Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe

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1 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Département fédéral de l Environnement, des Transports, de l Energie et de la Communication Dipartimento federale dell Ambiente, dei Trasporti, dell Energia e delle Comunicazioni Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications U V E K E T E C A T E C E T E C Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U U S Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe über den Starkstromunfall in Bülach, Gleis 7-37 am Sonntag, 28. November 2004 Telephon Telefax Adresse +41 (0) (0) jean.gross@gs-uvek.admin.ch Stützpunkt Ost +41 (0) (0) Uitikonerstr. 9, CH 8952 Schlieren +41 (0)

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am frühen Sonntagmorgen, 28. November 2004 um Uhr kam es in Bülach, Gleis 7-37 zu einem Starkstromunfall. Ein junger Mann bestieg unberechtigterweise einen abgestellten Güterwagen. Bei der Annäherung an die Fahrleitung (15'000 V, 16 2/3 Hz) kam es zu einem Ueberschlag. Der junge Mann erlitt einen heftigen Stromschlag und wurde auf den Boden geschleudert. Er erlitt bei diesem Vorfall schwere Brand- und - als Folge des Sturzes - weitere Verletzungen. Bahnhof Bülach 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um Uhr durch die Meldestelle REGA über das Ereignis informiert. Der Untersuchungsleiter Jean Gross rückte unverzüglich an den Unfallort aus. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Im Glasi -Areal fand in der Nacht Samstag/Sonntag 27./28. November 2004 eine grosse Party statt. Etliche der Besucher reisen jeweils mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu diesen Anlässen in den Gebäulichkeiten der ehemaligen Glaswarenfabrik an. Der direkteste Weg vom Stadtzentrum Bülach ins Glasi -Areal führt über den Bahnhof SBB Bülach Bahnhofgebäude - Gleise Freiverladegelände. Da es dadurch im Bereich der Karrenüberfahrt Bahnhof Freiverlad (Gleise immer wieder zum unberechtigten Ueberschreiten der Gleisanlagen kommt, werden über das Wochenede im Gleis 37 jeweils Güterwagen abgestellt. In der Nacht Samstag/Sonntag, 27./28. November 2004 waren im Gleis 7-37 im Bereich der Karrenüberfahrt sechs Güterwagen der Typen Uacs und Ucs (Spezialwagen für den Zementtransport in loser Form) abgestellt. 2

3 Glasi -Areal Bahnhof 1.2 Verlauf des Ereignisses Der junge Mann überquerte kurz vor Uhr bei der Karrenüberfahrt die Gleise 4-6. Er bestieg den in Gleis 7-37 stehenden Güterwagen Uacs Nr Dazu benutzte er die bei der Bremsplattform fest angebrachte Leiter. Bei der Annäherung an die eingeschaltete Fahrleitung (15'000 V, 16 2/3 Hz) kam es zu einem Ueberschlag. Der junge Mann erlitt einen heftigen Stromschlag. In der Folge wurde er auf den Boden zwischen den Gleisen 6 und 7-37 geschleudert und wurde schwer verletzt. Bild 1 Unfallstelle zwischen den Gleisen 6 und Die Endlage des Verunfallten ist markiert. 3

4 1.3 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Schwer verletzt: Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Infrastrukturanlagen SBB: An den Infrastrukturanlagen der SBB AG entstanden keine nennenswerten Schäden. Rollmaterial: Im Dachbereich des Güterwagens des Typs Uacs waren Spuren des Kurzschlusses sichtbar. 1.5 Sachschäden Dritter Ueber weitere Sachschäden Dritter ist nichts bekannt. 1.6 Beteiligte Personen Bahnpersonal: Am Ereignis war kein Bahnpersonal beteiligt, der Bahnhof Bülach war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht bedient. Dritte Ein junger Mann, der beim Ereignis schwere Verletzungen erlitt. 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Güterwagen: Holcim AG, Typ Uacs Nr , beladen. 1.8 Strassenfahrzeuge Strassenfahrzeuge waren keine am Ereignis beteiligt. 1.9 Wetter, Schienenzustand Nacht, stark neblig. Schienen feucht. Grosse Luftfeuchtigkeit Bahnsicherungssysteme Der Bahnhof Bülach ist mit einer Sicherungsanlage des Typs Integra-Domino 67 mit gesicherten Rangierfahrstrassen und Zwergsignalen ausgerüstet. Die Steuerung der Fahrleitungsanlagen erfolgt im Bedarfsfall von der Kreisleitstelle in Zürich oder vom Ortsstelltisch in Bülach aus. Die Bahnsicherungssysteme haben normal funktioniert. Sie sind für den Verlauf des Ereignisses nicht relevant Zug- und Rangierfunk Zum Zeitpunkt des Ereignisses herrschte weder Zugsverkehr noch fanden Rangierfahrten statt. Der Bahnhof Bülach war fahrdienstlich nicht besetzt, Funkgespräche wurden keine durchgeführt. 4

5 1.12 Bahnanlagen Der Bahnhof Bülach besteht aus mehreren Bahnhofteilen. Die Gleise 4 6 dienen dem Verkehr von und nach Winterthur. Gleis 7 37 ist ebenfalls für signalmässige Ein- und Ausfahrten eingerichtet. Die Fahrleitungsanlage von Gleis 7 37 ist mit der Fahrleitung von Gleis 6 verbunden und kann nur zusammen geschaltet werden (siehe Anlage 1, Schaltplan Bülach). Sicht vom Zwischenperron Richtung Bahnhofgebäude und Unfallstelle. Bild 2 Der Verunfallte hat die Karrenüberfahrt benutzt und den Güterwagen in Gleis 7-37 bestiegen. Bild 3 Die Verbotstafel Ueberschreiten der Gleise verboten ist gut sichtbar. 5

6 1.13 Befunde an den Bahnfahrzeugen Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Güterwagens durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. Beim beladenen Güterwagen Nr des Typs Uacs handelt es sich um ein vierachsiges Fahrzeug mit einem Kessel für den Transport von Zement in loser Form. Seite Eglisau war eine Bremsplattform angeordnet. Von dieser Plattform aus führt eine Leiter auf das Dach des Wagens, um zum Dom gelangen zu können. In der Mitte der Leiter ist aus Sicherheitsgründen eine Abdeckung angebracht. Diese Abdeckung kann durch das Lösen eines Riegels geöffnet werden. Warnschilder an der Stirnseite des Kessels und auf der geöffneten Abdeckung weisen auf die Gefahren der Fahrdrahtspannung beim Besteigen des Wagens hin. Vom oberen Ende der Leiter aus führt ein Gitterrost zu den Dachöffnungen. Der Abstand zwischen dem Gitterrost und der Fahrleitung betrug ca. 1 m. Nach dem Ereignis wurde die Abdeckung in verschlossenem Zustand aufgefunden, der Verunfallte muss demnach über die geschlossene Abdeckung hinweg auf das Wagendach gestiegen sein. Bild 4 Bremsplattform Warnschild Leiter Abdeckung Bild 5 Verriegelung der Abdeckung. 6

7 1.14 Feuer Bei der Annäherung an die unter Spannung stehende Fahrleitung (15'000 V, 16 2/3 Hz) durch den Verunfallten kam es zu einem Ueberschlag. Offenes Feuer entstand nicht. Der Sicherheitsabstand bei einer Spannung von 15'000 V beträgt 15 cm (1 cm pro 1000 V). Bei einem geringeren Abstand besteht die Gefahr eines Ueberschlages. In der Ereignisnacht herrschte dichter Nebel. Die damit verbundene Feuchtigkeit begünstigte das Entstehen eines Stromüberschlages (Lichtbogen) zusätzlich Ueberlebensmöglichkeiten Aufgrund der Tatsache, dass der Verunfallte den Güterwagen bei eingeschalteter Fahrleitung unberechtigterweise bestiegen hat, der Fahrdraht unter Spannung stand, durch den dichten Nebel eine grosse Luftfeuchtigkeit herrschte und der Fahrdraht sich ca. 1 m über dem Gitterrost auf dem Wagendach befand, konnte ein Stromüberschlag kaum vermieden werden Besondere Untersuchungen Das Ereignis wurde durch die Kantonspolizei Zürich aufgenommen Informationen über Organisation und Verfahren Die Güterwagen (Spezialwagen für Zementtransporte in loser Schüttung) werden regelmässig über das Wochenende in Bülach Gleis 7 37 abgestellt Verschiedenes Gemäss Aussage des Bahnhofpersonals wird die Karrenüberfahrt oftmals nachts durch Unbefugte als Abkürzung auf dem Weg von der Stadt bzw. vom Bahnhof zu Anlässen auf dem Glasi -Areal benutzt. Aus diesem Grunde wurde Seite Freiverlad eine Absperrung angebracht. Als zusätzliche Absperrung wurden die abgestellten Güterwagen verwendet. Bild 6 Karrenüberfahrt Seite Freiverlad mit Absperrung 7

8 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches - Die visuelle Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. - Die Leiter von der Bremsplattform zum Wagendach ist durch eine Abdeckung gegen das unbefugte Besteigen gesichert. Die Abdeckung war korrekt angebracht und gesichert sowie vorschriftsgemäss mit Hinweispiktogrammen versehen (Bilder 4, 5). 2.2 Betriebliches - Beim Karrenübergang von Gleis 4 nach Gleis 8 38 sind Warnschilder mit dem Verbot des Ueberschreitens der Gleise angebracht (Bild 3). - Seite Freiverlad ist die Karrenüberfahrt durch eine Kette abgesperrt. - Auf der Stirnseite des Kessels bei der Bremsplattform, unmittelbar neben der Leiter, sind Warnschilder, welche auf die Gefahren des elektrischen Stromes hinweisen, angebracht (Bild 4). 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Güterwagens durch den Untersuchungsleiter ergab keine Beanstandungen. - Die Karrenüberfahrt ist korrekt mit dem Verbot zum Ueberschreiten der Gleise gekennzeichnet (Bild 3). - Die Leiter von der Bremsplattform auf das Wagendach ist mit einer Abdeckung versehen (Bilder 4, 5). - Im Bereich der Leiter ist eine Warntafeln über die Gefahren des elektrischen Stromes angebracht (Bild 4). 3.2 Ursache Das Ereignis ist auf das unbefugte Besteigen des Güterwagens und der Annäherung an den stromführenden Fahrdraht durch den Verunfallten zurückzuführen. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Keine Die Untersuchung wurde von Jean Gross geführt. Schlieren, 28. Februar 2005 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Jean Gross Untersuchungsleiter Fotos: UUS/grj 8

9 Anlage 1 Schaltplan Bülach (Auszug) 9