Ferienkurs Analysis 3 für Physiker. Funktionentheorie
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1 Ferienkurs Analysis 3 für Physiker Funktionentheorie Autor: Benjamin Rüth, Maximilian Jokel Stand: 9. März 26
2 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Grundlagen der Funktionentheorie 3. Holomorphe Funktionen Beispiel: Eine einfache holomorphe Funktion Komplexe Integration Beispiel: Wegunabhängigkeit Homotopie von Kurven Beispiel: Integral über verschiedene Kurven Cauchy sche Integralformel Beispiel: Komplexes Kurvenintegral weitere Sätze aus der Funktionenthorie Der Weg zum Residuensatz 2. Singularitäten Laurentreihen Beispiel: Potenzreihe Beispiel: gebrochen rationale Funktion Beispiel: Ableitungstrick Beispiel: Entwicklung um z Beispiel: Partialbruchzerlegung Residuensatz Beispiel: Komplexe Integration mit Residuensatz Residuenkalkül 6 3. Trigonometrische Integrale Beispiel: Reelle Integration mit Residuensatz Uneigentliche Integrale Pol auf der Kontur Beispiel: si Funktion
3 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE Grundlagen der Funktionentheorie Die Funktionentheorie - oft auch komplexe Analysis genannt - beschäftigt sich mit Funktionen f : C C; z f(z) die in der komplexen Zahlenebene "leben". Es gibt viele Analogien von komplexen Funktionen zu reellen Funktionen g : R 2 R 2, wenn man die erste Koordinate mit dem Realteil und die zweite mit dem Imaginärteil von z identifiziert. Diese Analogien können das Verständnis der komplexen Analysis vereinfachen und Zusammenhänge veranschaulichen, jedoch gibt es auch entscheidende Unterschiede, die man auf jeden Fall beachten muss, wenn man komplexe Funktionen betrachtet.. Holomorphe Funktionen Eine komplexe Funktion f : C C; z f(z) nennt man holomorph in einem Gebiet U C, wenn sie in jedem Punkt z U komplex differenzierbar ist, d.h. der Grenzwert für jedes z U existiert. f (z) lim ɛ f(z) (f(z ɛ)) ɛ Komplexe Funktionen f(z) f(x + iy) u(x, y) + iv(x, y) können durch f : R 2 R 2 ; (x, y) (u(x, y), v(x, y)) identifiziert. Ist f reell differenzierbar, so gilt f (z) ( x u(x, y) y u(x, y) x v(x, y) y v(x, y) ) Ist f holomorph, so gelten die bereits eingeführten Cauchy-Riemann schen Differentialgleichungen. Für f bedeutet das, dass durch einsetzen der Cauchy-Riemann schen DG v x u u y a und x v y b f (z) ( b(x, y) a(x, y) a(x, y) b(x, y) ) folgt. Diese Abbildung hat die Form einer Drehstreckung. Holomorphe Funktionen sind also orientierungserhaltende Abbildungen. Für die komplexe Differentiation gelten außerdem dieselben Regeln wie für die reelle Differentiation. 3
4 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE.. Beispiel: Eine einfache holomorphe Funktion Wir betrachten die Funktion f(z) 2iz. Diese Funktion soll zuerst auf Holomorphie überprüft werden und dann soll ihr Abbildungsverhalten untersucht werden. Holomorphie: Um die Funktion mithilfe der Cauchy-Riemann schen DG zu untersuchen müssen wir sie zuerst ein wenig umformulieren: f(z) f(x+iy) 2i(x+iy) 2xi 2y u(x, y)+iv(x, y) mit u(x, y) 2y und v(x, y) 2x Nun können wir die Kriterien der Cauchy-Riemann schen DG untersuchen: v x 2! u u ( 2) und y x! v y Die Cauchy-Riemann schen DG sind also erfüllt und somit ist f(z) eine holomorphe Funktion. f(z) entspricht also einer Drehstreckung. Diesen Zusammenhang wollen wir kurz veranschaulichen. Abbildungsverhalten: ( ) ( ) f x u(x, y) (z) y u(x, y) 2 x v(x, y) y v(x, y) 2 ( ) ( ) cos(9 2 ) sin(9 ) sin(9 ) cos(9 ) ( Id R 9 ) ( ) Man sieht, dass die Abbildung Vektoren also um den Faktor 2 streckt und um 9 gegen den Uhrzeigersinn dreht. Durch Einsetzen der Einheitsvektoren in die Abbildung lässt sich das auch schnell überprüfen: f( + i) 2i( + i) 2i und f( + i) 2i( + i) 2 4
5 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE.2 Komplexe Integration Neben der komplexen Differentiation gibt es natürlich auch noch die komplexe Integration. Diese ist für Anwendungen besonders interessant, da es mit Werkzeugen der Funktionentheorie oft möglich ist reelle Integrale zu berechnen, die man sonst nicht analytisch bestimmen könnte. Die komplexe Integration ist wie folgt definiert: Sei : [a, b] C eine stückweise stetig differenzierbare Kurve und f : U C eine stetige Funktion, sodass ([a, b]) U C gilt. Dann nennt man b f(z)dz f((t)) (t)dt das komplexe Kurvenintegral über f(z) entlang der Kurve. a einige Parametrisierungen von Kurven Die Kurven entlang derer man integriert sind durch Parametrisierungen gegeben. Oft muss man jedoch selber geeignete Integrationswege suchen und zu diesem Zweck sind hier die wichtigsten Parametrisierungen kurz zusammengefasst: Kreis mit Radius r um Mittelpunkt z (t) re it + z ; t [; 2π] ; r R; z C Der Kreis wird gegen den Uhrzeigersinn durchlaufen. Kreisbögen werden über entsprechende Einschränkungen des Parameterbereichs realisiert. Hier taucht das erste mal die komplexe Exponentialfunktion auf. e a+bi e a e bi e a (cos(b) + i sin(b)) ; a, b R Strecke von z nach z 2 (t) ( t)z + tz 2 ; t [; ] ; z, z 2 C 5
6 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE Standardabschätzung Oft ist es hilfreich Integrale schon vor der Berechnung abschätzen zu können. Zu diesem Zweck verwendet man die sog Standardabschätzung: f(z)dz max f(z) L() z ([a;b]) L() bezeichnet die Länge der Kurve. Diese beträgt L() b a (t) dt Wegunabhängigkeit Bei holomorphen Funktionen ist die Integration unabhängig vom Integrationsweg. Daraus folgt direkt, dass Integrale über geschlossene Integrationswege den Wert besitzen. Die Wegunabhängigkeit kann die Berechnung komplexer Integrale erheblich vereinfachen, wenn man einen geeigneten Weg wählt. Man sollte jedoch immer daran denken, dass diese Eigenschaft wirklich nur für holomorphe Funktionen gilt..2. Beispiel: Wegunabhängigkeit Im vorherigen Beispiel haben wir bereits gezeigt, dass f(z) 2iz auf ganz C holomorph ist. Wir möchten diese Funktion nun entlang des Einheitskreisbogens (t) e it ; t [; φ] integrieren. Zuerst berechnen wir das Integral explizit: f(z)dz φ φ 2 f((t)) (t)dt φ 2ie it ie it dt φ 2e 2it dt cos(2t) + i sin(2t)dt 2 [, 5 sin(2t), 5i cos(2t)] φ [(sin(2φ) i cos(2φ)) (sin() i cos())] (cos(2φ) )i sin(2φ) Am Wert dieses Integrals sieht man sehr schön, dass geschlossene Wege φ 2nπ mit n Z den Wert erzeugen, da f(z) eine holomorphe Funktion ist. Da die Integration jedoch relativ kompliziert ist, versuchen wir nun unter Ausnutzung der Wegunabhängigkeit die Berechnung durch Wahl eines anderen Integrationsweges zu vereinfachen: 6
7 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE Wählen wir den Weg + 2 mit (t) ( t) + t cos(φ) ; t [; ] und 2 (t) cos(φ) + it sin(φ) ; t [; ], so gilt sind Anfangs- und Endpunkt von und identisch. Es gilt also wegen der Wegunabhängigkeit: f(z)dz 2i f(z)dz f(z)dz + f(z)dz 2 2i( t + t cos(φ))( + cos(φ))dt + f( (t)) (t)dt + f( 2 (t)) 2 (t)dt 2i(cos(φ) + it sin(φ))i sin(φ)dt cos(φ) + t( 2 cos(φ) + cos(φ) 2 )dt 2 sin(φ) cos(φ) + it sin(φ)dt 2i(cos(φ) ) + i( 2 cos(φ) + cos(φ) 2 ) 2 sin(φ) cos(φ) i sin(φ) 2 (cos(φ) 2 sin(φ) 2 )i 2 sin(φ) cos(φ) (cos(2φ) )i sin(2φ) Erwartungsgemäß erhalten wir das selbe Ergebnis. Der zweite Weg ist vom reinen Rechnen her etwas aufwändiger, dafür kann man aber auf die Definition der komplexen Exponentialfunktion verzichten. 2 cos(φ) sin(φ) Im i φ Re.3 Homotopie von Kurven Bisher haben wir Funktionen betrachtet, die auf ganz C holomorph sind. Betrachtet man nun jedoch Funktionen, die nur auf U C holomorph sind, dann muss man einige Besonderheiten beachten. Hierzu führen wir den Begriff den Homotopie ein: Homotopie Eine geschlossene Kurve heißt null homotop, wenn sie sich stetig in U auf einen Punkt zusammenziehen lässt. Das heißt es dürfen keine "Löcher" innerhalb dieser Kurve existieren. Zwei Kurven mit identischen Randpunkten heißen zueinander homotop, wenn ihre Verknüpfung null homotop ist. 7
8 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE Betrachtet man nun Kurven, die nicht null homotop sind, so ist das Integral über eine geschlossene Kurve nicht null. Betrachtet man Kurven, die nicht zueinander homotop sind, so gilt keine Wegunabhängigkeit. Für Integrale über zueinander null homotope Kurven gilt nach wie vor die Wegunabhängigkeit..3. Beispiel: Integral über verschiedene Kurven Wir betrachten die Funktion f(z) z. Die Cauchy Riemann schen DG zeigen, dass diese Funktion in z nicht holomorph ist. f(z) f(x + iy) x + iy x iy x 2 y 2 x x 2 y 2 + i y x 2 y 2. Die Cauchy Riemann schen DG lauten also v x 2xy (x 2 + y 2 ) 2! u ( ) 2xy y (x 2 + y 2 ) 2 In z ist die Ableitung nicht definiert. Wir betrachten nun die Integrationswege e it t [; ] 2 π 2 e it t [; 3 ] 2 π und u x y2 x 2 (x 2 + y 2 ) 2! v y y2 x 2 (x 2 + y 2 ) 2. Viertelkreis gegen UZS Dreiviertelkreis im UZS 3 t + it t [; ] Gerade I f(z)dz I 2 f(z)dz 2 π 2 3π 2 e it ieit dt i π 2 dt iπ 2 e it ie it dt i I 3 f(z)dz ( + i)dt t + it 3 ( + i)( t it) ( t + it)( t it) dt 3π 2 dt 3iπ 2 2t + i 2t 2 2t + dt i 2t 2 2t + dt iπ 2 8
9 GRUNDLAGEN DER FUNKTIONENTHEORIE Die Kurven und 3 sind homotop zueinander, weswegen wir identische Werte für I und I 2 erhalten. 2 ist zu keiner der anderen beiden Kurven nullhomotop und deshalb erhalten wir ein anderes Ergebnis für I 3. Die geschlossene Kurve Γ 3 ist nullhomotop und wir erhalten für das Integral über Γ den Wert I I 3. Die geschlossene Kurve (Einheitskreis) Γ 2 2 ist nicht nullhomotop und wir erhalten für das Integral über Γ 2 den Wert I I 2 2πi. 2 Im i 3 i Re.4 Cauchy sche Integralformel Mit den nun bereitstehenden Rechentechniken ist es möglich verschiedene Sätze der Funktionentheorie herzuleiten und zu beweisen. Wir zeigen hier lediglich einen der wichtigsten dieser Sätze, die Cauchy sche Integralformel: Sei U C offen, f : U C holomorph, B r (z ) {z z z r} U (Kreisscheibe mit Radius r um z ) und r : [; ] U, r (t) z + re 2πit. Dann gilt f(z ) 2πi r f(z) z z dz..4. Beispiel: Komplexes Kurvenintegral Das komplexe Kurvenintegral der Funktion g(z) ez z 2 entlang eines Kreises um den Ursprung mit Radius r 3 lässt sich mithile der Cauchy schen Integralformel bestimmen: z 3 e z z 2 dz f(z)ez z 2 z 3 f(z) z z dz Cauchy 2πif(z ) 2πie 2.5 weitere Sätze aus der Funktionenthorie In der Funktionentheorie gibt es noch viele weitere Sätze, die verschiedene Aussagen über komplexe Funktionen erlauben. Diese können jedoch aufgrund der begrenzten Zeit nicht alle behandelt werden und sollten aus den Vorlesungsunterlagen nachvollzogen werden. In den Büchern 9
10 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Christian Karpfinger. Höhere Mathematik in Rezepten : Begriffe, Sätze und zahlreiche Beispiele in kurzen Lerneinheiten. Springer Spektrum, Berlin [u.a.], 24 Christian Karpfinger. Arbeitsbuch Höhere Mathematik in Rezepten. Springer Spektrum, Berlin [u.a.], 24. Elektronische Ressource findet man viele weitere Beispiele und Aufgaben zu den wichtigsten Themen und auch einige Beispiele aus dem vorliegenden Skript wurden von dort übernommen. Abschließend sollte man dennoch die Eigenschaften zusammenfassen, die eine holomorphe Funktion auszeichnen: Ist f : U C holomorph, so ist dies äquivalent zu f ist lokal als Potenzreihe darstellbar f(z)dz für null homotope f(z)dz 2 f(z)dz für zueinander homotope i f ist reell differenzierbar und die Cauchy Riemann schen DG sind erfüllt f besitzt Stammfunktion auf einfach zusammenhängenden Gebieten 2 Der Weg zum Residuensatz 2. Singularitäten Wir haben bereits bei der Funktion z Teile von C im Definitionsbereich aussparen müssen, da die Funktion dort nicht holomorph ist. Solche Aussparungen im Definitionsbereich von Funktionen nennt man Singularitäten. Die genaue Definition lautet wie folgt: Sei f : U R holomorph, dann heißt z isolierte Singularität, wenn ɛ > : ( z z (, ɛ) z U). Man unterscheidet zwischen drei Typen von Singularitäten: hebbare Singulatität f besitzt eine analytische Fortsetzung auf U z. Die Funktion sin(z) z besitzt in z eine Singularität. Diese ist hebbar: ( ) k z2k+ sin(z) (2k+)! k ( ) k z 2k z z (2k + )! sinc(z) k
11 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Pol f(z)(z z ) n hat eine hebbare Singulartität in z, dann ist z Pol n ter Ordnung von f(z). Die bereits bekannte Funktion z hat einen Pol erster Ordung bei z : f(z)(z z ) z (z ) wesentliche Singularität Falls die Singularität weder hebbar, noch ein Pol ist, nennt man sie wesentlich. Die Funktion e /z hat bei z eine wesentliche Singularität. Riemannscher Hebbarkeitssatz Sei f : U C holomorph mit isolierter Singularität bei z. Diese ist hebbar, wenn f in der Umgebung von z beschränkt ist. 2.2 Laurentreihen Laurentreihen sind eine Verallgemeinerung von Potenzreihen. Mit Laurentreihen beschreibt man Funktionen in der Nähe isolierter Singularitäten. Für Koeffizienten c C Z und z, z C nennt man c n (z z ) n n Z Laurentreihe um den Entwicklungspunkt z. Laurentreihen haben eine Haupt und einen Nebenteil H und N. c n (z z ) n c n (z z ) n + c n (z z ) n H + N n Z n n Laurentreihen konvergieren in dem Bereich, in dem sowohl Haupt- als auch Nebenteil konvergieren. Laurentreihenentwicklung Analog zur Taylorentwicklung gibt es auch eine Laurentreihenentwicklung der Funktion f(z). Im Konvergenzbereich gilt: f(z) n Z c n (z z ) n. Die Koeffizienten haben den Wert c n f(z) 2πi (z z ) n+ dz mit (t) z + ρe 2πit, t [; ].
12 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Die Funktion konvergiert dabei in einem Kreisring K r,r (z ) und ist ein Kreisbogen innerhalb dieses Kreisrings, also ρ (r, R). Um eine Laurentreihe insbesondere den Koeffizienten c, der wie wir später sehen eine besondere Rolle spielt zu bestimmen, sollte die Entwicklung der Reihe mit der obigen Formel jedoch der letzte Weg sein. Oft bieten sich durch verschiedene Umformungen schnellere Wege an Beispiel: Potenzreihe Wir wollen die Laurentreihe von e z um z bestimmen. Dazu nutzen wir die bekannte Potenzreihendarstellung der Exponentialfunktion. e z ( ) n z n! k k n! z n k n! z n + H + N Beispiel: gebrochen rationale Funktion Wir wollen die Laurentreihe von z um z bestimmen. Hierbei benutzen wir die geometrisch Reihe. z z k + z k H + N für z < k k Will man die Laurentreihe für z >, so muss man den Term zuerst ein wenig umformen: z z z z z z k z k k z k + H + N für z < z > k z k Beispiel: Ableitungstrick Die Laurentreihe von ( z) 2 kann man folgendermaßen bestimmen: ( z) 2 d dz z d dz z k k (k + ) z k k 2
13 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Diese Laurentreihe ist nur für z < gültig! Für z > geht man analog zum vorherigen Beispiel vor: ( z) 2 d dz z d dz z z d dz ( k ) z k 2 k k kz k z k k Beispiel: Entwicklung um z Wollen wir nun die Laurentreihe von z um einen anderen Entwicklungspunkt z bestimmen, so gehen wir wie folgt vor: z z z + z z z + z ( z ) (z z ) z z z z ( ) z k z ( ) k+ (z z ) k z z k z k ( ) k+ + (z z ) k H + N z k Hierbei sollte man unbedingt den Konvergenzbereich der geometrischen Reihe ( z z z < ) beachten. Für den hierzu komplementären Konvergenzbereich wendet man wieder den Trick aus an Beispiel: Partialbruchzerlegung Zuletzt ist die Partialbruchzerlegung ein weiteres wichtiges Werkzeug um die Laurentreihe von Funktionen der Form (z a)(z b) zu bestimmen. Die beiden dabei entstehenden Summanden kann man mit der geometrischen Reihe nun wieder in die entsprechenden 3
14 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Laurentreihen überführen. (z a)(z b) (a b)(z a) + (b a)(z b) z(a b) a 2 + ab + z(b a) b 2 + ab (a 2 ab) z(a b) + (b 2 ab) z(b a) (a 2 ab) z a b + (b 2 ab) z b a + a 2 ab ( ) a b k z k a 2 + ab k [ z k ( ) (a 2 ab) k (b 2 ab) b 2 ab k ] (a b) k (b a)k (a 2 + ab) k+ (b 2 ab) k+ ( b a z k b 2 ab H + N Auch hier muss man die Konvergenzbereiche der geometrischen Reihen beachten. Diese Laurentreihe konvergiert also nur für z a b a 2 ab < z b a b 2 ab < Durch Einsetzen konkreter Werte für a, 5 und b, 5 wird klar, dass dies genau die Kreisscheibe zwischen den beiden Polen ist: z, 5 < z, 5 < 2z < 2z < z <, 5 Andere Werte a, 5 und b, 6 liefern die Kreisscheibe innerhalb des innersten Pols ( a): z., 25.3 <. z, 36.3 < 2z < 5 3 z < z <, 5 ) k 2.3 Residuensatz Der Residuensatz erlaubt die Berechnung komplexer Integrale nur durch Auswertung sogenannter Residuen. Diese sind wie folgt definiert: Res z (f) f(z)dz mit (t) z + ρe 2πit ; t [; ] ; ρ (; R) 2πi Man nennt Res z (f) das Residuum von f bei z. Das Residuum lässt sich direkt aus der Laurentreihe von f mit Entwicklungspunkt z bestimmen: Res z (f) c wenn f(z) c k (z z ) k k Z 4
15 2 DER WEG ZUM RESIDUENSATZ Nun können wir den Residuensatz definieren: n f(z)dz 2πi Ind zj () Res zj (f) j Dabei betrachten wir die Singularitäten, z j, die innerhalb der Kurve liegen. Der Index Ind zj () bezeichnet hierbei die Umlaufzahl. Bestimmung der Umlaufzahl Um die Umlaufzahl zu bestimmen, betrachtet man eine Singularität und folgt von deren Standpunkt aus dem Verlauf des Weges. Die Anzahl der Umläufe des Weges um die Singularität ergibt schließlich die Umlaufzahl. Dabei führt ein Umlauf gegen den UZS zu einer positiven Umlaufzahl und ein Umlauf im UZS zu einer negativen Umlaufzahl. Berechnung von Residuen Für bestimmte Fälle gibt es Formeln, um die Residuen einer Funktion zu bestimmen: f hat bei z einen Pol der Ordnung n k, dann gilt Res z (f) (k )! lim d k ( ) z z dz k (z z ) k f(z) f(z) g(z) h(z), g, h sind holomorph bei z und h(z ), h (z ),d.h. f hat einen Pol bei z. Es gilt für f Res z (f) g(z ) h (z ) 2.3. Beispiel: Komplexe Integration mit Residuensatz Wir wollen das folgende Integral berechnen: dz cosh z. Mit Im iπ cosh(z) ez + e z 2 ea+bi + e a bi 2 a! i π 2 (cos(b) + i sin(b) + cos(b) i sin(b)) 2 cos(b) Re erhalten wir auf der imaginären Achse die Nullstellen z k (2k )πi 2 mit k Z. i π 2 5 iπ
16 3 RESIDUENKALKÜL Diese Nullstellen von cosh sind also Pole von /cosh(z). Nur die Pole z und z liegen innerhalb von. Jetzt bestimmen wir Umlaufzahlen und Residuen der Pole: Für die Umlaufzahl erhalten wir Ind z () + und Ind z (). Die Residuen bestimmen wir folgendermaßen: ( ) g Res z (f) Res z g(z ) h h (z ) ( ) i sinh πi 2 ( ) g Res z (f) Res z g(z ) h h (z ) ( ) i sinh πi 2 Der Residuensatz liefert den Wert des Integrals dz cosh z 2πi (Ind z () Res z (f) + Ind z2 () Res z2 (f)) 2πi ( i i) 4π. 3 Residuenkalkül Mit dem Residuenkalkül bezeichnen wir die Bestimmung reeller Integrale mithilfe des Residuensatzes. Wir wollen im folgenden zwei bestimmte Klassen von Herangehensweisen behandeln: 3. Trigonometrische Integrale Integrale der Form 2π R(cos(t), sin(t) dt lassen sich mithilfe folgender Substitutionen "komplexifizieren": ( z + ) cos(t) 2 z ( z ) sin(t) 2i z dz dt. iz 6
17 3 RESIDUENKALKÜL ( ( ) ( )) Wir erhalten dadurch eine komplexe Funktion f(z) R 2 z + z, 2i z z iz. Unser Integrationsbereich [, 2π] wird dadurch zum Integrationsweg entlang des Einheitskreises z und wir erhalten das Integral 2π R (cos(t), sin(t)) ṭ 2πi n Res zk (f) k mit den Residuen für z k innerhalb des Einheitskreises. 3.. Beispiel: Reelle Integration mit Residuensatz Das reelle Integral 2π dt sin(t) lässt sich durch ein paar Umformungen in ein komplexes Integral umwandeln. Wir verwenden die Formel zur komplexen Exponentialfunktion und erhalten daraus folgende Darstellung der Sinusfunktion: sin(t) 2i Auf dem Einheitskreis gilt z e it, daraus folgen (e it e it) sin(t) 2i (z /z) und cos(t) 2 (z + /z). Damit lässt sich das obige reelle Integral zu einem komplexen Integral entlang des Einheitskreisbogens umformen. Wir substituieren sin(t) /2i (z /z) und dt /iz dz. sin(t) /2i (z /z) ableiten cos t dt /2i ( /z 2 ) :cos(t) dt /iz dz. Das komplexe Integral lautet also 2π dt sin(t) dz /2i (z /z) iz Die rationale Funktion hat die Pole f(z) /2i (z /z) iz 2 3z 2 + iz 3 z 3 i und z 2 3i. 7
18 3 RESIDUENKALKÜL Nur der Pol z liegt innerhalb des Einheitskreises. Wir benötigen also nur noch das entsprechende Residuum Res z (f) Res z ( g h ) g(z ) h (z ) 2 i 2i 4i i 4 Mit dem Resudiensatz erhalten wir schließlich den Wert des Integrals 2π dt sin(t) f (z) 2πiRes z (f) π Uneigentliche Integrale Auch für die Berechnung von uneigentlichen Integralen, kann der Residuensatz hilfreich sein. Wir skizzieren hier nur die grobe Vorgehensweise, für konkrete Beispiele verweisen wir auf die Übung: Wir suchen ein Integral der Form b a f(x) dx. Dabei dürfen sowohl a, als auch b beliebige reelle Zahlen, sowie ± als Wert annehmen. Als nächstes "komplexifizieren"wir die Funktion f(x) wieder und erhalten das modifizierte Integral b f(x) dx f(z) dz a mit a( t) + bt, t [, ]. Wir ergänzen nun den Integrationsweg mit Γ zu einem geschlossenen Integrationsweg, sodass f(z) dz und f(z) dz 2πi Res zk (f(z)) k Γ +Γ einfach zu berechnen sind. Wir können unser reelles Integral nun folgendermaßen berechnen: b f(x) dx 2πi Res zk (f(z)) f(z) dz. k a Einen nützliche Hilfsweg Γ für Integrale der Form f(x) dx Γ 8
19 3 RESIDUENKALKÜL stellt ein Halbkreis mit R in der oberen (bzw. unteren) Halbebene dar, da das Integral über Γ unter folgenden Voraussetzungen verschwindet, falls f(z) p(z) q(z) und deg(q) deg(p) + 2: Standardabschätzung f(z) dz max f(z) πr c R πr. z Γ R2 Γ Es verbleibt lediglich mit z k in der oberen Halbebene. f(x) dx 2πi k Res zk (f(z)), 3.3 Pol auf der Kontur Liegt der Pol auf der Kontur, so lässt sich das Integral nicht unmittelbar berechnen. Siehe hierzu Kapitel 2.2 in sowie Beispiel.8 in Wir zeigen die Vorgehensweise an einem Beispiel Beispiel: si Funktion Wir wollen folgendes Integral bestimmen: sin(x) x dx si(x) dx. Der Integrand f(x) besitzt eine hebbare Singularität bei x, dennoch lässt sich das Integral nicht einfach durch Integration berechnen, da die Funktion si(x) keine analytisch darstellbare Stammfunktion besitzt. Wir formen das Integral also um: sin(x) x e dx Im ix x dx. Nun besitzt der Integrand einen Pol erster Ordnung bei z. Um den Wert des Integrals zu berechnen, transformieren wir das Integral zu einem komplexen Integral und definieren unser gesuchtes Integral als den Grenzwert I e iz z dz lim ɛ ɛ e iz z dz + ɛ e iz z dz lim ɛ L eiz z dz + R eiz z dz 9
20 3 RESIDUENKALKÜL und schließen den Integrationsweg L + R durch die Hilfswege Γ (Halbkreis in der oberen Halbebene mit R ) und ɛ (Halbkreis in der unteren Halbebene mit ɛ ). Wir erhalten folgendes, geschlossenes Wegintegral: L Im ɛ ɛ ɛ R Γ Re + ɛ+γ e iz z dz ɛ e ix x dx + ɛ eiz z dz + ɛ e ix x dx + Γ e iz z dz. Wir betrachten die einzelnen Bestandteile des Ausdrucks: ɛ ɛ e ix x dx + eiz z dz e iz z dz Γ + ɛ+γ ɛ 2π π e ix x ɛ dx e iɛeit ɛe it ɛieit dt e iz Rπ max z Γ z e iz z dz 2πiRes z e ix x dx I 2π π Rπ max ie iɛeit dt ɛ φ [,π] ( ) e iz z e ireiφ 2π π i dt πi er( sin φ+i cos φ) π max ireiφ φ [,π] ( sin φ + i cos φ) 2πi eiz 2πi, R Wobei wir die Standardabschätzung und den Residuensatz verwendet haben. Es ergibt sich für ɛ e ix x dx + e ix x dx e iz z dz eiz z dz e iz z dz. ɛ + ɛ+γ Der Grenzübergangɛ, R führt auf das Ergebnis ɛ Γ 2πi πi πi e ix x dx 2
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