6.8 Residuenkalkül. Ziel: Weitere Verallgemeinerung auf mehrere Löcher L 1,..., L N. Kapitel 6: Komplexe Integration Γ 1
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- Christa Kaiser
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1 6.8 Residuenkalkül Erinnerung: Sei f analytisch auf einem zweifach zusammenhängenden Gebiet G, d.h. G besitzt genau ein Loch L. Weiterhin seien und zwei positiv orientierte geschlossene Wege, die das Loch L einmal umlaufen. Verallgemeinerung des Cauchyschen Integralsatzes: Dann gilt f(z)dz = f(z)dz. Ziel: Weitere Verallgemeinerung auf mehrere Löcher L,..., L N. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 99
2 Integrale in Gebieten mit zwei Löchern. Sei f analytisch in einem Gebiet G, das zwei disjunkte Löcher L und L 2 hat. Sei G eine positiv orientierte Kurve um L und L 2. Weiterhin seien, G zwei geschlossene Kurven mit = +, wobei das Loch L einmal im positiven Sinne umläuft (aber nicht L 2 umläuft); das Loch L 2 einmal im positiven Sinne umläuft (aber nicht L umläuft). Dann gilt für beliebige geschlossene Kurven, 2 G, die jeweils nur L bzw. L 2 einmal im positiven Sinne umlaufen (siehe Skizze) f(z)dz = f(z)dz und f(z)dz = f(z)dz 2 und weiterhin mit = + die Formel f(z)dz = f(z)dz + 2 f(z)dz. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 200
3 Integrale in Gebieten mit mehreren Löchern. Sei f analytisch in einem Gebiet G, das N disjunkte Löcher L,..., L N hat. Sei G eine positiv orientierte Randkurve um L,..., L N. Weiterhin seien,..., N geschlossene Kurven in G, wobei für k =,..., N k das Loch L k einmal im positiven Sinne umläuft; k keines der anderen Löcher (außer L k ) umläuft. Dann gilt die Formel f(z)dz = N k= k f(z)dz. Bemerkung: Die Formel gilt insbesondere für den Fall, bei dem die Löcher L k jeweils zu einem Punkt z k G zusammenfallen, d.h. f besitzt isolierte Singularitäten in z,..., z N. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 20
4 Zur Bedeutung des Laurent-Koeffizienten c. Erinnerung: Für die Koeffizienten der Laurent-Reihe f(z) = c n (z z k ) n für 0 < z z k < r n= von f(z) um z k gilt die Darstellung c n = f(z) dz für n = 0, ±, ±2,.... 2πi (z z k ) n+ k Insbesondere gilt die Formel bzw. c = 2πi k f(z)dz k f(z)dz = 2πi c. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 202
5 Das Residuum. Definition: Die Funktion f besitze im Punkt a eine isolierte Singularität. Dann kann f in einer Umgebung von a durch eine Laurent-Reihe f(z) = c n (z a) n für 0 < z a < r n= dargestellt werden. Der Koeffizient c C wird als Residuum von f in a bezeichnet. Wir verwenden dafür die Notationen Resf(a) bzw. Resf(z) z=a. Bemerkungen: Der Begriff des Residuums bezieht sich auf die Laurent-Reihe von f um a, die in der Umgebung B r (a) \ {a} gilt, nicht auf beliebigen Kreisringen B r 2 r (a). Insbesondere ist das Residuum von f in a eindeutig. Falls f analytisch in ganz B r (a), so gilt Resf(a) = 0. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 203
6 Der Residuensatz. Satz (Residuensatz): Die Funktion f sei bis auf endlich viele isolierte Singularitäten z,..., z N in dem einfach zusammenhängenden Gebiet G analytisch. Weiterhin sei G eine positiv orientierte geschlossene Kurve, die alle Singularitäten einmal umläuft. Dann gilt N f(z)dz = 2πi Resf(z k ). Bemerkung: Die Integral-Darstellung im Residuensatz erweitert man wie folgt. f(z)dz = 2πi Resf(z) z G k= denn es gilt Resf(z) = 0 für alle z G \ {z,..., z N }. Insbesondere gilt f(z)dz = 2πi Resf(z) = 0 z G (der Cauchysche Integralsatz), falls f auf ganz G analytisch ist. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 204
7 Residuenbestimmung in einem Pol erster Ordnung. Sei a Pol erster Ordnung von f. Dann besitzt f um a die Laurent-Reihendarstellung Somit gilt f(z) = c z a + c 0 + c (z a) + c 2 (z a) (z a)f(z) = c + c 0 (z a) + c (z a) 2 + c 2 (z a) in einer Umgebung von a. Für z a bekommt man daraus c = lim z a (z a)f(z). Satz: Die Funktion f besitze in a C einen Pol erster Ordnung. Dann gilt Resf(a) = lim z a (z a)f(z). Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 205
8 Folgerung. Voraussetzungen: Die Funktion f besitze die Form f(z) = p(z) q(z), wobei p und q analytische Funktionen seien. Weiterhin besitze q in a eine einfache Nullstelle, d.h. Dann gilt q(a) = 0 und q (a) 0. lim (z a)f(z) = lim (z a)p(z) z a z a q(z) = lim z a In diesem Fall ist a p(z) q(z) q(a) z a = p(a) q (a). entweder ein Pol erster Ordnung von f (falls p(a) 0); oder eine hebbare Singularität von f (falls p(a) = 0). Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 206
9 Zusammenfassung. Sei f(z) = p(z) q(z) eine Funktion, wobei p(z) und q(z) in einer Umgebung von a C analytisch seien. Weiterhin besitze q in a eine einfache Nullstelle. Falls p(a) 0, so ist a ein Pol erster Ordnung von f mit Residuum Resf(a) = p(a) q (a). Falls p(a) = 0, so ist a eine hebbare Singularität von f. Beispiel: Berechnen für die Funktion f(z) = + z 2 das Residuum in z = i. Es gilt f(z) = p(z)/q(z) mit p(z) =, q(z) = + z 2, Resf(i) = 2z = z=i 2i. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 207
10 Anwendungen des Residuensatzes. Beispiel : Wir berechnen das uneigentliche reelle Integral Setze I = I R = für R > 0, so dass I = lim R I R. R R + x 2 dx. + x 2 dx Wir schreiben das reelle Integral I R als komplexes Integral I R = f(z)dz längs des Integrationsweges = [ R, R] C über die analytische Funktion f(z) = + z 2. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 208
11 Fortsetzung des Beispiels. Sei der Halbkreis mit Mittelpunkt Null und Radius R, positiv orientiert von (R, 0) nach ( R, 0) (siehe Skizze). Für = + gilt dann + z 2 dz = + z 2 dz + + z 2 dz = I R + J R. Betrachte das Integral J R = + z 2 dz Für R > gilt + z 2 R 2 auf und somit + z 2 R 2 für z. Daraus folgt J R = + z 2 dz πr R 2. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 209
12 Weitere Fortsetzung des Beispiels. Weiter folgt lim R J R = 0, und somit gilt I = I R = + z 2 dz Dieses Integral berechnen wir mit dem Residuensatz: Es gilt I = + z 2 dz = 2πiResf(i) = 2πi 2i = π. Elementare Berechnung des Integrals (mit Methoden der reellen Analysis): dx = arctan(x) + x2 = π ( 2 π ) = π. 2 Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 20
13 Nächstes Beispiel. Betrachte das Integral 0 x Der Integrand ist gerade, und somit gilt dx := I/2. I = lim R I R = lim R x dx. Es gilt (mit entsprechenden Bezeichnungen aus dem vorigen Beispiel) I R = z dz J R, wobei erneut lim R J R = 0. Wir bestimmen das Integral I R nun mit dem Residuensatz. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 2
14 Fortsetzung des Beispiels. Der Integrand f(z) = z besitzt Pole erster Ordnung in den vier Punkten ± ± i. Für R > 2 werden die beiden Pole z = ± + i von umlaufen. Es gilt Res z = z=+i Res z = z= +i 4z 3 4z 3 = z=+i = z= +i 4( + i) 3 = + i 4( + i) 4 = + i 6 4( + i) 3 = + i 4( + i) 4 = + i 6 Daraus folgt mit dem Residuensatz ( z 4 dz = 2πi + i i ) 6 = π 4 = I. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 22
15 Nächstes Beispiel. Betrachte für a > 0 und ω > 0 das Integral I = e iωx x 2 + a 2 dx. Es gilt (mit entsprechenden Bezeichnungen aus dem vorigen Beispiel) I R = R R e iωx x 2 + a 2 dx und J R = wobei erneut lim R J R = 0, und somit e iωz I = z 2 + a 2 dz. e iωz z 2 + a 2 dz Mit dem Residuensatz gilt e iωz eiωz z 2 dz = 2πiRes + a2 z 2 + a 2 = 2πi e ωa z=ia 2ia = π a e ωa. Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 23
16 Letztes Beispiel. Betrachte für 0 < α < das reelle Integral I = 0 x α ( + x) dx <. Zur Berechnung von I betrachten wir das komplexe Integral z α ( + z) dz = I + I 2 + I 3 + I 4, wobei = (siehe Skizze). Der Integrand ist analytisch, bis auf einen Pol erster Ordnung in z =. Weiterhin gilt lim R δ 0 I = I. lim I 2 = 0 R lim I 4 = 0, δ 0 so dass das Integral zu bestimmen bleibt. I 3 = 3 z α ( + z) dz Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 24
17 Fortsetzung des Beispiels. Parametrisiere den Integrationsweg 3 mit z(t) = t für δ t R. Nun gilt mit z α = z α e 2πiα auf 3 I 3 = R δ e 2πiα t α ( + t) dt = e 2πiα I somit lim R δ 0 z α ( + z) dz = I( e 2πiα ). Mit dem Residuensatz bekommen wir somit bzw. 2πi z α ( + z) dz = Res z α ( + z) I = = Res z α z= + z = e iαπ, z= 2πi 2i e 2πiα e iαπ = π e iαπ e iαπ I = 0 x α ( + x) dx = Das Integral ist für α 0 bzw. α divergent. π sin(απ). Komplexe Funktionen TUHH, Sommersemester 2008 Armin Iske 25
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