Deutscher Bundestag Drucksache 17/12300 17. Wahlperiode 20. 02. 2013 Antrag der Abgeordneten René Röspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, Willi Brase, Ulla Burchardt, Martin Dörmann, Siegmund Ehrmann, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke, Klaus Hagemann, Oliver Kaczmarek, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Aydan Özog uz, Thomas Oppermann, Florian Pronold, Stefan Rebmann, Gerold Reichenbach, Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Kerstin Tack, Andrea Wicklein, Dagmar Ziegler, Brigitte Zypries, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: DieBereitstellungeinermodernenundnachhaltigaufgebautenInfrastrukturfür denzugangzuunddienutzungvondatenunderkenntnissenauswissenschaftundforschungistvonherausragenderbedeutungfürdielangfristige SicherstellungderLeistungsfähigkeitdesdeutschenBildungs-,WissenschaftsundInnovationssystems.BisheristdieZugänglichkeitzumitöffentlichenMittelnfinanziertenForschungsergebnissendeutlicheingeschränkt.ZumeistwerdendieseErgebnisseinprivatenFachjournalenpubliziert,dieerheblicheGewinnedurchdieVermarktungdieserErgebnisseundmithinderintellektuellen LeistungenzahlreicherWissenschaftlerinnenundWissenschaftlererzielen,jedochsindimRegelfalldieseErgebnissenichtfürdieinteressierteÖffentlichkeitfreizugänglich.FolglichfinanziertdieöffentlicheHandinderaktuellen SituationnichtnurdieGenerierungvonneuemWissen,siefinanziertzusätzlich (etwaüberbibliotheksbudgets)auchdiezugänglichmachungdieseswissensin Form von Fachjournalen. DerBundfördertüberdieProjektförderungverschiedenerBundesministerien sowieüberdieinstitutionelleförderunginsbesonderederaußeruniversitären ForschungsorganisationendieEntstehungvonneuemWisseninhochinnovativenForschungsfeldernmiterheblichenFinanzmitteln.DerBundverzichtetbisherdarauf,verbindlicheVorgabenfüreinefreieZugänglichmachungvonmit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungsergebnissen zu machen. NeueErkenntnisseausdenunterschiedlichstenDisziplinenundForschungsprogrammenvonderKlimaforschungüberdieMobilitäts-undArbeitsforschungbiszurBio-undGentechnologieliefernImpulsefüreineModernisierungunsererGesellschafts-undWirtschaftsordnungundfürInnovationen,die Menschen und Wirtschaft zugute kommen. DieSichtbarkeitvonForschungsergebnissenistnichtnurimSinnederForscherinnenundForscher,diesichineinemständigenundkonstruktivenAustausch innerhalbderscientificcommunitybefinden.eineleichterezugänglichkeitzu
Drucksache 17/12300 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode ErgebnissenausWissenschaftundForschungsteigertauchdieinternationale AttraktivitätdesHightech-undWissenschaftsstandortesDeutschland.Darüber hinausbeförderteinfreierzugangzudiesemwissenneueideen,forschungsansätze und ökonomisch verwertbare Produkte. ZahlreicheWissenschaftlerinnenundWissenschaftlerengagierensichseitvielenJahreninunterschiedlichenGruppenundVereinigungenfüreinenAusbau desfreienzugangszuwissen.beispielhaftseiandieserstelleaufdieimpulse derschwerpunktinitiative DigitaleInformation derallianzderdeutschen Wissenschaftsorganisationen verwiesen. InternationalhabenzwischenzeitlichmehrereStaatenundOrganisationender ForschungsförderungeinekonsequentePolitikverabschiedet,dieaufdie öffentlichezugänglichmachungvonmitsteuermittelnfinanziertenergebnissen aus Forschungsprojekten abzielt: SoverabschiedeteimJahr2007derUS-KongresseinGesetz,welchesdieNationalInstitutesofHealth (NIH)dazuverpflichtet,dassalleNIH-gefördertenWissenschaftlerinnenundWissenschaftlerihrewissenschaftlichenArtikelinnerhalb vonzwölfmonatennachveröffentlichungimonlinearchivpubmedcentral hinterlegtwerdenmüssen.nachschätzungenwerdensojedesjahr90000artikelfreiverfügbargemacht.rundeinehalbemillionmenschengreifentäglich aufdasinzwischenauf2,4millionenartikelangewachseneinformationsarchiv zu.dienihverfolgenhierbeieineversiondes grünen Open-Access-Weges, indessenrahmendiefreieveröffentlichungineinemonlinearchivparallelzum klassischen Subskriptionsmodell verfolgt wird. TrotzwiederholterBemühungenvonderVerlagsindustrienahestehendenPersonen,diesenwichtigenSchrittzurStärkungdesfreienZugangszuwissenschaftlichenErkenntnissenwiederrückgängigzumachen,hatsichdieOpen-Access- PolitikderNIHalsüberzeugenderBeweisfürdieTragfähigkeitvonOpen- Access-Modellen in der öffentlich geförderten Forschung erwiesen. NacheinemausführlichenKonsultations-undBeratungsprozess,indessenRahmen84ProzentderBefragtenäußerten,dassderZugangzuwissenschaftlicher Literaturnichtoptionalsei,undnachpositivenErfahrungenmiteinerbegrenztenOpen-Access-Politikim7.ForschungsrahmenprogrammplantdieEuropäischeKommissionfürdasnächsteForschungsrahmenprogramm Horizont 2020 nunmehreineumfassendeopen-access-politik.abdemjahr2014sollen allewissenschaftlichenbeiträge,diemithilfederfördermittelausdemneuen Programm Horizont2020 zustandegekommensind,freizugänglichgemacht werden.dieeuropäischekommissionhatdenmitgliedstaatenempfohlen,ähnlicheopen-access-vorgabenindasnationalerechteinzuführen.dervorliegende Antrag trägt dieser Empfehlung Rechnung. BereitsimJuli2012hattesichauchdiebritischeRegierungklarzurStärkung vonopenaccessinderwissenschaftbekannt.abapril2013sollenalleveröffentlichungenausöffentlichfinanzierterforschungfreiverfügbargemacht werden.diebritischeregierungnahmhierbeieinenimpulsder Working GrouponExpandingAccesstoPublishedResearchFindings (FinchGroup) auf,diesichimgleichenmonatingroßerklarheitdafüraussprach,dassgroßbritanniendenwandelhinzuopen-access-modellenaktivaufgreifenundgestalten sollte. DeutschlanddarfsichdieserinternationalenEntwicklungnichtdurcheinen restriktivenumgangmitdenergebnissenderöffentlichenforschungsförderungentziehen.wissenschaftundforschunglebenvomfreienaustauschneuer ErkenntnisseundvonderOffenheitwissenschaftlicherKommunikation.GeradedieseOffenheitisteinStandortvorteilgegenüberrestriktivenRegimenund Diktaturen,diedieFreiheitderGedanken,PositionenundArgumentemassiv einschränken.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/12300 Esistnichtmehrtragbar,dassderdeutscheStaatMilliardenbeträgefürdieForschungsförderungaufwendetunddieErgebnissedieserForschungdannentwedernurinteurenFachjournalennachzulesensindoderaberalsgeistigesEigentumvonamjeweiligenForschungsprojektbeteiligtenUnternehmenprivatwirtschaftlichverwertetwerden,ohnedassStaatundGesellschafthierauseinenunmittelbaren Vorteil ziehen können. ZueinemvergleichbarenErgebniskommtdieEnquete-KommissionInternet unddigitalegesellschaft.inihremsechstenzwischenberichtempfiehltdie KommissionderBundesregierung,denBundesländernundWissenschaftsorganisationen, OpenAccessimWissenschaftsbereichumfassendzuunterstützen unddamitdieinnovationskraftimforschungs-undwissenschaftsbereichzu stärken. Darüberhinausempfiehltsie,dass dieöffentlichenhochschulenund Forschungseinrichtungendazuangehaltenunddabeiunterstütztwerden,Open Access-StrategienfürihreEinrichtungenzuerarbeitenbeziehungsweiseihre bestehendeopenaccess-strategiezuaktualisieren,zuveröffentlichensowie MaßnahmenzuderenUmsetzungzubenennenunddurchzuführen.DieFachgesellschaftensindzueineraktivenundgestaltendenOpenAccess-Politikzu ermutigenunddabeizuunterstützen.einwichtigessignalwäreesbeispielsweise,insbesonderediezeitschriften,dievondenfachgesellschaftenselbstherausgegeben werden, Open Access zu publizieren. 1 EinstimmighatdieEnquete-Kommissionbeschlossen,die rechtlichenvoraussetzungenfüropenaccessimwissenschaftsbereichzuverbessern und ein verbindlicheszweitveröffentlichungsrechtfürallewissenschaftlichenbeiträge inperiodikaundsammelbändenanzustreben,dieausüberwiegendmitöffentlichenmittelnfinanzierterlehr-undforschungstätigkeitentstandensind,um sodiefreieunddauerhaftezugänglichmachungiminternetzuermöglichen. IndiesemZusammenhangsollzugleichgeprüftwerden, obundunterwelchen BedingungeneinsolchesZweitveröffentlichungsrechtauchaufandereWerkarten ausgeweitet werden kann. 2 MitBlickaufdievergleichbarenRegelungenimAuslandundaufeuropäischer EbeneempfiehltdieEnquete-Kommissiondarüberhinaus, diezuwendungöffentlichermittelfürforschungsprojekteandierechtlichverpflichtendebedingungzuknüpfen,dassdiedarausentstehenden,qualitätsgesichertenpublikationeninperiodika,sammelbändensowieinbestimmtengattungendersogenanntengrauenliteratur,wieconferenceproceedingsoderarbeitspapiere, zeitnahnachdererstveröffentlichungfreizugänglichgemachtwerden. HierbeiseiangesichtsderEuropäisierungundInternationalisierungderWissenschaftdieVereinheitlichungderentsprechendenRegelungenimeuropäischen Forschungsraumanzustreben.AuchdieRessortforschungseinrichtungendes Bundessollten, soweitmöglich,dazuverpflichtetwerden,dieimrahmenihrerarbeitentstandenenwissenschaftlichenveröffentlichungeninqualitätsgesichertenperiodikaundsammelbändenbisspätestenszwölfmonatenachder ErstveröffentlichungnachdemOpenAccess-Prinzipzugänglichzumachen. SchließlichempfiehltdieEnquete-KommissionInternetunddigitaleGesellschaft, AnreizezuschaffenundSelbstverpflichtungenzufördern,diedazugeeignetsind,OpenAccess-PublikationenauchimRahmenvonprivatfinanzierter Forschung voranzubringen. 3 WievonderEuropäischenKommissionwiederholtundzuRechtfestgestellt, kannderfreiezugangzuwissenschaftlichenergebnissendieleistungs-und 1DeutscherBundestag (2013):SechsterZwischenberichtderEnquete-Kommission Internetunddigitale Gesellschaft Drucksache 17/12029 vom 8. Januar 2013, S. 94. 2 DeutscherBundestag (2013):SechsterZwischenberichtderEnquete-Kommission Internetunddigitale Gesellschaft Drucksache 17/12029 vom 8. Januar 2013, S. 95. 3DeutscherBundestag (2013):SechsterZwischenberichtderEnquete-Kommission Internetunddigitale Gesellschaft Drucksache 17/12029 vom 8. Januar 2013, S. 95.
Drucksache 17/12300 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode InnovationsfähigkeitunsererGesellschaftdeutlichstärken.Hierzusindjedoch einmutigesvorgehenundeinparadigmenwechselinderöffentlichenforschungsförderung geboten. MitdemvorliegendenAntraggreiftderDeutscheBundestagdieeuropäischen InitiativenunddieeinstimmigverabschiedetenEmpfehlungenderEnquete- KommissionInternetunddigitaleGesellschaftaufundleiteteineneuePhase desaustauschesvondaten,wissenunderkenntnissenein.dassignalfüreine freie,transparenteundfürallezugängliche,öffentlichgefördertewissenschaft undforschungwirddeninternationalentrendzuopenaccessweiterverstärken. II. Der Deutsche Bundestag begrüßt: 1.denVorstoßderEuropäischenKommission,alleVeröffentlichungen,diemit HilfederForschungsförderungimRahmenvon Horizont2020 entstehen, nach längstens zwölf Monaten frei zugänglich zu machen; 2.dieZielsetzungderEuropäischenKommission,dassbiszumJahr2016 60ProzentallerveröffentlichtenErgebnisseausöffentlichgeförderterForschung frei zugänglich sein sollen; 3.dieumfassendeBestandsaufnahmezurBedeutungvonOpenAccessim WissenschaftsbereichunddieeinstimmigbeschlossenenEmpfehlungenzur UmsetzungeinesumfassendenOpen-Access-KonzeptesderEnquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1.denImpulsderEuropäischenKommissionunddieEmpfehlungenderEnquete-KommissionInternetunddigitaleGesellschaftaufzunehmenund zügigeinkonzeptzurumsetzungeinermodernenopen-access-politikfür dieöffentlichfinanzierteforschungsförderungvorzulegen.dieseneueförderpolitik soll sich an folgenden Zielsetzungen orientieren: a)allemitmittelnderöffentlichfinanziertenförderungvonforschungsprojektenerzieltenundveröffentlichtenergebnissenacheinerausreichendenembargofristvonlängstenszwölfmonatenfreizugänglichzu machen; b)veröffentlichteforschungsergebnissedereinrichtungenderressortforschungnacheinerausreichendenembargofristvonzwölfmonatenfrei zugänglich zu machen; c)diefinanzierungderaußeruniversitärenforschungseinrichtungenmittelfristigdavonabhängigzumachen,dassdieveröffentlichtenergebnisse dereinrichtungennacheinerausreichendenembargofristvonlängstens zwölf Monaten frei zugänglich gemacht werden; d)diebereitsimansatzvorhandeneninfrastrukturen,dieeineeinfacherecherchenachergebnissenöffentlichgeförderterforschunginanlehnung andaspubmed-konzeptermöglichen,deutlichauszubauenundweiterzu entwickeln; 2.dierechtlichenVoraussetzungenfürOpenAccessimWissenschaftsbereich zu schaffen. Hierzu zählen insbesondere a)dieschaffungeinesverbindlichenzweitveröffentlichungsrechtesfüralle wissenschaftlichenbeiträgeinperiodikaundsammelbänden,dieaus überwiegendmitöffentlichenmittelnfinanzierterlehr-undforschungstätigkeitentstandensind,umsodiefreieunddauerhaftezugänglichmachung im Internet zu ermöglichen;
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/12300 b)diewissenschaftlichenurheberinnenundurhebersollenihrewerkeformatgleichnachablaufeinerangemessenenfristseitdererstveröffentlichung frei zugänglich machen können; c)beiderschaffungdieserrechtlichenvoraussetzungensollzugleichgeprüftwerden,obundunterwelchenbedingungeneinsolcheszweitveröffentlichungsrechtauchaufanderewerkartenausgeweitetwerdenkann; 3.zurVorbereitungdesKonzeptsumgehendineinenDiskussionsprozessmit denbeteiligteninteressengruppensowiederinteressiertenöffentlichkeit einzusteigenmitdemziel,einenmöglichstbreitenkonsensfürdiekonkrete Ausgestaltung der neuen Open-Access-Politik zu erzielen; 4.gegenüberanderenEinrichtungenderForschungsförderungwieetwagegenüberStiftungenundAkademienfüreineUmsetzungvonOpen-Access-Vorgaben in den Förderrichtlinien zu werben; 5.überdievorliegendeInitiativehinausdieEntwicklungvonneuenStrukturen undansätzenzurnutzungneuermedieninwissenschaftundforschung langfristig und nachhaltig zu fördern. Berlin, den 20. Februar 2013 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
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