Ernährung in der Onkologie Sinn und Unsinn

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Transkript:

Ernährung in der Onkologie Sinn und Unsinn Christian Madl 4. Medizinische Abteilung mit Gastroenterologie, Hepatologie und Zentralendoskopie KA Rudolfstiftung Gewichtsverlust onkologischer Patienten in den 6 Monaten vor Diagnose 1

Tumor Kachexie: Zentrale Rolle in der Onkologie verschlechtert die Lebensqualität häufige Todesursache erzeugt Ängste v.a. auch bei Angehörigen kann durch Energiezufuhr nicht mehr rückgängig gemacht werden Hinauszögern der Kachexie primäres Ziel einer Ernährungstherapie Ethische Aspekte in der Onkologie Wann fängt man an, wo hört man auf? 84a, männlich St.p.Gastrektomie bei Cardiakarzinom vor 2a Zusätzlich Herzinsuffizienz und wirksame MI Seit 6 Wochen im Krankenhaus Ruhedyspnoe, Sauerstofftherapie, bettlägrig Kachexie, Inappetenz Reduzierter AZ durch Tumor/Herzinsuffizienz/MI??? Optimierung des AZ (Ernährungszustand) von Patient/Angehörige/Kardiologe/Herzchirurg gefordert 2

Monitoring bei Malnutrition Spitalsmortalität und Body Mass Index 1 Neurologische Erkrankungen 2 COPD, Resp. Insuff. 3 Herzinsuffizienz, Zirrhose 4 Tumor Galanos AN, Crit Care Med 1997 3

Ernährungstherapie in der Onkologie Wann fängt man an, wo hört man auf? Fearon K, Eur J Cancer 2008 Ethische Entscheidungsfindung in der Medizin Prinzipien Ethische Grundlagen des Therapieverzichts Ethische Voraussetzungen Kriterien f. Therapieverzicht Benefizprinzip individualethisch Non- Malefizprinzip Nutzen für den Patienten (Indikation) Nutzlosigkeit, Vergeblichkeit (Futility) Autonomie Einwilligung d. Pat. Keine Einwilligung d. Pat. Gerechtigkeit Fairer Einsatz knapper Ressourcen Geringer Grenznutzen bei hohen Grenzkosten, insb. wenn kostengünstigere Alternative vorhanden sozialethisch 4

Ernährungstherapie in der end of life Phase Sinnhaftes, ethisch gerechtfertigtes Ziel: Verbesserte Lebensqualität Geringere Morbidität Längere Lebenserwartung bei Tumorerkrankungen RCT (n=200) bei inoperablem Pankreaskarzinom; Proteinreiche Trinknahrung vs Standard Care Lebensqualität nach 8 Wo Fearon KHC, Gut 2003 5

Perioperative Parenterale Ernährung bei mangelernährten Tumorpatienten Neun Studien 1.409 Patienten PE über 7 14 präoperative Tage Einfluss auf Morbidität und Mortalität Positive Resultate in 7/9 Studien Metaanalysis of the relative risk to suffer from any complication Review: Comparison: Outcome: Nutrition in cancer patients 01 Perioperative data 01 Overall complications Study Treatment Control RR (fixed) Weight RR (fixed) or sub-category n/n n/n 95% CI % 95% CI Meguid 10/32 19/34 9.66 0.56 [0.31, 1.01] Bellantone 4/19 8/15 4.69 0.39 [0.15, 1.06] Smith 3/17 6/16 3.24 0.47 [0.14, 1.57] Fan 5/20 6/20 3.15 0.83 [0.30, 2.29] Veterans Affair 8/30 9/20 5.67 0.59 [0.28, 1.27] von Meyenfeld 25/51 16/50 8.48 1.53 [0.94, 2.50] Fan 2 22/64 33/60 17.87 0.63 [0.42, 0.94] Bozetti 16/43 27/47 13.53 0.65 [0.41, 1.03] Wu 31/235 64/233 33.71 0.48 [0.33, 0.71] Total (95% CI) 511 495 100.00 0.64 [0.53, 0.77] Total events: 124 (Treatment), 188 (Control) Test for heterogeneity: Chi² = 15.90, df = 8 (P = 0.04), I² = 49.7% Test for overall effect: Z = 4.72 (P < 0.00001) 0.1 0.2 0.5 1 2 5 10 Favours treatment Favours control Kreymann KG; personal comunication 2011 6

Metaanalysis of the relative risk of death Review: Comparison: Outcome: Nutrition in cancer patients 01 Perioperative data 02 Mortality Study Treatment Control RR (fixed) Weight RR (fixed) or sub-category n/n n/n 95% CI % 95% CI Meguid 1/32 0/34 0.95 3.18 [0.13, 75.38] Bellantone 1/19 1/15 2.19 0.79 [0.05, 11.61] Smith 1/17 3/17 5.89 0.33 [0.04, 2.89] Fan 6/20 6/20 11.78 1.00 [0.39, 2.58] Veterans Affair 14/192 10/203 19.08 1.48 [0.67, 3.25] von Meyenfeld 2/51 2/50 3.96 0.98 [0.14, 6.69] Fan 2 5/64 9/60 18.23 0.52 [0.19, 1.47] Bozetti 0/43 5/47 10.32 0.10 [0.01, 1.74] Wu 5/235 14/233 27.59 0.35 [0.13, 0.97] Total (95% CI) 673 679 100.00 0.71 [0.47, 1.06] Total events: 35 (Treatment), 50 (Control) Test for heterogeneity: Chi² = 9.30, df = 8 (P = 0.32), I² = 14.0% Test for overall effect: Z = 1.66 (P = 0.10) 0.1 0.2 0.5 1 2 5 10 Favours treatment Favours control Kreymann KG; personal comunication 2011 Enterale Ernährung bei Tumorpatienten Metaanalyse RCT s Elia M, Int J Oncol 2006 7

Enterale Ernährung bei Tumorpatienten Metaanalyse RCT s Elia M, Int J Oncol 2006 Immunonutrition in gastrointestinal surgery - meta-analysis Cerantola Y et al, Br. J. Surgery 2011 8

Immunonutrition in gastrointestinal surgery - meta-analysis Cerantola Y et al, Br. J. Surgery 2011 Ernährungstherapie als supportive Therapie bei fortgeschrittenem Tumorerkrankungen Drei Studien 543 Patienten Fortgeschrittener Tumor, keine kurative Option a) Nächtliche Heim-PN mit 30% des gesamten Bedarfs b) Heim-PN wenn die Energieaufnahme unter 70-80% von 1.4 X Harris/Benedict 9

Cumulative survival curves Lundholm K et al. 2004 Cumulative survival curves Shang E et al. 2006 10

Cumulative survival curves Hasenberg T et al. 2009 Ernährungstherapie in der end of life Phase Sinnhaftes, ethisch gerechtfertigtes Ziel: Verbesserte Lebensqualität Geringere Morbidität Längere Lebenserwartung bei Tumorerkrankungen 11

Ernährungstherapie in der end of life Phase Sinnhaftes, ethisch gerechtfertigtes Ziel: Verbesserte Lebensqualität Geringere Morbidität Längere Lebenserwartung bei Herzinsuffizienz Malnutrition und Herzinsuffizienz Kardiale Kachexie bei NYHA II-IV: ~ 15% Mortalität bei kardialer Kachexie: 2 3x höher 5 Jahres Überleben bei Herzinsuffizienz: 50% Gewichtszunahme bei Herzinsuffizienz: besseres Überlebensrate und weniger Spitalsaufenthalte 12

Anker SD, Clin Nutrition 2009 Ernährungstherapie in der end of life Phase Sinnhaftes, ethisch gerechtfertigtes Ziel: Verbesserte Lebensqualität Geringere Morbidität Längere Lebenserwartung?? bei Herzinsuffizienz 13

Ethische Aspekte der Ernährungstherapie bei onkologischen Patienten Tumorkachexie bewirkt eine inflammatorische Zytokinausschüttung; kein Einfluss durch Ernährungstherapie zu erwarten! Terminale Tumorkachexie und Dehydration induzieren Urämie und Endorphin-Ausschüttung Patienten in der Terminalphase verspüren keinen Hunger und keinen Durst; andere Parameter im Vordergrund (Angst, Schmerzen, Mundtrockenheit.) Ernährung in der Onkologie Sinn und Unsinn Ethisch gerechtfertigt: wenn verbesserte Lebensqualität, geringere Morbidität, längere Lebenserwartung erzielt werden kann z.b. bei Tumorpatienten. Proteinreiche Trinknahrung bei inoperablen Tumoren PE perioperativ bei Tumorkachexie Nächtliche PE bei inkurablen Tumoren Ethisch fraglich bei Comorbiditäten: schwere Herzinsuffizienz, schwere COPD,.. Keine Indikation in der terminalen Phase einer Tumorerkrankung bei schwerer Kachexie 14

Ernährungstherapie in der Onkologie bei welcher Indikation sinnvoll, wann aber nicht? Fearon K, Eur J Cancer 2008 15