Deutscher Bundestag Drucksache 17/13109 17. Wahlperiode 16. 04. 2013 Entschließungsantrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Johanna Voß, Werner Dreibus, Michael Schlecht und der Fraktion DIE LINKE. zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksachen 17/10365, 17/12940 Neunzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2010/2011 Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: DieMonopolkommissionistnichtzuderimvorliegendenXIX.HauptgutachtenmitgeteiltenEntscheidungberechtigt,diegemäß 44Absatz1und 47 Absatz1Satz3desGesetzesgegenWettbewerbsbeschränkungen (GWB)obligatorischegesamtwirtschaftlicheKonzentrationsberichterstattungeinzustellen. Sieistauchnichtberechtigt,alternativdiefakultativerstelltenEinzelstudien nach freiem Ermessen zu erweitern und ggf. extern zu vergeben. DieBundesregierungistihrerseitsnichtberechtigt,dieEinstellungdergesamtwirtschaftlichenKonzentrationsberichterstattungzulegitimierenundsodieZuständigkeitdesGesetzgeberszuverletzen.VielmehrhatdieBundesregierung nach 44Absatz3Satz2GWBzudenHauptgutachtenderMonopolkommissiongegenüberdengesetzgebendenKörperschafteninangemessenerFristinhaltlichStellungzunehmen.EineentsprechendeStellungnahmezudeminden 44und47GWBvorgeschriebenengesamtwirtschaftlichenKonzentrationsberichtimXIX.Hauptgutachten2010/2011hatdieBundesregierung wiebereitsschonzumxviii.hauptgutachten2008/2009 unterlassen.diezahlreichen,derbundesregierungbekannten,imaktuellenkonzentrationsberichterneutfehlerhaften,irreführendenundteilsabwegigenangabenzurverflechtung und Konzentration deutscher Unternehmen werden übergangen. DengesetzlichenAuftragzurgesamtwirtschaftlichenKonzentrationsberichterstattunghatdieMonopolkommissioninihrem2012vorgelegtenXIX.Hauptgutachten wiebereits2008und2010imxvii.undxviii.hauptgutachten nichterfüllt.diebeschränkungaufeineunkommentierte,imanhangbeigefügte,rechnerischfehlerhaftecdineinemnichtweiterverarbeitungsfähigen DV-Format genügt den gesetzlichen Ansprüchen nicht. DieReduzierungdeseinbezogenenVerflechtungsnetzwerksderdeutschenUnternehmenaufeinenBruchteilseinestatsächlichenUmfangserlaubtkeineempirischbelastbarenundwirtschaftspolitischrelevantenSchlussfolgerungenund Empfehlungen.HierliegteineUrsachefürvielfachrechnerischfalsche,begrifflichunmögliche,sachlichverfehlteundteilsabwegigeErgebnisse.Dies
Drucksache 17/13109 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode betrifftvorallemdenangegebenenverflechtungs-undkonzentrationsgradder UnternehmenindeneinzelnenBereichenderWirtschaft,denAnteilstaatlich oderausländischkontrollierterunternehmen,derenhorizontaleundvertikale DiversifizierungundnichtzuletztdenAnteildesselbständigenMittelstandes. AnderKompetenzderMonopolkommissionaufempirischemGebietbestehen deshalb begründete Zweifel. II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1.dievonderMonopolkommissioneigenmächtiggetroffeneEinstellungder gesamtwirtschaftlichenkonzentrationsberichterstattunggemäß 44Absatz1 und 47 Absatz 1 Satz 3 GWB zurückzuweisen; 2.aufzuklären,auswelchenGründendieMonopolkommissiondengesetzgebendenKörperschaftenwiederholtvielfachfalsche,nichtglaubwürdigeund nichtnachprüfbareergebnissezurverflechtungundkonzentrationderwirtschaft vorgelegt hat; 3.zugewährleisten,dassdiegesamtwirtschaftlicheKonzernberichterstattung zukünftignachhaltigaufeinerbreiterenundbelastbarenempirischenbasis mitmethodischadäquatenverfahrenundempirischnachprüfbarenergebnissen erstellt wird. Berlin, den 16. April 2013 Dr. Gregor Gysi und Fraktion Begründung 1.Fehlerhafte Ergebnisse AusdenAngabenimKonzentrationsberichtzumXIX.HauptgutachtenderMonopolkommissionfolgtrechnerisch,dassüberdieHälftederKonzerneund sonstigenunternehmensgruppennurauseinemeinzigenkontrollierten,wirtschaftlichaktivenunternehmenbestehensoll.dasistbereitsbegrifflichunmöglich,daeineunternehmensgruppeausmindestenszweiunternehmenbesteht. Das Ergebnis ist vor allem auch empirisch abwegig. DieFolgeeinerunrealistischenDatenbasissindfehlerhafteErgebnisse:BeispielsweisesollimLebensmitteleinzelhandelderMarktanteilderzehngrößten Unternehmenrund65Prozentbetragen.TatsächlicherreichtderMarktanteil nachallgemeinzugänglichenquellennahezu90prozent.diemessungder MarkmachtvonBankenundVersicherungennachderAnzahlderBeschäftigtenistabwegig.RegelrechtabsurdistdieBerechnungderwirtschaftlichen KonzentrationfürreligiöseVereinigungen,Kindergärten,Grundschulen,Arbeitnehmer- und Arbeitgebervereinigungen etc. Bereitsrechnerischoffensichtlichfalsche,sachlichunrealistischeundabwegige ErgebnissezurVerflechtungundKonzentrationhättendemDeutschenBundestagalsGrundlagewirtschaftspolitischrelevanterEntscheidungennichtvorgelegtwerdendürfen.VorallemgebendieempirischenErgebnisseordnungspolitischeinfalschesSignal:WirdeinehoheAnzahlkontrollierterUnternehmen undgruppenangegeben,abernurzueinembruchteilausgewertet,erscheint diewirtschaftspolitischerelevanzderverflechtungundkonzentrationinder Wirtschaft als vernachlässigbar gering.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/13109 2.Fehlerhafte Datenbasis DieMonopolkommissionhatbereitszumXVII.HauptgutachtendieDatenbasis zumverflechtungsnetzwerkderdeutschenunternehmendrastischummehrals diehälftereduziert.siebehauptet,fürdiesesgutachtenhätteeine Vergleichsrechnung ergeben,dassdiemehrheitderkontrolliertenverflechtungender Unternehmenempirischirrelevantsei.DieErgebnissederVergleichsrechnung wurdenjedochnichtoffengelegt.siesindwederglaubwürdignochnachprüfbar.bereits2008hatderbundestagspräsident gestütztaufeingutachtendes WissenschaftlichenDienstesdesDeutschenBundestages festgestellt,dass diebeschränkungaufeineeinzelnekommerzielledatenquelleunddienichtzugänglichkeitdervergleichsrechnungeineeinschränkungderdatenqualität undderennachprüfbarkeitdarstellen.diebundesregierungunddiemonopolkommissionhabendiesesergebnisnichtbeachtet,anderproblematischenbeschränkungderdatenquellefestgehaltenunddadurchdiefehlerunddefizite der Berichterstattung weiter verschärft. 3.Irreführung des Parlaments Erst2011stelltesichheraus,dassdie2008behauptetemaßgebliche Vergleichsrechnung fürdasxvii.hauptgutachtennichtexistiert.vielmehrhandeltes sichumeinestillschweigenderevisionderdemdeutschenbundestagbereits 2006vorgelegtenErgebnissezumXVI.Hauptgutachten.Diesesollenaufder gleichendatenbasiszukonträrenergebnissengeführthaben.hierüberwurde derdeutschebundestagnichtinformiert.er wieauchderbundesrat,diebundesregierungunddiefachöffentlichkeit vertrautenweiteraufdieverlässlichkeitderergebnisseundderenbeurteilungimxvi.hauptgutachten.neben einerirreführungdesparlamentsergebensichdamiteinezusätzlicheeinschränkungderglaubwürdigkeitderergebnisseundhöherefehlerhaftigkeit.eine OffenlegungderErgebnissederVergleichsrechnunghatdieMonopolkommissionineinembeleidigendenSchreibenandenBundestagspräsidentenvonAnfanganabgelehnt.DesgleichenwarenAnfragenausdemDeutschenBundestag erfolglos.dadieangabennahezuohneausnahmenichtderstatistischengeheimhaltungunterliegen,liegthiereinemissachtungdesparlamentsalsgesetzlicher Auftraggeber der Monopolkommission vor. 4.Ersatzlose Einstellung DieMonopolkommissionkündigteinihrenvorangehendenHauptgutachten mehrfacheine Modernisierung derkonzentrationsberichterstattungan.das warauchderauftragdeshierzuvombundesministeriumfürwirtschaftund Technologie (BMWi)externvergebenenGutachtens.DieseAnkündigungwar nichtnurfürdiebundesregierung,sondernauchfürdasparlamenteinentscheidendergrund,dieoffensichtlichenfehlerderletztenkonzentrationsberichtezu tolerieren.imxix.hauptgutachtenteiltdiemonopolkommissionnunmehrihre Entscheidungmit,dieKonzentrationsberichterstattungganzeinzustellen,statt dievormalsangekündigte Modernisierung umzusetzen.diealssurrogatnach freiemermessenangeboteneneinzelnenbranchenstudienkönneneinegesamtwirtschaftlicheberichterstattungzumstandundzurentwicklungderverflechtungundkonzentrationinderwirtschaftnichtersetzen.siesetztenvielmehr einen gesamtwirtschaftlichen Überblick über neuralgische Bereiche voraus. Dieangekündigtenbranchen-undthemenspezifischenEinzelanalysenwerden bereitsseit1977indenhaupt-undsondergutachtendermonopolkommission nachdereneigenemermessengemäß 44Absatz1Satz4GWBveröffentlicht.DieobligatorischeKonzentrationsberichterstattunggemäß 44Absatz1 Satz1GWBwirdnichtneuausgerichtet,wieinderStellungnahmederBundesregierung (Bundestagsdrucksache17/12940)behauptet,sondernschlichteingestellt.DamitverzichtenBundesregierungundMonopolkommissionaufdie
Drucksache 17/13109 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode ErstellungeinesrelevantengesamtwirtschaftlichenIndikatorensystems,mit demwettbewerblichemissständeundgefahrennichterstnachträglichkonstatiert, sondern vorausschauend identifiziert werden können. 5.Fachliche Begründung DieMonopolkommissionbegründetdieEinstellungdergesamtwirtschaftlichen Konzentrationsberichterstattungmiteinemneuen Paradigma.Danachsoll zwischenderverflechtungundkonzentrationderunternehmenindenwirtschaftsbereichenunddemwettbewerbaufdenmärktenkeinallgemeinerzusammenhangbestehen,dereineempirischeerfassunglohne.dieseinterpretationistnichtneu.esentsprichteinemfrüherenextremenamerikanischenwettbewerbskonzeptder80er-jahredesletztenjahrhunderts (sog.chicagoschool). DasdaraufbasierendeKonzeptistfachlichunhaltbar:Unstreitigspiegeltsich indenzahlreichenmarktnahenwirtschafts-undgüterbereichenderamtlichen StatistikdieKonzentrationderUnternehmenalsmaßgeblicherBestimmungsgrundderMarktstrukturundderenEinflussaufdenWettbewerbderUnternehmen.DieseZusammenhängeoffenzulegen,istoriginäreAufgabeeineshochdotiertenSachverständigenratsaufdemGebietdesWettbewerbsrechtsundder -politik. 6.Politische Begründung MitderEinstellungdergesamtwirtschaftlichenKonzentrationsberichterstattung folgtdiemonopolkommissioneinemauftragsgutachtendesbmwianeinexternesinstitut: ZentrumfürEuropäischeWirtschaftsforschung (ZEW),ModernisierungderKonzentrationsberichterstattung Endbericht,GutachtenimAuftragdesBundesministeriumsfürWirtschaftundTechnologie,15.Dezember 2011.DieMonopolkommissionhatandessenErgebnismitmehrerenVertreternimProjektratmaßgeblichmitgewirkt.InsoweitistdieUnabhängigkeitdes beauftragteninstitutszweifelhaft.entscheidendfürdieeinstellungdergesamtwirtschaftlichenkonzentrationsberichterstattungsindjedochwenigerfachliche alsvorallempolitischegründe:unterbezugaufdiebundesregierungundden KoalitionsvertragzwischenCDU,CSUundFDP2009heißtesindemEnde 2011veröffentlichtenAuftragsgutachtendesBMWiunmissverständlich: Wir [ ]raten [ ]davonab,dassdiemonopolkommissionimgegebeneninstitutionellenrahmendiekbe (i.e.konzentrationsberichterstattung)zueinem branchenübergreifendenindikatorensystemzuraufdeckungvonwettbewerbsverstößenausbaut.fraglichistzudem,obeinsolchessystemordnungspolitisch wünschenswertist. Ebensowenig, dasseinumfassendesindikatorensystem beim Kartellamt wünschenswert ist. DiesepolitischeBegründungistwidersinnig:Essollordnungspolitischnicht wünschenswertsein,zumschutzeinesordnungspolitischwünschenswerten funktionsfähigen Wettbewerbs Wettbewerbsverstöße nicht aufzudecken? LautBundesregierung (Bundestagsdrucksache17/12940)bedarfdieEinstellungderin 44Absatz1Satz1und 47Absatz1GWBvorgeschriebenengesamtwirtschaftlichenKonzentrationsberichterstattungkeinerÄnderungdes gesetzlichenauftrags.diesemgenügteneinzelne,nachfreiemermessender MonopolkommissionerstelltewettbewerbsrelevanteStudiengemäß 44Absatz1Satz4GWB.WäredieAuffassungderBundesregierungzutreffend,hätte esderentscheidungdesgesetzgebers,denauftragdermonopolkommissionin einenobligatorischenundeinenfakultativenteilzutrennen,niebedurft.der obligatorischeteilbeinhaltetexplizitdenauftrag, denstandunddieabsehbareentwicklungderunternehmenskonzentrationinderbundesrepublik Deutschland zubeurteilen,wasbisheutegilt.esfehltalsoeinegesetzliche Grundlage für die Einstellung der Konzentrationsberichterstattung.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/13109 6. Europäische Verantwortung in der Krise InsbesondereindergegenwärtigeneuropäischenWirtschafts-undFinanzkrise sindbelastbareangabenzudennationalenundmultinationalenverflechtungen derunternehmenundmärkteentscheidend.dieeuropäischeunionbautdaher nichtzuletztauchausstruktur-undordnungspolitischengründeneineuropean GroupsRegister (EGR)auf.Dielücken-undfehlerhaftenAngabenDeutschlands,alsdemgrößtenMitgliedstaat,müssendaherauchdieeuropäischeDatenbasisverfälschen.DiesvonderMonopolkommissionalseinemgesetzlichen SachverständigenratinKaufzunehmen,entbehrtnichteinergewissenpolitischen Verantwortungslosigkeit und ist nicht hinzunehmen. 7.Entbindung der Monopolkommission Soweitwederfachliche,methodischenochpolitischeGründefüreineEinstellungderKonzentrationsberichterstattungüberzeugen,sinddiesemöglicherweiselediglicheinVorwandfürdasDesinteresseoderdasUnvermögender Monopolkommission,ihrengesetzlichenAuftragzuerfüllen.IndiesemFall wäreesbesser,diemonopolkommissionvondiesemauftragganzzuentbinden und auf eine kompetente Stelle zu übertragen.
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