die Kollision des Zugs 442a der WAB mit einer Baumaschine vom Mittwoch 07. Oktober 2009 Brandegg (Grindenwald)

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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni die trasporti pubblici SII Philippe Thürler 10. Mai 2010 Reg. Nr.: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Kollision des Zugs 442a der WAB mit einer Baumaschine vom Mittwoch 07. Oktober 2009 in Brandegg (Grindenwald) Philippe Thürler Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Tel Mobile Fax philippe.thuerler@uus.admin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Mittwoch, 07. Oktober 2009 um ca. 10:55 Uhr kollidierte bei der Station Brandegg (Strecke Grindelwald - Kleine Scheidegg) der talwärts verkehrenden Zug 442a der Wengernalpbahn mit einem abgestellten Bagger. Bei der Kollision wurde der Bagger gegen einen Fahrleitungsmast gestossen und drehte sich dabei. Bei diesem Ereignis erlitt ein Mitarbeiter einer privaten Baufirma schwere Beinverletzungen. Er wurde mit dem Helikopter ins Spital geflogen. Der Triebwagen wurde zur Seite gestossen und das zweite Drehgestell entgleiste. Im Zug befanden sich keine Fahrgäste. Quelle: Swissmap Station Brandegg 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle wurde durch die Meldestelle (REGA) am Mittwoch 07. Oktober 2009 um 11:38 per Pager alarmiert. Der Pikettdienst leistende Untersuchungsleiter Ulrich Baumann übergab die Bearbeitung des Ereignisses dem Unterzeichner, welcher unverzüglich an den Unfallort ausrückte. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zusammen (Art. 25 der VUU). 2/16

3 1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Zwischen August und Oktober 2009 wurden in der WAB Station Brandegg Bauarbeiten für die Perronerneuerung durchgeführt. Die WAB hat die Firma Frutiger mit den Bauarbeiten bei der Station Brandegg beauftragt und von der Firma Vanoli einen Sicherheitswärter (Siwä) angestellt. Der Siwä hat (gemäss Reglement RTE Sicherheit beim Arbeiten im Gleisbereich) auf der Baustelle die Funktion des Sicherheitschefs. Die Sicherheitsleitung auf der Baustelle wurde durch die WAB gewährleistet. Das Sicherheitsdispositiv wurde von der WAB erstellt. Ab ca. 07: 30 Uhr war der Sicherheitswärter auch auf der Baustelle und hat die Baustelle dem Bahnhof Grund gemeldet. Der Bahnhof Grund meldet via Funk dem Siwä die Extrazüge. 1.2 Verlauf der Fahrt Am Mittwoch, 07. Oktober 2009 fuhr vor dem fahrplanmässigen Zug 442 der Entlastungszug 442a als Leerfahrt von der kleinen Scheidegg in Richtung Grindelwald. Um ca waren neben dem Gleis 1 drei Bauarbeiter mit dem Verlegen von Stellriemen beschäftigt. Der Bagger wurde für Arbeiten im Gleisprofil abgestellt. Der Maschinist befand sich nicht auf dem Bagger. Der Bahnhof Grund meldete dem Siwä den Zug 442a. Als der Siwä danach bergwärts schaute, befand sich der Zug gemäss seinen Angaben schon ca. 30 Meter vor der Baustelle. Der Siwä warnte sofort die Bauarbeiter. Gleichzeitig fuhr der Zug 442a auf Gleis 1 ein. Bei der Durchfahrt kollidierte der Triebwagen mit dem hintersten Einstiegstritt mit dem abgestellten Bagger. Dadurch begann sich der Bagger zu drehen. Der sich im Drehbereich befindende Bauarbeiter wurde durch die Schaufel des Baggers erfasst und erlitt dabei schwere Beinverletzungen. Der Lokführer sah die Bewegung des Baggers im Rückspiegel und leitete sofort eine Schnellbremsung ein. Durch die Kollision neigte sich der Triebwagen auf die rechte Seite und das zweite Drehgestell entgleiste. Foto 1 : UUS 3/16

4 1.3 Personenschäden Bei diesem Ereignis erlitt ein Mitarbeiter der Firma Frutiger schwere Beinverletzungen. 1.4 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Rollmaterial: Das hinterste Drehgestell des Triebwagens BDeh 4/4 Nr. 115 ist entgleist. Der linke hinterste Einstiegstritt wurde weggerissen. Der Stromabnehmer wurde beschädigt. Infrastruktur: Die Fahrleitung wurde leicht beschädigt. Die Zahnstange wurde im Entgleisungsbereich leicht beschädigt und musste nach den Aufgleisungsarbeiten repariert werden. 1.5 Sachschäden Dritter Am Bagger der Fa. Frutiger entstand kein Sachschaden. 1.6 Beteiligte Personen Lokführer Zug 442a Name: Lokführer WAB Sicherheitswärter Fa. Vanoli (Sicherheitschef gemäss RTE 20100) Name: RTE Ausbildung - Siwä SBB Ausweis: Nr. gültig bis Bauarbeiter Fa. Frutiger (Verletzte Person) Name: Die Namen der beiden andern Mitarbeiter der Fa. Frutiger sind im Polizeibericht enthalten Sicherheitsleitung WAB Name: RTE Ausbildung - Sicherheitsleitung 1.7 Schienenfahrzeuge Eigentümer: Jungfraubahnen (WAB) Haderstrasse Interlaken Zugskomposition: BDeh 4/4 Nr. 115 und Steuerwagen Nr. 213 Triebfahrzeug: BDeh 4/4 Nr. 115, hinteres Drehgestell (Bergwärts) entgleist. 4/16

5 1.8 Wetter, Schienenzustand Tag, Sonne, Schienen trocken, gute Sicht, 15 C. 1.9 Bahnanlagen Der Bahnhof Brandegg befindet sich auf der Strecke Grindelwald - Kleine Scheidegg. Der Bahnhof besteht aus einer zweigleisigen Anlage. Im Bahnhof liegen die Gleise in einem Gefälle zwischen 140 und 150 und sind mit Zahnstange ausgerüstet Funkverbindung Sicherheitswärter Bahnhof Grund Der Sicherheitswärter war mit einem Mobilfunk Geräte Motorola Typ GP 360 ausgerüstet. Die Funkgespräche zwischen dem Siwä und dem Bahnhof Grund wurden aufgezeichnet. Die Aufzeichnung der Funkgespräche wurde durch die Verkehrsunternehmung sichergestellt und durch die UUS ausgewertet. Eine Kopie der Funkaufzeichnung liegt der UUS vor. Das letzte Gespräch vor dem Ereignis zwischen dem Bahnhof Grund und dem Siwä wurde um ca. 10:23 Uhr geführt. Die Auswertung der Funkgespräche zur Unfallzeit ergibt Folgendes (Übersetzung aus Berndeutsch): Fdl: Fahrdienstleiter Bahnhof Grund Siwä: Sicherheitswärter Brandegg Fdl: Siwä: Fdl: Siwä: Fdl: 10:55:21 "Bahnwach Brandegg von Grund antworten" 10:55:29 "Verstanden antworten" 10:55:31 "Von oben zwei Züge und von unten auch zwei Züge, antworten" 10:55:37 "von oben zwei, von unten zwei" 10:55:06 "je zwei, jawohl" Die Funkaufzeichnung beweist, dass zur Zeit des Unfalls das Funksystem korrekt funktioniert hat Betriebskonzept (Ausführungsbestimmungen WAB R und R ) Bei der WAB verkehren die Züge im Zugverband gem. FDV R Ziffer 2. In verkehrsstarken Zeiten verkehren ca. 100 Meter vor und / oder nach dem fahrplanmässigen Kurszug so genannte Supplementzüge. Diese Züge verkehren mit Fahrt auf Sicht und ihre Zugsbezeichnungen bestehen aus der Zugnummer des Kurszuges, welche mit einem zusätzlichen Buchstaben ergänzt wird (a, b, c usw.). Alle Züge eines Zugverbandes verkehren nach der gleichen Fahrordnung wie der Kurszug. 5/16

6 1.12 Sicherheitsdispositiv (Beilage 1) Die Sicherheitsdispositive vom Siwä und dem Bahnhof Grund sind nicht identisch. Das Sicherheitsdispositiv des Siwä wurde am erstellt und war bis am gültig. Das Sicherheitsdispositiv vom Bahnhof Grund wurde am erstellt und die Gültigkeit wurde auf Anweisung der Sicherheitsleitung der WAB durch das Personal des Bahnhofs Grund schriftlich verlängert mit der Vermerk "auf weiteres". Der Funkkanal für die Gespräche mit dem Siwä im Bahnhof Brandegg ist nicht aufgeführt. Das Sicherheitsdispositiv wurde vom Siwä nicht unterschrieben. Bei der Eröffnung der Baustelle im August 2009 hat die Sicherheitsleitung dem Siwä vor Ort eine Instruktion gegeben. Diese Instruktion betraf: Regelfahrplan Extrazüge und die Situation der Baustelle Fahrdatenschreiber Der Triebwagen der WAB Nr.115 ist mit einem mechanischen Geschwindigkeitsmesser Hasler mit Registrierstreifen ausgerüstet. Der Registrierstreife wurde nach dem Unfall durch die UUS vor Ort entfernt und ausgewertet. Eine genaue Zeit Weg-Positionierung des Zuges ist mit einem Registrierungssystem Typ Hasler nicht möglich. Die Auswertung der Fahrdaten ergibt, dass der Lokführer mit einer Geschwindigkeit von ca.14 km/h gefahren ist und sich somit an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit für die Talfahrt von 15 km/h gehalten hat Befunde an den Fahrzeugen Die visuelle Kontrolle der Fahrzeuge der WAB durch den Untersuchungsleiter ergab ausser kollisions- und entgleisungsbedingten Schäden keine Beanstandungen Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt Ausbildung Sicherheitswärter (beteiligte Person 1.6.2) Der Privat-Sicherheitswärter hat seine RTE Ausbildung bei der SBB im absolviert. Er ist im Besitz eines bis im gültigen Ausweises. 6/16

7 1.17 Ausbildung Sicherheitsleiter WAB (beteiligte Person 1.6.4) Die verantwortliche Person der WAB, die das Sicherheitsdispositiv erstellt hat und dem die Sicherheitsleitung obliegt, verfügt über die nötige Ausbildung um diese Funktion zu gewährleisten. Den letzten RTE Kurs hat er im besucht Überwachung der Sicherheitsmassnahmen Gemäss Aussage der Sicherheitsleitung der WAB wurden die Baustellen- Besichtigungen alle zwei Tage durchgeführt. Die letzte Baustellenbesichtigung fand einen Tag vor dem Unfall, am , statt. Bei dieser Gelegenheit wurde das Sicherheitsdispositiv nicht angepasst. (Beilage 4 RTE ) 1.19 Informationen über Organisation und Verfahren Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden durch die Kantonspolizei Bern, Polizeiposten Grindelwald untersucht. Die Untersuchung vor Ort wurde in Zusammenarbeit mit dem unfalltechnischen Dienst Bern (UTD) durchgeführt. 2 BEURTEILUNG 2.1 Technisches - Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. - Der Bagger war nicht im Einsatz (Motor abgestellt). - Der Bagger befand sich im Lichtraumprofil des Gleises 1. - Das Funksystem hat korrekt funktioniert. - Das Gleis 1 war nicht gesperrt. 2.2 Sicherheitsdispositiv Das Sicherheitsdispositiv im Besitz des Siwä ist nicht identisch mit demjenigen des Bahnhofs Grund. Trotz Arbeitsfortschritt und regelmässigen Baustellenbesuchen (im oberen Bereich des Bahnhofs Brandegg sind die Platzverhältnisse enger als im unteren Bereich) wurde das Dispositiv nicht angepasst. Das Sicherheitsdispositiv im Besitz des Siwä war nicht mehr gültig. 2.3 Privater Sicherheitswärter Im August hat die Sicherheitsleitung dem privaten Siwä vor Ort eine Instruktion erteilt. Diese Instruktion betraf den Fahrplan, die Extrazüge sowie die Situation der Baustelle. Der private Sicherheitswärter ist nicht berechtigt, das Sicherheitsdispositiv anzupassen. (Beilage 4 RTE ) 7/16

8 2.4 Anmeldung Entlastungszug 442a Die Auswertung der Funkgespräche ergibt, dass der Entlastungszug 442a an den Siwä gemeldet wurde und er die erhaltenen Informationen korrekt bestätigt hat. Mit dem Fahrdatenschreiber Typ Hasler ist es nicht möglich nachzuweisen, wo genau der Zug sich befand, als der Fahrdienst Grund dem Siwä den Zug meldete. 2.5 Sperren von Gleisen (Beilage 4 RTE et ) Die Platzverhältnisse am Unfallort (oberer Bereich des Bahnhofs Brandegg) waren wegen dem Kurvenradius des Gleises und des Fahrleitungsschalterträgers für den Einsatz eines Baggers ohne Gleissperrung nicht geeignet. Bei den bestehenden Platzverhältnissen auf der Unfallstelle konnten bewegliche Maschinen, wie z.b. Bagger das Lichtraumprofil nicht rechtzeitig freigeben. (RTE Punkt ) Unter Berücksichtigung der örtlichen Bedingungen (siehe Foto 1) konnte die Räumung des benötigten Lichtraumprofils, innerhalb nützlicher Zeit, nicht gewährleistet werden. (RTE ) Das Gleis 1 hätte unbedingt gesperrt werden sollen. 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Der Bagger stand im Lichtraumprofil des Gleises 1. Mit dem Einsatz eines Baggers am Ort des Unfalls kann das Lichtraumprofil des Gleises 1 nicht freigehalten werden. Das Gleis 1 wurde nicht gesperrt. Das Sicherheitsdispositiv im Besitz des Sicherheitswärters war nicht mehr gültig. Trotz regelmässigen Baustellenbesichtigungen wurde das Sicherheitsdispositiv durch die Sicherheitsleitung nicht angepasst. Der private Sicherheitswärter verfügt über die notwendige Ausbildung um die Sicherheitsfunktion auf der Baustelle zu gewährleisten. Der Lokführer hat sich richtig verhalten. Sobald er im Rückspiegel die Bewegung des Baggers bemerkt hatte, leitete er sofort die Schnellbremsung ein. 3.2 Ursachen Nichtsperren des Gleises. Abstellen des Baggers im Lichtraumprofil. 8/16

9 4 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Keine, da die Sicherheitsmassnahmen im RTE klar festgelegt sind. Die WAB hat nach dem Unfall die folgenden Sofortmassnahmen eingeführt: Sperren des Gleises bei engen Platzverhältnissen. Bei der Besichtigung der Arbeitstelle wird die Sicherheitsleitung das Sicherheitsdispositiv mit dem Sicherheitswärter überprüfen und wenn nötig werden Anpassungen an den Arbeitsfortschritt vor Ort sofort gemacht. Instruktion der Sicherheitswärter der Firma Vanoli betreffend Betriebskonzept der WAB durch den Leiter Fahrbahn und den Stv. Leiter Vertrieb und Produktion. Die Untersuchung wurde vom Untersuchungsleiter, Philippe Thürler, geführt. Bern, 10. Mai 2010 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Philippe Thürler Fotos: UTD Kapo Bern / UUS 9/16

10 Beilage 1 Sicherheitsdispositiv Bahnhof Grund Siwä 10/16

11 Beilage 2 Situationsplan Brandegg Dokument WAB ; Ergänzungen UUS 112 Bagger TW /16

12 Beilage 3 Fahrzeug und Lichtraumprofil 20 cm Lichtraumprofil WAB Kurvenerweiterung e über mm SOK bei einem Radius 100 m e = 250 mm e PERRON 90 mm SOK Foto : UTD Bern 1:50 Kurvenerweiterung gemäss AB-EBV art 18 Blatt 13M / Triebfahrzeug und Wagen Um das Lichtraumprofil frei zu halten darf die seitliche Distance zwischen Fahrzeug und das Lichtraumprofil Limite mindesten 63 cm sein. (Distanz ab Gleismitte 1685 mm) 12/16

13 Beilage 4 Auszug RTE /16

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