Toxische und metabolische Leberkrankheiten T. Poralla St. Joseph Krankenhaus Berlin Tempelhof 27. Oktoober 2015
Alkoholtoxische Lebererkrankung Steatose (vollständig reversibel) Fibrose alkoholische Steatohepatitis (ASH) Zirrhose Hepatozelluläres Karzinom
Alkoholtoxische Leberzirrhose 1-Jahres Mortalität bei Varizenblutung 20 % bei Ascites 29 % bei Ascites und Varizenblutung 49 % bei hepatischer Enzephalopathie 64 % 5-Jahres Mortalität 58 85 % Jepsen P et al. Hepatology 51: 1675-82, 2010 (n=466, populationsbezogen in Dänemark)
Hepatozelluläres Karzinom bei alkoholtoxischer Leberzirrhose Bei Child A und B Zirrhose jährliche Inzidenz im Mittel 2,6 % Risikofaktoren: Alter >55Jahre und Thrombos <125/nl ohne Risikofaktor 0,3 % bei einem Risikofaktor 2,6 % bei beiden Risikofaktoren 4,8 % Mancebo A et al. Clin Gastroent Hepatol 11: 95-101, 2013 (n=450, 40-75 Jahre, Beobachtung über 42 Monate, p<0,0001)
Organschäden durch Alkohol Empfindlichkeit abhängig von: Geschlecht (Frauen empfindlicher) Alter Zweiterkrankung (z.b. Hepatitis C) Genetischen Einflüssen (wie bei NASH) Immunreaktionen (?) Ausmaß und Dauer des Alkoholkonsums Art des Getränks (Wein wohl besser)
Alkoholische Steatohepatitis (ASH) Therapie Ernährung (bevorzugt enteral): Kalorien: 35kcal/kg Eiweiß: 1,5g/kg Substitution fett- und wasserlöslicher Vitamine, darunter Thiamin (Vitamin B1) 3x50mg tgl. (i.v.) Stickel F et al. Aliment Pharmacol Ther 18:357-73, 2003
Alkoholtoxische Lebererkrankung Diagnostik Anamnese (ggf. auch Fremdanamnese) Extrahepatische Manifestationen Chronische Pankreatitis Polyneuropathie Wernicke-Enzephalopathie Makrozytose der Erythrozyten
Alkoholtoxische Lebererkrankung Diagnostik Gamma-GT niedrige Spezifität, HWZ 2 3 Wochen CDT (Carbohydrat-defizientes Transferrin) hohe Spezifität (97%), HWZ 2 3 Wochen Ethylglucuronid im Urin sehr hohe Spezifität (98,9%), HWZ 3-5 Tage
Alkoholtoxische Lebererkrankung Therapie Alkoholabstinenz Ausreichende Kalorienzufuhr (ca. 2000kcal/tgl.) Adäquate Proteinzufuhr (ca. 1g/kg tgl.) Bedarfsadaptierte Substitution von Vitamin B, C, D und K, Folsäure, Kalium und Zink
Alkoholische Steatohepatitis (ASH) Charakteristika Rechtsseitige Oberbauchschmerzen Fieber Ikterus Hepatomegalie (druckdolent) Leukozytose, CRP-Erhöhung Anamnestisch häufig Alkoholexzess bei vorbestehender alkoholtoxischer Lebererkrankung (Zirrhose)
Alkoholische Steatohepatitis (ASH) Therapie Bei leichtem Verlauf Alkoholabstinenz, ausreichende Ernährung, ggf. Entzugstherapie Bei schwerem Verlauf zusätzlich Prednisolon initial 40mg/d, Ausschleichen über 4 Wochen
Glasgow alcoholic hepatitis score Punkte 1 2 3 Alter < 50 Jahre > 50 Jahre Leukozyten < 15 / µl > 15 / µl Harnstoff < 5 µm / l > 5 µm / l INR < 1,5 1,5 2,0 > 2,0 Bilirubin < 125 µm /l 125-250 > 250 µm /l
Glukokortikoide bei ASH und Glasgow-score Unter 9 Punkten kein Einfluss von Glukokortikoiden auf das Überleben Ab 9 Punkten Anstieg des 28 Tage-Überlebens durch Glukortikoide von 52 % auf 78 % und des 84-Tage Überlebens von 38 % auf 59 % Forrest EH et al. Gut 56: 1743-6, 2007 (n=225, p=0,002/0,02)
Glukokortikoide bei ASH Bei schwerem Verlauf Überleben nach 28 Tagen verbessert (80 vs. 60%, p=0,0005) Positiver Effekt nur bei Besserung des Bilirubins innerhalb von 7 Tagen Mathurin P et al. Gut 60: 255-60, 2011 (n=221 vs. 197, Metaanalyse individueller Daten)
Prednisolontherapie bei Alkoholischer Steatohepatitis 28-Tage Mortalität 14 vs. 17% (p=0,06, n.s.) 90- und 365-Tage Mortalität identisch Schwere Infekte 13 vs. 7% (p=0,002, jedoch ohne Einfluss auf die Mortalität) Thursz MR et al. NEJM 372:1619-28, 2015, (n= 1053, Prednisolon 40mg/d (Pentoxifyllin ohne Effekt)
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Über 600 Medikamente als Ursache beschrieben 3 9 % aller unerwünschten Arzneimittelwirkungen betreffen die Leber Bis zu 10 % aller akuten Hepatitiden sind Arzneimittel-induziert 15 40 % aller akuten Leberversagen sind Arzneimittel-induziert
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Toxisch vorhersehbar dosisabhängig Schäden an anderen Organen kommen relativ häufig vor Idiosynkratisch nicht vorhersehbar nicht dosisabhängig Schäden an anderen Organen sehr selten
Idiosynkratische Leberschäden durch Arzneimittel Latenz 1 5 Wochen Häufig zusätzlich Fieber, Exantheme, Eosinophilie Bei Reexposition schwerere und raschere Reaktion Allergischimmunologisch Metabolischgenetisch Latenz 1 Woche bis 24 Monate Evtl. verstärkte Reaktion bei Kombination verschiedener Medikamente
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Ursächlich (für idiosynkratische Leberschädigung) einzelnes Medikamente bei 73% Nahrungsergänzungsmittel bei 9 % mehrere Medikamente bei 18% Chalasani, N et al. Gastroenterology 135:1924-34, 2008 (n=300, mehr als 100 Medikamente ursächlich, davon 44% Antibiotika, Virustatika und Antituberkulotika)
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Tod oder Transplantation bei 10 % Chronischer Verlauf bei 17% Bei vorbestehender Leberschädigung höhere Mortalität (16 vs. 5,2%, p=0,006) Mortalität bei begleitenden Hautreaktionen 44% Im höheren Alter eher cholestatische Verläufe, jedoch keine erhöhte Mortalität Chalasani, N et al. Gastroenterology 148:1340-52, 2015 (n=899)
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Hepatitische und cholestatische Schädigung sowie deren Mischform am häufigsten Aber sämtliche histologischen Veränderungen können durch Medikamente hervorgerufen werden
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Antiinfektiva, Analgetika und nicht-steroidale Antiphlogistika besonders oft ursächlich Amoxicillin/Clavulansäure häufigster Auslöser (in USA) Dosierungen unter 50mg selten toxisch, bei höherer Dosis auch stärkere Schädigung
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Modifizierende Faktoren Geschlecht Frauen häufiger und schwerer betroffen Alter Erwachsene durch Paracetamol, Kinder durch ASS stärker gefährdet Stoffwechselerkrankungen Adipöse und Diabetiker durch MTX stärker gefährdet
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Modifizierende Faktoren Medikamenten-Interaktionen INH und Rifampicin in Kombination toxischer, Alkohol verstärkt Toxizität von Paracetamol, MTX und INH (Cave langsame Acetylierer!) Interaktionen mit Phytotherapeutika können Toxizität erhöhen (z. B. Johanniskraut und Germander)
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Diagnostik Anamnese, ggf. auch Fremdanamnese Auslassversuch Ausschluss anderer Lebererkrankungen Labor und Sonographie unspezifisch Histologie selten spezifisch Reexposition nur bei vitaler Indikation!
Arzneimittel-induzierte Leberschäden Therapie In der Regel keine Therapie erforderlich Bei prolongierter Cholestase evtl. Ursodeoxycholsäure Bei schwerem Verlauf evtl. Prednisolon Bei akutem Leberversagen ggf. rechtzeitige Transplantation (5-Jahresüberleben ca. 70%)
Paracetamol-Vergiftung Therapie N-Acetylcystein initial 150mg/kg, anschließend 50mg/kg über 4 Stunden, anschließend 50mg/kg über 16 Stunden jeweils i.v.
Leberschäden durch Toxine Therapie Exposition beenden, anschließend in der Regel vollständige Rückbildung (Ausnahmen Fibrose, Zirrhose und Tumore) Bei akuter Vergiftung mit aliphatischen chlorierten Kohlenwasserstoffen Cimetidin 1600mg/d und Kohlendioxid- Hyperventilation (AMV 25-30 l/min)
Knollenblätterpilz-Vergiftung Therapie Silibinin (Legalon) 4 x tgl. 5mg/kg i.v. über je 3 Stunden
Nicht-alkoholische Fettlebererkrankung Isolierte nicht-alkoholische Fettleber (non-nash NAFLD) Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) Leberzirrhose infolge NASH HCC bei Leberzirrhose infolge NASH (bevorzugt bei Männern mit Adipositas, Diabetes und Hypertonie)
Nicht-alkoholische Steatohepatitis Charakteristika Meist fehlende oder gering ausgeprägte unspezifische Symptomatik Im Verlauf Fibroseentwicklung bei 40% und Zirrhose bei 15% möglich Wahrscheinlich häufigste Ursache der kryptogenen Leberzirrhosen Histologie entspricht der Alkoholhepatitis
Nicht-alkoholische Steatohepatitis Ursachen Genetische Faktoren z. B. PNPLA3-Mutation (patatin-like phospholipase 3) Starke Adipositas Metabolisches Syndrom Diabetes mellitus Schwere Erkrankungen des Verdauungstraktes Medikamente Parenterale Ernährung
Nicht alkoholische Steatohepatitis Therapie Elimination der Ursachen (z.b. Absetzen von Medikamenten) Optimale Therapie von Diabetes und Hyperlipoproteinämien Moderate Gewichtsreduktion (250-500g pro Woche)
Nicht alkoholische Steatohepatitis Therapie Diverse Medikamente (Ursodeoxycholsäure, Vitamin E und C, Atorvastatin, Orlistat, Losartan, Infliximab, Pioglitazon, Pentoxifyllin) ohne gesicherte Langzeitwirkung bzw. überzeugenden Nutzen/Schaden-Effekt Obeticholsäure verheißungsvoll Bariatrische Chirurgie? Lebertransplantation (zweithäufigste Indikation in den USA)
Nicht alkoholische Steatohepatitis Einfluss des Rauchens Fortgeschrittene Fibrose bei mindestens 10 Packyears häufiger (OR 1,63) Bei Nicht-Diabetikern noch ausgeprägterer Effekt (OR 2,48) Zein CO et al. J Hepatol 54:753-9, 2011 (n=1091 alle biopsiert)
Nicht alkoholische Steatohepatitis Therapie durch Gewichtsreduktion Gewicht - 9,3 % vs. 0,2% (p=0,003) Bei Gewichtsreduktion um mindestens 7% Besserung von Steatose (p<0,001) und entzündlicher Aktivität (p=0,03) Promrat K et al. Hepatology 51:121-9, 2010 (n=31, BMI 25 40, Therapiedauer 48 Wochen, mittelschwere körperliche Aktivität über mindestens 200 min. pro Woche)
Hereditäre Hämochromatose Typ 1 Charakteristika Autosomal rezessive Erbkrankheit HFE-Mutation C282Y auf Chromosom 6 ca. 85-90%, H63D i. d. R. unbedeutend Hepcidin (hemmt Fe-Aufnahme) erniedrigt Inzidenz der Mutation ca. 1 : 400 Bevorzugtes Manifestationsalter bei Männern 20 40 Jahre
Hereditäre Hämochromatose seltene Typen Typ 2A Hämojuvelin-defekt, autosomal- rezessiv Typ 2B Hepcidin-defekt, autosomal- rezessiv Typ 3 Transferrin-Rezeptor 2-defekt, autosomal-rezessiv Typ 4 Ferroportin-defekt, autosomal- dominant
Hereditäre Hämochromatose Organmanifestationen Hyperpigmentierung der Haut Diabetes mellitus Leberzirrhose Primäres Leberzellkarzinom Arthropathie Kardiomyopathie Hypogonadismus Hypophyseninsuffizienz
Hereditäre Hämochromatose Diagnostik Transferrinsättigung erhöht (Eisen (µg/dl) x 100 geteilt durch Transferrin (mg/dl) x 1,25) bei Frauen > 50%, bei Männern > 60% Ferritin erhöht HFE-Genmutation (schriftliches Einverständnis nötig!) Eisengehalt der Hepatozyten erhöht
Hereditäre Hämochromatose Therapie Aderlässe (initial wöchentlich) Ziel: Ferritin < 50 µg/l Deferasirox (Exjade ) 20mg / kg x d Vermeidung besonders eisenreicher Nahrungsmittel (z.b. Leber, Blutwurst)
Hereditäre Hämochromatose Prophylaxe Familienuntersuchung (HFE-Genmutation) Therapiebeginn im präsymptomatischen Stadium sichert normale Lebenserwartung
Morbus Wilson Charakteristika Rezessiv vererbter Gendefekt auf Chromosom 13, über 500 Mutationen Kupfer-transportierende ATPase defekt Steatose, chronische Hepatitis, Zirrhose, akutes Leberversagen Kayser-Fleischer-Kornealring Neurologisch-psychiatrische Symptome (Ataxie, Krampfanfälle, Affektlabilität u.a.)
Morbus Wilson Diagnostik Spaltlampenuntersuchung (positiv bei Lebererkrankung in 40-60%) Coeruloplasmin im Serum erniedrigt Kupferausscheidung im Urin erhöht Leberkupfergehalt erhöht Manifestation in jedem Lebensalter möglich
Morbus Wilson Therapie D-Penicillamin initial 300mg / d, wöchentlich steigern auf initiale Zieldosis von 20mg / kg x d, zusätzlich Pyridoxin 25mg / d Trientin 750-1500mg/ d Zink 3 x 50 mg / d (nach Entkupferung) Lebertransplantation
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Charakteristika Rezessiv vererbte Mutation auf Chromosom 14 Lebererkrankung infolge Akkumulation von α-1-at in Hepatozyten mit Entzündung, Fibrose und Zirrhose nur bei PiZZ- Genotyp Manifestation an der Leber bevorzugt als Neugeborenen-Hepatitis oder in der Kindheit, Erwachsene häufig symptomarm
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Diagnostik und Therapie Wegweisend Verminderung der α1-globuline in der Elektrophorese auf weniger als 2 % Beweisend α-1-at-serumspiegel und Geno- oder Phänotypisierung Kausale Therapie für die Leber nicht etabliert, ggf. Lebertransplantation
Akute Schwangerschaftsfettleber Charakteristika Vital bedrohliche Erkrankung unklarer Ätiologie Inzidenz ca. 1 / 13.000 Entbindungen Bevorzugtes Auftreten in der 34. bis 36. Schwangerschaftswoche
Akute Schwangerschaftsfettleber Symptome Akut auftretende schwere Krankheit Rechtsseitige Oberbauchschmerzen Übelkeit, Erbrechen Ikterus Im Verlauf evtl. Ascites, Ödeme und akutes Leberversagen
Akute Schwangerschaftsfettleber Diagnostik Bilirubin bis ca. 15fach erhöht Alkalische Phosphatase bis ca. 5fach erhöht Transaminasen bis ca. 15fach erhöht Gamma-GT in der Regel normal Hyperurikämie (Frühzeichen) Evtl. Hypoglykämie und Gerinnungsstörungen
Akute Schwangerschaftsfettleber Therapie Sofortige Entbindung Intensivtherapie Nach Entbindung rasche Restitutio ad integrum Geringes Rezidivrisiko