Aromaten sind ungesättigte, homo- oder heterocyclische Kohlenwasserstoffverbindungen mit einem delokalisierten, d.h. mesomeren, Bindungssystem.
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- Kristina Tiedeman
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1 Ri Aromaten Aromaten sind ungesättigte, homo- oder heterocyclische Kohlenwasserstoffverbindungen mit einem delokalisierten, d.h. mesomeren, Bindungssystem. Der Name stammt von jenen Substanzen, die fräher vorwiegend aus Pflanzen extrahiert wurden und einen aromatischen Geruch verstråmten. Charakteristisch fär die aromatischen Verbindungen ist ein Kohlenstoff-Sechsring, der Benzenkern, dessen Atome auf eine besondere Art verbunden sind: Der Benzenkern hat die Summenformel C 6 H 6. Diese ist nur bei 3 sich mit Einfachbindungen abwechselnden, konjugierten, Doppelbindungen im 6-Ring måglich. Die sechs C-Atome sind durch -Bindungen mit je zwei benachbarten C-Atomen und einem H-Atom verbunden. Die verbleibenden sechs -Elektronen bilden eine Äber alle sechs C-Atome gleichmçssig verteilte, zweiteilige Elektronenwolke Äber und unter der MolekÄl- ebene. -Elektronenwolke mesomere Grenzstrukturen vereinfachte Darstellung Mit dieser Struktur lassen sich die folgenden besonderen Eigenschaften des Benzens und der Aromaten erklçren: StabilitÄt gegenåber Additionen trotz dem ungesättigten Charakter. Die Bindungen zwischen den 6 C-Atomen sind alle gleichwertig (gleichlang). Von zweifach substituierten Benzenringen gibt es keine Stellungsisomeren.
2 Ri 58 Einteilung Die Aromaten werden anhand ihrer Strukturen in vier Gruppen unterteilt: Benzoide Aromaten Dazu gehårt Benzen selbst und jene Aromaten, die einen einzelnen Benzenring als wesentlichen Bestandteil aufweisen. Beispiele: Nichtbenzoide Aromaten Mesomeriestabilisierte Kohlenwasserstoffringe, deren Grundstruktur nicht der Benzenring ist. Bei Ringen mit weniger als 6 C-Atomen ist die Ringspannung gross. Mit zunehmender RinggrÅsse nimmt der aromatische Charakter ab. Ein ringfårmig geschlossenes delokalisiertes -Elektronensystem kånnen nur Ringe aufweisen, die eben sind und (4n + 2) -Elektronen aufweisen (n = 0, 1, 2, 3,...) Beispiele: CH 2 CH 2 Polycyclische Aromaten Kondensierte Aromaten bestehen aus mehreren Benzenringen, die linear oder gewinkelt Äber eine Seite verknäpft sind. Solche Polycyclen sind chemisch reaktiver als Benzen und zeigen Tendenz zu Additionsreaktionen. Beispiele: linear, tricyclisch angular, tricyclisch
3 Ri 59 Nichtkondensierte Aromaten bestehen aus Benzenringen, die Äber C-C-Bindungen miteinander verknäpft sind. Beispiele: H C Aromatische Heterocyclen Heteroaromaten enthalten mindestens ein Heteroatom. In FÄnfringen ist ein freies Elektronenpaar des Heteroatomes am Mesomeriesystem beteiligt. Beispiele: N N H Nomenklatur Die Nomenklatur der aromatischen Verbindungen folgt speziellen Regeln. Es gibt eine ganze Reihe von erlaubten Trivialnamen, von denen die weiteren Derivate abgeleitet sind. Die Stellung der Substituenten wird durch måglichst kleine Ziffern festgelegt. Bei zwei Substi-tuenten galt fräher auch fär die Stellung 1,2- die Bezeichnung ortho o-, fär die Stellung 1,3- meta m- und fär die Stellung 1,4- para p-. Die wichtigsten Stammbezeichnungen sind: CH Benzen Toluen Cumen CH CH 2 Styren 1,2-Xylen 1,3-Xylen
4 Ri ,4-Xylen Mesitylen Naphthalen ' 2' ' 1' ' 6' Anthracen Phenantren Biphenyl Einbindige aromatische Substituenten tragen die Silbe -yl: Phenyl- CH 2 2-Naphthyl- 3-Tolyl- 3-Methylphenyl- 3,5-Xylyl- 3,5-Dimethylphenyl- Benzyl- Phenylmethyl- 2-Anthryl- Vorkommen, Gewinnung ErdÅl enthçlt viele verschiedene Aromaten, jedoch meist in zu geringen Mengen fär eine wirt-schaftliche Gewinnung (mit Ausnahme von indonesischem ErdÅl). Viele natärliche Aromastoffe sind aromatische Verbindungen. Eine wichtige natärliche Quelle ist der Steinkohlenteer, der beim Erhitzen von Steinkohle unter Luftabschluss nebst Koks und Kokereigas anfçllt. Die Aromaten werden bei der Reinigung des Kokereigases und bei der Rektifikation des Steinkohlenteers gewonnen.
5 Ri 61 Siedebereich Fraktion Zusammensetzung bis 180ÉC LeichtÅl Benzen, Toluen, Xylene bis 230ÉC MittelÅl Xylene, Naphtalen, Pyridin, Phenole, Kresole, Xylenole bis 270ÉC SchwerÅl Naphtalen, Alkylnaphtalene Biphenyl, Naphtole bis 360ÉC AnthracenÅl Anthracen, Phenantren Äber 360ÉC Teerpech Eigenschaften Die physikalischen Eigenschaften der Aromaten entsprechen etwa denen der Alkane gleicher Molmasse. Aromaten sind oft von sässlichem, aromatischem Geruch. Die kondensierten Aromaten sind kristalline, sublimierbare, lipophile Verbindungen. BenzoldÇmpfe sind giftig. Sie werden vom menschlichen Organismus Äber die Atemwege und die Haut aufgenommen und wirken blutbildverçndernd. Die alkylsubstituierten Benzole sind weniger toxisch. Anthracen und kompliziertere Ringsysteme sind krebserregend (cancerogen). Herstellung Aromaten kånnen grosstechnisch durch katalysierte Aromatisierung aliphatischer und alicyclischer Kohlenwasserstoffe aus ErdÅldestillaten synthetisiert werden. Dehydrierung von Cycloalkanen Dehydrierung von Methylcyclohexan Pd/ + 3 H 2 Dehydrocyclisierung von n-alkanen Herstellung von 1,2-Xylen aus n-octan CH Pd/ H 2
6 Ri 62 Cyclisierung von Ethin (ohne wirtschaftliche Bedeutung) 3 HC CH Verwendung Benzen findet Verwendung als Ausgangsmaterial fär Nitrobenzen, Anilin, Phenol, Styrol, Kunstfasern, waschaktive Stoffe, Heilmittel, Insektizide, Farbstoffe usw. Wegen seiner starken Giftigkeit wird Benzen als LÅsemittel nicht mehr verwendet. Als Zusatz im bleifreien Benzin erhåht es dessen Klopffestigkeit. Naphtalen und Anthracen werden vorallem zu Farbstoffen weiterverarbeitet. Xylole werden zu DicarbonsÇuren verarbeitet, die als Komponenten fär Polyesterharze dienen. Eine weitere Verwendung finden Aromaten im Brennstoff- und Schmierstoffsektor. Reaktionen Alle Aromaten brennen mit russender Flamme. Aromaten sind chemisch bestçndig gegen Additionen (Mesomerie), wçhrend Substitutionen von H-Atomen am Kern leichter erfolgen als bei Alkanen und Alkenen. Verbrennung VollstÇndige Verbrennung von Benzen mit Luftsauerstoff O 2 12 CO H 2 O Substitutionsreaktionen am Kern Kernsubstitutionen werden allgemein in der KÇlte (Raumtemperatur) und in Gegenwart eines Katalysators durchgefährt (KKK-Regel). H + XY Kat. X + HY
7 Ri 63 Dieser Reaktionstyp wird als elektrophile Substitution bezeichnet. Sie lçuft in drei Schritten ab: 1. Der Katalysator bewirkt die Bildung des angreifenden elektrophilen Agenzes durch eine heterolytische Spaltung von XY. X Y Kat. X + + Y - 2. Wegen der grossen Elektronendichte am Aromaten erfolgt die Anlagerung des elektrophilen Teilchens X + an ein Ringkohlenstoffatom unter Bildung eines mesomeriestabilisierten, positiv geladenen Komplexes. H + X + [ X ] + H 3. Durch Protonenabspaltung entsteht aus diesem Komplex das kernsubstituierte MolekÄl. Dabei fungiert das Anion Y - als Protonenakzeptor. [ X ] + X H + Y - + HY Die wichtigsten elektrophilen Substitutionen sind: Halogenierung Chlorierung von Benzen FeCl 3 + Cl 2 Fe[Cl 4 ] - + Cl + Cl FeCl + Cl HCl Nitrierung Herstellung von Nitrobenzen aus Benzen 3 HNO 3 NO NO H 3 O + 2 H 2 SO 4 + HNO 3 NO H 3 O HSO 4 NO H 2+ + HNO 2 SO 4 3 H2 O
8 Ri 64 Sulfonierung Sulfonierung von Benzen zu BenzensulfonsÇure 2 H 2 SO 4 SO 3 + H 3 O HSO 4 SO 3 H H + H 2 SO 2 SO H2 O Alkylierung nach Friedel-Crafts Herstellung von Toluen aus Benzen + Cl + AlCl 3 CH + [AlCl 4 ] Cl AlCl 3 + HCl Acylierung nach Friedel-Crafts Der Katalysator Aluminiumchlorid bildet mit dem Reaktionsprodukt einen Komplex. Es muss deshalb in mindestens ståchiometrischer Menge eingesetzt werden. Acetylierung von Benzen O C + AlCl3 CH Cl 3 C O + + [AlCl 4] - O + C Cl AlCl 3 O C CH3+ HCl O O AlCl 3 C CH3 C + AlCl3
9 Ri 65 Mehrfachsubstitution Bei der Mehrfachsubstitution eines Aromaten bestimmt der bereits vorhandene Substituent die Position des zweiten Substituenten sowie die Geschwindigkeit der Zweitsubstitution. DafÄr verantwortlich sind der Induktionseffekt und der Mesomerieeffekt des Erstsubstituen-ten auf das Mesomeriesystem des Aromaten. Es sind dabei drei FÇlle zu unterscheiden: Cl O H N O O Der Substituent entzieht dem Mesomeriesystem Elektronen. Er wirkt desaktivierend. Der elektronegative Substituent polarisiert C1 im Ring mit +. Er dirigiert Stellung 2 und 4. Die Atomgruppe erhçht die Elektronendichte im Mesomeriesystem. Es wirkt aktivierend. Das elektronegative Atom am Kern polarisiert C1 im Ring mit +. Es dirigiert Stellung 2 und 4. Der Substituent entzieht dem Mesomeriesystem Elektronen. Er wirkt desaktivierend. Das weniger elektronegative Atom am Kern polarisiert C1 mit -. Es dirigiert Stellung 3. Substituenten 1. Ordnung Sie lenken den neuen Substituenten in Stellung 2 und 4. Sie wirken aktivierend oder desakti-vierend. (Das elektronegativste Atom der Gruppe sitzt an einem Ringkohlenstoffatom) aktivierend: -R, -Ar, -OH, -OR, -NH2, -NHR, -OCOR, -NHCOR desaktivierend: -Cl, -Br, -I
10 Ri 66 Nitrierung von Toluen H 2 SO 4 + HNO3 NO 2 oder + H2 O Substituenten 2. Ordnung NO 2 Sie lenken den neu eintretenden Substituenten in Stellung 3. Sie wirken immer desaktivierend. (Das elektronegativste Atom der Gruppe ist Äber ein weniger elektronegatives an ein Ringkohlenstoffatom gebunden.) desaktivierend: COOH -NO2, -NH3 +, -SO3H, -CHO, -COOH, -COOR, -COR, -CN Sulfonierung von BenzencarbonsÇure COOH + H 2 SO 4 H 2 SO 4 SO 3 H + H 2O Bei Substitutionen am Naphthalen begänstigen KÇlte und unpolare LÅsemittel den Angriff in Stellung 1. Durch polare LÅsemittel und hohe Temperaturen wird der Angriff in Stellung 2 bevorzugt. Substitutionen an der Seitenkette Die Seitenkettensubstitution alkylierter Aromaten erfolgt unter Einwirkung von Sonnenlicht (UV) und bei Siedehitze: SSS-Regel Seitenkettensubstitutionen sind Radikalreaktionen. Es sind Kettenreaktionen und sie laufen Äber folgende Schritte ab: 1. Startreaktion X 2 UV XÉ+ XÉ
11 Ri Kettenreaktion XÉ+ R H RÉ+ X X 3. Kettenabbruch RÉ+ H X R X + XÉ XÉ+ XÉ X 2 RÉ+ RÉ R R Halogenierung Bei der Seitenkettenchlorierung von Toluen kånnen bei rechtzeitiger Unterbrechung der Reaktion alle måglichen Substitutionsprodukte erhalten werden. + Cl 2 UV CH 2 Cl + HCl CH 2 Cl + Cl 2 UV CHCl 2 + HCl CHCl 2 + Cl 2 UV CCl 3 + HCl Die Halogenierung liefert vorzugsweise Produkte, die ein Halogenatom am ersten C-Atom der Seitenkette tragen. FÄr Chlorierungen werden auch Sulfurylchlorid SO 2 Cl 2, Phosphorpen-tachlorid PCl 5 oder Phosgen COCl 2 eingesetzt. CH 2 + SO2 Cl 2 Cl CH + SO 2 + HCl Additionsreaktionen am Kern Diese laufen nur unter sehr energischen Bedingungen ab (Katalysatoren, Siedehitze, Druck). Hydrierung von Benzen + 3 H 2 Pt/p/
12 Ri 68 Oxidationen Unsubstituierte Aromaten lassen sich nur unter sehr energischen Bedingungen oxidieren. In der Regel werden die Ringe dabei aufgespalten. Katalytische Luftoxidation von Naphthalen zu 1,2-BenzendicarbonsÇure O 2 /V 2 O COOH 5 COOH Die Seitenkette von alkylierten Aromaten lçsst sich dagegen leichter mit starken Oxidationsmitteln in die Carboxylgruppe ÄberfÄhren. Oxidation von 1,4-Xylen mit KMnO 4 KMnO 4 HOOC COOH
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