Vorlesung 3: Risikoaversion

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Transkript:

Vorlesung 3: Risikoaversion Georg Nöldeke Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 1 / 21

1. Modellrahmen In diesem Kapitel betrachten wir nur monetäre Lotterien. Die möglichen Ergebnisse X R sind durch ein Intervall X = [x,x] mit x < x gegeben. Präferenzrelationen sind auf der Menge L der einfachen Lotterien L mit der Eigenschaft, dass alle Ergebnisse der Lotterie in X liegen, definiert. Alle Definitionen und Ergebnisse aus dem vorhergehenden Kapitel lassen sich auf die hier betrachtete grössere Menge von Alternativen übertragen. Zur Vereinfachung der Notation bezeichnen wir Lotterien der Form (x;1) oftmals einfach mit x. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 2 / 21

1. Modellrahmen Wir unterstellen durchweg: 1 Präferenzrelation auf L ist rational und stetig. Sie besitzt daher eine Nutzendarstellung U : L R. 2 Präferenzrelation auf L ist monoton, d.h. für beliebige L und L in L gilt: L > 1 L L L. Stochastische Domininanz erster Ordnung ist dabei durch L 1 L p i p i für alle x R i:x i >x j:x j >x definiert. Gilt zusätzlich L L schreiben wir L > 1 L. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 3 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.1 Definitionen Definition Eine Präferenzrelation mit Nutzendarstellung U auf L heisst risikoavers, falls U(L) U(E[L]) risikoneutral, falls U(L) = U(E[L]) risikofreudig, falls U(L) U(E[L]) für alle Lotterien L L gilt. Gelten die Ungleichungen für alle nicht-degenierte Lotterien strikt, so ist das Individuum streng risikoavers, bzw. streng risikofreudig. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 4 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.2 Interpretation Was bedeutet das? Risikoaversion bedeutet, dass das Individuum stets eine sichere Auszahlung in der Höhe des Erwartungswertes einer Lotterie dieser Lotterie selbst vorzieht. Risikoneutralität bedeutet, dass das Individuum stets indifferent zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist. Risikofreude bedeutet, dass das Individuum stets die unsichere dieser beiden Möglichkeiten vorzieht. Beachten Sie, dass hier globale Eigenschaften der Präferenzrelation definiert werden. Man kann sich ohne weiteres auch Fälle vorstellen, in denen das Verhalten je nach Umständen mal risikofreudig und mal risikoavers ist. Beachte: Die Definitionen sagen (direkt) nichts darüber aus, wie verschiedene nicht-degenerierte Lotterien miteinander verglichen werden. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 5 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.3 Sicherheitsäquivalent und Risikoprämie Fragestellung: Wie kann man die Risikoaversion/freude eines Individuums durch einen Geldbetrag messen und mit der Risikoaversion eines anderen Individuums vergleichen? Definition (Sicherheitsäquivalent und Risikoprämie) Für eine gegebene Präferenzrelation und Lotterie L L definiert man das Sicherheitsäquivalent c(l, ) von L als den Geldbetrag, welcher indifferent zu L ist: c(l, ) L. die Risikoprämie π(l, ) von L als die Differenz von Erwartungswert und Sicherheitsäquivalent von L: π(l) = E[L] c(l, ). Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 6 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.3 Sicherheitsäquivalent und Risikoprämie Hinweis: Ist klar, welche Präferenzrelation gemeint ist, schreiben wir einfach c(l) bzw. π(l). Das Sicherheitsäquivalent ist eine Nutzendarstellung von, L L c(l, ) c(l, ), die alle Lotterien an Hand des sicheren Geldbetrages vergleicht, welcher der Lotterie (im Sinne der Indifferenz) entspricht. Die Risikoprämie ist die Zahlungsbereitschaft eines Individuums mit Präferenzrelation für die Elimination des in L enthaltenen Risikos: E[L] π(l, ) L. Beachte: Die Annahmen der Stetigkeit und Monotonie garantieren, dass Sicherheitsäquivalent und Zahlungsbereitschaft eindeutig bestimmt sind. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 7 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.3 Sicherheitsäquivalent und Risikoprämie Satz Eine Präferenzrelation ist genau dann risikoavers, wenn π(l, ) 0 risikoneutral, wenn π(l, ) = 0 risikofreudig, wenn π(l, ) 0 für alle L L. Gelten die obigen Ungleichungen für alle nicht-degenerierten Lotterien strikt, so ist die Präferenzrelation streng risikoaver bzw. streng risikofreudig. Wir fokussieren im Folgenden auf den Fall risikoaverser Präferenzrelationen. (Warum?) Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 8 / 21

2. Risikoaversion, Risikoneutralität und Risikofreude 2.3 Sicherheitsäquivalent und Risikoprämie Es ist naheliegend, den Unterschied zwischen π(l, ) und π(l, ) als Ausgangspunkt für einen Vergleich der Risikoaversion von verschiedenen Individuen zu nehmen. Definition (Ein Individuum mit) Präferenzrelation heisst risikoaverser als (ein Individuum mit) Präferenzrelation, wenn für alle L L gilt. π(l, ) π(l, ) Die streng risikoaverser als -Beziehung kann entsprechend mit einer strikten Ungleichung für nicht-degenierte Lotterien definiert werden. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 9 / 21

3.1 Fragestellung Angenommen, eine Präferenzrelation auf L besitzt eine Erwartungsnutzendarstellung, d.h. es existiert eine Bernoulli-Nutzenfunktion u : [x, x], so dass U(L) = n p i u(x i ) i=1 die Präferenzrelation darstellt. Wie zuvor sagen wir in diesem Fall, dass u die Präferenzrelation darstellt. Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Eigenschaften von und den Eigenschaften von u? Kann man das Ausmass der Risikoaversion an Hand von u messen bzw. zwischen verschiedenen Individuen vergleichen? Bevor wir diesen Fragen nachgehen können, braucht es Vorüberlegungen. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 10 / 21

3.2 Monotonie Satz Ohne weitere Rechtfertigung unterstellen wir im Folgenden, dass alle betrachteten Bernoulli-Nutzenfunktionen u beliebig oft differenzierbar sind und bezeichnen die entsprechenden Ableitungen mit u, u usw. Zudem unterstellen wir u (x) > 0 für alle x X. Dieses erfasst die Annahme, dass die dargestellte Präferenzrelation monoton ist. Eine Präferenzrelation, die eine Erwartungsnutzendarstellung besitzt, ist genau dann montoton, wenn die Bernoulli-Nutzenfunktion u streng steigend ist. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 11 / 21

3.3 Kardinalität der Bernoulli-Nutzenfunktion Frage: Unter welchen Voraussetzungen stellen unterschiedliche Bernoulli-Nutzenfunktionen die gleiche Präferenzrelation dar? Satz (Kardinalität der Bernoulli-Nutzenfunktion) Bernoulli-Nutzenfunktionen u : X R und v : X R stellen genau dann die gleiche Präferenzrelation auf L dar, wenn es Konstanten a und b > 0 gibt, so dass gilt: v(x) = a + bu(x) für alle x X. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 12 / 21

3.3 Kardinalität der Bernoulli-Nutzenfunktion Zusammen mit der Beobachtung, dass eine risikoneutrale Präferenzrelation offenkundig durch die Nutzenfunktion U(L) = E[L] = i p i x i dargestellt wird, impliziert das vorhergehende Ergebnis: Satz (Erwartungsnutzendarstellung risikoneutraler Präferenzrelationen) Eine Präferenzrelation ist genau dann risikoneutral, wenn sie durch eine sogenannte affine Bernoulli-Nutzenfunktion u(x) = a + bx mit b > 0 dargestellt werden kann. Das Spezielle an affinen Bernoulli-Nutzenfunktionen ist, dass ihre zweite Ableitung gleich Null ist: u (x) = 0 für alle x X. Dies suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen der zweiten Ableitung der Bernoulli-Nutzenfunktion und der Risikoaversion der betrachteten Präferenzrelation bestehen könnte. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 13 / 21

3.4 Risikoaversion und Konkavität der Bernoulli-Nutzenfunktion Satz Angenommen, die Präferenzrelation wird durch die Bernoulli-Nutzenfunktion u dargestellt. Dann gilt: (streng) risikoavers u ist (streng) konkav. (streng) risikofreudig u ist (streng) konvex. Beweis? Beachte: Insbesondere folgt: u (x) 0 für alle x X ist risikoavers. u (x) < 0 für alle x X ist streng risikoavers. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 14 / 21

3.5 Das Mass der Absoluten Risikoaversion Die Vorzeichen der ersten und zweiten Ableitung der Bernoulli-Nutzenfunktion besitzen eine ökonomische Interpretation. Wegen der Kardinalität der Erwartungsnutzendarstellung lässt sich die Grösse dieser Ableitungen jedoch nicht unmittelbar interpretieren. Das Verhältnis aus erster und zweiter Ableitung der Bernoulli-Nutzenfunktion hängt hingegen nicht davon ab, welche Erwartungsnutzendarstellung einer Präferenzrelation gewählt wird: v(x) = a+bu(x) mit b > 0 für alle x X u (x) u (x) = v (x) v (x) für alle x X. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 15 / 21

3.5 Das Mass der Absoluten Risikoaversion Definition (Mass der Absoluten Risikoaversion) Das Mass der absoluten Risikoaversion einer Bernoulli-Nutzenfunktion u (bzw. der durch sie dargestellten Präferenzrelation ) ist die Funktion ρ A : X R, welche durch definiert ist. ρ A (x,u) = u (x) u (x) Das Mass der absoluten Risikoaversion hat viele Anwendungen. Z.B. gilt für die Risikoprämie einer Lotterie die Approximation π(l, ) 1 2 ρ A(E[L],u) Var[L]. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 16 / 21

3.5 Das Mass der Absoluten Risikoaversion Satz Das Mass der absoluten Risikoaversion liefert zudem eine Charakterisierung der risikoaverser als -Beziehung. Wir betrachten zwei Präferenzrelationen und, welche durch die Bernoulli-Nutzenfunktionen u bzw. v dargestellt werden. Die Präferenzrelation ist genau dann risikoaverser als die Präferenzrelation wenn für die dazugehörigen Masse der absoluten Risikoaversion ρ A (x,u) ρ A (x,v) für alle x X gilt. Ist diese Ungleichung für alle x X strikt, so ist streng risikoaverser als. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 17 / 21

3.6 Risikoaversion und Vermögen Fragestellung: Wie verändert sich die Risikoaversion eines Individuums mit seinem Vermögen? Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, müssen wir sie zunächst klarer formulieren Wir gehen davon aus, dass dis bisher betrachtete Bernoulli-Nutzenfunktion u die Präferenzen des Individuums über Lotterien konditional auf ein gegebenes, sicheres Ausgangsvermögen w beschreiben. Ändert sich nun das Ausgangsvermögen um den Betrag z, so wird das Individuum Lotterien mit der Bernoulli-Nutzenfunktion v(x) = u(x + z) bewerten. Was bedeutet das? Macht es Sinn? Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 18 / 21

3.6 Risikoaversion und Vermögen Definition Eine Bernoulli-Nutzenfunktion u hat fallende absolute Riskoaversion (DARA), wenn ρ A (x) < 0 konstante absolute Risikoaversion (CARA), wenn ρ A (x) = 0 steigende absolute Risikoaversion (IARA), wenn ρ A (x) > 0 für alle x X gilt. Diese Definitionen halten, was sie versprechen: Steigt das Ausgangsvermögen eines Individuums mit fallender absoluter Risikoaversion, so verhält er sich weniger risikoavers. Steigt das Ausgangsvermögen eines Individuums mit steigender absoluter Risikoaversion, so verhält er sich risikoaverser. Für ein Individuum mit konstanter absoluter Risikoaversion hängen die Präferenzen über Lotterien nicht von dem Ausgangsvermögen ab. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 19 / 21

3.6 Risikoaversion und Vermögen In Anwendungen betrachtet man oft Bernoulli-Nutzenfunktionen mit konstanter absoluter Risikoaversion, da die Abwesenheit von Vermögenseffekten die Analyse wesentlich vereinfacht. Plausibler erscheint jedoch die Annahme der fallenden absoluten Risikoaversion. Unter den Bernoulli-Nutzenfunktionen, die DARA aufweisen, werden in Anwendungen zumeist solche betrachtet, die konstante relative Risikoaversion aufweisen, d.h. das Mass der relativen Risikoaversion ρ R (x) = ρ A (x) x ist konstant. Achtung: Solche Nutzenfunktionen setzen x > 0 voraus. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 20 / 21

4. Beispiele für Bernoulli-Nutzenfunktionen u(x) = x auf X R. Eigenschaften: Risikoneutral; Mass der absoluten Risikoaversion ist konstant gleich Null. u(x) = e rx mit r > 0 auf X R. Eigenschaften: Streng risikoavers; Mass der absoluten Risikoaversion ist konstant gleich r. u(x) = ln(x) auf X R ++. Eigenschaften: Streng risikoavers; Mass der relativen Risikoaversion konstant gleich 1. u(x) = x 1 β /(1 β) mit β > 0 und β 1 auf X R ++. Eigenschaften: Streng risikoavers; Mass der relativen Risikoaversion konstant gleich β. Entscheidung VL 3 (FS 11) Risikoaversion 21 / 21