AktG 262, 273 Abs. 4, 274 Fortsetzungsbeschluss bei Nachtragsliquidation einer im Handelsregister bereits gelöschten Aktiengesellschaft
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut Fax - Abfrage Gutachten des Deutschen Notarinstituts Dokumentnummer: 13218# letzte Aktualisierung: 17. Dezember 2007 AktG 262, 273 Abs. 4, 274 Fortsetzungsbeschluss bei Nachtragsliquidation einer im Handelsregister bereits gelöschten Aktiengesellschaft I. Sachverhalt Eine Aktiengesellschaft wurde aufgelöst. Die AG wurde sodann ohne Liquidation aus dem Handelsregister gelöscht, wohl wegen Verletzung von Berichtspflichten. Tatsächlich sind jedoch nicht unerhebliche Vermögenswerte der AG vorhanden. Dementsprechend wurde Nachtragsliquidation angeordnet. Während dieser hat der Nachtragsliquidator die sich noch in Fremdbesitz befindlichen Inhaberaktien erworben. Sämtliche Gläubiger der AG wurden befriedigt. Der Nachtragsliquidator möchte die AG wieder reaktivieren und wieder werbend am Markt tätig werden. II. Frage 1. Kann bei einer im Handelsregister bereits gelöschten Aktiengesellschaft im Stadium der Nachtragsliquidation noch ein Fortsetzungsbeschluss gefasst werden? 2. Kann der Nachtragsliquidator während des Liquidationsverfahrens Aktien erwerben, um auf diese Weise Alleinaktionär zu werden? III. Zur Rechtslage 1. Fortsetzungsbeschluss a) Vermögensverteilung darf noch nicht begonnen haben ( 274 AktG) 274 AktG sieht ausdrücklich die Fortsetzung einer aufgelösten Aktiengesellschaft vor. Voraussetzung hierfür ist zum einen ein Beschluss der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit gem. 274 Abs. 1 Satz 2 AktG. Weitere Voraussetzung ist gem. 274 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass mit der Verteilung des Vermögens unter den Aktionären im Rahmen der Liquidation noch nicht begonnen sein darf. Der Beginn der Vermögensverteilung ist danach entscheidendes Fortsetzungshindernis. Diese Regelung des 274 Abs. 1 Satz 1 AktG soll das Verbot der Einlagenrückgewähr des 57 AktG gegen eine Umgehungsmöglichkeit absichern und dient wie dieses dem Schutz der Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon (0931) Fax (0931) dnoti@dnoti.de internet: user/mr/pool/gutachten/13218.doc
2 Seite 2 Gläubiger und der künftigen Aktionäre. Die Aktionäre könnten andernfalls eine Scheinliquidation beschließen mit dem Ziel, in den Genuss des Privilegs des 271 AktG zu gelangen (Verteilung des Vermögens), um nach Auszahlung des Vermögens ohne den Erstattungsanspruch des 62 AktG auszulösen wieder die Fortsetzung zu beschließen (Spindler/Stilz/Bachmann, AktG, 2007, 274 Rn. 6; K. Schmidt/Lutter/Riesenhuber, AktG, 2007, 274 Rn. 4; MünchKomm-AktG/Hüffer, 2001, 274 Rn. 21; Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, 274 Rn. 4; KölnKomm-AktG/Kraft, 2. Aufl. 1996, 274 Rn. 12). Der Gesetzgeber hat sich damit bewusst gegen die Rechtsprechung entschieden, die zunächst trotz begonnener Verteilung des Vermögens die Fortsetzung zuließ, wenn es möglich war, das bereits verteilte Vermögen zurückzugeben (so RGZ 118, 337, 340). 274 Abs. 1 Satz 1 AktG schließt dann schon bei einer einzigen geringfügigen Leistung an einen Aktionär aufgrund seines Mitgliedschaftsrechts die Fortsetzung aus. Wird während der Abwicklung Gewinn oder ein Abschlag hierauf erteilt, so ist dies nur dann unschädlich, soweit ein Gewinnverwendungsbeschluss ( 58 AktG) bereits vor der Auflösung gefasst worden war. Die in der Zeit der Abwicklung festgestellten Erträge gehören demgegenüber zum zu verteilenden Vermögen i. S. d. 271 AktG; ihre Verteilung macht daher die Fortsetzung unmöglich (KölnKomm-AktG/Kraft, 274 Rn. 13; MünchKomm-AktG/Hüffer, 274 Rn. 21 f.; Spindler/Stilz/Bachmann, 274 Rn. 6). b) Löschung ohne Verteilung von Gesellschaftsvermögen Streitig ist die Rechtslage dagegen, ob ein solcher Fortsetzungsbeschluss auch dann noch gefasst werden darf, wenn die Gesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht wurde, ohne dass Gesellschaftsvermögen verteilt wurde (etwa in der Annahme, die Gesellschaft sei vermögenslos), nunmehr aber eine Nachtragsliquidation angeordnet wurde, weil sich nachträglich noch das Vorhandensein von Vermögen herausgestellt hat. aa) Ein solcher Fortsetzungsbeschluss würde zunächst nicht gegen 274 AktG verstoßen, wenn was zu unterstellen ist noch nicht mit der Vermögensverteilung begonnen wurde. Auch lässt sich ein solcher Fortsetzungsbeschluss mit der Lehre vom Doppeltatbestand der Vollbeendigung einer Aktiengesellschaft begründen. Bekanntlich vertritt die herrschende Ansicht, dass eine Aktiengesellschaft (wie auch eine GmbH) nicht schon dann beendet wird, wenn diese im Handelsregister gelöscht wurde. Vielmehr tritt eine Vollbeendigung erst dann ein, wenn neben dieser Löschung im Handelsregister feststeht, dass die Gesellschaft kein Vermögen mehr hat (K. Schmidt/Lutter/Riesenhuber, 262 Rn. 15; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl. 2004, 60 Rn. 56; OLG Düsseldorf NZG 2004, 916, 918; OLG Stuttgart AG 1999, 280, 281; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh/Fastrich, GmbHG, 18. Aufl. 2006, 60 Rn. 6 f.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 16. Aufl. 2004, 60 Rn. 17 und 74 Rn. 6; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner, GmbHG, 4. Aufl. 2005, 60 Rn. 16). Nach anderer Ansicht ist demgegenüber die Eintragung der Löschung der AG im Handelsregister konstitutiv (MünchKomm-AktG/Hüffer, 262 Rn. 85 und Rn. 89 ff. und 273 Rn. 16; KölnKommm-AktG/Kraft, Vor 262 Rn. 10; Spindler/Stilz/Bachmann, 262 Rn. 90, jew. m. w. N.). Nach dieser Ansicht gehen Vermögensgegenstände der gelöschten AG, deren Vorhandensein sich erst im Nachhinein herausstellt, auf eine teilrechtsfähige Gesamthand der ehemaligen Aktionäre (Nachgesellschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über.
3 Seite 3 bb) Schließt man sich der Ansicht an, nach der die Eintragung der Löschung der AG im Handelsregister konstitutiv ist, verbietet sich von vornherein ein Fortsetzungsbeschluss nach dieser Handelsregistereintragung. Die AG ist erloschen. Möglich ist nur eine Neugründung ggf. im Wege der Sachgründung (Hüffer, 274 Rn. 6; MünchKomm-AktG/Hüffer, 274 Rn. 15; Spindler/Stilz/Bachmann, 274 Rn. 14). cc) Folgt man dagegen der Lehre vom Doppeltatbestand der Vollbeendigung einer Gesellschaft, so ist nach einer Auffassung entscheidend, dass trotz Löschung dieser Gesellschaft im Handelsregister die Gesellschaft nur noch zum Zwecke der Abwicklung und auch nur noch als Hülle ohne Organisation fortbesteht. Dieses Fortbestehen dient allein der erforderlichen Restabwicklung. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass die im Handelsregister eingetragene Löschung der Gesellschaft eine einschneidende Zäsur darstellt. Diese ist mit dem Beginn der Vermögensverteilung i. S. d. 274 Abs. 1 Satz 1 AktG vergleichbar und stelle daher ebenso ein Fortsetzungshindernis dar (K. Schmidt/Lutter/Riesenhuber, 274 Rn. 5; Scholz/K. Schmidt, 60 Rn. 83; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, 60 Rn. 32). dd) Andere wiederum gehen strikt von der Lehre vom Doppeltatbestand der Vollbeendigung einer Gesellschaft aus. Nach dieser Ansicht kommt es allein darauf an, ob Vollbeendigung bereits eingetreten ist oder nicht. Trotz Löschung einer Gesellschaft im Handelsregister kann auch im Stadium der Nachtragsliquidation noch ein Fortsetzungsbeschluss gefasst werde. Entscheidend ist allein, dass die Gesellschaft noch eigenes Vermögen hat und demgemäß weiterhin existent ist. Gläubigerschutzgesichtspunkte sprechen nicht gegen die Möglichkeit einer Fortsetzung (so ausdrücklich Galla, GmbHR 2006, 635; Baumbach/Hueck/Schulze- Osterloh/Fastrich, 60 Rn. 70; Michalski/Nerlich, GmbHG, 2003, 60 Rn. 344; ebenso noch die Vorauflagen von Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 13. Aufl., 60 Rn. 28 f. und Rn. 34 sowie Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., 60 Rn. 45 und Rn. 47 sowie Anh. 60 Rn. 75 und 74 Rn. 23, die beide allerdings diese in der Vorauflage vertretene Ansicht ausdrücklich aufgegeben haben). Soweit ersichtlich, hat sich die Rechtsprechung mit dieser Frage noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. c) Eigene Stellungnahme U. E. sprechen jedoch die besseren Gründe für die Auffassung, nach Eintragung der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister einen Fortsetzungsbeschluss nicht mehr zuzulassen: Eine nach Schlussverteilung oder wegen vermeintlicher Vermögenslosigkeit gelöschte Gesellschaft kann nicht besser behandelt werden als eine aufgelöste Gesellschaft nach Beginn der Vermögensverteilung, für die wegen 274 Abs. 1 Satz 1 AktG ein Fortsetzungsbeschluss ausgeschlossen ist. Die Fortexistenz der Gesellschaft nach der Lehre vom Doppeltatbestand dient nur noch der Schlussabwicklung. Eine Rückverwandlung in das Stadium einer werbenden Gesellschaft durch Fortsetzungsbeschluss ist nicht mehr möglich (so ausdrücklich Scholz/K. Schmidt, 60 Rn. 83). 2. Verwendung eines alten Mantels und wirtschaftliche Neugründung a) Vorratsgesellschaft
4 Seite 4 Zur Verwendung einer Vorratsgesellschaft hat der BGH entschieden, dass darin eine wirtschaftliche Neugründung zu erkennen sei, die gegenüber dem Handelsregister offenzulegen ist. Es sind die Gründungsvorschriften anzuwenden (BGHZ 153, 158 = DNotZ 2003, 443; Reul, in: Wachter (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts für Handelsund Gesellschaftsrecht, 2007, Teil 2 2 Rn. 76; Hüffer, 23 Rn. 25; MünchKomm- AktG/Pentz, 23 Rn. 91; Heidel/Braunfels, AktG, 2. Aufl Rn. 26 ff.; Gerber, Rpfleger 2004, 469; Heidinger, ZGR 2005, 101 ff.; Wicke, NZG 2005, 409 ff., Gutachten DNotI-Report 2008, 91). Eine wirtschaftliche Neugründung liegt in der Regel vor, wenn bei der auf Vorrat gegründeten Gesellschaft neue Vorstandsmitglieder bestellt und die Eintragung der Änderung des Sitzes, der Firma und des Unternehmensgegenstandes zum Handelsregister angemeldet werden. b) Alter Mantel Nach Ansicht des BGH gelten diese Grundsätze gleichermaßen bei der Verwendung eines alten Mantels einer früher aktiven, jetzt aber unternehmenslosen Gesellschaft (BGHZ 155, 318 = DNotZ 2003, 951). Für eine wirtschaftliche Neugründung kommt es hier aber nicht auf eine Änderung des Unternehmensgegenstandes, eine Neufassung der Firma oder eine Sitzverlegung an; auch bedarf es hierzu nicht der Bestellung eines neuen Vorstandes und/oder der Veräußerung von Aktien. Auch auf die Vermögenslosigkeit kommt es nicht an. Maßgebliches Kriterium ist nach Ansicht des BGH allein, ob (noch) ein aktives Unternehmen betrieben wird (BGHZ 155, 318, 324 = DNotZ 2003, 951). c) Unterbilanzhaftung und Handelndenhaftung Unterbleibt eine solche Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister, haften die Gründer nach den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung. Die Gesellschafter haften also für die Differenz zwischen dem Wert des Gesellschaftsvermögens und dem in der Satzung festgesetzten Grundkapital zum Zeitpunkt der (späteren) Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Handelsregister (BGHZ 155, 318 = DNotZ 2003, 951; OLG Jena BB 2004, 2206, 2207; Heidinger, ZGR 2005, 101, 111 f.; Reul, in: Wachter (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts für Handels- und Gesellschaftsrecht, Teil 2 2 Rn. 76; Wicke NZG 2005, 409, 414). In Betracht kommt auch eine Handelndenhaftung nach 41 AktG. c) Vorliegender Sachverhalt Im hier vorliegenden Fall liegen möglicherweise die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Neugründung durch Verwendung eines alten Mantels vor. Entscheidend ist letztlich, ob von der Gesellschaft noch ein aktives Unternehmen betrieben wird oder nicht. 3. Aktienerwerb während der Nachtragsliquidation a) Meinung: Fortbestand der Gesellschaft Unabhängig davon, welcher der vorstehenden Ausführungen man folgt, ist im Stadium der Nachtragsliquidation ohne Weiteres noch ein Erwerb von Aktien möglich. Geht man
5 Seite 5 vom Fortbestand der Aktiengesellschaft nach der Lehre vom Doppeltatbestand für die Beendigung der Gesellschaft aus, besteht die Gesellschaft im Falle der Nachtragsliquidation noch als Liquidationsgesellschaft fort. Demgemäß können auch die Anteile an dieser Liquidationsgesellschaft nach unserer Auffassung übertragen werden. b) Gegenmeinung: Löschung konstitutiv Nichts anderes gilt, wenn man davon ausgeht, dass die Eintragung der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister konstitutiv ist. In diesem Fall fällt das sich im Nachhinein noch herausstellende Vermögen der gelöschten AG an eine teilrechtsfähige Abwicklungsgesellschaft (MünchKomm-AktG/Hüffer, 262 Rn. 91). U. E. dürften die Anteile an dieser Abwicklungsgesellschaft ebenso übertragen werden können wie die Anteile an einer noch werbenden AG. Anders ist die Rechtslage hier zu beurteilen, wenn man in dieser teilrechtsfähigen Abwicklungsgesellschaft eine Gesamthand der ehemaligen Aktionäre sieht (so wohl MünchKomm-AktG/Hüffer, 262 Rn. 91). Auch bei einer solchen Gesamthand können u.e. die Anteile übertragen werden. Allerdings dürfte dann stets die Zustimmung aller Gesamthänder zur Übertragung notwendig sein. In Rechtsprechung und Literatur haben wir zu dieser Frage allerdings keinerlei Ausführungen nachweisen können. Erwirbt daraufhin ein Gesamthänder alle Anteile der übrigen Gesamthänder, geht das Gesamthandsvermögen liquidationslos auf den erwerbenden Gesamthänder über (analog 738 BGB).
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