in Herzogenbuchsee, Anschlussgleis UFA

Transkript

1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Jean Gross 17. Juni 2010 Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Entgleisung eines Güterwagens vom Mittwoch, 07. April 2010 in Herzogenbuchsee, Anschlussgleis UFA Jean Gross Utikonerstr Schlieren Tel , Fax jean.gross@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Mittwoch, 07. April 2010 um ca Uhr entgleiste der vorderste Güterwagen einer geschobenen Rangierbewegung auf der Handweiche 130 in der Anschlussgleisgruppe der Firma UFA. Verletzt wurde niemand. An den Infrastrukturanlagen der UFA sowie am Rollmaterial von SBB Cargo AG entstand Sachschaden. Entgleisungsstelle Handweiche Weiche 130 Gelber Pfeil = Fahrrichtung Rangierbewegung 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Aufgrund der unklaren Entgleisungsursache rückte der Untersuchungsleiter Jean Gross an den Unfallort aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Der Rangier von SBB Cargo hatte den Auftrag, die mit Bestimmung UFA in Güterzug um Uhr angekommen Wagen auszurangieren. Die 13 Wagen wurden für die Ueberfuhr nach Gleis 655 UFA bereitgestellt, die Rangierlok Tm IV Seite Bahnhof Herzogenbuchsee angekuppelt. 2/11

3 1.2 Verlauf der Fahrt Gemäss Aussage des RCP-Spezialisten VTLCB (in der Funktion Rangierleiter/Lokführer mit Funkfernsteuerung der Rangierlok) wurde vor Abfahrt der geschobenen Rangierfahrt eine Rangierbremsprobe durchgeführt. Die Lok Tm IV Nr wurde durch den RCP-Spezialisten mittels Funkfernsteuerung fernbedient. Er befand sich auf dem hinteren Trittbrett links des ersten Wagens. Bei der Einfahrt in das Anschlussgleis UFA betrug die Fahrgeschwindigkeit 10 km/h (Anlage 2). Aus seiner Position erkannte er das Weichensignal in der Stellung links (Ablenkung Richtung Gleis 655). Die Stellung der Weichenzungen konnte er von seiner Position aus nur schlecht erkennen, stellte aber keine offensichtliche Unregelmässigkeit fest. Nach dem Befahren der Weichenzunge bemerkte er ein Rumpeln. Er sprang ab und leitete sofort eine Schnellbremsung ein, konnte aber die Entgleisung des ersten Wagens nicht verhindern. Foto 1 Foto 2 Entgleister Tgpps 1.3 Personenschäden Beim Ereignis kamen keine Personen zu Schaden. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Rollmaterial: Am Rollmaterial der SBB Cargo AG entstand ein Sachschaden in der Höhe von ca. Fr. 10' Sachschäden Dritter An den Infrastrukturanlagen der UFA entstanden Schäden in der Höhe von ca. Fr. 20' Beteiligte Personen Lokpersonal / Rangierleiter, RCP-Spezialist VTLCB SBB Cargo Herzogenbuchsee. 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Zugskomposition: SBB Cargo AG, Elsässertor, Centralbahnstr. 4, 4065 Basel) Rangierlok Tm IV und 13 Wagen / 38 Achsen, 670 t (an Luftbremse angeschlossen). Geschobene Rangierfahrt mit Funkfernsteuerung durch den RCP-Spezialisten. 3/11

4 Triebfahrzeug: Tm IV Nr Ausgeschaltete Bremsapparate: Keine 1.8 Strassenfahrzeuge Strassenfahrzeuge waren keine am Ereignis beteiligt. 1.9 Wetter, Schienenzustand Tag, sonnig. Schienen trocken Bahnsicherungssysteme Das Anschlussgleisareal der Firma UFA Herzogenbuchsee ist mit Handweichen ausgerüstet. Die Weichen werden nach Bedarf durch das Rangierpersonal umgestellt Zug- und Rangierfunk Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant Bahnanlagen Die Firma UFA verfügt auf ihrem Areal über ein grösseres Netz an Anschlussgleisen. Die Weichen sind als Handweichen ausgebildet. Die Weiche 24 kann nur unter Verwendung eines Schlüssels bedient werden (Gleisplan siehe Anlage 1) Fahrdatenschreiber Die Lok Tm IV Nr ist mit einem Geschwindigkeitsmesser Hasler Modell RT 12 mit einer Registrier-Farbscheibe ausgerüstet. Die Fahrdaten wurden durch die UUS ausgewertet. Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lf unmittelbar vor dem Ereignis mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h gefahren ist und somit die für diesen Streckenabschnitt vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h nicht überschritten hat. Der Lokführer hat die Schnellbremsung unverzüglich eingeleitet, der Anhalteweg betrug 25 m Befunde an den Bahnfahrzeugen Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Mitarbeiter von SBB Cargo fühlte sich bei Dienstantritt fit Feuer Beim Ereignis trat kein Feuer auf Informationen über Organisation und Verfahren Bei der ausgeführten Rangierbewegung handelt es sich um eine Fahrt, welche regelmässig durchgeführt wird und deren Ablauf dem beteiligten Personal von SBB Cargo geläufig ist. 4/11

5 1.18 Spezielle Untersuchungen Die Handweiche 130 wies bei Ankunft des Untersuchungsleiters folgende Stellung auf (Fotos 3-6): - Die Weiche wie auch die beweglichen Teile am Gestängeweichenhebel der Weiche 130 waren sehr gut geschmiert. - Die Weichenzungen befanden sich in ablenkender Stellung, die Zunge rechts lag an der Stockschiene an. - Der Hebelgriff befand sich in der Stellung unten (Ablenkung). - Die Plombe war abgerissen. - Die Aufscherstellung des Antriebsrades war gut erkennbar. - Der Spitzenverschluss befand sich nicht in einer Endstellung. Foto 3 Foto 4 Stellung Weichenzunge nach der Entgleisung Stellung der Handweiche 130 Foto 5 Foto 6 Weichenhebel mit ausgeschertem Antriebsrad und abgerissener Plombe Stellung Spitzenverschluss 5/11

6 1.19 Verschiedenes - Bei der Untersuchung des Ereignisses durch die UUS sind beim Mitarbeiter von SBB Cargo keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. - Gemäss Aussage des RCP wird das Areal der Firma UFA immer wieder durch Unbefugte betreten. Aufgrund diverser Vorkommnisse war die Handweiche 24 (Seite Bahnhof Herzogenbuchsee) mit einem Weichenschloss versehen worden. - Die letzten Rangierfahrten durch SBB Cargo wie auch durch das Personal der Firma UFA waren am Gründonnerstag, 1. April erfolgt. Am Dienstag, 06. April erfolgten nach Auskunft von SBB Cargo wie auch vom Vertreter der UFA keine Rangierbewegungen. - Gemäss Auskunft des RCP wies die Handweiche 131 am Mittwoch, 07. April eine andere Stellung als am Gründonnerstag, 01. April 2010 bei Abschluss der Rangierbewegungen im Anschlussgleis auf. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches - Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. - Die Gleisanlagen befinden sich ausser den entgleisungsbedingten Schäden in einem guten Zustand. - Die Handweiche 130 wies bei Ankunft des Untersuchungsleiters UUS die typischen Anzeichen einer vorgängig erfolgten Aufschneidung auf. 2.2 Betriebliches - Der RCP- Spezialist befand sich korrekt auf dem in Fahrrichtung vordersten Trittbrett links. Das Trittbrett wie auch die Plattform des Wagens befanden sich aber Seite Bahnhof Herzogenbuchsee, die Sicht des RCP-Spezialisten auf den Fahrweg war entsprechend eingeschränkt. Er konnte die Stellung der Weichenbilder gut erkennen. Eine Sicht auf die Stellung der Weichenzungen war durch den Aufbau des Güterwagens stark eingeschränkt. - Die Ursache der vorgängigen Weichenaufschneidung konnte durch die UUS nicht ermittelt werden. Aufgrund der vorliegenden Aussagen muss diese Aufschneidung in der Karwoche erfolgt und vom verursachenden Personal nicht erkannt worden sein. Möglicherweise war die Weiche durch Dritte vor der Aufschneidung umgelegt worden. - Der RCP-Spezialist hat die vorgeschriebene Fahrgeschwindigkeit von 10 km/h im Anschlussgleis UFA nicht überschritten. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge ergab keine Beanstandungen. - Die Bahnanlagen befinden sich (ausser den entgleisungsbedingten Schäden) in einem guten Zustand. Die Weichen und die Umstellvorrichtungen sind geschmiert. - Die geschobene Rangierfahrt wurde vom Mitarbeiter von SBB Cargo (RCP) per Funkfernsteuerung geführt. Sein Standort war das vorderste Trittbrett links. Die Plattform und das Trittbrett befanden sich am hinteren Wagenende. Von diesem Standort aus konnte der RCP die Stellung des Weichenbildes der Handweiche 130 gut erkennen. Die Stellung der Weichenzungen hingegen konnte von seinem Standort aus nicht erkannt werden. 6/11

7 - Die Rangierfahrt hat die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 10 km/h im Anschlussgleis UFA nicht überschritten. 3.2 Ursache Die Entgleisung des beladenen Güterwagens des Typs Tgpps ist darauf zurückzuführen, dass sich die Handweiche 130 infolge einer vorgängig erfolgten Aufschneidung nicht in einer gesicherten Endlage befand. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Die UUS empfiehlt, die viel befahrenen Handweichen 130 und 131 im Anschlussgleis UFA mit einer Schlosssicherung zu versehen. Die Anschlussgleisbesitzerin UFA prüft das Nachrüsten der Handweichen 130 und 131 mit Weichenschlössern. Die Untersuchung wurde von Jean Gross geführt. Schlieren, 17. Juni 2010 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Jean Gross Untersuchungsleiter Fotos: UUS/grj 7/11

8 Anlage 1 Gleisplan Anschlussgleisanlage UFA Herzogenbuchsee 8/11

9 Anlage 2 Fahrdaten Lok Tm IV /11

10 Anlage 3 Wagenliste Rangierbewegung 10/11

11 Anlage 4 Auszug aus den Schweizerischen Fahrdienstvorschriften FDV SR FDV 3004 Rangierbewegungen 2.6 Beobachten des Fahrweges Grundsatz Das Beobachten des Fahrweges während der Fahrt obliegt dem Rangierleiter. Er hat seinen Standort so zu wählen, dass er den Fahrweg überblicken und die Signale einwandfrei beobachten kann. Nach einem Fahrt mit Vorsicht zeigenden Zwergsignal oder in Anlagen ohne Zwergsignale muss vor einem Schienenfahrzeug angehalten werden können Höchstgeschwindigkeiten in Anschlussgleisen Die Höchstgeschwindigkeit in Anschlussgleisen im Bahnhof und ab der Strecke beträgt 10 km/h. Gelten höhere Geschwindigkeiten oder werden Bereiche nach den Vorschriften für den Strassenbahnbetrieb befahren, sind diese in den Betriebsvorschriften der Infrastrukturbetreiberin aufzuführen 11/11