6 Die Leistungen der Gemeinde für die Einwohner und Bürger, ihre Rechte und Pflichten. I. Das Spektrum kommunaler Leistungserbringung
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- Theresa Hochberg
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1 Prof. Dr. März Kommunalrecht Die Leistungen der Gemeinde für die Einwohner und Bürger, ihre Rechte und Pflichten I. Das Spektrum kommunaler Leistungserbringung im Überblick II. Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde III. Gemeindliche Einrichtungen mit Anschluß- und Benutzungszwang
2 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 2 I. Das Spektrum kommunaler Leistungserbringung im Überblick Allgemeine Aufgabe der Gemeinden aus 1 Abs. 2 Satz 2 KV: Sie fördern das Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner > 2 Abs. 2 KV: harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung Gewährleistung des öffentlichen Personennahverkehrs Versorgung mit Energie und mit Wasser Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen Freizeit- und Erholungseinrichtungen Entwicklung des kulturellen Lebens Wohnungsbau gesundheitliche und soziale Betreuung = kommunale Daseinsvorsorge Dabei freie kommunalpolitische Entscheidung über Ob und Wie der Leistungserbringung im Rahmen der Gesetze und der finanziellen Möglichkeiten > grundsätzlich kein Anspruch der Einwohner auf eine bestimmte Aktivität der Gemeinde (Leistungsangebot)
3 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 3 Modalitäten kommunaler Leistungserbringung # nach Struktur des Zugangsrechts für die jeweilige Leistung " bei öffentlichen Sachen (Straßen) freier Zugang zur Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs ohne besondere Zulassung " bei öffentlichen Einrichtungen obligatorischer Anspruch auf Zugang zur Nutzung (je nach Kapazität) im Rahmen der Widmung durch Zulassung; eventuell gesetzliche Verpflichtung zur Inanspruchnahme durch Anschluß- und Benutzungszwang # nach rechtlicher Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses " bei öffentlich-rechtlicher Organisationsform > Wahlfreiheit des kommunalen Trägers zur öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses " bei privatrechtlicher Organisationsform > ohne Beleihung immer nur privatrechtliche Ausgestaltung möglich (BGB-Vertrag)
4 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 4 II. Die Nutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde 1. Die öffentliche Einrichtung der Gemeinde Einrichtung = alle Ressourcen (d.h. personellen und sachlichen Mittel), die die Gemeinde zur tatsächlichen Leistungserbringung bereithält bzw. einsetzt # benutzbare Sachen, z.b. Schule, Bibliothek, Museum, Sportplatz, Park, Friedhof, Festgelände # nicht: öffentliche Sachen mit besonderer Sachherrschaft # administrative Dienstleistungen, z.b. kommunale Homepage Einrichtung der Gemeinde = Zurechenbarkeit einer privatrechtlich organisierten Einrichtung zum kommunalen Rechtskreis durch öffentlich-rechtliche Steuerung und Kontrolle der gemeindlichen Ressource (Vorbehalt von Einwirkungsrechten)
5 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 5 öffentliche E. = Eröffnung der Nutzung durch Widmung für zumindest alle Gemeindeeinwohner ( > 14 Abs. 2 KV) und faktische Zugänglichkeit # Form der Widmung: Satzung oder Allgemeinverfügung oder schlichter Beschluß der Gemeindevertretung # Rechtsfolge der Widmung: obligatorisches Nutzungsrecht für Einwohner oder jedermann ohne sachenrechtliche Wirkung; daher besondere Zulassung zur Nutzung nicht erforderlich # Abgrenzung zu den Verwaltungseinrichtungen der Gemeinde = öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch (z.b. Rathaus, Standesamt, Stadtarchiv, kommunaler Fuhrpark) # Abgrenzung zu den privaten Einrichtungen der Gemeinde = öffentliche Schen im Finanzgebrauch (z.b. Ratskeller, kommunale Wohnungen)
6 Prof. Dr. März Kommunalrecht Organisationsformen der öffentlichen Einrichtung grundsätzlich keine besondere Organisationsform mit eigener Rechtsträgerschaft der öffentlichen Einrichtung erforderlich (z.b. bei Spielplatz oder Parkanlage), außer wenn wegen Modalitäten des Zugangs und der Nutzung notwendig (z.b. bei Schwimmbad, Museum, Schule) Wahlfreiheit der Gemeinde zur Organisation # in öffentlich-rechtlichen Formen (z.b. Regie- oder Eigenbetrieb, kommunale Anstalt) # in privatrechtlichen Formen (z.b. GmbH), auch mit privater (privatwirtschaftlicher) Beteiligung (Public-Private-Partnership), solange kommunale Beherrschung sichergestellt ist; andernfalls keine öffentliche Einrichtung der Gemeinde mehr (s.o.)
7 Prof. Dr. März Kommunalrecht Die Ausgestaltung der Nutzungsverhältnisse für öffentliche Einrichtungen Möglichkeiten der rechtlichen Ausgestaltung (Handlungsformen): # öffentlich-rechtlich (Verwaltungsakt, Verwaltungsvertrag), nur wenn Organisation öffentlich-rechtlich # privatrechtlich (BGB), nur wenn Organisation privatrechtlich => Verwaltungsprivatrecht, mit Grundrechtsbindung # zweistufig öffentlich-rechtlich / privatrechtlich (Verwaltungsakt / BGB-Vertrag), wenn Organisation öffentlich-rechtlich und zwei getrennte Stufen erkennbar sind ( Zulassung nicht erforderlich) dabei Maßstab: objektiver Erklärungsgehalt der getroffenen Maßnahmen (Gebühr./. Entgelt; Satzung bzw. Verwaltungsvorschriften./. AGB); im Zweifelsfall: öffentlich-rechtlich
8 Prof. Dr. März Kommunalrecht Der Anspruch auf Benutzung öffentlicher Einrichtungen mögliche Anspruchsgrundlagen: # Gesetz > 14 Abs. 2 KV; s.a. 5 Abs. 1 Satz 1 PartG # eventuell Anspruch auf Gleichbehandlung aus Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1, 3 GG) oder Unionsrecht (Art. 18 Abs. 1 AEUV) # Widmung als anspruchsbegründende Regelung (i.s.e. obligatorischen Benutzungsanspruchs) # Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung Kreis der Nutzungsberechtigten (nach Gesetz / Widmung): # Einwohner # Inhaber von Grundbesitz oder Gewerbebetrieb = Forensen # Juristische Personen mit Sitz in der Gemeinde # sonstige Nutzer (gemäß Widmung)
9 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 9 Anspruchsgegner (Verpflichtungsadressat): # bei öffentlich-rechtlicher Organisation / Ausgestaltung => Gemeinde # bei privatrechtlicher Organisation / Ausgestaltung: umstritten => Gemeinde als Trägerin/Verantwortliche der Einrichtung > öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Einwirkung (auf den privaten Träger) und Zugangsverschaffung (h.m.), vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen => privatrechtliche Organisation (Eigengesellschaft, GmbH) > Anspruch auf Zugang und Nutzung (im Vordringen), vor den Zivilgerichten geltend zu machen Umfang der Nutzung: gesetzliche Vorgaben (falls vorhanden) bzw. Widmung; bei unzureichender Kapazität nur Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung
10 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 10 III. Gemeindliche Einrichtungen mit Anschluß- und Benutzungszwang Voraussetzung eines Anschluß- und Benutzungszwangs: gesetzliche Regelung (grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt) und dringendes öffentliches Bedürfnis => 15 KV Gegenstände des Anschluß- und Benutzungszwangs => 15 KV Rechtsfolge des Anschluß- und Benutzungszwangs: # Anschlußzwang = Verpflichtung, die technischen Einrichtungen zur Entgegennahme der gemeindlichen Leistung zu schaffen # Benutzungszwang = Verpflichtung, die öffentliche Einrichtung der Gemeinde (z.b. kommunale Wasserversorgung) zu benutzen und die Nutzung anderer zweckidentischer Mittel (z.b. private Brunnen) zu unterlassen
11 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 11 Übungsfall (nach OVG Münster, VerwRspr. 1964, 204 ff. und 1969, 860 ff.; BGHZ 143, 362 ff.): In der mecklenburg-vorpommerschen Stadt S gibt es zunehmend Probleme mit der Wasserversorgung. Die verfügbaren Reservoire sind wegen der gestiegenen Einwohnerzahl, des erhöhten Wasserbedarfs in der Bevölkerung und des sorglosen Umgangs mit Trinkwasser in den letzten Jahren immer mehr geschrumpft, und der Grundwasserspiegel ist kontinuierlich gesunken. Außerdem erfolgt an vielen Stellen im Gemeindegebiet seit alters her eine genehmigte oder geduldete Wasserentnahme durch private Brunnen und Entnahmestellen an Flüssen und Bächen. S ordnet deshalb die Wasserversorgung grundlegend neu, indem zahlreiche neue und besonders umweltfreundlich arbeitende Trinkwassergewinnungsstellen gebaut werden. Zur Konsolidierung des Wasserhaushalts und zur Finanzierung des erheblichen Kostenaufwands für alle Haushalte und Betriebe im Stadtgebiet soll durch Satzung ein strikter Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet werden. Ausnahmen soll die Satzung nicht vorsehen, private Brunnen oder Wasserentnahmestellen sollen nicht mehr geduldet werden. In der Satzung soll außerdem festgelegt werden, daß S für Schäden im Zusammenhang mit der Wasserversorgung nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet. Diese kommunalen Planungen werden bei der ortsansässigen Brauerei B mit Schrecken aufgenommen. B ist eine kleine Brauerei, die sich mit hochwertigen Spezialbieren am Markt bislang gut behaupten kann. Fachleute führen dies u.a. darauf zurück, daß das Brauwasser aus einer eigenen und sehr tiefgehenden, im Jahr 1928 genehmigten und errichteten Brunnenanlage gefördert wird und wegen seiner Herkunft besonders rein und wohlschmeckend ist. B befürchtet nun durch die Verpflichtung, künftig Wasser aus dem kommunalen Leitungsnetz verwenden zu müssen, erhebliche Qualitäts- und Umsatzeinbußen. Ist der Erlaß der geplanten Satzung über die Wasserversorgung in S rechtlich zulässig?
12 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 12 Gliederung: I. Formelle Rechtmäßigkeit der geplanten Satzung Zuständigkeit der S # Verbandskompetenz der Gemeinde zum Erlaß der Satzung über die Wasserversorgung: nach 43 I 1 LaWG M-V als Pflichtaufgabe Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises, kann gem. 5 KV durch Satzung geregelt werden, ebenso Anschluß- und Benutzungszwang ( 15 I 1 KV) U # Organkompetenz in S: Stadtvertretung, 22 I 2, II 1, III nr. 6 KV U Verfahren und Form der Satzunggebung: 5 IV, 29 ff. KV II. Materielle Rechtmäßigkeit der geplanten Satzung Rechts- / Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß der Satzung: # 5 I 1 KV (für Neuordnung der Wasserversorgung) # 15 I KV (für Anordnung des Anschluß- und Benutzungszwangs [Gesetzesvorbehalt!] Voraussetzungen des 15 I KV und entgegenstehende Rechtspositionen # Zulässiger Gegenstand: kommunale Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung der S U # Dringendes öffentliches Bedürfnis für Anschluß- und Benutzungszwang (ABZ)? Funktionsfähigkeit einer (auch kostendeckenden) kommunalen Trinkwasserversorgung, nachhaltige Ressourcenschonung des Wasserhaushalts und Steuerung des Verbrauchs > Bedürfnis grundsätzlich U
13 Prof. Dr. März Kommunalrecht 6 13 # Absehen von Ausnahmen für ABZ ( 15 II 1 KV) zulässig? Könnte ermessensfehlerhaft sein, weil " geschützte Rechtsposition der B aus wasserrechtlicher Genehmigung (bestandskräftiger VA) entgegensteht; sie müßte erst aufgehoben und kann durch Satzung nicht überwunden werden. Daher wegen fortbestehenden Rechts zur Wasserentnahme Ausnahme vom ABZ erforderlich. " Grundrechtsschutz der B der ausnahmslosen Anordnung des ABZ entgegenstehen könnte: # Verletzung der Berufsfreiheit, Art. 12 I GG? Nein, kein(e) Eingriff / berufsregelnde Tendenz # Verletzung der Eigentumsgarantie, Art. 14 I GG? Verlust des Altrechts zur Grundwasserentnahme ist nur Inhalts- und Schrankenbestimmung, keine Enteignung (BVerfGE 58, 328 ff.), und nach den Besonderheiten des Wasser(haushalts)rechts grundsätzlich zulässig. # Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, Art. 3 I GG? Drängt sich auf, weil zwischen (privaten) Verbrauchern, deren Wasserversorgung durch das kommunale Leitungsnetz erfolgt, und der B als gewerblich tätige und auf hochwertige Qualität angewiesene Selbstversorgerin erhebliche Unterschiede bestehen, die S zu berücksichtigen hat. Wohl U # Ausschluß der Haftung der S für einfache Fahrlässigkeit bei der Wasserversorgung zulässig? Str. und nicht zuletzt von der rechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses abhängig: # falls öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis vorliegt, Haftung der S aus Amtshaftung und aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis, die nur nach gesetzlicher Ermächtigung beschränkt werden kann; weder Satzungsbefugnis noch ABZ reichen hierfür aus > unzulässig. # falls privatrechtliches Benutzungsverhältnis vorliegt, Haftung der S aus privatem Vertragsrecht und ggf. aus unerlaubter Handlung (Verkehrssicherungspflicht), die nach überwiegender Meinung ebenfalls ohne gesetzliche Ermächtigung nicht ausgeschlossen oder reduziert werden kann; z.t. wird allerdings eine einzelvertragliche Haftungsbeschränkung zugelassen. III. Ergebnis: Satzung kann so wie geplant nicht rechtmäßig erlassen werden.
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