-Übung zu Vorlesungen im Verwaltungsrecht- Lösung Fall 9 vgl. Biermann, DVP 2005, 284 ff. Erfolgsaussichten der Klage des NPD-Kreisverbandes

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Transkript:

Lösung Fall 9 vgl. Biermann, DVP 2005, 284 ff. Erfolgsaussichten der Klage des NPD-Kreisverbandes A. Zulässigkeit der Klage I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges Mangels aufdrängender oder abdrängender Spezialzuweisungen beurteilt sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges allein nach der Generalklausel des 40 I VwGO, wonach der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet ist. Öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit nach der herrschenden modifizierten Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie) dann, wenn die streitentscheidende Norm ausschließlich den Staat oder einen sonstigen Hoheitsträger berechtigt oder verpflichtet. Streitentscheidende Norm ist 15 I VersG, der ausschließlich die zuständigen Behörden ermächtigt, Versammlungsverbote auszusprechen oder die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig zu machen. Trotz des über Art. 8 I GG vermittelten verfassungsrechtlichen Bezuges der Streitigkeit und der Beteiligung der Untergliederung einer politischen Partei wird nicht um spezifisches Verfassungsrecht, sondern um besonderes Verwaltungsrecht in Gestalt von Versammlungsrecht gestritten. II. Statthafte Klageart 1. Anfechtungsklage? Verlegung der Veranstaltung = VA P: Erledigung durch Zeitablauf mit dem 27.01.2008 Erledigung eines VA bedeutet, dass sich der VA inhaltlich erschöpft hat (auch: Wegfall der Beschwer). Der Begriff der Erledigung ist in der VwGO nicht legal definiert, jedoch spricht 43 II VwVfG von Erledigung durch Rücknahme, Widerruf, anderweitige Aufhebung, Zeitablauf oder auf andere Weise Klageziel der AK: Aufhebung eines VA kann nicht mehr erreicht werden => AK unstatthaft (a.a. fehlendes Rechtsschutzbedürfnis) 2. Fortsetzungsfeststellungsklage (FFK) 113 I, 4 VwGO Umstellung einer Anfechtungsklage nach Erledigung in eine FFK, Streitgegenstand ist nunmehr die Feststellung, dass ein bestimmter VA rechtswidrig war direkt (-), 113 I, 4 VwGO betrifft nur eine Erledigung im Klageverfahren, also nach Klageerhebung. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung des 113 I, 4 VwGO im abschnitt über Urteile, was begrifflich ein anhängiges Klageverfahren voraussetzt. Hier hat sich die Verfügung jedoch schon vor Erhebung der Klage erledigt. analoge Anwendung des 113 I, 4 VwGO bei vorprozessualer Erledigung des VA? (erweiterte FFK) 1

wohl noch h.m: dafür: Zeitpunkt der Erledigung des VA hängt oft vom Zufall ab, es wäre systemfremd je nach Erledigungszeitpunkt unterschiedliche Klagearten für dasselbe Klagebegehren heranzuziehen a.a. (Lit): allgemeine Feststellungsklage gem. 43 I VwGO, da es an einer Regelungslücke fehle P: VA als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis? ( 42 II spricht ausdrücklich von einer möglichen Feststellung der Nichtigkeit, nicht der Rechtswidrigkeit) Streit vom BVerwG offengelassen, jedenfalls stünde der Annahme einer allg. FK nicht entgegen, dass es sich bei der Rechtswidrigkeit eines VA nicht um ein feststellungsbedürftiges Rechtsverhältnis handele (kann im Ergebnis dahinstehen, wenn Vorverfahren und Frist nicht erforderlich bzw. eingehalten sind) III. Klagebefugnis, 42 II analog Der Kreisverband der NPD müsste geltend machen, durch die Verlegung der Veranstaltung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die NPD ist als nicht rechtsfähiger Verein organisiert, Parteien werden jedoch in Art. 21 GG und im ParteiG mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet, der Kreisverband kann somit ungeachtet der fehlenden Rechtsfähigkeit Träger von Rechten sein, zu denen auch die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG gehört. IV. Erforderlichkeit eines Vorverfahrens analog 68 I, 1 VwGO? hier ist zu differenzieren: 1. Erledigung des VA vor Ablauf der Widerspruchsfrist str. h.m. (BVerwG): nicht erforderlich, es existiert kein Fortsetzungsfeststellungswiderspruch Lit.: Durchführung eines Vorverfahrens auch vor Ablauf der Widerspruchsfrist erforderlich dafür: auch die Behörde kann die Rechtswidrigkeit der von ihr erlassenen Verfügung feststellen (insofern bestünde eine gesetzliche Regelungslücke und eine wertungsmäßige Gleichheit zum gesetzlich geregelten Fall des Anfechtungswiderspruchs) Im Widerspruchsverfahren erfolgt zusätzlich eine Zweckmäßigkeitskontrolle (erweiterter Rechtsschutz) Selbstkontrolle der Verwaltung und Entlastung der Gerichte hier: Erledigung des VA spätestens am 28.01.2008, also vor Ablauf der Monatsfrist, also kein Vorverfahren erforderlich. Auch nach der in der Literatur vertretenen Meinung wäre die Durchführung eines Vorverfahrens zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch möglich (nach h.m. Nachholung bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung möglich, trotz entgegenstehenden 2

Wortlauts in 68 I, 1 VwGO "vor Erhebung der Anfechtungsklage", da mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung (kein Hinweis auf den Fortsetzungsfeststellungswiderspruch) die Jahresfrist gem. 70 II, 58 II VwGO gelten würde. 2. nach Ablauf der Widerspruchsfrist Vorverfahren erforderlich, da sonst eine ursprünglich unzulässige AK nachträglich als FFK zulässig wäre (dem stünde die Bestandskraft des VA entgegen) MERKE: durch die FFK darf eine urspr. unzulässige Klage nicht zulässig werden! V. Klagefrist analog 74 I, 2 VwGO? früher h.m.: grds. (+), aber regelmäßig wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung (kein Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung einer FFK) Jahresfrist des 58 II VwGO heute h.m: nur Verfristung dafür: erledigter VA entfaltet keine Rechtswirkung mehr, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit kein Anlass für eine zeitliche Beschränkung der FFK besteht. VI. Fortsetzungsfeststellungsinteresse, 113 I, 4 analog Der Kreisverband müsste ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verlegungsverfügung haben. Nach der Rspr. der Verwaltungsgerichte haben sich 3 Fallgruppen herausgebildet: o Wiederholungsgefahr (hinreichend konkret) o Rehabilitationsbedürfnis (insbes. bei tiefgreifender Grundrechtsbeeinträchtigung) o Präjudizinteresse (zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses), jedoch nur bei Erledigung nach Klageerhebung, da sonst keine Verwertung der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen im Zivilprozess möglich (Prozessökonomie) hier: tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung im Hinblick auf Art. 8 VersG zu bejahen B. Begründetheit Die Klage ist begründet, soweit die Verlegung der Veranstaltung auf den 28.01.2008 rechtswidrig gewesen ist und der Kreisverband der NPD dadurch in seinen Rechten verletzt worden ist; 113 I, 4 analog i.v.m. 113 I, 1 VwGO. I. Ermächtigungsgrundlage 15 I VersG Versammlung i.s.d. Art. 8 GG und 1 VersG (+) enger Versammlungsbegriff des BVerfG (BVerfGE 104, 92): eine örtliche Zusammnkunft mehrer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung Verdrängung des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts (Sperrwirkung des Versammlungsgesetzes) öffentliche Versammlung Uunter freiem Himmel (+) 3

II. formelle Rechtmäßigkeit 1. Zuständigkeit laut Sachverhalt gegeben 2. Verfahren, insbes. Anhörung gemäß 28 VwVfG (+) 3. Form und Bekanntgabe der Verfügung geben keinen Anlass zu Bedenken III. materielle Rechtmäßigkeit 1. Tatbestandsvoraussetzungen des 15 I VersG Voraussetzung für ein Versammlungsverbot oder eine Auflage gemäß 15 I VersG ist, dass nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. a) unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (-) geschützte Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit: o geschriebene Rechtsordnung o staatliche Einrichtungen o zentrale Rechtsgüter des Einzelnen wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum (-), insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte für 86, 86a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen b) unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung P: Gefährdung der öffentlichen Ordnung taugliche Grundlage für ein Einschreiten nach 15 I VersG? bisherige Rspr. des BVerfG (Brokdorf-Beschluss von 1985, BVerfGE 96, 315 ff.): (-) Verbote und Auflösungen können nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter in Betracht kommen, während eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Allgemeinen nicht genügen wird (verfassungskonform restriktive Auslegung des 15 I VersG) neuere Rspr seit 2004 (BVerfGE 111, 147 ff.): (+) Beschränkungen der Versammlungsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung sind unbedenklich, "vorausgesetzt, dass diese nicht aus dem Inhalt, sondern aus der Art und Weise der Durchführung der Versammlung folgen... In solchen Fällen ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu klären, durch welche Maßnahmen die Gefahr abgewehrt werden kann. Dafür kommen in erster Linie Auflagen in Betracht. Reichen sie zur Gefahrenabwehr nicht aus, kann die Versammlung verboten werden." Unter der öffentlichen Ordnung ist die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln zu verstehen, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden und mit dem Wertgehalt des Grundgesetzes zu vereinbarenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird (BVerfGE 69, 315, 352). 4

Betroffenheit des Schutzgutes öffentliche Ordnung durch Marschieren der NPD am 27.01.2008? Die öffentliche Ordnung kann betroffen sein, wenn einem bestimmten Tag ein in der Gesellschaft eindeutiger Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt, der bei der Durchführung eines Aufzuges an diesem Tage in einer solchen Weise angegriffen wird, dass dadurch zugleich grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt werden (BVerfG NJW 2001, 1409) Eine solche Verletzung ist angesichts des besonderen Symbolgehalts des am 27.Januar begangenen Gedenktages zu bejahen. Ein am 27.01.2008 durchgeführter Aufzug einer rechtsextremen Partei, die zudem auf die Machtergreifung Hitlers am 30.01.1933 anspielt, ist wegen seiner Wirkungen auf die Bevölkerung geeignet, den in der Gesellschaft eindeutigen Sinngehalt dieses Gedenktages (Übernahme der Verantwortung für die Vergangenheit, Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus) und dessen gewichtige Symbolkraft mit der Folge anzugreifen, dass dadurch grundlegende soziale und ethische Anschauungen einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in erheblicher Weise verletzt werden. Der Durchführung eines Aufzuges der NPD mit Fackelzug an einem solchen Tag kommt eine besondere Provokationswirkung zu und verstößt daher gegen die öffentliche Ordnung. Eine unmittelbare Gefährdung setzt voraus, dass der Schadenseintritt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenist 2. Rechtsfolge: Ermessen unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Versammlungsverbot als letztes Mittel) Verschiebung = Verbot oder "Auflage" (Konkretisierung der Modalitäten)? BVerfG: bloße Auflage, wenn Verschiebung nicht erheblich bzw. wenn kein Interesse an der Durchführung der Versammlung an einem bestimmten Tag besteht Lit: Versammlungsfreiheit schließt die Befugnis des Veranstalters ein, den Zeitpunkt der Veranstaltung zu bestimmen, so dass die behördliche Aufforderung, die Versammlung zu einem anderen Zeitpunkt durchzuführen, ein Versammlungsverbot für den geplanten Termin darstellt. dafür: BVerfG lässt deutliche Abgrenzungskriterien vermissen, Entscheidung beruht auf dem Ansatzpunkt der grds. Unzulässigkeit von Versammlungsverboten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, BVerfG wählte deshalb den Umweg über die erweiternde Auslegung des Auflagenbegriffs Verhältnismäßigkeit des Verbots Geeignetheit (+) kein milderes Mittel Angemessenheit (+) Abwägung mit den gegenläufigen Interessen des NPD Kreisverbandes führt zu einem Überwiegen des Schutzes des symbolischen Gehalts des 27.01.2008 als Gedenktag. Ein besonders schützenswertes Interesse der NPD ihren Aufzug gerade an diesem Tag durchzuführen ist nicht anzuerkennen, zumal ihr die Bedeutung des Tages laut eigenen Angaben nicht einmal bekannt war. Die Verschiebung des Veranstaltung war rechtmäßig. Die Klage des Kreisverbandes der NPD ist unbegründet. 5