über die Entgleisung einer Lok Bm 840 (Bm 4/4) von SBB Cargo

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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Jean Gross 14. September 2009 Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Entgleisung einer Lok Bm 840 (Bm 4/4) von SBB Cargo vom Montag, 08. Juni 2009 in Zürich Wollishofen Jean Gross Utikonerstr Schlieren Tel , Fax jean.gross@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Montag, 08. Juni 2009 um ca Uhr entgleiste die Lok Bm 840 (Bm 4/4) von SBB Cargo bei einer gezogenen Rangierfahrt in Gleis 72 im Bahnhof Zürich Wollishofen. Vorgängig schob die Lok den Prellbock über das Gleisende hinaus. In der Folge stürzte dieser in die Personenunterführung Bachstrasse. Verletzt wurde niemand. Am Rollmaterial von SBB Cargo sowie an den Infrastrukturanlagen von SBB Infrastruktur entstand Sachschaden. Bahnhof Zürich Wollishofen Ereignisstelle 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der Pikettdienst leistende Mitarbeiter der UUS, Joseph Zeder, informierte den in der Nähe wohnenden Untersuchungsleiter Jean Gross, welcher unverzüglich an den Unfallort ausrückte. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte In der Nacht Sonntag/Montag, 07./08. Juni 2009 formierten Mitarbeiter von SBB Cargo in Zürich Wollishofen die Extrazüge für den Cirkus Knie. Die Rangierfahrten führten Seite Kilchberg in der Regel (je nach Anzahl Achsen) nach Gleis 83 (Streckengleis). 2/10

3 1.2 Verlauf der Fahrt Die letzte Rangierfahrt erfolgte mit einem angehängten und an die Luftbremse angeschlossenen Wagen. Der Rangierleiter (Rgl) verlangte beim Fahrdienstleiter (Fdl) in Zürich ZSW (Zentralstellwerk) die Fahrstrasse von Gleis 1 via Gleis 72 nach Gleis 2. Nachdem das Zwergsignal 21 Fahrt signalisierte, erteilte der Rgl dem Lokführer (Lf) den Befehl Lok 1 vorwärts Gleis 72. Der Lf quittierte den Befehl und beschleunigte auf ca. 28 km/h. Er befand sich auf der rechten Seite des Führerstandes (Seite mit Führerbremsventil). Das Zwergsignal 62A signalisierte Fahrt mit Vorsicht. Da der Lf annahm, dass die Fahrt wie bis anhin nach Gleis 83 führen würde, behielt er die Geschwindigkeit bei. Als er auf Augenhöhe Aeste und Büsche im Lichtraumprofil der Lok bemerkte, realisierte er, dass er nicht Richtung Gleis 83 sondern Richtung Gleis 72 fuhr. Er leitete sofort eine Schnellbremsung ein. In der Folge fuhr die Lok auf den Prellbock auf und schob diesen über das Gleisende hinaus. Der Prellbock wurde durch den Aufprall deformiert und stürzte in die angrenzende Personenunterführung. Die vordere Achse des ersten Drehgestells entgleiste und ragte in die Unterführung. Verletzt wurde niemand. Am Rollmaterial sowie an den Infrastrukturanlagen entstand Sachschaden. Foto 1 Endlage der entgleisten Lok Bm 840 (Bm 4/4) Foto 2 Foto 3 Ueberreste des Prellbocks in der Unterführung Detailaufnahme 3/10

4 1.3 Personenschäden Beim Ereignis kamen keine Personen zu Schaden. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Infrastrukturanlagen: An den Infrastrukturanlagen der SBB AG (Gleis, Unterführung) entstanden Schäden in der Höhe von ca. Fr. 40' Rollmaterial: Am Rollmaterial von SBB Cargo entstand Sachschaden in der Höhe von ca. Fr. 7' Beteiligte Personen Lokpersonal Lokführer SBB Cargo, Depot RB Limmattal, BAV-Ausweis Nr. Kat. D. Rangierleiter / Rangierer Mitarbeiter RCP; G-CH-PNO, Zürich 1.6 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Zugskomposition: Triebfahrzeug: Schweizerische Bundesbahnen, Division Güterverkehr, Elsässertor, Centralbahnstr. 4, 4065 Basel Rangierbewegung, Lok Bm 840 (Bm 4/4) und ein Güterwagen. Bm 840 (Bm 4/4) Nr und ein Güterwagen (beladen) des Typs Lls Nr , an der Luftbremse angeschlossen. 1.7 Strassenfahrzeuge Strassenfahrzeuge waren keine am Ereignis beteiligt. 1.8 Wetter, Schienenzustand Nacht. Wolkenlos, +12º. Schienen trocken. Künstliche Beleuchtung (Hochlampen). 1.9 Bahnsicherungssysteme Der Bahnhof Zürich Wollishofen ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Simis C (mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen) ausgerüstet. Das Triebfahrzeug ist mit der elektronischen Sicherheitssteuerung und mit der automatischen Zugsicherung mit Magnetfeldsonde ausgerüstet. Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Sie sind für den Verlauf des Ereignisses nicht relevant Zug- und Rangierfunk Die Funkgespräche zwischen Lf und Rgl erfolgten mittels SBB-Analogfunkgeräten. Die Funkgespräche werden nicht aufgezeichnet Bahnanlagen Der Bahnhof Zürich Wollishofen besteht aus einer mehrgleisigen Anlage. Die Gleise 3 und 4 sind durch einen schienenfrei zugänglichen Zwischenperron erschlossen und dienen dem Personenverkehr. Gleisplan siehe Anlage 1. 4/10

5 1.12 Fahrdatenschreiber Die Lok Bm 840 (Bm 4/4) Nr ist mit einem Geschwindigkeitsmesser Hasler Modell RT 12 mit Registrier-Farbscheibe und einem Registrierstreifen ausgerüstet. Die Fahrdaten wurden durch die Verkehrsunternehmung entnommen und durch die Polizei und die UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lf unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von ca. 28 km/h gefahren ist und somit die für den Rangierdienst vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht überschritten hat (Anlage 2). Als der Lokführer bemerkte, dass er sich in Gleis 72 befand, hat er die Schnellbremsung unverzüglich eingeleitet Befunde an den Bahnfahrzeugen Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. In der Unterhaltsanlage von SBB Cargo im Rangierbahnhof Limmattal wurden auf Verlangen der UUS mit der Lok Bm Bremsversuche durchgeführt. Die Bremsen funktionierten normal, es konnten keine vorbestandenen Fehlfunktionen festgestellt werden Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Lokführer fühlte sich bei Dienstantritt fit. Durch die Polizei wurde beim Lokführer ein Atemlufttest durchgeführt. Resultat: 0, Feuer Beim Ereignis trat kein Feuer auf Informationen über Organisation und Verfahren Die nötigen Anweisungen für die Formation und das Verkehren der Extrazüge für den Circus Knie wurden durch eine Anordnung von SBB Infrastruktur (Z 21691) dem beteiligten Personal von SBB Cargo bekannt gegeben. Das Zirkular liegt der UUS vor Verschiedenes - Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Stadtpolizei Zürich untersucht. - Bei der Untersuchung des Ereignisses durch die UUS sind bei den Mitarbeitern der Verkehrs- und Infrastrukturunternehmungen keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches - Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. - Die Bremsen der Lok Bm 840 (Bm 4/4) Nr funktionierten nach Aussage des Lokführers bis zum Ereignis einwandfrei. Die Schnellbremsung wurde durch den Lokführer beim Erkennen des Zielgleises unverzüglich eingeleitet, konnte die Rangierbewegung aber nicht mehr vor dem Prellbock zum Stillstand bringen. 5/10

6 - Die am 11. Juni 2009 durchgeführten Bremsversuche mit der am Ereignis beteiligten Lok Bm 840 (Bm 4/4) Nr ergab keine Hinweise auf ein allfälliges Bremsversagen. - Die Bahnsicherungsanlagen funktionierten einwandfrei. Das Zwergsignal ZS 62A signalisierte den Begriff Fahrt mit Vorsicht (FDV Signale, 2.4.5; Anlage 3). 2.2 Betriebliches - Der Rangierleiter hat beim Zentralstellwerk Zürich eine Rangierfahrstrasse von Gleis 1 via Gleis 72 nach Gleis 2 verlangt. - Der Lokführer hat den Fahrbefehl des Rangierleiters richtig quittiert. Da bei den vorangegangenen Rangierfahrten wegen der Anzahl angehängter Güterwagen die Fahrstrassen jeweils nach Gleis 83 (Richtung Streckengleis Kilchberg) führten, war der Lokführer trotz seiner (richtigen) Quittierung der Fahrstrasse am Funk der Meinung, dass er wiederum Richtung Gleis 83 fahren würde. Er bemerkte seinen Irrtum erst, als Aeste ins Lichtraumprofil der Rangierlok ragten. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge ergab keine Beanstandungen. - Die Bahnsicherungsanlagen funktionierten einwandfrei. - Der Rangierleiter hat die Rangierfahrstrasse von Gleis 1 nach Gleis 2 via Gleis 72 beim Fernsteuerzentrum Zürich verlangt. - Beim Erteilen des Fahrbefehls hat der Rangierleiter dem Lokführer die Fahrstrasse von Gleis 1 nach Gleis 72 am Funk ausdrücklich erwähnt. Der Lokführer hat dem Rangierleiter diese Fahrstrasse am Funk quittiert. 3.2 Ursache Fehlinterpretation des Fahrweges und des Fahrbegriffs Fahrt mit Vorsicht des Zwergsignals 62A (FDV 300.2, 2.4.5; Anlage 3). 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Keine. Die Untersuchung wurde von Jean Gross geführt. Schlieren, 14. September 2009 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Jean Gross Untersuchungsleiter Fotos: UUS/grj 6/10

7 Anlage 1 Gleisplan Zürich Wollishofen Unterführung Blaue Pfeile: Rangierfahrt Ereignisstelle Gleis 72/Unterführung 7/10

8 Anlage 2 Fahrdaten Rangierfahrt mit Lok Bm 840 (Bm 4/4) Nr Zürich Wollishofen Gleis 1 Fahrgeschwindigkeit ca. 28 km/h Einleiten Schnellbremsung 8/10

9 Anlage 3 Auszug aus den Schweizerischen Fahrdienstvorschriften FDV R Signale 2.4 Zwergsignale Allgemeines Zwergsignale dienen der Regelung von Rangierbewegungen sowie dem gegenseitigen Schutz von Rangierbewegungen unter sich oder gegen Zugfahrten. Zwergsignale sind mit einer Zahl und einem Buchstaben gekennzeichnet Gültigkeit und Aufstellung der Zwergsignale Die Zwergsignale stehen bei den Gleisfreimeldeeinrichtungen. Im Bereich einer Weiche sind die Signale so aufgestellt, dass die Gleiszugehörigkeit eindeutig ersichtlich ist. Unabhängig von Weichen sind Zwergsignale zur Deckung von Bahnüberganganlagen und zur Unterteilung langer Gleise aufgestellt. Zwergsignale befinden sich in Bodennähe. Sie können ausnahmsweise erhöht, z.b. an einem Mast, angebracht werden oder seitenverkehrt aufgestellt sein. Rechtsaufstellung der Zwergsignale Bei Rechtsaufstellung weist auf der Vorderseite ein leuchtender Pfeil auf das zugehörige Gleis Rückseite der Zwergsignale Auf der Rückseite der Zwergsignale weist ein aufgemalter weisser Pfeil auf das zugehörige Gleis. Zeigt das Zwergsignal Fahrt oder Fahrt mit Vorsicht, ist dies an einem weissen schrägen Lichtstreifen (Rücklicht) erkennbar. Im Drei- und Vierschienengleis kann das Zwergsignal mit einem leuchtenden N (Normalspur) bzw. S (Schmalspur) ergänzt sein. Die Zustimmung gilt in diesem Fall nur für Fahrzeuge der entsprechenden Spurweite Zwergsignale in Zugfahrstrassen Zwergsignale zeigen bei eingestellter Zugfahrstrasse Fahrt. Signalisiert ein Haupt- oder Sperrsignal Halt, zeigt das vorausgehende Zwergsignal Fahrt mit Vorsicht Letztes Zwergsignal gegen die Strecke Bei einer Zugfahrt zeigt das letzte Zwergsignal Fahrt, bei einer Rangierbewegung Fahrt mit Vorsicht. 9/10

10 2.4.5 Signalisierung an Zwergsignalen Begriff Halt Bedeutung Halt vor dem Signal Beziehung zu andern Signalen Ein vorausgehendes Zwergsignal zeigt Fahrt mit Vorsicht Begriff Fahrt mit Vorsicht Bedeutung Beginn oder Fortsetzung der Fahrt. Unmittelbar nach dem Zwergsignal muss mit einem Hindernis gerechnet werden Beziehung zu andern Signalen Das nächste Zwergsignal zeigt Halt, Fahrt mit Vorsicht oder es folgt kein weiteres Zwergsignal Begriff Fahrt Bedeutung Beginn oder Fortsetzung der Fahrt Beziehung zu andern Signalen Das nächste Zwergsignal zeigt Fahrt oder Fahrt mit Vorsicht 10/10