Fall 9: Solidarfonds Lösungshinweise. II. Beschwerdeberechtigung Jedermann i.s. des Art. 93 Nr. 4a GG und des 90 I BVerfGG A-GmbH Art.
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- Babette Neumann
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1 Fall 9: Solidarfonds Lösungshinweise Die Verfassungsbeschwerde ist erfolgreich, wenn sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Zuständigkeit: Art. 93 I Nr. 4a GG und 13 Nr. 8a BVerfGG II. Beschwerdeberechtigung Jedermann i.s. des Art. 93 Nr. 4a GG und des 90 I BVerfGG A-GmbH Art. 19 III GG III. Beschwerdegegenstand Jeder Akt öffentlicher Gewalt, 90 I BVerfGG die angegriffenen Gerichtsentscheidungen IV. Beschwerdebefugnis Möglichkeit der Grundrechtsverletzung Eigene, gegenwärtige und unmittelbare Beschwer V. Rechtswegerschöpfung/Subsidiarität 90 II 1 BVerfGG Keine anderen Möglichkeiten zur Geltendmachung der Rechte VI. Form und Frist 23 I, 92 BVerfGG 93 I BVerfGG Zwischenergebnis Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig
2 B. Begründetheit Die Verfassungsbeschwerde hat Erfolg, wenn die Beschwerdeführerin in einem Grundrecht oder grundrechtsgleichen Recht verletzt ist. Keine Superrevisionsinstanz. Hier kommt das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) in Betracht. I. Schutzbereich Einheitlicher Schutzbereich Def. Beruf Art. 19 III GG II. Eingriff Hier: Gerichtsurteile Klassischer Eingriff (-) keine Finalität Moderner Eingriff Objektiv berufsregelnde Tendenz Nur im Fall der Entrichtung der Abfallausfuhrabgabe können Abfallentsorger Abfall ins Ausland ausführen. Damit betrifft die Abfallausfuhrabgabe im Schwerpunkt eine typischerweise beruflich ausgeübte Tätigkeit. III. Rechtfertigung Obersatz Einschränkbarkeit + Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage + Verfassungsmäßigkeit der Einzelfallmaßnahme - 2 -
3 1. Einschränkbarkeit Einfacher Gesetzesvorbehalt 8 I 6 AbfVerG 2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage Formell a) Gesetzgebungskompetenz: aa) Verbandskompetenz: Ausschließliche Kompetenz gem. Art. 73 I Nr. 5, Art. 71 GG (Außenhandel)? (-) wenn Materie spezieller woanders geregelt ist Steuergesetzgebung (Art. 105 GG)? (-) Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Abfallwirtschaft ( Art. 74 I Nr. 24, 72 I GG) speziellere Kompetenz (+) bb) Organkompetenz: Bundestag (Art. 77 I 1 GG) b) Verfahren: Art. 76 ff GG ( hier keine Probleme ersichtlich) c) Form: Art. 82 GG (hier keine Probleme ersichtlich) Materiell Verhältnismäßigkeit a) Legitimer Zweck - 3 -
4 b) Geeignetheit c) Erforderlichkeit d) Angemessenheit Spannungsfeld: Art. 12 I GG legitimer Zweck Verstoß gegen Vorgaben der Finanzverfassung für staatliche Abgaben? aa) Steuer (Art. 105 II GG) (-) bb) Abfallausfuhrabgabe als nichtsteuerliche Abgabe Grundsätzlich zulässig Begrenzungs- und Schutzfunktionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG): Grenzen für Abgaben, die der Gesetzgeber dem Bürger in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt. Drei verfassungsrechtliche Prinzipien begrenzen die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben: 1. besondere Rechtfertigung, die über das bloße Ziel der staatlichen Einnahmenerzielung hinausgeht 2. Grundsatz der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen 3. Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 110 I GG) Unter Wahrung dieser Grundsätze sind als nicht steuerliche Abgabe Gebühren (aa.), Beiträge (bb.) und Sonderabgaben (cc.) zu unterscheiden. aa. Gebühren - 4 -
5 Gebühren werden im Unterschied zu Steuern für die tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung erhoben. bb. Beiträge Beiträge sind die Gegenleistung für einen gewährten Sondervorteil, wobei es im Unterschied zu den Gebühren nicht darauf ankommt, ob der Beitragspflichtige den Beitrag wirklich in Anspruch nimmt. Ein Beitrag wird damit für die Möglichkeit eines Sondervorteils erhoben. cc. Sonderabgaben keine unmittelbare staatliche Gegenleistung Probleme: Gefährdungen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Parlamentarisches Budgetrecht Deshalb: nur ausnahmsweise zulässig Voraussetzungen Erstens sind Sonderabgaben nur zur Verfolgung eines besonderen Sachzwecks zulässig, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Zweitens darf mit einer Sonderabgabe nur eine homogene Gruppe belegt werden. Drittens muss dieser homogenen Gruppe eine besondere Finanzierungsverantwortung zukommen, weil sie in einer spezifischen Sachnähe zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht
6 Viertens muss das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet werden. Fünftens muss der Gesetzgeber im Interesse wirksamer parlamentarischdemokratischer Legitimation und Kontrolle die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren und damit periodisch überprüfen. Hier: (1) Besonderer Sachzweck: = legitimer Zweck (2) Homogene Gruppe: Abfallentsorger (3) Besondere Finanzierungsverantwortung: (4) Gruppennützige Verwendung: (5) Haushaltsrechtliche Dokumentation und periodische Überprüfung: Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt ist diesbezüglich von ordnungsgemäßer Dokumentation auszugehen. Zwischenergebnis: Die Abfallausfuhrabgabe ist folglich auch nicht als eine Sonderabgabe rechtmäßig. Damit unterfällt sie keinem der finanzverfassungsrechtlichen Abgabentypen. Die sie anordnende Norm, 8 I 6 AbfVerG, ist daher verfassungswidrig. Sie kann folglich keine Rechtfertigungsgrundlage für den in den Urteilen liegenden Eingriff in Art. 12 I GG darstellen. Die Urteilsverfassungsbeschwerde ist damit begründet. C. Ergebnis Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und begründet. Das BVerfG wird daher die von der Beschwerführerin angegriffenen Gerichtsentscheidungen gemäß 95 II BVerfGG aufheben und die gesetzliche Grundlage im AbfVerG für verfassungswidrig und nichtig erklären gemäß 95 III 2 BVerfGG
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