über die Entgleisung vom Zug 52525

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1 Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d inchiesta sugli infortuni die trasporti pubblici SII Erwin Drabek Reg. Nr.: Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe über die Entgleisung vom Zug vom Freitag in Olten RB Erwin Drabek Monbijoustrasse 51A 3003 Bern Mobile Fax edrabek@bluewin.ch

2 Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel (VUU, SR ). 0 ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Freitag, um ca. 13:15 Uhr entgleiste der fünfte Wagen des abfahrenden Zuges auf der Weiche 569 (Gleis 2 568). Dabei wurde niemand verletzt. Die Sachschäden belaufen sich auf ca. Fr. 20'000.- Olten Güterbahnhof Entgleisungsort Olten Personenbahnhof 0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle wurde durch die Meldestelle (REGA) am um 13:35 Uhr per Pager alarmiert. Die Rückfrage bei der Infrastrukturbetreiberin SBB ergab die Notwendigkeit einer Untersuchung. Der Berichterstatter rückte deshalb unverzüglich aus. Der Untersuchungsbericht der UUS fasst die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung zusammen (Art. 25 der VUU) 2/11

3 1 FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Schematischer Gleisplan Olten Güterbahnhof d c b a e f a: Gleis E2 b: Gleis 569 c: Gleis 568 d: Gleis 508 e: Elektrisch gesteuerte Handweiche 569 f: Hand gesteuerte Doppelkreuzungsweiche Vorgeschichte Zug fuhr von Seite PB in Gleis E2 ein und hielt vor der Weiche 569 an. Als der Zug im Gleis E2 still stand, stellte der Zugsverkehrsleiter (ZVL) die Weichen 569 / 567 für eine Fahrt Gleis E2 Gleis 568 um. Der Rangiermitarbeiter 1 (R1) kuppelte Zug nach dem ersten Wagen ab und fuhr als Rangierfahrt die Zuglok und einen Wagen vom Gleis E2 über die in Ablenkung stehende Weichen nach Gleis 568. Der ZVL überwachte das Abkuppeln der Zuglok im Gleis 568 und begab sich unmittelbar danach ins Dienstgebäude. Der Rangiermitarbeiter 2 (R2) wartete mit der Rangierlok und 9 Wagen in Gleis E4. Als der Rangiermitarbeiter 1 mit der Lok und dem Wagen vom eingefahrenen Zug das Gleis E2 verliess, fuhr R2 als Rangierfahrt vom Gleis E4 nach Gleis 508. Von dort verlangte er beim ZVL die Fahrstrasse Anschliessend stellte er als Rangierfahrt die 9 Wagen auf den Schluss zurück. Er kuppelte die Wagen die somit die fertige Formation von Zug bildeten. Er ging dann zur Rangierlok zurück, kuppelte sie ab und fuhr als Rangierfahrt wieder ins Gleis 508. Die Zuglok kam vom Gleis 508 ins Gleis 569 und wurde an die Komposition gekuppelt. Nach der Bremsprobe und der Bereitschaftsmeldung wurde der Zug dem OBZ als fahrbereit gemeldet. Das Signal 569 wurde auf Fahrt gestellt. 3/11

4 1.3 Verlauf der Fahrt Als der Zug sich in Bewegung setzte, fuhr das nachlaufende Drehgestell des fünften Wagens, welcher auf der Weiche 569 stand, nicht ins gerade Gleis 569 sondern über Ablenkung in Richtung Doppelkreuzungsweiche (DKW) 567. Die DKW war in Stellung E2 Gleis 568 gestellt. Der Wagen folgte dieser Fahrstrasse und entgleiste. Das vorderste Drehgestell entgleiste dann auf Gleis 569. Dabei lösten sich die Bremsschläuche der Hauptleitung zwischen den 4. und 5. Wagen. Somit kam der abfahrende Zug zum Stillstand. 1.4 Personenschäden Beim Ereignis wurde niemand verletzt 1.5 Sachschäden am Rollmaterial und an der Infrastruktur des Bahnunternehmens Die Sachschäden an den entgleisten Wagen und an den Weichen 567 und 569 wurden auf ca 20'000.- geschätzt 1.6 Sachschäden Dritter Keine 1.7 Beteiligte Personen Lokführer SBB-Cargo Zugsverkehrsleiter SBB-Infrastruktur Rangiermitaebeiter 1 SBB-Infrastruktur Rangiermitarbeiter 2 SBB-Infrastruktur 1.8 Schienenfahrzeuge Eigentümer: SBB Cargo Triebfahrzeug: Re Entgleister Wagen: Smmps Strassenfahrzeuge Keine 1.10 Wetter, Schienenzustand Tag, Sonne. Schienen trocken Bahnsicherungssysteme Die Gleise E2, E3 und E4 des Güterbahnhofs Olten sind nicht isoliert. Die Belegung dieser Gleise wird somit nicht überwacht. Die Weiche 569 ist über einen elektrischen Antrieb "handbedient". Die Doppelkreuzungsweiche 567 wird über zwei Hebel handbedient. Diese beiden Weichen sind nicht isoliert. Somit wird deren Belegung nicht überwacht. 4/11

5 Die Sicherungssysteme des Triebfahrzeuges des Zuges sind für die Untersuchung des Ereignisses nicht relevant Zug- und Rangierfunk Die Funkgespräche sind für den Unfallablauf nicht relevant Bahnanlagen Die Entgleisung fand in Olten Güterbahnhof Gleisfeld E statt. Die drei Gleise E2, E3,E4 mit den Folgegeleisen 569, 568, 567 werden hauptsächlich für die Einfahrten und Ausfahrten von Güterzügen benutzt Fahrdatenschreiber Die Entgleisung fand bei der Anfahrt des Zuges statt. Der Zug fuhr etwa 30m bis er wieder still stand. Die Schnellbremsung wurde von den bei der Entgleisung abgerissenen Hauptleitungsschläuchen ausgelöst. Die Fahrdaten des Triebfahrzeuges wurden von der UUS nicht untersucht. Sie waren für die Untersuchung des Ereignisses nicht relevant Befunde an den Fahrzeugen und an der Weiche 569 Wagen Smmps Die optische Kontrolle und die Überprüfung der Radprofile am entgleisten Wagen ergaben keine Beanstandungen. Elektrisch gesteuerte Handweiche 569 Bild 1 Bild 2 Nach der Entgleisung stand die Weiche in Ablenkung. Die Lage in einer Zwischenstellung wie auf Bild 1 wurde in einem späteren Zeitpunkt von Hand gestellt. Die Spuren auf Bild 2, die auf beiden Weichenzungen sichtbar waren, lassen mit einer gewissen Sicherheit erkennen, dass: a) die Weiche vor kurzer Zeit bei einer Fahrt Gleis 569 E2 aufgeschnitten wurde. b) der entgleiste Wagen starke Streifspuren auf der Weichenzunge in Fahrtrichtung links gesehen hinterlassen hat Befunde an Strassenfahrzeugen Keine Beteiligung von Strassenfahrzeugen 5/11

6 1.17 Medizinische Feststellungen In Bezug auf medizinische Beschwerden der am Unfall beteiligten Personen ist nichts bekannt Feuer Beim Ereignis brach kein Feuer aus Umwelt Das Ereignis hatte keinen Einfluss auf die Umwelt Besondere Untersuchungen Unfallablauf Abgestützt auf die unter Pkt festgestellten Spuren an den Zungen der Weiche 569 und auf die Tatsache, dass die Weichen 569 / 567 nach dem der ZVL diese Weiche für eine Fahrt E2 568 umstellte, durch niemanden umgestellt wurde, kann der Unfallablauf mit grösstem Wahrscheinlichkeit wie folgt geschildert werden: Bei der Rückstellfahrt der Rangierlok mit 9 Wagen vom Gleis 508 ins Gleis 569 E2 belegt durch Schluss Zug 62623, hat der Rangiermitarbeiter 2 (R2) die Stellung der Weiche 569 nicht beobachtet (obwohl er sich auf dem ersten Wagen bei der Rangierbewegung befand). Die Weiche 569 wurde durch die 4 ersten Wagen und das erste Drehgestell des 5. Wagens aufgeschnitten. Gemäss Aussagen der Rangiermitarbeiter 1 und 2 ist es durchaus möglich, dass nach der Kupplung der zwei Zugsteile, der entgleiste Wagen (à cheval) auf der Weiche 569 stand. Als der Zug wegfuhr, stand das hintere Drehgestell des Smmps- Wagens vor den Weichenzungen die in Ablenkung oder in einer Zwischenstellung waren. Als dieses Drehgestelle auf die Weichenzungen fuhr, setzte sich das in Fahrtrichtung linke Rad zwischen die linke Weichenzunge und die für die Ablenkung gelegte Schiene. Die Entgleisung war somit eingeleitet. Aufgabenteilung zwischen Zugsverkehrsleiter (ZVL) und Rangierleiter (RL) Die Schweizerische Fahrdienstvorschriften FDV R Zif. 2 regeln die Vorkehrungen bei der Ausführung von Rangierbewegungen. In Anbetracht des aktuellen Güterverkehrs in Olten RB ist es aus wirtschaftlichen Gründen nicht immer möglich, die Funktionen Zugsverkehrsleiter, Weichensteller, Rangierleiter je einer einzigen Person zu übertragen. Es kann durchaus vorkommen, dass der Zugsverkehrsleiter für einen Moment die Funktion des Weichenstellers übernimmt. In Olten RB, beim Verlangen und Zustimmen für Rangierbewegungen zwischen "Damm" (Geleise 500) / E-Gruppe und umgekehrt hat sich mit der Zeit eine Vereinfachung eingelebt. Entgegen FDV R300.4 Zif werden die Rangierfahrstrassen vom Damm nach E-Gruppe nicht bis ans genaue Ziel verlangt. Z.B. beim untersuchten Vorfall wurde die Fahrstrasse für die Rückstellfahrt Gleis E2 "nur" bis Gleis 569 verlangt und zugestimmt. Bei dieser Vorgehensweise wird die Stellung der Weiche 569 weder vom Zugsverkehrsleiter noch vom Weichensteller (Posten 4) überprüft. Die SBB-Weisung I-BF-LG, RB Olten, 63/2007 vom (Anlage 1) korrigiert diese Vorgehensweise. 6/11

7 Überwachung der elektrisch angetriebene "Handweiche" 569 Die Weiche 569 verbindet Gleise ohne Belegungsüberwachung. Sie ist selber auch nicht isoliert. Sie verfügt über einen elektrischen Antrieb, welcher vor Ort über einen Drehschalter bedient (Bild 3) und somit nicht ferngesteuert ist. Der Schalter ist zwischen den Gleisen E3 / E4 aufgestellt, in der Nähe der Handstellböcke der Doppelkreuzungsweiche 567 (Bild 4). Trotz ihrem elektrischen Antrieb ist die Weiche 569 als Handweiche zu betrachten. Aus diesem Grund hat die SBB bei der Montage des elektrischen Antriebs keine Ausnahmebewilligung zur AB EBV (AB 40.1 Ziffer 3 und AB 40.3 Ziffer 1) beim BAV eingeholt. B Bild 3 Bild Informationen über Organisation und Verfahren Das Ereignis wird seitens der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Solothurn nicht bearbeitet Verschiedenes Am wurde die elektrisch gesteuerte Handweiche unter einem fahrenden Zug umgestellt. Es folgte eine Entgleisung die im ESI Bericht E5JK2 von I-BF-LG, RB Olten vom beschrieben ist. Als technische Massnahme wurde bei diesem Ereignis damals die Isolierung der Weiche 569 durch die SBB vorgeschlagen. Die UUS war am auch vor Ort. Es wurde auf die Verfassung eines Untersuchungsberichtes verzichtet, weil die Ursache (Personalfehler) klar war und die Sachschäden bescheiden waren. 7/11

8 2 BEURTEILUNG 2.1 Technisches Die Schienenfahrzeuge waren technisch in Ordnung. Die elektrisch gesteuerte Handweiche 569 ist nicht isoliert und somit elektrisch nichtüberwacht. Sie kann jederzeit umgestellt werden, auch wenn ein Zug darauf steht oder darüber fährt. Diese Sachlage stellt ein grosses Unfallrisiko dar (Vergl. Unfall vom ). Diese nicht überwachte Weiche liegt in einer oft befahrenen Fahrstrasse (Gleis 2 Gleis 569). Der Schalter für das Umstellen der Weiche 569 befindet sich in einem Kasten zwischen den Geleisen E3 und E Betriebliches AZG In der Untersuchung sind keine Verstösse gegen arbeitszeitrechtliche Bestimmungen festgestellt worden. Verlangen und Zustimmen für Rangierbewegungen Übergang Damm (Geleise 500) / E-Gruppe und umgekehrt In Olten RB war es die Regel, Rangierfahrstrassen über den Bereich Posten 4 vom Damm nach der E-Gruppe nicht konsequent bis ans genaue Ziel zu verlangen. Das Vorgehen hatte zur Folge, dass die handbetriebene Doppelkreuzungsweiche 567 und die elektrisch angetriebene Handweiche 569 vor der Zustimmung der Rangierfahrt nicht auf Stellung kontrolliert wurden. Die SBB-Weisung I-BF-LG, RB Olten, 63/2007 vom (Anlage 1) korrigiert dieses Vorgehen. Bedienung der Weichen 567, 569 Die Doppelkreuzungsweiche 567 a/b wird durch 2 Weichenstellhebel, die zwischen den Gleisen E3 und E4 aufgestellt sind, bedient. Die "Handweiche" 569 verfügt über einen elektrischen Antrieb. Der Schalter für dessen Bedienung befindet sich nicht unmittelbar neben der Weiche sondern bei den Weichenstellhebeln 567 a/b zwischen den Gleisen E3 und E4. Die Laterne der Weiche 569 befindet sich zwischen Gleis E2 / 569 und dem Stammgleis. Die Weichen 567 und 569 sind nicht isoliert. Dementsprechend wird ihre Stellung auch nicht elektrisch überwacht. Als der Zug im Gleis E2 stillstand, stellte der Zugsverkehrsleiter die Weichen 569 und 567 für die Fahrstrasse E2 Gleis 568 um. Nach der Rangierfahrt (geleitet vom Rangiermitarbeiter 1) der Zuglok mit einem Wagen ins Gleis 568 wurden die Weichen nicht mehr in die gerade Stellung umgestellt. Aus den Einvernahmeprotokollen ist ersichtlich, dass die Bedienung der Weichen 567 und 569 nicht klar geregelt ist. Als später der Rangiermitarbeiter 2 mit der Rangierlok und den 9 Wagen vom Gleis 508 ins Gleis 569 / E2 fuhr, ging er davon aus, dass die Weiche 569 für seine Rangierfahrt richtig gestellt war. Dass der Rangiermitarbeiter 2 die Weiche 569 für seine Fahrt selber hätte stellen müssen, hatte er bis zum Unfallzeitpunkt noch nie erlebt. Im Weiteren sollte die Weiche 569 mit einer Isolierung und einer Stellstromsicherung (Plombiert) versehen werden. (Vergl. SBB I-BF-LG, RB Olten, SUA- Analyse, ESI Nr. E5JK2 vom ) 8/11

9 3 SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde Bei der Zugsabfahrt waren die Bahnfahrzeugen in Ordnung. Mit grösster Wahrscheinlichkeit wurde die Weiche 569 bei der Rangierfahrt vom Gleis 508 ins Gleis 569 / E2 mit der Rangierlok und 9 Wagen aufgeschnitten (Bildung des Zuges 52525). Bei der Abfahrt vom Zug stand die Weiche 569 in Ablenkung oder in einer Zwischenstellung. Das Verlangen der Rangierfahrstrasse durch den Rangierleiter 2 entsprach nicht den Vorgaben des FDV R300.4 Zif (siehe Pkt 1.20). Die elektrisch angetriebene Handweiche 569 ist nicht isoliert und somit elektrisch nicht überwacht. Die Bedienung der Weichen 569 / 567 ist nicht klar geregelt (einmal so, einmal anders). 3.2 Ursachen Die Prozesse beim Verlangen und Zustimmen für Rangierbewegungen Übergang Damm / E-Gruppe und umgekehrt entsprachen nicht den Vorgaben des FDV R300.4 Zif Bei der Rückstellrangierfahrt vom Gleis 508 ins Gleis 569 /E2 mit der Rangierlok und 9 Wagen hat der Rangiermitarbeiter 2 die Stellung der Weiche 569, welche in Ablenkungsstellung war, nicht geachtet und die Weiche aufgeschnitten (Verstoss FDV R300.4 Zif ). Bei der Abfahrt des Zuges war die Weiche 569, über welcher der entgleiste Wagen stand, in Ablenkung oder in einer Zwischenstellung. 9/11

10 4 SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN 4.1 Durch die SBB bereits getroffene Massnahme Weisung I-BF-LG, RB Olten, 63/2007 vom (Anlage 1) 4.2 UUS- Sicherheitsempfehlungen Weiche 569 isolieren, mit einer plombierten Stellstromsicherung ausrüsten und in die Fahrstrassenlogik einbinden. Die Untersuchung wurde vom nebenamtlichen Untersuchungsleiter, Erwin Drabek, geführt. Bern, Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe Anlage 1: SBB-Weisung I-BF-LG 63/2007 Gleisschema: SBB Bilder: UUS E. Drabek 10/11

11 Anlage 1 SBB- Weisung I-BF-LG 63/2007 vom /11