über den Brand eines Linienbusses von BERNMOBIL

Transkript

1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Jean Gross 18. Oktober 2007 Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über den Brand eines Linienbusses von BERNMOBIL vom Dienstag, 19. Juni 2007 in Kerzers Jean Gross Utikonerstr Schlieren Tel , Mobile Fax jean.gross@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Dienstag, 19. Juni 2007 um ca Uhr kam es auf der Autobahnverzweigung A1 / T10 (Gemeindegebiet Kerzers) zu einem Brand im Motorenraum eines Gelenkbusses der Firma BERNMOBIL. Verletzt wurde niemand. Am betroffenen Bus entstand grosser Sachschaden. Autobahn A1 0.2 Verzweigung Kerzers Autobahnzubringer T10 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde am 20. Juni 2007 um Uhr durch BERNMOBIL über das Ereignis informiert. Der betroffene Bus befand sich zu diesem Zeitpunkt im Depot von BERNMOBIL in Bern. Der Untersuch am Fahrzeug durch die UUS und Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich (WD) wurde am Dienstag, 26. Juni im Busdepot durchgeführt. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Infolge einer Störung im Bahnbetrieb der BLS Lötschbergbahn zwischen Kerzers und Ins wurden Busse von BERNMOBIL für den Bahnersatzbetrieb aufgeboten. Der Chauffeur übernahm den Gelenkbus im Depot von BERNMOBIL in Bern und fuhr als Leerfahrt über die Autobahn A1 nach Kerzers. 2/10

3 1.2 Verlauf der Fahrt Die Fahrt auf der A1 verlief nach Aussage des Chauffeurs problemlos. Im Bereich der Verzweigung Kerzers stellte er im Rückspiegel Rauch im Motorenbereich im Fahrzeugheck fest. Er hielt an und begab sich mit dem Feuerlöscher zum Motor. Seine Löschversuche verliefen ohne Erfolg. Auch die zu Hilfe eilenden Lastwagenchauffeure konnten mit ihren Feuerlöschern das Feuer nicht wirksam bekämpfen. Erst der aufgebotenen Feuerwehr von Kerzers gelang es, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Verletzt wurde niemand. Am Fahrzeug entstand grosser Sachschaden. Bild 1 Schäden am Motor im Heckbereich Bild 2 Schäden im Fahrzeuginnern (Heckbereich) 3/10

4 1.3 Personenschäden Personen kamen beim Ereignis keine zu Schaden. 1.4 Sachschäden am Linienbus von BERNMOBIL Am Linienbus von BERNMOBIL entstand ein Sachschaden in der Höhe von ca. Fr. 300' Sachschäden Dritter Dritte kamen beim Ereignis keine zu Schaden. 1.6 Beteiligte Personen Chauffeur des Linienbusses Chauffeur BERNMOBIL Reisende Es befanden sich keine Reisenden im Linienbus (Leerfahrt für Bahnersatz Kerzers Lyss) 1.7 Strassenfahrzeuge Folgende Strassenfahrzeuge waren am Ereignis beteiligt (Kopie Fahrzeugausweise Anlage 1, Typenskizze Anlage 2): Amtliches Kennzeichen: BE Fahrzeugtyp: Gelenkbus MAN NG 272 Jahrgang: 1992 Halter: BERNMOBIL, Postfach, Eigerplatz 3, 3007 Bern Prüfung Strassenverkehrsamt: Wetter Tag. Gute Sicht. Trocken. 1.9 Funk Der Linienbus ist mit dem Betriebsfunk von BERNMOBIL ausgerüstet. Die Funkgespräche sind für den Ereignisablauf nicht relevant Strassenanlagen Die Verzweigung Kerzers führt von der richtungsgetrennten (je zweispurigen) Autobahn A1 als zweispurige Strasse Richtung Kerzers Fahrdatenschreiber Die Fahrgeschwindigkeit des Linienbusses wird auf einer Diagrammscheibe aufgezeichnet. Diese Daten sind für den Ereignisablauf nicht relevant Befunde am betroffenen Linienbus Angetroffene Situation Der Linienbus war gleichentags in die Garage von BERNMOBIL in Bern an der Zieglerstrasse überführt worden. Das Heck des Fahrzeuges war durch Blachen abgedeckt worden. Es befand sich für den Untersuch am 26. Juni in unverändertem Zustand. Die vom Feuer betroffenen Komponenten waren noch nicht von Verschmutzungen, Russund Löschmittel gereinigt. 4/10

5 Festgestellte Schäden am 26. Juni 2006 (Untersuch durch Mitarbeiter des WD und von der UUS im Beisein von Angestellten von BERNMOBIL) - Nach dem Entfernen der Abdeckblachen wurde die Heckklappe und die hintere rechte Seitentüre geöffnet. Im Passagierraum war der Boden teilweise durchgebrannt. Weitere Teile waren durch die Feuerwehr für die Löscharbeiten entfernt worden. Die Farbe auf der Heckklappe war durch die Hitze grösstenteils abgeschmolzen (Bild 3). Im Innern des Motorenraums waren in Fahrrichtung links gesehen nur geringe Brandschäden erkennbar. Der mittlere und rechte Teil war stärker brandgeschädigt. Bild 3 Heck des Fahrzeuges. - Im Heckteil des Fahrzeuginnern war die Bodenplatte (Holz / Novilon) teilweise durchgebrannt. Unterhalb des Fussbodens waren grössere Brandschäden erkennbar (Bilder 4 und 5). Bild 4 Bild 5 Brandschäden im Unterboden des Passagierraums im Heck des Fahrzeuges 1.13 Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt. Der Chauffeur fühlte sich bei Dienstantritt fit. 5/10

6 1.14 Feuer Der Motorenbrand konnte durch die Feuerwehr Kerzers gelöscht werden Besondere Untersuchungen Aufgrund des unter Punkt 1.12 angetroffenen Schadenbildes wurden eine weitere Inspektionsklappe (Einspritzpumpe, Anlasser usw.) im Fahrzeuginnern geöffnet. Hier konnten die Mitarbeiter des WD eine massive Brandschädigung an einem Anlasserkabel und am Gehäuse des Anlassers feststellen (Bild 6). Um ein Bild von der Positionierung der Motorenraumkomponenten zu erhalten, standen zwei identische Vergleichsfahrzeuge zur Verfügung. Bei diesen beiden Fahrzeugen war das Kupferkabel (Pluspol vom Anlasser zur Fahrzeugbatterie) unterschiedlich verlegt. Bei einem Fahrzeug war das Pluskabel analog zum Schadenfahrzeug vom Anschluss des Anlasserpluspols über das Gehäuse gezogen und führte erst danach nach unten zur Fahrzeugbatterie. Beim Wegdrücken des Kabels war auf dem Anlassergehäuse eine blanke Stelle zusehen, was auf das Scheuern des Pluskabels gegen das Anlassergehäuse hinwies (Bild 7). Beim andern Vergleichsfahrzeug war das Pluskabel vom Plusanschluss des Anlassers direkt nach unten in Richtung Batterie geführt (Bild 8). Dieses Kabel wurde also nicht über das Gehäuse des Anlassers gezogen, was ein Scheuern des Kabels verhindert. Bei dieser Montageart konnte keine Scheuerstelle am Anlassergehäuse festgestellt werden. Bild 6 Das Kabel von der Batterie zum Anlasser hat sich am Gehäuse des Anlassers festgeschweisst. Die Kabelisolation wie auch das Flexkabel waren weggeschmolzen. Bild 7 Bild 8 Kabelführung in einem Vergleichsfahrzeug. Hier hat die gleiche Kabelführung bereits zu Scheuerstellen am Wellrohr geführt. Diese sind auf dem Anlasser ebenfalls deutlich erkennbar. Bei diesem Vergleichsfahrzeug ist die Kabelführung korrekt. 6/10

7 1.16 Informationen über Organisation und Verfahren Dieser Linienbus (wie auch weitere Busse aus der gleichen Serie) werden durch BERNMOBIL regelmässig im Linienverkehr eingesetzt Verschiedenes - Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Kantonspolizei Fribourg untersucht. - Die arbeitsrechtlichen Bedingungen seitens des am Ereignis beteiligten Chauffeurs wurden eingehalten. - Der Chauffeur verfügte über die nötige Ausbildung und Prüfung für das Führen des Linienbusses von BERNMOBIL. - Die Ueberprüfung der weiteren baugleichen Linienbusse durch die Mitarbeiter von BERNMOBIL wurde bei weiteren Fahrzeugen die gleiche Kabelführung des Pluskabels vom Anlasser zur Batterie gefunden. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Zusammenfassung der Erkenntnisse der UUS und aus dem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich: - Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Linienbusses ergab, dass sich das Fahrzeug mit Ausnahme der brandgeschädigten Teile in einem guten Zustand befand. - Die Reparaturen am Fahrzeug waren sauber dokumentiert. Aus den Aufzeichnungen fanden sich keine Hinweise auf frühere Unregelmässigkeiten im Bereich des Pluskabels / Anlassers. - Es konnte nicht eruiert werden, ob das Pluskabel bei der Montage oder zu einem späteren Zeitpunkt relativ satt über das Anlassergehäuse gezogen wurde. Obwohl sich das Kabel zusätzlich in einem sogenannten Wellrohr befand, entstand über eine nicht bestimmbare Zeit am Wellrohr und anschliessend an der Isolation des Kabels eine Scheuerstelle bis das blanke Kupferkabel den Kontakt mit dem metallenen Anlassergehäuse (Minuspol) herstellte und es zu einem nicht satten Kurzschluss bzw. zu Lichtbögen führte. 2.2 Betriebliches Der Chauffeur hat sich richtig verhalten. Nach Erkennen des Brandausbruchs hat er unverzüglich angehalten und den Brand mit dem eigenen wie auch mit Feuerlöschern von weiteren LKW s bekämpft. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Linienbusses ergab ausser den Brandschäden keine Beanstandungen. - Der Brandherd konnte im Bereich der Kabelführung des Pluskabels beim Anlasser gefunden werden. Durch das Durchscheuern des Wellrohrs und der Kabelisolation kam es zu sogenannten nicht satten Kurzschlüssen (Lichtbögen). Dies führte zum Entzünden weiterer umliegender brennbarer Materialien. - Der Chauffeur hat sich richtig verhalten. 7/10

8 3.2 Ursache Der Brand des Linienbusses ist auf die zu enge Führung des Pluskabels Batterie Anlasser um das Gehäuse des Anlassers herum zurückzuführen. Dadurch entstanden Scheuerstellen, welche letztlich zum Durchscheuern des Wellrohres und der Kabelisolation und in der Folge zu nicht satten Kurzschlüssen und Lichtbögen mit anschliessendem Feuerausbruch führten. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Die Kabelführung Batterie Anlasser in diesem Bereich ist bei allen baugleichen Fahrzeuge unverzüglich zu überprüfen. BERNMOBIL hat die Prüfung der übrigen Fahrzeuge durchgeführt. Bei ähnlichen Kabelführungen sind konstruktive Aenderungen vorzunehmen, um das Scheuern des Pluskabels am Anlassergehäuse zu verhindern. Die Untersuchung wurde von Jean Gross geführt. Schlieren, 18. Oktober 2007 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Jean Gross Untersuchungsleiter Fotos: UUS/grj 8/10

9 Anlage 1 Kopie Fahrzeugausweis des Linienbusses BE /10

10 Anlage 2 Typenskizze des Linienbusses MAN NG /10