ein Differentialgleichungssystem 1 Ordnung = f(t, y) ; y R N ; f : R R N R N heißt namisches System auf dem Phasenraum R N Der Parameter t wird die Zeit genannt Das Vektorfeld f(t, y) heißt autonom, wenn es nicht explizit von der Zeit abhängt: / = f(y) Bemerkung 32: Mit z := (t, y) T R R N, dz/ = g(z) := (1, f(t, y)) T läßt sich jedes System durch Vergrößerung des Phasenraums autonom machen: = f(t, y) d ( ) ( ) t 1 = y f(t, y) Bemerkung 33: Eine Differentialgleichung höherer Ordnung d d k y k ( = f t, y,,, d k 1 y ) k 1 ; y R n (#) läßt sich als namisches System auf einem größeren Phasenraum interpretieren: t 1 z z 1 z 1 z 2 z k 2 z k 1 = z k 1 f(t, z,, z k 1 ) R } R n {{ R n } R N = R 1+nk Setzt man z = y, so folgt z i = d i y/ i R n, i =,, k 1 Der letzte Block dz k 1 / = k / k = f(t, z,, z k 1 ) repräsentiert dann (#) 17
2 18 KAPITEL 3 DYNAMISCHE SYSTEME Damit reicht es, numerische Verfahren zu Lösung von / = f(y) zu entwickeln, die für beliebiges (glattes) f auf beliebigen Phasenräumen funktionieren Es geht hier um das Anfangswertproblem (AWP) = f(y) ; y(t ) = y (#) Randwertaufgaben (Vorgabe von Daten zu verschiedenen Zeiten) erfordern andere Methoden Existenz und Eindeutigkeit für / = f(t, y) auf dem R N sind unter minimalen Voraussetzungen an das Vektorfeld garantiert: Satz 34: (Existenzsatz von Peano) Sei f(t, y) stetig auf einem offenem Gebiet Ω R R N, sei (t, y ) Ω Dann hat das AWP (#) mindestens eine Lösung, die sich bis zum Rand von Ω fortsetzen läßt Beweis: siehe zb [W Walter, Gewöhnliche Differentialgleichungen, Springer, Kap II1] Bemerkung 35: Es können die Fälle auftreten: a) die Lösungen existieren für alle t [t, ), b) lim t < T <, t T c) ( ) lim (t, y(t)), Ω = für t t < T < t T (mit dist = Abstand zum Rand Ω) Beispiele für diese Fälle sind zb in [Deuflhard & Bornemann] zu finden Analoges gilt für Zeiten t t Satz 36: (Eindeutigkeit der Lösung) Sei f(t, y) stetig auf einem offenem Gebiet Ω R R N und Lipschitzstetig bzgl y, dh, es existiert L mit f(t, y 1 ) f(t, y 2 ) L y 1 y 2 (t, y 1 ), (t, y 2 ) Ω Dann ist die Lösung aus Satz 34 eindeutig Beweis: siehe zb [W Walter]
3 Bemerkung 37: Lokale Lipschitz-Stetigkeit reicht für Eindeutigkeit: zu jedem (t, y) Ω R R N existiere eine Umgebung U(t, y) und eine Lipschitz- Konstante L = L(t, y), so daß f(t, y 1 ) f(x, y 2 ) L y 1 y 2 (t, y 1 ), (t, y 2 ) U(t, y) Zusammenfassung: Sei f(t, y) stetig und stetig differenzierbar bezüglich y (und damit lokal Lipschitz-stetig in y) Dann existiert lokal, dh, für hinreichend kleine h, eine eindeutige Lösung y(t + h) des AWP (#) Bemerkung 38: Für spezielle Gebiete gelten weitergehende Aussagen, zb: Sei Ω = [t, t 1 ] R N, f : Ω R N stetig und global Lipschitz-stetig bzgl y (dh, die L-Konstante ist global gültig auf Ω) Dann existiert die Lösung y(t) t [t, t 1 ] Vergleiche zb [Walter, II1, Satz VII] Im folgenden wird f(t, y) als hinreichend glatt (mindestens stetig differenzierbar) vorausgesetzt Definition 39: Sei y(t; t, y ) die Lösung des AWP / = f(t, y) ; y(t ) = y Die Abbildung F t,t : R N R N y y(t; t, y ) heißt Fluß des namischen Systems (auch Zeitschritt t t genannt) Satz 31: (Gruppenstruktur des Flusses) Es gilt F t,t1 F t1 t = F t,t für alle Zeiten t, t 1, t R, für welche die Flüsse definiert sind Beweis: Sei u(t) = (F t,t1 F t1,t )(y ) = y(t; t 1, y(t 1 ; t, y )) Diese Funktion erfüllt du = f(t, u) und u(t 1) = y(t 1 ; t, y ) Sei v(t) = F t,t (y ) = y(t; t, y ) Diese Funktion erfüllt dv = f(t, v) und v(t 1) = y(t 1 ; t, y ) Also: u und v sind beide Lösungen des AWP dz/ = f(t, z); z(t 1 ) = y(t 1 ; t, y ) Aus der Eindeutigkeit von Lösungen folgt u = v 19
4 2 KAPITEL 3 DYNAMISCHE SYSTEME Satz 311: (Gruppenstruktur autonomer Systeme) Für autonome Differentialgleichungen / = f(y) hängt F t,t nur von der Differenz t t ab: Mit der Notation F h F t +h,t F = id, F h2 F h1 = F h1 F h2 = F h1 +h 2, F h F h = F h F h = id Beweis: Seien F t +h,t = F t1 +h,t 1 t, t 1, h R (unabhängig von t ) gilt ( Gruppenstruktur des Flusses ) u(h) = F t +h,t (y ) = y(t + h; t, y ), v(h) = F t1 +h,t 1 (y ) = y(t 1 + h; t 1, y ) Beide Funktionen erfüllen dieselbe Differentialgleichung: du dh = f(u), dv dh = f(v) Außerdem gilt u() = y(t ; t, y ) = y = y(t 1 ; t 1, y ) = v() Mit der Eindeutigkeit von Anfangswertproblemen folgt u = v Zur Gruppenstruktur: F = F t,t = id ist klar, (31) F h2 F h1 F t +h 1 +h 2,t +h 1 F t +h 1,t = F t +h 1 +h 2,t F h1 +h 2, F h F h = F h h = F = id Bemerkung 312: Sei y(t) = y(t; t, y ) die Lösung des AWP / = f(y), y(t ) = y Mit F h (y(t)) = (F t+h,t F t,t )(y ) = F t+h,t (y ) = y(t + h) wirkt F h auf Lösungskurven als Zeitverschiebung F h : y(t) y(t + h) Bemerkung 313: Sei F h der Fluß von / = f(y) und F h sei der Fluß von / = f(y) Dann gilt F h F h = F h F h = id, also F h = (F h ) 1 = F h Beweis: Sei y(t; t, y ) die Lösung des AWP = f(y) ; y(t ) = y und ỹ(t; t, y ) die Lösung des AWP = f(y); y(t ) = y Es gilt ỹ(t; t, y ) = y(2 t t; t, y ), denn diese Funktion löst das zweite AWP, Eindeutigkeit Damit folgt F t t F 2 t t,t = F t,t F t t
5 21 Beispiele 314: a) Eine lineare Differentialgleichung / = Ay mit einer konstanten Matrix A hat die Lösung y(t) = e (t t )A y, also F t,t = F t t = e (t t )A b) Das skalare System / = y 2, y(t) R, hat die Lösung y(t) = y(t ) 1 (t t ) y(t ) Damit ist der Fluß die Abbildung F h : y y 1 hy, definiert für h (, 1 y ) für y >, h ( 1 y, ) für y <, h (, ) für y = Zusammenfassung: Lösen eines autonomen Systems / = f(y) auf R N heißt: finde die 1-parametrige Abbildungsschar F h : R N R N, welche F = id, F h2 F h1 = F h2 +h 1, F h = F 1 h erfüllt Numerisch: finde Approximationen von F h Ein numerischer Integrator I h : R N R N ist eine 1-parametrige Schar von Abbildungen mit möglichst kleinem Verfahrensfehler F h I h Numerisches Lösungsverfahren 315: Zur Lösung des AWP = f(y), y(t ) = y wähle Stützwerte t, t 1 = t + h, t 2 = t 1 + h 1, mit Schrittweiten h i und berechne iterativ also y k+1 = I hk (y k ) mit dem Start y, y exakt (t + h + h h n ) = F hn F hn 1 F h (y ) I hn I hn 1 I h (y ) Ziel: finde I h, so daß I h F h klein ist für kleines h (systematische Konstruktionen von I h folgen später) Problem: schon ein einzelner Schritt y y 1 = I h (y ) führt auf eine Nachbartrajektorie Damit ist zu klären: wie weit können benachbarte Trajektorien im Laufe der Zeit auseinander laufen?
6 22 KAPITEL 3 DYNAMISCHE SYSTEME Bemerkung 316: Integralgleichung Das AWP / = f(y), y(t ) = y ist äquivalent zur t y(t) = y + f(y(t)) t Lemma 317: (Gronwall) Sei g : [, ) R stetig und es gelte g(t) g() + L t g(h) dh t [, ) mit einer Konstanten L Dann folgt g(t) g() e tl t [, ] Beweis: Sei ɛ > beliebig Zeige g(t) (g() + ɛ) e tl (womit die behauptete Abschätzung folgt, da für jedes t ein beliebig kleines ɛ gewählt werden kann) Angenommen, existiert Es gilt und damit T := inf{ h [, ) ; g(h) (g() + ɛ) e hl }, g(h) < (g() + ɛ) e hl h [, T ) g(t ) = lim g(h) (g() + ɛ) h T et L Wäre g(t ) < (g() + ɛ) e T L, so gälte auch g(h) < (g() + ɛ) e hl auf einer Umgebung von T im Widerspruch zu T = inf{} Also gilt Es folgt der Widerpruch g(t ) g() + L g(t ) = (g() + ɛ) e T L T < g() + ɛ + L Hiermit ergibt sich der folgende g(h) dh T (g() + ɛ) e h L dh = (g() + ɛ) e T L Satz 318: (Abhängigkeit der Lösung von den Anfangsdaten) Der Fluß F h des Systems / = f(y) mit Lipschitz-stetigem Vektorfeld f(y ) f(z ) L y z ist wieder Lipschitz-stetig mit F h (y ) F h (z ) e hl y z, h
7 23 Beweis: Es seien y(t + h) = F h (y ) und z(t + h) = F h (z ) die Lösungen zu den Anfangswerten y bzw z zum Zeitpunkt t Mit Bemerkung 316 gilt und folglich t +h F h (y ) = y + F h (z ) = z + t t +h t (t) dz(t) = y + = z + f(y(t + τ)) dτ f(z(t + τ)) dτ F h (y ) F h (z ) y z + f(y(t + τ)) f(z(t + τ)) dτ y z + L y(t + τ)) z(t + τ)) dτ Das Gronwall-Lemma mit g(h) = F h (y ) F h (z ), g() = y z liefert sofort die Behauptung Interpretation: + Der Fluß F h (y) ist Lipschitz-stetig in y (auch glatter, wenn f(y) glatter ist) Die Lipschitz-Konstante e hl wächst exponentiell mit der Zeit h : Langzeitintegration ist numerisch prinzipiell ein Problem für solche Systeme, für welche die Abschätzung aus Satz 318 realistisch ist ( instabile Differentialgleichungen )
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