über den Brand eines Linienbusses von PostAuto Schweiz

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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII Jean Gross 26. Februar 2009 Reg. Nr Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über den Brand eines Linienbusses von PostAuto Schweiz vom Sonntag, 20. Juli 2008 in Rubigen Jean Gross Utikonerstr Schlieren Tel , Fax jean.gross@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Sonntag, 20. Juli 2008 um ca Uhr bemerkten die Reisenden und der Chauffeur des Linienbusses von PostAuto Schweiz, Kurs M20 Moonliner auf der Autobahn A6 kurz vor Ausfahrt Rubigen einen starken Rauchgeruch. Der Chauffeur sah im linken Rückspiegel Höhe Motorenraum ein helles Flackern. Er hielt an, liess die Reisenden aussteigen und alarmierte die Feuerwehr und die Polizei. Verletzt wurde niemand. Das Fahrzeug wurde im Heckbereich sehr stark beschädigt. Fahrtrichtung Linienbus 0.2 Ereignisstelle Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde am Montag, 21. Juli 2008 vom Sicherheitsmanager von PostAuto Schweiz über das Ereignis informiert. Der Untersuchungsleiter Jean Gross rückte am 23. Juli zusammen mit Mitarbeitern des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich an den Unfallort aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen zusammen. 1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Nach Dienstübernahme tankte der Chauffeur das Fahrzeug. Bei der anschliessenden Sichtkontrolle des Busses stellte er keine Unregelmässigkeiten fest. Er fuhr den Bus als Leerfahrt von Münsingen nach Bern und hatte danach eine Pause. 2/8

3 1.2 Verlauf der Fahrt Nachdem die Reisenden den Bus bei der Haltestelle des Moonliners in Bern bestiegen hatten, fuhr der Chauffeur um Uhr ab. Auf der Autobahn A6 kurz vor der Ausfahrt Rubigen bemerkten Fahrgäste und der Chauffeur einen starken Rauchgeruch im Innern des Fahrzeuges. Der Chauffeur sah im Rückspiegel ein helles Flackern im Heckteil des Linienbusses. Er fuhr auf den Pannenstreifen und hielt an. Er stellte den Motor ab, öffnete die Türen, informierte die Fahrgäste via Lautsprecher und liess diese schnell aussteigen. Inzwischen brannte der Heckteil und der Bereich des rechten Radkastens des Fahrzeuges. Der Chauffeur verständigte die Polizei, die Feuerwehr sowie den Postautohalter. Er sicherte die Ereignisstelle und kümmerte sich um die Fahrgäste. Die Berufsfeuerwehr der Stadt Bern konnte den Brand löschen. Am Heck des Fahrzeuges entstanden sehr grosse Schäden. Der Postautohalter fuhr mit einem Ersatzfahrzeug von Münsingen nach der Ereignisstelle. Die Fahrgäste konnten die Fahrt nach ca. 25 Minuten fortsetzen. Foto 1 Bild des brandgeschädigten Linienbusses fotografiert auf dem Areal der Firma ABAG in Belp. Foto 2 Motorenraum des Linienbusses 1.3 Personenschäden Beim Ereignis wurde niemand verletzt. 1.4 Sachschäden am Linienbus Am Linienbus entstand ein Sachschaden in der Höhe von ca. Fr. 200' /8

4 1.5 Sachschäden Dritter Über Schäden bei Dritten ist nichts bekannt. 1.6 Beteiligte Personen Chauffeur Chauffeur Kat. D. Reisende Im Linienbus befanden sich 37 Reisende. 1.7 Linienbus Eigentümer: Lengacher AG, Gartenstrasse 2, 3110 Münsingen. Amtliches Kennzeichen: BE Fahrzeugart: Midibus, Farbe weiss (mit Reklameaufschriften). Marke / Typ: MAN N223.2M Baujahr: 2001 Km-Stand: Wetter, Sichtverhältnisse Bedeckt. Strasse trocken. Keine Strassenbeleuchtung. 1.9 Funk Der Linienbus ist mit einer Funkanlage ausgerüstet. Die Funkgespräche sind für den Ereignisablauf nicht relevant Strassenanlage Bei der Autobahn A6 Bern Spiez handelt es sich um eine richtungsgetrennte Strasse mit je zwei Fahrspuren und je einem Pannenstreifen Fahrdatenschreiber Die Fahrgeschwindigkeit des Linienbusses wird auf einer Diagrammscheibe aufgezeichnet. Die Daten sind für den Ereignisablauf nicht relevant Befunde am Linienbus Angetroffene Situation Der Linienbus wurde in die Garage der Firma ABAG in Belp geschleppt. Für den Untersuch durch die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich (WD) und die UUS wurde das Fahrzeug in die Werkstatthalle gestellt. Für den Untersuch stand ein baugleiches Vergleichsfahrzeug zur Verfügung. Der Linienbus befand sich ausser den brandbedingten Schäden in einem guten Zustand. Die vorgeschriebenen Kontrollen und Services waren lückenlos durchgeführt worden Festgestellte Schäden am 23. Juli 2008 Der gesamte Motorenraum im Heckteil war stark brandgeschädigt (Fotos 1 und 2). Am Boden des Passagierbereichs im Heckteil des Fahrzeuges konnten im Motorenund Getriebebereich leichte Brandschädigungen festgestellt werden. Auf der rechten Fahrgastseite war die Innenseite der Aussenwand über dem rechten Radkasten durchgebrannt. Ueber dem rechten Radkasten waren der Kunststoff-Kotschutz und die darüber befindliche Wand stark brandgeschädigt. Am Karosseriegehäuse war äusserlich ein Vförmiger Trichter nach oben verlaufend zu erkennen. 4/8

5 Die Bodenabdeckung im Motorenraum (rechter Fahrzeugbereich) war nicht mehr vorhanden. Die meisten Kunststoff-Rohrverbindungen (Manschetten) waren verbrannt oder geschmolzen. Die beiden in Serie geschalteten 12V-Batterien befanden sich in einem separaten Kasten mit Deckel hinter dem rechten Radkasten (Foto 3). Die hintere Batterie wies im Bereich der Rückwand starke Einschmelzungen auf. Der Kunststoffdeckel der Batterie sowie die beiden T-Litzenkabel (70 mm²) waren teilweise stark beschädigt und zusammengeschmolzen (Foto 4). An einer Stelle war der eine Kupferleiter so stark in den Kunststoffdeckel eingeschmolzen, dass dieser die darunter liegende Bleiplatte berührte. In der Folge wurden durch die entstandenen Lichtbogen Kupferschmelzperlen gebildet. Bei den beiden Litzenkabeln (Plus- und Minuspol) waren von der Batterie bis zum Motorenraum die Isolation und der gerillte Kabelschutzschlauch (Flexrohr) vollständig geschmolzen (Foto 5). Die Brandschädigung im Motorenbereich war nach vorne, bis leicht über die Hinterachse hinaus, stark abnehmend. Foto 3 Foto 4 Batteriekasten. Die beiden hintereinander angeordneten Batterien sind ausgebaut. Die stark beschädigte hintere Batterie Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt Feuer Das im Motorenraum des Linienbusses ausgebrochene Feuer konnte durch die Berufsfeuerwehr der Stadt Bern gelöscht werden Besondere Untersuchungen Der Untersuch des brandgeschädigten Fahrzeuges in der Werkstatt der Firma ABAG Belp, in den Laboratorien des WD sowie bei der Firma Banner Batterien Linz ergab die folgenden Befunde (Auszug aus dem Untersuchungsbericht des WD): Turbolader Am Turbolader wurden keine brandverdächtigen Spuren gefunden. Die Achse des Turbinen- und des Verdichtungsflügels liess sich problemlos drehen Einspritzdüsen keine brandverdächtigen Spuren, keine Hinweise auf Leckagen. 5/8

6 Treibstoffrückführung Weder an den Leitungen noch an den Treibstofftankanschlüssen konnten Unregelmässigkeiten festgestellt werden Russpartikelfilter Keine brandverdächtigen Spuren Anlasser Der Anlasser wurde beim Ausbau weggeworfen und stand für Untersuchungen nicht mehr zur Verfügung Stossdämpfer Bei der Hinterachse war die obere Stossdämpferaufnahme beim rechten Stossdämpfer auffällig stärker zerstört (ausgebrannt) als diejenige auf der linken Seite Batterien Die beiden Batterien wurden ausgebaut und für einen genauen Untersuch an die Firma Banner in Linz geschickt. Bei der Ueberprüfung aller Fertigungskomponenten konnten keine Fehler festgestellt werden, die Schäden an der Batterie dürften als Folge einer sehr grossen Umgebungstemperatur entstanden sein Verdrahtungen Bei allen Litzenkabeln fehlten im brandgeschädigten Bereich die Kabelisolationen. An einem Kabel konnten die Mitarbeiter des WD im Bereich der Durchführung Batteriekasten Motorenraum brandverursachende Spuren (Schmelzperlen) feststellen (Foto 6). Die restlichen Verdrahtungen zeigten keine Unregelmässigkeiten Rückwand Batteriekasten Die aus Chromstahlblech bestehende Rückwand wurde durch die Mitarbeiter des WD ausgebaut und für genauere Untersuchungen ins Labor mitgenommen. Foto 5 Foto 6 Brandgeschädigte Litzenkabel Herausgeschweisster Schlitz bei der Kabeldurchführungen an der Trennwand Batterienraum - Motorenraum Der im Labor des WD durchgeführte Versuch mit zwei baugleichen 12 V-Batterien ergab, dass ein blanker Leiter (durchgescheuerte Isolation) an einer scharfkantigen Chromstahldurchführung zu Glühen und zu Funken begann. Dabei erhitzten sich sowohl der Leiter, das Flexrohr wie auch das Chromstahlblech (glühend). Schon kurz nach dem Versuchsstart begannen das Flexrohr und die Leiterisolation zu brennen. Beim Bewegen des Kupferleiters (analog den Fahrzeugvibrationen) wurde im Chromstahlblech innert ca. 10 Minuten ein Schlitz herausgeschweisst Informationen über Organisation und Verfahren Beim Nachtbus Moonliner Nr. 20 handelt es sich um einen am Wochenende regelmässig verkehrenden Nachtbus von Bern Bahnhofplatz (ab Uhr) nach Langnau ie (an Uhr) Wiggen (an Uhr). 6/8

7 1.17 Verschiedenes - Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Kantonspolizei Bern untersucht. - Bei der Untersuchung des Ereignisses durch die UUS sind bei den Mitarbeitern der Verkehrs- und Infrastrukturunternehmungen keine Verstösse gegen arbeitsrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. 2. BEURTEILUNG 2.1 Technisches Zusammenfassung der Erkenntnisse der UUS und aus dem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich (WD): Die visuelle Kontrolle des am Ereignis beteiligten Fahrzeuges ergab, dass sich der Linienbus mit Ausnahme der brandgeschädigten Teile in einem guten Zustand befand. Die Batteriekabel verfügen auch bei ausgeschalteter Zündung über Dauerstrom Anhand der Interpretation der Brandschadenbilder, der ermittelten technischen Begebenheiten, der Versuche und der daraus gewonnenen Erkenntnisse dürfte die Brandursache auf folgende Ursache zurückzuführen sein: - Eine Brandentstehungen im Bereich des Turboladers, der Einspritzdüsen, der Treibstoffrückführung, der Batterien und des Russpartikelfilters kann aus geschlossen werden. - Der Anlasser war nicht mehr vorhanden. Es gibt aber keine Hinweise für eine Brandentstehung in diesem Bereich. - Bei der Kabeldurchführung durch das Chromstahlblech zwischen Batteriekasten und Motorenraum muss das Kabel an der ungeschützten scharfkantigen Stelle des Blechs über längere Zeit gescheuert haben. Dabei wurden zuerst das Flexrohr und später auch die Leiterisolation beschädigt. Die blank liegenden Kupferlitzen berührten das Metallgehäuse. Es kam zu Massenschlüssen mit Lichtbogenbildung in mehr oder weniger grossen Zeitabständen. In der Folge entstand grosse Hitze. Die Hitze mit Lichtbogen führte schlussendlich am 20. Juli 2008 zum Entzünden des Flexrohres, der Isolationen und der umliegenden brennbaren Materialien. Als Folge kam es zur Brandausbreitung im Heckbereich. 2.2 Betriebliches Der Chauffeur des brandgeschädigten Linienbusses hat sich korrekt verhalten. 3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Der Chauffeur hat sich richtig verhalten. Er hat beim Bemerken des Brandes sofort angehalten und die Fahrgäste aussteigen lassen. - Die Brandursache konnte bei der Kabeldurchführung durch die Trennwand Batterieraum - Motorenraum gefunden werden. Aufgrund des angetroffenen Spurenbildes kann eine andere Brandursache ausgeschlossen werden. 7/8

8 3.2 Ursache Der Brand ist darauf zurückzuführen, dass sich das Pluskabel der Batterie über längere Zeit an der ungeschützten scharfkantigen Stelle des Trennbleches zwischen Batterie- und Motorenraum gescheuert hat. Dadurch wurden das Flexrohr und später die Kabelisolation beschädigt. Die nun blank liegenden Kupferlitzen berührten das Metallgehäuse. Dadurch kam es in mehr oder weniger grossen Abständen zu Massenschlüssen mit Lichtbogenbildung. Die dadurch entstandene grosse Hitze führte schlussendlich zum Entzünden des Flexrohres, der Kabelisolation und der umliegenden brennbaren Materialien und in der Folge zur Brandausbreitung im Heckbereich des Fahrzeuges. 4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Bei der Kontrolle der Batterien durch die Unterhaltswerkstätten ist speziell darauf zu achten, dass bei den Kabeldurchführungen die Schutztüllen vorhanden und in der richtigen Position sein müssen, um das Scheuern der Kabel zu vermeiden. Werden Schäden festgestellt (spröde Isolationen, Flexrohre oder Schutztüllen) so sind diese unverzüglich auszuwechseln. Die Firma Lengacher hat angeordnet, dass die gefährdeten und sicherheitsrelevanten Stellen (u. a. auch die Kabeldurchführungen im Batterienraum) alle zwei Wochen kontrolliert werden. Die Untersuchung wurde von Jean Gross sowie von Mitarbeitern des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich geführt. Schlieren, 26. Februar 2009 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Jean Gross Untersuchungsleiter Fotos: Nr. 1 PostAuto Nr. 6 Wissenschaftlicher Dienst der Stadtpolizei Zürich Nr. 2-5 UUS/grj Verteiler: gemäss SR (VUU), Art 25³ 8/8