Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe

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1 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Département fédéral de l Environnement, des Transports, de l Energie et de la Communication Dipartimento federale dell Ambiente, dei Trasporti, dell Energia e delle Comunicazioni Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications U V E K E T E C A T E C E T E C Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U U S Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle für Bahnen und Schiffe Über den Unfall In Oberentfelden beim Bahnübergang km am Samstag 16. Oktober 2004 Telephon Telefax Adresse +41 (0) (0) walter.kobelt@gs-uvek.admin.ch Schwarztorstr (0) / 9 CH-3003 Bern

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Samstag 16. Oktober 2004 um ca Uhr wurde auf dem unbewachten, mit Andreaskreuz gesicherten, Privat-Niveau-Uebergang km Schürlimatt, Strecke Oberentfelden Kölliken, ein Motorrad vom Regionalzug 6479 erfasst. Das Motorrad war durch zwei Jugendliche besetzt, welche weggeschleudert wurden und dabei tödliche Verletzungen erlitten. Ca. 213 m nach erfolgter Kollision kam der Zug zum Stillstand. 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle wurde durch die Meldestelle (REGA) um Uhr per Pager alarmiert. Die Rückfrage bei der Infrastrukurbetreiberin SBB ergab die Notwendigkeit einer Untersuchung. Der Berichterstatter rückte deshalb unverzüglich aus. 1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Der fahrplanmässige Zug 6479 Aarau-Zofingen der SBB verliess den Abgangsbahnhof Aarau rechtzeitig. Die Bremsprobe an der Komposition wurde als Manometerbremsprobe korrekt durchgeführt. Nach Abfahrt erfolgte eine Bremsprobe auf Wirkung. 1.2 Verlauf der Fahrt Der erste fahrplanmässige Halt erfolgte in Buchs; der zweite in Suhr, wo ein verspäteter Zug abgewartet werden musste, sodass die Weiterfahrt mit 4 Minuten Verspätung erfolgte. Der nächste Halt erfolgte dann in Oberentfelden. Dabei wurde vom Lokführer nichts Ungewöhnliches festgestellt. Nach der Abfahrt in Oberentfelden, welche mit einigen Minuten Verspätung erfolgte, beschleunigte der Lokführer den Zug normal. 1.3 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Leicht Verletzte: Schwer Verletzte: Tödlich Verletzte: /9

3 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Beim Zusammenstoss auf dem Bahnübergang wurde der Triebzug RABe leicht an der Stirnfront beschädigt. Diverse Beschädigungen am Laufwerk und am Unterboden des ersten Fahrzeugs sind wegen des Mitschleifens des Motorrads anzunehmen. Der nachlaufende Teil der Komposition wurde, gemäss Augenschein vor Ort, nicht beschädigt. An der Infrastruktur konnten keine Schäden festgestellt werden. 1.5 Sachschäden Dritter Das Motorrad Yamaha YQ50, blau, ist erlitt Totalschaden. 1.6 Beteiligte Personen Lokführer Der Personenzug 6479 wurde von einem Lokführer, der bei der SBB AG angestellt ist, geführt Fahrer und Beifahrer auf dem Motorrad Der jugendliche Motorradlenker und sein Beifahrer kamen beim Unfall ums Leben. 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: SBB, Division Personenverkehr. Zugskomposition: Triebzug RABe Zugsgewicht: 104 t Bremsgewicht: 148 t Bremsverhältnis: 143 % Ausgeschaltete Bremsapparate: keine 1.8 Strassenfahrzeuge Motorrad Yamaha YQ50 3/9

4 1.9 Wetter Zum Zeitpunkt des Unfalls war es bewölkt und trocken. Die Sichtverhältnisse waren gut. Während des Unfalltages herrschte wechselhaftes Herbstwetter; es regnete mehrmals Bahnsicherungssysteme Die festen Sicherungsanlagen hatten keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen Zug- und Rangierfunk Es fand kein Funkverkehr statt, welcher für das Unfallgeschehen relevant wäre Bahnanlagen Die Bahnanlagen waren in einem ordnungsgemässen Zustand. Die beiden Andreaskreuze, waren gut sichtbar angebracht. Das in Fahrtrichtung des Motorradfahrers angebrachte Andreaskreuz war vom rechten Wegrand gesehen nicht vollständig sichtbar da durch Pflanzenwuchs etwas verdeckt. (siehe Bild 1) 1.13 Fahrdatenschreiber (Auswertung siehe Beilage 1) Die Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers werden auf einer Speicherkarte im Aufzeichnungsgerät gespeichert. Die Speicherkarte wurde auf der Unfallstelle dem Aufzeichnungsgerät entnommen und vom Unterzeichner zur Auswertung durch die Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe mitgenommen. Die maximal zulässige Geschwindigkeit vor dem Unfallort beträgt 100 km/h. Der Lokführer fuhr vor dem Bahnübergang mit einer Geschwindigkeit von 102 km/h. Der Bremsweg der Komposition beträgt gemäss der Auswertung des Fahrtenschreibers 236 m. Der errechnete Bremsweg aus der vor dem Uebergang gefahrenen Geschwindigkeit von 102 km/h, unter Berücksichtigung des Streckenprofils, beträgt 351 m. Dies zeigt, dass die Bremsen richtig funktioniert haben, alle Bremsen eingeschaltet waren und der Lokführer nach dem Erkennen der Gefahr eine Schnellbremsung durchgeführt hat. Eine Fehlfunktion des Bremssystems kann ausgeschlossen werden. Da der Zug 213 m nach dem Bahnübergang zum Stehen kam, hat der Lokführer die Schnellbremsung bei einem Bremsweg von 236 m mehr als 23 m vor dem Bahnübergang eingeleitet. Anmerkung: Die pneumatischen Bremsen eines Zuges haben je nach System eine kurze Ansprechverzögerung, im vorliegenden Fall ca. 0.5 Sekunden. In dieser Zeit hat der Zug eine Strecke von 14 m zurückgelegt. Der Lokführer hat also die Schnellbremsung ca. 37 m (=23m + 14 m) vor dem Bahnübergang eingeleitet. Der Fahrtenschreiber zeichnet ebenfalls die vom Lokführer zur Warnung abgegebenen Achtungssignale auf. Im Abstand von 338 m vor dem Uebergang hat der Lokführer ein Achtungssignal von 4 Sekunden Dauer zur Warnung der Strassenbenützer abgegeben. Nach dem Erkennen der Gefahr hat der Lokführer ein zweites Achtungssignal von 3 Sekunden Dauer abgegeben. 4/9

5 1.14 Befunde an den Bahnfahrzeugen Die Zugskomposition wurde auf der Unfallstelle vom Unterzeichner visuell kontrolliert; es wurden keine Mängel gefunden. Die Bremsen funktionierten auf der Strecke Aarau - Unfallstelle korrekt. Alle Bremsen der Komposition waren eingeschaltet Medizinische Feststellungen Es sind keine Hinweise in Bezug auf medizinische Beschwerden des betroffenen Lokführers vorhanden. Der von der Kantonspolizei um Uhr durchgeführte Atemlufttest beim Lokführer ergab ein Resultat von 0.00 %o Feuer Von den verunglückten Jugendlichen wurde ein Kanister mit Treibstoff für Modellautos mit Verbrennungsmotoren mitgeführt. Beim Zusammenstoss entzündete sich dieser Treibstoff und verbrannte vollständig; er vermochte jedoch das Schienenfahrzeug nicht in Brand zu setzten Ueberlebensmöglichkeiten In Anbetracht der Geschwindigkeit beim Zusammenprall von ca.98 km/h und der Tatsache, dass das Motorrad frontal erfasst wurde, bestand für die beiden Personen auf dem Motorrad keine Ueberlebensmöglichkeit Besondere Untersuchungen Keine 1.19 Informationen über Organisation und Verfahren Beim Zug 6479 handelt es sich um einen im offiziellen Fahrplan veröffentlichten Regionalzug Aarau - Zofingen, mit Abfahrt um Uhr in Aarau. 2 BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die Kontrolle der Bahnfahrzeuge, welche der Unterzeichner gleichentags vor Ort durchführte, ergab keinen Hinweisen auf einen technischen Defekt, der als Ursache des Unfalls angesehen werden kann. Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. Die Bremsprobe des Zuges 6479 wurde vorschriftsgemäss durchgeführt. Alle Bremsen haben normal funktioniert. 5/9

6 2.2 Betriebliches Bei einer Geschwindigkeit von 102 km/h beträgt der berechnete Bremsweg des Zuges an dieser Stelle 351 m. Dieser Wert ist der maximale Bremsweg, welcher auch bei ungünstigen Verhältnissen (z.b. Laub auf den Schienen) eingehalten werden kann. Die vorgeschriebenen Achtungssignale wurden vom Lokführer ordnungsgemäss abgegeben. 2.3 Strassenseitig Der unbewachte Bahnübergang ist mit zwei Andreaskreuzen gesichert, welche gut sichtbar und korrekt angebracht sind. Das in Fahrtrichtung des Motorradfahrers angebrachte Andreaskreuz war vom rechten Wegrand gesehen nicht vollständig sichtbar da durch Pflanzenwuchs etwas verdeckt. (Bild 1) 2.4 Gesamtheitlich Die Verkehrsteilnehmer, hier insbesondere der Motorradfahrer, sind bei der heutigen Verkehrsdichte ständig verschiedenen Gefahren ausgesetzt, die eine andauernde Aufmerksamkeit erfordern. Das Strassensystem ist deshalb so auszugestalten, dass bei potentiell sehr gefährlichen Punkten eine gute Uebersichtlichkeit gegeben ist, welche den Verkehrsteilnehmern erlaubt, eine mögliche fatale Gefahr rechtzeitig zu erkennen, oder aber die Gefahr ist zu eliminieren. Beim vorliegenden Unfallort ist die Situation so, dass eine kleine Unaufmerksamkeit fatale Folgen haben kann. Diese Konstellation Strassenverkehr Eisenbahn kann deshalb nicht als fehlertolerantes System bezeichnet werden, da von Seiten der Eisenbahn, im Gegensatz zur Konstellation Strassenfahrzeug Strassenfahrzeug, wegen des langen Bremswegs keine Möglichkeit besteht einen Unfall zu vermeiden. 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Die Zugskomposition als auch die Bahnanlagen waren in einem einwandfreien technischen Zustand. Der Lokführer hat nach dem Erkennen der Gefahr korrekt eine Schnellbremsung eingeleitet. Dies kann an Hand der Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers und des errechneten Bremswegs verifiziert werden. Der Lokführer muss vor dem Bahnübergang ein Achtungssignal abgeben um die strassenseitigen Verkehrsteilnehmer zu warnen. Gemäss Zeugenaussagen hat er dieses Achtungssignal abgegeben. Die Sicht des Lokführers auf den Bahnübergang ist in Bild 2 dargestellt Die Motorradfahrer hatte eine schlecht Sicht auf das Bahntrasse, da dieses durch den Pflanzenbewuchs vollständig verdeckt war. Der Zug kann nur gesehen werden indem vor den Schienen vollständig angehalten wird. Siehe Bild 1. 6/9

7 3.2 Ursache Der Unfall ist durch die Unaufmerksamkeit des Motorradlenkers verursacht worden. Der Lokführer hatte keine Möglichkeit das Unfallgeschehen zu beeinflussen. Als er die Gefahr für den Motorradlenker erkannte, gab er ein Achtungssignal ab und führte eine Schnellbremsung aus. 4 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Wegen der schlechten Uebersicht aus Richtung Süd bei der Annäherung eines Zuges von Oberentfelden her ist der Uebergang mit einer Schranke zu versehen oder zu schliessen. Die Untersuchung wurde vom Leiter der Unfalluntersuchungsstelle, Walter Kobelt, geführt. Bern, 17. Januar 2005 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe W. Kobelt 7/9

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