Schlussbericht. Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

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1 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Département fédéral de l Environnement, des Transports, de l Energie et de la Communication Dipartimento federale dell Ambiente, dei Trasporti, dell Energia e delle Comunicazioni Federal Department of the Environment, Transport, Energy and Communications U V E K E T E C A T E C E T E C Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe U U S Reg. Nr Schlussbericht Der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Personenunfall mit dem Dampfschiff Blümlisalp bei der Anfahrt zur Schiffsstation Oberhofen (Thunersee) von Dienstag, 05. August 2003 Telephon Telefax Adresse +41 (0) (0) markus.beer@gs-uvek.admin.ch Schwarztorstr (0) CH-3003 Bern

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichtes gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Dienstag, 05. August 2003 um ca Uhr wurde bei der Anfahrt zur Schiffstation Oberhofen ein Schwimmer vom Schaufelrad des Raddampfers Blümlisalp erfasst und tödlich verletzt. Bild 1: Anfahrt zur Schiffstation Oberhofen von Gunten her (Kurs 16) Kollisionsbereich mit dem Schaufelrad bei der Anfahrt 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle (UUS) wurde um Uhr durch die Meldestelle der REGA über den Unfall verständigt. Die Rückfrage beim Schiffsbetrieb der BLS ergab die Notwendigkeit einer Untersuchung. Der Unfalluntersuchungsleiter, Markus Beer, rückte unverzüglich zur Unfallstelle aus. Seite 2 von 7

3 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Das Dampfschiff Blümlisalp war an diesem Tag in den Kursen 15 (Thun-Interlaken West), 16 (Interlaken West-Thun), 127 (Thun-Beatenbucht) und 128 (Beatenbucht-Thun) eingeteilt. Der Unfall ereignete sich im Kurs 16 bei der Anfahrt zur Schiffsstation Oberhofen (Bild 1 und 2). Alle technischen Einrichtungen auf dem Schiff funktionierten einwandfrei. 1.2 Schallzeichen Nach Art. 34 der Binnenschifffahrtsverordnung, (BSV, SR ) Schallzeichen Ein langer Ton Folge sehr kurzer Töne Bedeutung Achtung oder Ich halte meinen Kurs bei Gefahr eines Zusammenstosses 1.3 Maschinenkommandos für die Anfahrt zur Schiffsstation Allgemeines Der Schiffsführer steuert das Schiff vom gemeinsamen Kommando- und Steuerstand aus und im Maschineraum bedient der Maschinist oder der Heizer die Maschinen für den Fahrbetrieb. Die entsprechenden Kommandos übermittelt der Schiffsführer über ein Sprachrohr in den Maschinenraum. Anfahrt vorwärts: Bedeutung der Kommandos Kommandos Schiffsführer Klingelzeichen Fertig Langsam Halt Rückwärts Halt Ausführung durch den Maschinisten in Bereitschaft gehen Maschinenstand besetzt Maschinendrehzahl vorwärts 16 U/min Maschine anhalten Maschinendrehzahl rückwärts 16 U/min Maschine anhalten 1.4 Anfahrt Nach den Aussagen des Schiffsführers verlief die Anfahrt normal. Es herrschten sehr gute Sichtverhältnisse und auch die Sonneneinstrahlung führte zu keinen Spiegelungen im Wasser. Nach der Rosstränke erfolgte mit einem langen Hornzeichen die Ankündigung zur Anfahrt der Schiffsstation Oberhofen. Anschliessend gab der Schiffsführer das Klingelzeichen in den Maschinenraum, damit sich der Maschinist und der Heizer für das Anlegemanöver bereitmachen konnten. Das Klingelzeichen aus dem Maschinenraum wurde erwidert. Der Schiffsführer wechselte nun vom Steuerhaus auf den rechten Aussenfahrstand des Schiffes (steuerbord) und gab das Kommando Fertig in den Maschinenraum. Bei der Beobachtung der Fahrstrasse hatte er zu diesem Zeitpunkt keine badenden Personen gesehen. Beim ersten Fixpunkt (Schweizerkreuz im Schlosspark) gab er das Kommando Langsam in den Maschinenraum. Kurz darauf drehte der Schiffsführer das Schiff in Richtung backbord ab, um parallel zum Ufer weiterzufahren. Nach seinen Angaben betrug die Entfernung zum Ufer noch ca. 15 Meter, als ca. 6 Meter vor dem rechten Schaufelradkasten auf der Seite 3 von 7

4 Steuerbordseite ein Schwimmer auftauchte. Unverzüglich gab er das Kollisionszeichen und das Kommando Halt in den Maschinenraum. Weil das Schiff seitwärts gegen das Ufer trieb (Kollisionsgefahr mit dem Wasserturm oder der Schlossmauer), entschied der Schiffsführer das Anlegemanöver weiterzuführen und an der Schiffsstation anzulegen. Mit dem Mobiltelefon benachrichtigte der Kapitän um ca Uhr die Regionale Einsatzzentrale der Kantonspolizei (REZ) in Thun über den Vorfall. Ob der Schwimmer vom Schaufelrad touchiert worden war, konnte der Schiffsführer nicht erkennen. Die unverzüglich durch die Polizei eingeleiteten Suchmassnahmen blieben vorerst erfolglos. Nach weiteren intensiven Sucharbeiten wurde der vermisste Schwimmer am Freitag, 08. August aus einer Tiefe von rund 13 Meter geborgen. Bild 2: Kollisionsbereich (Kurs 16) Kollisionsbereich Fahrstrasse zur Schiffsstation Oberhofen 1.5 Personenschäden Schiffspersonal Reisende Drittpersonen Tödlich verletzt Sachschäden am Schiff und an der Infrastruktur Keine 1.7 Sachschäden Dritter Keine Seite 4 von 7

5 1.8 Beteiligte Personen Kapitän Kurs 16 Schiffsführer Kurs 16 Schwimmer 1.9 Schiff Betreiberin: Schiffsbetrieb BLS Thuner- und Brienzersee Lachenweg 19 CH-3604 Thun BE Eigentümerin: ( : BLS) 1989 Vaporama Fliederweg 11 CH-3600 Thun BE Schiffsdaten: Dampfschiff Blümlisalp Besatzung: 6 Leistung: 590 KW; Drehzahl am Motor, U/min: 44 Geschwindigkeit: km/h Länge: m; Breite: m; Tiefgang leer, vorne: 1.25 m; hinten: m; mittel: 1.29 m Tiefgang beladen, vorne: 1.46 m; hinten: 1.53 m; mittel: m Gewicht leer: t; beladen: t; Tragkraft: 800 Personen; 1.10 Wetter, Sichtverhältnisse Tag, gute Sicht Windverhältnisse Kein Wind Funkverkehr Für das Ereignis nicht relevant Schiffsanlagen Die Schiffstation Oberhofen besteht aus einer Anlegestelle Fahrdatenschreiber Auf den Kursschiffen werden keine Fahrdaten aufgezeichnet Befunde am Raddampfer Blümlisalp Alle technischen Einrichtungen funktionierten einwandfrei Medizinische Feststellungen Bei der Besatzung waren keine Hinweise in Bezug auf medizinische Beschwerden bekannt. Sie absolvierten ihren Dienst in guter körperlicher Verfassung. Der beim Schiffsführer durchgeführte Atemlufttest auf Alkohol ergab den Wert von Seite 5 von 7

6 1.17 Feuer Es brach kein Feuer aus Überlebensmöglichkeiten Aufgrund der Untersuchung im IRM Bern, hatte der Schwimmer keine Überlebenschancen Besondere Untersuchungen 1) Anfahrt zur Schiffstation Oberhofen von Gunten her 2) Verhalten des Schiffsführers 3) Verhalten des Schwimmers 1.20 Information über Organisation und Verfahren Beim Schiffskurs Nr. 16 handelt es sich um einen im offiziellen Fahrplan veröffentlichten Kurs Interlaken West Thun mit Abfahrt um Uhr in Interlaken West Verschiedenes Befragungen Der Schiffsführer durch die Regionalpolizei Berner Oberland Der Kapitän und der Schiffsführer durch die UUS 2. BEURTEILUNG 2.1 Technischer Zustand des Schiffes Am Raddampfer Blümlisalp wurden keine technischen Mängel festgestellt. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hatte der Betreiberin (BLS) einen Schiffsausweis B lll mit Verfügung vom ausgestellt. 2.2 Besondere Untersuchungen 1) Anfahrt zur Schiffstation Oberhofen von Gunten her Die UUS und der UD der Kantonspolizei Bern führten mit der zuständigen Untersuchungsrichterin noch am gleichen Abend, mit dem Schiffsführer und dem Kapitän, zwei Rekonstruktionsfahrten durch. Die Auswertung der Fahrten durch die UUS ergab, dass die Anfahrten nach BSV Art. 42a korrekt ausgeführt wurden. Art.42a Fahrstrasse Schiffe öffentlicher Schifffahrtsunternehmen haben bei ihren Fahrten einer Fahrstrasse zu folgen, von der ohne Grund nicht abgewichen werden darf. Die Fahrstrasse ist für Kursschiffe, die sich nähern, freizuhalten. Um das sichere Anlegen an die Schiffstation zu garantieren, sind praktisch keine Abweichungen der vorgeschriebenen Fahrstrasse möglich (Bild 1 und 2). 2) Verhalten des Schiffsführers Nach den Aussagen des Schiffsführers beobachtete er die Fahrstrasse zur Anfahrt an die Schiffstation. Das Schallzeichen, ein langer Ton, bei der Einfahrt hatte er abgegeben. Er hatte keinen Schwimmer im Gefahrenbereich seiner Fahrstrasse gesehen. Er sah daher keinen Grund, besondere Massnahmen für Seite 6 von 7

7 ein Ausweichmanöver zu treffen. Nach den Aussagen von Zeugen war der Schwimmer in einer tiefen Wasserlage und mit ruhigem Schwimmstil unterwegs. 3) Verhalten des Schwimmers Der Schwimmer befand sich im Gefahrenbereich der Fahrstrasse des Kursschiffes. Nach der BSV ist die Fahrstrasse für Kursschiffe, die sich nähern, freizuhalten. Art.42a Fahrstrasse Schiffe öffentlicher Schifffahrtsunternehmen haben bei ihren Fahrten einer Fahrstrasse zu folgen, von der ohne Grund nicht abgewichen werden darf. Die Fahrstrasse ist für Kursschiffe, die sich nähern, freizuhalten. 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Alle technischen Einrichtungen auf dem Raddampfer hatten einwandfrei funktioniert Der Raddampfer Blümlisalp hatte vom BAV eine entsprechende Zulassung Der Kapitän und der Schiffsführer hatten einen gültigen Führerausweis für Fahrgastschiffe Der Schiffsführer hatte vorschriftgemäss das Schallzeichen, ein langer Ton, bei der Einfahrt gegeben Der Schwimmer befand sich im Gefahrenbereich der Fahrstrasse des Kursschiffes 3.2 Ursache Der Schwimmer befand sich im Gefahrenbereich der Fahrstrasse des Kursschiffes und der Schiffsführer sah den Schwimmer zu spät, um ein Ausweichmanöver einzuleiten. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Art. 42a der BSV ist strikte durchzusetzen. Art.42a Fahrstrasse Schiffe öffentlicher Schifffahrtsunternehmen haben bei ihren Fahrten einer Fahrstrasse zu folgen, von der ohne Grund nicht abgewichen werden darf. Die Fahrstrasse ist für Kursschiffe, die sich nähern, freizuhalten. Die Untersuchung wurde vom Unfalluntersuchungsleiter Markus Beer geführt. Bern, 15. Juni 2004 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Markus Beer Seite 7 von 7