Plötzlicher Herztod bei jungen Sportlern
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- Hennie Fuhrmann
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1 Priv.-Doz. Dr. med. Roman Leischik Universität Witten/Herdecke Fakultät für Gesundheit/Humanmedizin Abteilung für Kardiologie Leitung Sektion für Prävention und Sportmedizin Gefahr rechtzeitig erkennen: Screening-Empfehlungen für Athleten unter 35 Jahren Plötzlicher Herztod bei jungen Sportlern Der plötzliche Herztod bei jungen Sportlern (unter 35 Jahren) ist zwar selten, aber immer tragisch. In Anbetracht neuer Daten und neuer diagnostischer Verfahren soll das Phänomen hier diskutiert werden. Werden durch intensive sportliche Betätigung kardiale Strukturen geschädigt? Der plötzlicher Herztod (PHT) ist bei jungen Athleten (< 35 Jahre) relativ selten (1: : /Personenjahre) [14]. Pro Jahr sterben in den USA junge Athleten, in Frankreich ca [34]. Meist tritt der Tod bei körperlicher Belastung oder kurz danach auf [12, 34]. Studien aus den USA und Europa geben Beim Triathlon ereignen sich die meisten kardialen Todesfälle im Wasser. stefanschurr/thinkstock Ursachen an, die sich z. T. erheblich unterscheiden (s. Tab. 1). Wird der rechte Ventrikel geschädigt? Die Hypothese der Schädigung des rechten Ventrikels (RV) geht auf die Beschreibung [47] akuter Todesfälle im Zusammenhang mit der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVK) zurück (Häufigkeit bis zu 24%). Diese Häufigkeit wurde von keiner anderen Arbeitsgruppe beschrieben. LaGerche et al. [26] berichteten 2012 über ein strukturelles Remodelling (Volumenüberlastung) des RV bei Ausdauerathleten. Heidbüchel et al. [19] postulierten den Begriff einer belastungsinduzierten rechtsventrikulären arrhythmogenen Kardiomyopathie, die über repetitive Mikrotraumen zu chronischen und strukturellen Veränderungen des RV und einer Proarrhythmogenität führen könnte [19]. Bei pathologisch-anatomischen Studien in den USA und in Frankreich war eine Beteiligung des RV als mögliche Ursache des PHT selten [34, 36]. In der Arbeit von LaGerche [26] wird nach Ausdauerwettkämpfen eine geringe Zunahme des enddiastolischen Volumens des RV um 9 ml (5%, von 170 ± 30 ml) beschrieben und als Hinweis für eine Schädigung des RV gewertet. Doch die Arbeit weist Schwächen auf: mangelhafte Dokumentation des Gewichts/der Trinkmengen, unterschiedliche Sportarten, keine Angaben zu Interobserver-Variabilität. Durch die Brisanz der Aussage hat die Arbeit jedoch viel Resonanz erhalten. Ein weiteres Problem der Arbeit ist die Volumenbeurteilung des RV: Mittels Echokardiografie ist dies kaum korrekt zu bestimmen [27] und mittels MRT kann die Interobserver-Variabilität bei der Bestimmung der Volumina des RV bei bis zu 16% liegen [40]. Die Effekte der Vorlast/Nachlast-Änderung und die Änderung des Adrenalinstatus sind unter der Belastung erheblich. Gerade im Ziel nehmen z. B. Triathleten akut bis zu 1 1,5 l Volumen zu sich. Unklar ist ebenfalls, warum die RV-Masse, die nur 25% der LV-(Linker Ventrikel-)Masse ausmacht, gerade den Anstieg der Biomarker verursachen soll und nicht der LV. Eine individuelle genetische Disposition [7, 20] und über Jahre wiederholte anaerobe Belastungen können zu Schädigungen/Fibrosierungen des Herzmuskels führen [24, 42, 51]. Die nebenwirkungsfreie Dosis des Wettkampfsports [6] ist unbekannt. Auch die phänotypische Abhängigkeit [7] sollte berücksichtigt und durch weitere Studien überprüft werden. Todesfälle beim Triathlon Die meisten Todesfälle beim Triathlon ereignen sich im Wasser [17]. Dies hat in Amerika zu einer breiten Diskussion ge- 44 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (13)
2 führt, ob nicht der Massenstart im Was- ser [1] zugunsten eines fl y i n g s t a r t s (hintereinander ins Wasser springen) verändert werden sollte. Praktiziert wird dies schon beim Ironman-Kentucky. Bei den Langdistanzen betrifft der PHT meistens ältere Sportler > 35 Jahre. Hier spielen die KHK K [ 28, 34] und möglicherweise Stress als Trigger eine Rolle. Inwieweit chronische Infektionen (z. B. der Lunge/ Myokarditis durch Chlamydia a pneumo- niae [50]) bedeutsam sind, muss durch Studien überprüft werden. Es lohnt sich, bei Athleten, bei denen Schwäche auftritt, gezielt diese Antikörper zu bestimmen. Grundsätzlich sollten Athleten vor anstrengenden Wettkämpfen gründlich untersucht werden [28, 29, 32]. Screeningempfehlungen (Tab. 2) Sportliche Aktivität ist bei jungen Athleten < 35 Jahren nicht per se mit dem Risiko eines PHT verbunden. Ein individuelles Risiko besteht ggf. aufgrund einer stillen Disposition [13]. Diese kann durch die körperliche Belastung negativ bis zum PHT getriggert werden. Es gibt allgemeine Empfehlungen zur Identifikation von Risikopersonen [5, 25, 28, 29, 41, 46]. Insgesamt kann man subsumieren, dass bei jüngeren Athleten < 35 Jahre die hypertrophe Kardiomyopathie und stille KHK relativ häufig als Ursachen genannt werden. In fraglichen Fällen sollte man also unbedingt eine Echokardiografie und einen Belastungstest durchführen. 40% der Sportler haben abnorme EKG-Befunde [35], die eine Interpretation des Belastungs-EKGs erschweren. Deshalb sollte aus prognostischer Sicht eine Stressechokardiografie erfolgen [30]. Palpitationen/subjektive Herzrhythmusstörungen bedürfen immer eines Langzeit-EKGs. Auch an eine Basis- oder erweiterte Blutuntersuchung bei möglichen Infektionen (z. B. Antikörper gegen Borrelien, Chlamydia a pneumoniae, Epstein- Barr-Virus) sollte gedacht werden. Bei V. a. eine Myokarditis, Fibrosierung (v. a. beim langjährigen Sportler) oder rechtsventrikuläre Dysplasie sollte ein MRT veranlasst werden [8, 25]. In welchem Ausmaß die neue Strain- Technologie [25, 31] mit der quantitati- Tabelle 1 Ursachen kardial bedingter plötzlicher Todesfälle bei jungen Sportlern (12 35 Jahre) in % Hypertrophische Kardiomyopathie (HCM) Maron 2007 n = 1049 Corrado 2003 n = 55 Solberg 2010 n = ,8 4,3 10 KHK ARVK Koronare Anomalie ,3 Mögliche HCM 11,3 4 RIVA-Muskelbrücke 2,2 3,6 2 Myokarditis 5, Aorten-/Herzruptur 2,2 1,8 4,3 2 Aortenstenose/angeborenes Vitium 1,8 4,3 6 MKP 4 7,3 2 Dilatative KM 2 1,8 4 Unklar 1,8 36 Überleitung/QT/WPW 3 1,8 8,7 12 KM = Kardiomyopathie; KHK = Koronare Herzkrankheit; ARVK = arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie; MKP = Mitralklappenprolaps ven Analyse der Deformation des linken und rechten Ventrikels weitere Informationen bringt (Abb. 1), bleibt abzuwarten. Potenzielle Nebenwirkungen des ambitionierten Ausdauersports Was die potenziellen Nebenwirkungen des ambitionierten Ausdauersports betrifft, vertreten aktuelle Übersichtsarbeiten z. T. unterschiedliche Auffassungen [24, 28, 37, 39, 43]. Scharhag et al. [43] kommen zu dem Ergebnis, dass ambitionierter Ausdauersport zu keiner myokardialen Schädigung führt, wohl aber zu Herzrhythmusstörungen. O Keefe et al. [37] stimmen der Auffassung zu, dass Ausdauerathleten geringere Mortalitätsraten haben als die Allgemeinbevölkerung. Sie halten jedoch die Hypothese, dass das exzessive Ausdauertraining zu einem negativen kardiovaskulären Remodelling führen kann, für möglich. Marijon et al. [34] fanden heraus, dass die kardiale Mortalität bei jungen ambitionierten Athleten (Wettkampfsportlern) fünfmal höher ist (relatives Marijon 2011 n = 50 Risiko (RR) 9,8, 95% CI 3,7 16) im Vergleich zu nicht an Wettkämpfene Teilneh- menden (RR 2,2, 95% CI 1,4 3,0). Diese Tatsache unterstützt die Ansicht, dass Wettkampfsportler < 35 Jahre genauer betrachtet werden sollten, um Risikopersonen zu identifizieren. Aufgrund von Tierexperimenten [4, 15] und Humanstudien [22, 48] besteht die Theorie des oxidativen Stress. Auch nicht von der Hand zu weisen ist, dass eine negative Triggerung einer bestehenden Disposition stattfinden kann [13, 28]. Möglicherweise spielen hier die individuelle Veranlagung [20] und das persönliche Risikoprofil eine Rolle [11, 13]. Aufgrund der diskutierten Studien kann postuliert werden, dass eine massive physikalische Belastung auch bei trainierten Sportlern zu kardiovaskulären Nebenwirkungen führen kann. Deshalb sollten sich wettkampforientierte Sportler < 35 Jahren bei subjektiven Beschwerden und Beginn eines ambitionierten Trainings einer gezielten kardiologischen Untersuchung unterziehen. MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (13) 45
3 Tabelle 2 Screening bei jungen Sportlern (Vorschlag der Sektion Sportmedizin der Univ. Witten-Herdecke) Eingangstests Anamnese/körperliche Untersuchung (KU), Ruhe-EKG Belastungs-EKG mit RR-Messung, Lungenfunktion Echokardiografie (RV/LV/Klappenfunktion/Vorhöfe) Strain-RV-LV als Forschungsmethode Basisblutbild: Diff-BB, Eisen, TSH, CRP, GOT/GPT, ASL, Kreatinin, Ferritin Vor Ausdauersport: Spiroergometrie zur Leistungseinschätzung/Trainingssteuerung, Bei auffälligem EKG: Stressechokardiografie Abb. 1 Rechter Ventrikel bei einem jungen Sportler mit regulärer Deformation in der Systole in allen Segmentbereichen. R. Leischik Kontrolluntersuchungen (jährlich) Anamnese/KU, Ruhe-EKG Echokardiografie Leistungstest: Spiroergometrie mit Belastungs-EKG/RR-Messung Basis-Blutentnahme Kontrolluntersuchungen bei Auffälligkeiten (z. B. Leistungsabfall/ Infektion/Übertraining) Erweiterte Blutuntersuchung: Diff-BB, ft3, ft4, TSH, Elektrophorese, γ-gt, GOT, GPT, Kreatinin, CK, CRP, Elektrolyte Vit. D3, Eisen, Ferritin, Immunglobuline quantitativ AK: Borrelien, Chlamydien pneumoniae, Epstein-Barr-Virus; wenn keine klare Diagnosestellung erfolgt, weitere AK-Bestimmung: Coxackie-Virus, Echo-Virus, Cytomegalie-Virus, Mykoplasmen, Varizellen-Zoster-Virus ggf. Hormone: Cortisol/Testosteron/Östrogene/Progesteron Echokardiografie/Ruhe-EKG/ Abdomensonografie (Milz/Leber/ Lymphknoten) Kontrolluntersuchungen in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und Basisuntersuchungen MRT/Langzeit-EKG/Stressechokardiografie/Spiroergometrie Darüber hinaus werden jährliche Kontrolluntersuchungen empfohlen (Tab. 2). Unter Belastung spielt auch die nicht eingestellte arterielle Hypertonie als Triggermechanismus eine wichtige Rolle [21, 33]. Deren negative Bedeutung kann nicht genug betont werden, v. a. für im Alter evtl. auftretendes Vorhofflimmern/Rhythmusstörungen [2, 10, 31]. Die Kosten-Nutzen-Relation einer kombinierten Belastungs-EKG/Echokardiografie-Untersuchung oder Spiroergometrie/Echokardiografie ist gemessen am Gesamtaufwand [16] des Wettkampfsports in Deutschland [23] ohne Probleme akzeptierbar. Ausblick Die Hypothesen des negativen rechtsventrikulären Remodellings oder des negativen kardiovaskulären Remodellings durch die physische Belastung müssen experimentell überprüft und prospektiv unter Berücksichtigung aller Einflussfaktoren des Wettkampfs an größeren Kollektiven untersucht werden. Dies gilt auch für die richtige Dosis der sportlichen Aktivität. Daneben sollte jedoch nicht die Wichtigkeit physikalischer Aktivität in der Bevölkerung [38] vergessen werden. Das hier empfohlene Trainingsniveau (bis zu fünfmal in der Woche min moderates körperliches Training [3, 18] im aeroben Bereich) steht nicht zur Diskussion. Literatur unter mmw.de Anschrift des Verfassers: Priv.-Doz. Dr. med. Roman Leischik, Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit/Humanmedizin, Sektion Prävention, Gesundheitsförderung und Sportmedizin, Abt. Kardiologie, Elberfelderstr. 1, D Hagen, info@dr-leischik.de Fazit für die Praxis Der sportbedingte plötzliche Herztod bei Sportlern < 35 Jahre trifft männliche Athleten fünfmal häufiger als Nicht-Athleten. Frauen sind bis zu 20- mal seltener betroffen. Die negative Triggerung einer Disposition durch starke körperliche Belastung ist möglich. Entsprechend sollte beim Screening an eine individuelle Disposition/ Ursache (Tab. 1) gedacht werden. In Einzelfällen, bei einer genetischen Belastung oder Inflammation sind kardiovaskuläre Schädigungen durch starke physische Anstrengung möglich und sollten berücksichtigt werden. Keywords Sudden cardiac death in young athletes. New screening recommendations Sudden cardiac death triathlon cardiac fatique athletes 46 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (13)
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