Dickdarmkrebs und Enddarmkrebs Entstehung, Vorsorge, Therapie Prof. Dr. M. Heike Medizinische Klinik Mitte, Klinikum Dortmund Tag der Organkrebszentren am Klinikum Dortmund
Dickdarmkarzinom - Epidemiologie Zweithäufigste Krebstodesursache Lebenszeitrisiko etwa 6% Jährliche Inzidenz: ca. 68/100.000 Heilungsrate etwa bei 55%
Krankenkassen-finanzierte Früherkennung von Dickdarmkrebs Ab 50 Tastuntersuchung des Enddarms und Test auf verborgenes Blut im Stuhl (Hämoccult) ab 55 wahlweise Test auf verborgenes Blut im Stuhl alle 2 Jahre oder zwei Darmspiegelungen im Abstand von 10 Jahren
Endoskopische Prävention: Adenom - Karzinom - Sequenz ca. 10 Jahre National Polyp Study: Polypektomie senkt Karzinominzidenz um 76-90% (Winawer et al. NEJM 1993)
Hereditäres nicht polypöses Kolonkarzinomsyndrom (HNPCC) Mutierte DNA-Repair-Gene: MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 Mikrosatelliteninstabilität der Tumor-DNA in 90% Autosomal dominante Penetranz 70% Kolonadenome in den 20igern Kolonkarzinome in den 40igern Proximale Karzinome, häufig undifferenziert Extrakolische Tumoren: Endometrium, Ovar, Magen, Urothel, Dünndarm, Gallenwege, Glioblastom
Familiäre Adenomatöse Polyposis Coli, FAP Mutiertes APC-Gen In vitro Translation eines trunkierten APC Proteins in 80% Autosomal dominante Penetranz 90% Kolorektale Adenome 100-1000 ab Pubertät (unter 100 Polypen bei attenuierter FAP) Kolonkarzinome in den 30igern Extrakolische Tumoren (OGI- Trakt, Desmoid, Osteome, Schilddrüse, Gehirn u.a.)
Früherkennung und Prophylaxe bei Risikogruppen bei Verwandten ersten Grades von Patienten mit Dickdarmkarzinomen oder Adenomen: Koloskopie 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter der Indexperson, spätestens ab dem 50. Lebensjahr bei FAP Gentest und prophylaktische Proktokolektomie ab dem 20. Lebensjahr Gentest und spezielles engmaschiges Vorsorgeprogramm bei HNPCC ab dem 25. Lebensjahr
Krebsprävention Colitis ulcerosa Bei Pancolitis ab dem 8. Jahr und bei linksseitiger Colitis ab dem 15. Jahr sollten jährliche Koloskopien mit Stufenbiopsien erfolgen. Bei Nachweis einer durch Referenzpathologen bestätigten hochgradigen intraepithelialen Dysplasie kontinenzerhaltende Proktokolektomie.
Präoperative Diagnostik DRU, Koloskopie, Röntgen-Thorax, abdominelle Sonographie, bei Auffälligkeiten CT-Abdomen, CEA Bei Rektumkarzinom zusätzlich: starre Rektoskopie, Endosonographie, ggfs. Becken-MRT oder CT zur Beurteilung T1 oder T4
Stadium TNM I T1,2 N0 IIA T3 N0 IIB/C T4a/b N0 III T1 4 N1 2 IV Fernmetastasen
Therapie im Stadium I-III Stadium I, T1/Mukosa endoskopische Abtragung Stadium I-II Kolonkarzinom Operation (Hemikolektomie) Stadium III Kolonkarzinom Operation und 6 Monate adjuvante Chemotherapie (Capecitabin, FOLFOX) Stadium I Rektumkarzinom Operation Stadium II-III Rektumkarzinom präoperative Bestrahlung und Chemotherapie, nachfolgende Operation und adjuvante Chemotherapie
Nachsorge in ersten 5 Jahren postop. Stadium II- III: In den ersten 2 Jahren alle 6 Monate Anamnese, CEA, Sonographie, bei Rektumkarzinomen Rektoskopie, später jährlich Nach 2 und 5 Jahren und danach alle 5 Jahre Koloskopie
Effekt der adjuvanten Chemotherapie auf den Heilungserfolg nach Operation eines Dickdarmkarzinoms im Stadium III % Heilungsrate
Therapie im Stadium IV (Fernmetastasen) Beurteilung der Situation: Operable Metastasen - Operation Reine Lebermetastasierung, ggfs. nach Rückbildung resektabel Hochwirksame Kombinationschemotherapie (Go Go - Op) Rasch fortschreitende hohe Tumorlast (Hochwirksame Kombinationschemotherapie (Go Go) Langsam fortschreitende geringe Metastasierung Sequentielle Chemotherapie (Slow Go) Älterer fragiler (geriatrischer) Patient (No Go)
Chemo-/Immuntherapie im Stadium IV (Fernmetastasen) Zytostatika: Folinsäure/5-Flurouracil Oxaliplatin Irinotecan Antikörper: Bevacizumab (Avastin, anti-vegf) Cetuximab (Erbitux, anti-egf-rezeptor) Panitumumab (Vectibix, anti-egf-rezeptor)
Metastasiertes Dickdarmkarzinom: Gewinn an Überlebenszeit durch Fortentwicklung der Chemotherapie Metaanalyse 5-FU, Fol./5-FU Bolus vs. Inf. (1998) Tournigand et al. JCO 2004 5-FU Bolus: 11,3 Mon. 5-FU Infus.: 12,1 Mon. Überleben (x100 %) 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 FOLFIRI / FOLFOX: 20,4 Mon. FOLFOX / FOLFIRI: 21,5 Mon. Logrank p = 0.9 0.0 0 6 12 18 24 30 36 42 Monate
Gezielte molekulare Therapien: Voraussetzung: Molekulargenetische Kenntnis der Krebsentstehung (Beispiel Dickdarmkarzinom) TGFß-RII ß-Catenin Fearnhead et al. B. Med. Bull. 2002, 64, 27-43
Neue Therapien: (Biologicals) Antikörper an der Zellaussenseite Kleine Medikamente (smart drugs) im Zellinneren Signale Rezeptoren Signalkaskaden Angriffspunkte für neue Therapien DNA-Ablesungssteuerung Output: Wanderung Zellteilung Zelltod
Antikörper, Medikamente, die Gefäßwachstumsfaktoren und deren Rezeptoren hemmen
Die Therapie des Dickdarmkarzinoms mit Antikörpern gegen den Epidermal Growth Factor -Rezeptor (Erbitux, Fa. Merck) ist nur wirksam, wenn das ras Onkogen in den Tumorzellen nicht mutiert ist (Testung!) Vor Erbitux Nach Erbitux Ein Patient mit Lebermetastasen eines Dickdarmkarzinoms, der bereits drei Chemotherapien erhalten hatte, die zuletzt ohne Wirkung waren, sprach nochmals auf eine Behandlung mit Erbitux an.
Metastasenresektion verbessert Überlebenschancen (Kopetz et al. J. Clin. Oncol. 2010)
Eine Chemotherapie kann zu einer Rückbildung und Operabilität primär nicht resektabler Lebermetastasen und damit zu einer Heilungschance führen Adam et al. J Clin Oncol 2009 : 5-Jahresüberleben 33%, 10 Jahresüberleben 27%, Heilung (über 5 Jahre krankheitsfrei) 16%
Rückbildung von Lebermetastasen durch Chemotherapie und nachfolgende R0- Resektion 1/2000 6/2001
Die Prognose des metastasierten Dickdarmkarzinoms hat sich in den letzten 5 Jahren durch neue Medikamente und vermehrte Möglichkeiten der Metastasenresektion deutlich verbessert (Kopetz et al. J. Clin. Oncol. 2010, MD Anderson Cancer Center).
Kolonkarzinom - Medikamentöse Behandlungsstrategien Deutliche Fortschritte - zunehmende Kosten und Komplexität